Vergleich: Handzahme und fordernde Motorräder
Entspannung oder Stress?

Entspannung oder Stress?
Foto: fact

Druck im Motor setzt auch manchen Fahrer gewaltig unter Druck. Sorgen viele PS automatisch für viele Schweißperlen auf der Stirn?

Suzuki B-King und Ducati Streetfighter S
Dieser Überfluss an schierer Kraft: Ständig strebt das Vorderrad gen Himmel, Anfahren geht ohne durchdrehendes Hinterrad kaum noch, und auf der Autobahn flattert man bei 200 km/h hilflos im Wind – so die gängigen Klischees. Wer will, kann Naked Bike fahren durchaus so erleben. Zum Beispiel auf der Ducati Streetfighter. Der Motor hämmert wild los, das Teil schießt beim kleinsten Dreh am Gas wie die sprichwörtliche Kanonenkugel vorwärts. 150 PS katapultieren den unter 200 Kilogramm leichten Zweizylinder aus dem Stand dermaßen brutal voran, dass der Fahrer alle Hände voll zu tun hat und jederzeit alle sieben Sinne beieinander haben muss. Das Fahrwerk haut im Prinzip in die gleiche Kerbe wie der Motor. Den Streetfighter musst du permanent bei den Hörnern packen. Ähnliches gilt für die negative Beschleunigung: Die giftigen Monobloc-Brembos lassen das Hinterrad vor jeder Kurve nur noch hauchzart auf den Asphalt titschen, das stellt höchste Anforderungen an Konzentration und Feinmotorik.

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Künstle
Viel Power, doch im Alltag handzahm: Die Suzuki B-King kann Lamm oder Wolf sein, der Fahrer hat es in der Hand.

Nun könnte man einwenden: alles eine Frage von Körperbeherrschung und mentaler Stärke. Schließlich zwingt einen ja niemand, das Kabel immer bis zum Anschlag aufzurollen. Aber gemütlich herumbummeln auf einer Ducati, die Landschaft genießen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? Das geht mit einem so aggressiv fordernden Gerät nicht. Wer es einfach entspannt laufen lassen will, wer nicht aktiv und mit voller Konzentration bei der Sache ist, wird mit dem eigenwillig bockigen Untersatz wenig Spaß haben. Da fehlt Fahrwerk wie Motor plötzlich jegliche Geschmeidigkeit, da eiert das Powerteil planlos in die Kurven hinein. Die Duc fordert in jeder Hinsicht den vollen Einsatz, sie ist definitiv nicht der geeignete Untersatz für Einsteiger, Touristen oder Spazierfahrer.Den völligen Kontrast zum Italo-Streetfighter bildet die Suzuki B-King. Und das, obwohl sie noch mehr Power besitzt und mit ihrer mächtigen Erscheinung im Vergleich zur filigranen Duc geradezu monströs wirkt. Allein die Eckdaten: Satte 1,3 Liter Hubraum, 184 PS Spitzenleistung bei 260 Kilogramm Gewicht, extremer geht es nicht, der materielle Overkill.

Aber schon auf den ersten Metern wird klar, dass die Suzuki nicht der vermutete Extremist ist, dass sie völlig anders gepolt ist als die Ducati. Wer es nicht selber probiert hat, wird es nicht glauben. Mit den mächtigen Auspufftrompeten und dem ausladenden Bodywork wirkt die B-King geradezu beängstigend, fährt sich angesichts ihres subjektiv beeindruckenden Äußeren und des objektiv hohen Gewichts jedoch unglaublich easy. Welches Geheimnis steckt dahinter? Es ist zunächst einmal diese überragende Geschmeidigkeit des Antriebs. Der Vierzylinder dreht seidenweich hoch, hängt trotz der schieren Kraft sanft und berechenbar am Gas, und er verschreckt weder durch brachialen Leistungseinsatz noch durch harte Lastwechselreaktionen. Anders als der aufputschende V2 der Duc wirkt die Charakteristik des Reihenvierers eher beruhigend, vermittelt eine souveräne Lässigkeit. Gleiches gilt für das Fahrwerk. Denn die B-King gehört zu jenen Maschinen, die wie von Zauberhand geführt der Ideallinie folgen.

Künstle
Das wilde Biest: Die Ducati Streetfighter braucht ständig den vollen Einsatz, das gilt für Körper und Geist.

Und das, obwohl der serienmäßige Dunlop Qualifier gemeinhin als wenig homogener Pneu gilt. Reifen, Federung, Chassis, Motor – alles an der B-King wirkt wie aus einem Guss. Eine B-King könnte man folglich auch einem weniger routinierten Fahrer in die Hand drücken, ohne befürchten zu müssen, dass er sich schon auf den ersten Metern atomisiert. Natürlich mit der Einschränkung, dass 184 PS ein gewisses Verantwortungsbewusstsein und mentale Reife verlangen. Doch wer will, kann mit ihr ganz relaxed durch die Landschaft rollen. Eine ganz andere Welt verkörpert die Ducati. Sie ist definitiv nichts für Einsteiger, sie ist etwas für Fortgeschrittene. Der Italo-Streetfighter fordert seinen Fahrer permanent heraus. Das wissen Ducatisti im Allgemeinen, und sie haben es so gewollt. Wenn nicht, gibt es Stress.

Yamaha YZF-R1 und Buell 1125 R - Ums Eck gebracht

Man nehme einen steilen Lenkkopf, leichte Räder und niedriges Gewicht, schon ist der Kurvenstar fertig. Klingt schön, ist aber bei Weitem nicht so einfach. Weniger ist manchmal mehr, und radikale Eckdaten ersetzen nicht ein präzises Abstimmen der Fahrwerks-Parameter.

Bilski
Es kommt darauf an, was man daraus macht: Die Yamaha YZF-R1 bietet eine konventionelle Bremse und Scheiben an der Nabe.

Was nützt die schönste Leistungskurve, die beeindruckendste Maximalpower, wenn der geliebte Hobel zwar tierisch geradeaus geht, aber vor Kraft kaum ums Eck kommt und der Versuch, die Leistung auch einzusetzen, in einem Rodeo-Ritt endet? Ohne fein austariertes Fahrwerk bleibt der Spaß auf der Strecke. Das Fahrwerkskapitel ist ein ebenso komplexes wie sensibles, von vielen eng verflochtenen Parametern bestimmtes Gebiet. Passt alles, ist Gaudi vorprogrammiert. Bestes Beispiel: die YZF-R1.

Die sorgfältige Komposition von Lenkwinkel und Nachlauf, Schwerpunktlage, Schwingenlänge und Drehpunkt machen das R1-Chassis zu einem superben Fahrwerk. Handzahm, durchschaubar und verlässlich, dabei ausgesprochen kommod und stabil, dass der Kopf frei bleibt. Dabei sind 66 Grad Lenkkopfwinkel, 102 Millimeter Nachlauf und deren 1415 Radstand keine exotischen Werte, sondern guter Klassenstandard. Mehr noch: Die Auspufftöpfe der R1 stecken weiterhin eigentlich Handling-unfreundlich unter der Sitzbank. Geht man radikaler zu Werke, dann müsste ein noch leichtfüßigeres, noch unkomplizierteres Motorrad entstehen – dachte sich Erik Buell. Ergo strotzt seine 1125 R nur so vor extremen Eckdaten und Ideen. 69 Grad Lenkkopfwinkel, 88 Millimeter Nachlauf, 1385 Millimeter Radstand. Das ist extrem. Dazu ein Underengine-Auspuff, nur eine Bremsscheibe im Vorderrad, die dafür riesig im Durchmesser und außen am Felgenrand befestigt ist – das ermöglicht eine filigrane Nabe und damit ein leichtes Rad für geringere Kreiselkräfte sowie ungefederte Massen. Außerdem sorgt der in den Rahmenprofilen gebunkerte Sprit dafür, dass die Gewichtsverteilung mit 53 zu 47 Prozent ausgesprochen vorderradlastig ist.

Fotos: Buenos Dias, Ratering
Anders ist nicht automatisch besser. Auch wenn die ungefederten Massen der Buell 1125 R gering sind, das Rad leicht und die Geometrie radikal.

Da müsste die Buell eigentlich von alleine die Kurve wischen. Aber weit gefehlt. Sperriges Einlenken, vor allem auf der Bremse, Aufstellen auf Bodenwellen. Wo die R1 federleicht durch Kurven swingt, Bodenwellen sorgfältig absorbiert und die Linie beibehält, hat der Buell-Fahrer zu tun und muss ihr schon zeigen, wo’s langgehen soll. Von selbst geht da nicht viel. Offensichtlich sind die radikalen Maßnahmen in Summe schlicht zu viel des Guten. Und bringen das empfindliche System Fahrwerk aus der Balance. Bereits ein Wechsel der Reifen wirkt sich spürbar aus. Das Anheben der Front um einige Millimeter ebenfalls. Dass das Buell-Chassis grundsätzlich Potenzial besitzt, zeigen diverse erfolgreiche Renneinsätze penibel abgestimmter 1125 R – allerdings mit leicht korrigierter Geometrie. Es kommt beim Fahrwerk also nicht allein auf die Zutaten, sprich: die Papierform an. Die perfekt aufeinander abgestimmte Mischung macht’s.

Kawasaki Z 750 und Triumph Street Triple - Verkehrte Welt

Eigentlich scheint die Lage klar zu sein: Die quirlige Triumph stresst, die solide Kawasaki entspannt. Es kommt anders.

Kein purer Stress, aber auch kein Endorphinschub: Die Kawasaki Z 750 als solide japanische Hausmannskost ohne Gipfel.

Man sollte die Rechnung nie ohne den Wirt machen. Ein alter Spruch, der auch für Motorradfahrer gilt. Man sollte die Maschine nie ohne den Fahrer beurteilen. Vor allem nicht, wenn es um so subjektive Dinge wie Stressempfinden geht. Wenn nun eine Triumph Street Triple auf eine Kawasaki Z 750 trifft, schenken sie sich von der Papierform her wenig. Beide106 PS stark, um die 8000 Euro teuer, das passt zusammen. Die Kawa hat einen Zylinder, 70 cm3 und satte 40 Kilogramm mehr im Angebot. Die Sache scheint klar: ein souveräner Gleiter mit sonorem Vierzylinder gegen eine ultranervöse Dreizylinderbiene. Lockerers Dahingeschwebe gegen ständiges Stochern im Grenzbereich.

Easy going: leichte Maschine, ziemlich viel Sound, knackige Stopper. Die Street Triple sorgt für Glücksgefühle und Stressabbau.

Oh nein! Beide starten, hören, einmal am Gas drehen: Gute Vierzylinderkost bei Kawasaki, die Triumph so was von einem röhrigem Hirsch, glücklich stellen sich Biker-Nackenhaare auf. Triple-Treiben erzeugt pure Euphorie beim Fahrer. Ein präzises, sattes, durchzugsstarkes Fahrerlebnis. Auch langsam und soundbetont zu genießen. Völlig mitreißend, total easy, jeglichen Stress wegröhrend. Und die Z 750? Wiegt etwas schwerer in der Hand, hängt sich rein, bemüht sich stets, aber bekommt es nicht so hin. Zaubert einfach vergleichsweise wenig Endorphine ins Hirn. Trotzdem ein wirklich leicht zu bewegender Begleiter, der keinerlei Stress macht. Der Stress kommt beim Fahren. Da nerven die Anderen, der Stau, die endlos lang rote Ampel. Das alles brabbelt die Triumph einfach unterhaltsam weg. Auf ihr freut man sich jede Sekunde, die man mit ihr verbringt. Auf der Kawasaki ist man froh, dass man weitergekommen ist. Noch einen Spruch zum Schluss: Das Bessere ist des Guten Feind. Die Kawa stresst nicht, die Triumph begeistert.

Yamaha XJ6 und KTM 690 Duke - Wer Stress sucht, wird die Duke ernten

Oder anders herum: Wer es besinnlich liebt, liegt mit der XJ6 genau richtig. Zwei Motorräder, so unterschiedlich wie die Typen, für die sie gebaut sind. Welcher Typ sind Sie?

Künstle
Der XJ6-Vierzylinder stellt mit seinem sanften Charakter wenig Ansprüche an das Bordpersonal.

Es gibt in der MOTORRAD-Redaktion beide, und das ist gut so. Zwei Fahrertypen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der eine, Markus, weitgereist und dem Thema seit vielen, vielen Jahren eng verbunden. Der andere, Karsten, ist Testfahrer, ebenfalls rund um die Welt auf zwei Rädern unterwegs und der Sache praktisch per Definition genau so stark verpflichtet.

So viel zu den Gemeinsamkeiten. Doch viel bedeutsamer ist der Unterschied. Markus und Karsten sind zwei völlig unterschiedliche Typen. Der Testfahrer sucht auf zwei Rädern unentwegt nach den Grenzen der Technik – und ganz nebenbei auch seinen eigenen. Der Reise-Redakteur hat diese für sich längst ganz eindeutig definiert. Und damit auch die, wohin die Technik ihn bringen soll. Was hat das nun mit KTM Duke und Yamaha XJ6 zu tun? Ganz klar: Je nachdem, welcher Typ Sie sind, werden Sie entweder mit der Yamaha oder mit der KTM glücklich werden. Ganz selbstverständlich. Allerdings hat die Sache einen Haken. Den mit der Selbsteinschätzung. Wo liegt die Grenze zwischen Markus und Karsten? Und noch etwas: Ab wann wird das, was die kantige Duke mehr an Einsatz fordert, zum Stress, während die Geschmeidigkeit der XJ6 willkommenen Support darstellt? Vielleicht hilft die folgende Schilderung weiter. Eine stinknormale Kurve auf der Duke. Natürlich ist man spät, sehr spät auf der Bremse, das ist auf diesem Gerät einfach Ehrensache. Federleicht fällt das Leicht-gewicht in Schräglage. Derart leicht, dass es schnell zu viel des Guten ist – die Duke fällt weiter als gedacht. Deshalb rasch etwas Zug am Hinterrad, um die gewünschte Linie zu halten. Erbarmungslos peitscht der untertourig drehende Single mit der Kette. Wieder das Schalten vergessen. Unter 3000/min geht bei dem großen Einzylinder mangels Schwungmasse nichts, das ist der Preis der Drehfeude und Agilität.

Jahn
Hektische Betriebsamkeit herrscht auf der KTM 690 Duke. Der aggressive KTM-Single mit schmalem Drehzahlband ist für Leute geschaffen, die permanent nach Herausforderungen suchen.

Somit zügig runter mit den Gängen, Dritter oder Zweiter, in ganz engen Ecken sogar der Erste. Jetzt passt es, plötzlich schiebt der Single die Duke mit Druck auf die Linie. Mit dem Nachteil, dass die Fuhre spontan schneller wird. Und damit zwangsläufig schräger. Also weiter drücken, sehen, was geht. Wenn es zu viel war, Gas raus, im schlimmsten Fall bremsen. Wieder fällt die KTM, das nervöse Spiel beginnt von vorn. Dieselbe Szene auf der Yamaha. Auch ein Mittelklasse-Motorrad, aber ein ganz anderes. Mit 215 Kilogramm satte 55 Kilo (oder eine ausgewachsene Sozia) schwerer als die federleichte Duke. Auch hier spät (vielleicht nicht ganz so spät) bremsen, dank ABS mit der notwendigen Gelassenheit. Das Einlenken geht leicht (natürlich nicht ganz so leicht) wie auf der Duke, mit etwas Nachdruck ist die XJ6 auf der gewünschten Linie (aber eben nicht darüber hinaus). Dort liegt sie schön neutral, ihr komfortables Fahrwerk fängt sogar Bodenwellen und Absätze ab. Aha, da ginge noch was. Sanft und berechenbar (und nicht hart und sprunghaft wie der radikale Single) nimmt der Vierzylinder Gas an, schiebt die XJ im hohen Gang mit wenig Drehzahl behutsam auf das gewünschte Tempo. Jetzt mit ein wenig Druck die Schräglage erhöhen. Passt, sitzt und hat Luft. Auf zur nächsten Kurve.

So unterschiedlich kann sie sich anfühlen, diese ganz normale Kurve an einem ganz normalen Sommertag. In „gut“ oder „schlecht“ lassen sich diese Eigenschaften dennoch nicht so ohne Weiteres einordnen. „Ich brauche ein Motorrad, das mich in Ruhe lässt“, hat Markus einmal gesagt. Und meinte eines, auf dem die Sitzbank ganz weich ist und wegfiltert, was das Federbein übrig lässt. Eines, auf dem es nicht so wichtig ist, welcher Gang gerade drin ist oder welche Drehzahl anliegt. Eines, auf dem auch eine unbedachte Aktion nicht gleich zu unüberschaubaren Folgen führt, weil das Motorrad Fehler verzeiht. Für Karsten hingegen geht es immer nur um pure Action. Um 100 Prozent. Wer genau weiß, was er tut, will immer etwas tun. Wer am Kurveneingang bereits den Ausgang kennt, wird den richtigen Gang parat haben. Wer genau am richtigen Punkt ans Gas geht, wird den heftigen, punktgenauen Leistungseinsatz lieben. Wer genau wissen muss, wann die Reifen ihre Haftung aufgeben, wird Federbein und Sitzbank als gewissenhaften Übermittler des Straßenzustands schätzen. Darum wählt Markus die Yamaha, Karsten die KTM. Und was wählen Sie?

Suzuki Intruder M 1800 R und Honda Shadow 750 - Sanftmut oder Feuer?

Was braucht ein Cruiser? Klar, V2-Motor, lange Gabel und eingebaute Lässigkeit. Aber bei allen Gemeinsamkeiten liegen Welten zwischen den extremsten Vertretern dieser Motorrad-Gattung. Richtig gutmütig und gemütlich oder doch eher extrem fett und feurig – beides ist möglich.

Künstle
Ein Fall für sich: Der fette 240er-Reifen der Suzuki M 1800 R läuft jeder Spurrille hinterher, ständig muss der Kapitän den Kurs korrigieren.

Einmal nach Las Vegas, endlose Weiten erleben, die Sonne putzen. Nur ein Traum? Nun, auch in der deutschen Verkehrswirklichkeit mit Stau aus dem Nichts und verstopften Straßen gibt es einen Weg zur inneren Ruhe. Auf Nebenstrecken. Dort, wo Entfernungen relativ und Geschwindigkeit nebensächlich sind. Hier ist die Honda Shadow 750 in ihrem Element. In ihrer verchromten (Plastik-) Lampe krümmt sich die Landschaft ringsum, der Fahrer entdeckt die freundliche Seite der Langsamkeit, genießt intensiv Bäume, Vögel, Blumen. Großes Kino.

Trotz oder gerade wegen mauer Leistung vermittelt die zierliche Honda viel Freude am Fahren. Bescheidene 44 PS schickt der V2 via Kardanwelle ans Hinterrad. Nicht viel, um 267 Kilogramm in Schwung zu versetzen. Na und? Diese total lässige 750er, die sich beim Rollen viel leichter anfühlt, verkörpert Sanftmut auf zwei Rädern. Butterweich ist ihre Kupplung, lastwechselarm ihr Antrieb, neutral und recht komfortabel das Fahrwerk. Klar kommt die weiche, schwach gedämpfte Abstimmung auf Akne-Asphalt rasch an ihre Grenzen. Ist das schlimm? Dann war man eben einfach zu forsch unterwegs. Ein Ohrenschmaus: der blubbernde Sound. Da ist die 1800er-Intruder aus einem anderen Holz geschnitzt. Schon ihr martialischer Auftritt macht klar, wer hier der Chef im Ring ist. Fließende, dynamische Linien unterstreichen sportiven Anspruch. 1,8 statt 0,75 Liter Hubraum, fette 160 statt lediglich 64 Newtonmeter Drehmoment.

Satte 125 PS wuchten die dicksten Serienmotorradkolben (112 Millimeter Bohrung!) aller Zeiten auf die Kurbelwelle. Ein drehfreudiger, kurzhubiger (Power-) Cruiser, eigentlich ein Widerspruch in sich. Doch genau darin liegt der Reiz des agilen Sieben-Zentner-Trumms.Aber Obacht, es existiert eine dunkle Seite. Wer die tollen Fahrleistungen auskostet, wandelt auf schmalem Grat. Der sportlichen Attitude lässt die Sumo-Suzi keine adäquaten Taten folgen. Ihr Fahrwerk reagiert übersensibel auf Spurrinnen, ja selbst auf kleinste Spurrillen. Und die 240er-Heckwalze versetzt bei Unebenheiten heftig, man hat alle Hände voll zu tun, die schlingernde Fuhre auf Kurs zu halten, wo die Honda lässig darüber hinwegcruist. Uih, uih, uih, wie schnell die Gerade aufgebraucht ist, die nächste Kurve heranfliegt, durch die es laut schleifend geht. Allzu leicht überbremst das Vorderrad, spätestens bei Nässe bräuchte es dringend ein ABS, um Stürze zu vermeiden. Da hilft es, sich auf wahre Cruiser-Werte zu besinnen: einfach langsamer tun und sich am tiefen Schiffsdiesel-Sound erfreuen. Man könnte ja, wenn man wollte.

Spannungsgebiete - Easy going oder purer Stress?

Konzentration, Anspannung, Stress – der Übergang ist fließend. Ob angenehm oder anstrengend, daran hat das Motorrad einen entscheidenden Anteil, wie die fünf beispielhaften Paarungen zeigen. Manche Dinge liegen aber auch am Fahrer.

Künstle
Motorradfahren macht glücklich, solange Stress vermieden wird.

Wer heizt, ist selber schuld. Man könnte ja auch ganz gemütlich und entspannt durch die Landschaft gondeln. So trivial diese Erkenntnis ist, falsch ist sie nicht. Schnell fahren fordert mehr Aufmerksamkeit, mehr Konzentration – und erzeugt im Extremfall eher Stress. In der Ruhe liegt die Kraft.

Es sind keineswegs immer äußere Faktoren, die für Stress sorgen, sondern in vielen Fällen macht ihn sich der Mensch selbst. Das gilt wie sonst im Leben auch beim Motorradfahren. Ein zu eng gefasster Zeitplan, Überforderung, manchmal auch Unterforderung, zu hoch gesteckte Ziele und Ansprüche, Gruppenzwang, all das können auslösende Faktoren sein. Wer also unterwegs erste Stresssymptome feststellt: zwischendurch einfach mal durchatmen, relaxen, auf den Boden zurückkommen, die Kumpels fahren lassen.

Die gewählten Paarungen zeigen außerdem, dass es auf der anderen Seite Motorräder gibt, die einem das Leben leicht machen. Das sind in erster Linie Motorräder, die einfach nur gut funktionieren, die sich keine ausgeprägten Schwächen leisten und daher in der MOTORRAD-Wertung viele Punkte sammeln. Darüber hinaus sind es Maschinen, die eine gewisse Balance, eine Harmonie ausstrahlen. Das lässt sich an Dingen wie Ergonomie bis hin zur Motorcharakteristik festmachen, dahinter steckt aber mehr als die Summe der Einzelteile. Mit der Fahrzeugkategorie hat das dagegen nur sehr bedingt etwas zu tun. Sicher birgt ein 600er-Mittelklässler weniger Stresspotenzial als eine 180-PS-Granate. Aber selbst lässig erscheinende Cruiser oder Allrounder können echt nerven.

Bis zu einem gewissen Grad ist es allerdings manchmal gar nicht schlecht, wenn ein Motorrad mehr Aufmerksamkeit fordert. Denn schließlich kann es ja auch eine gewisse Gefahr in sich bergen, wenn der Fahrer nicht richtig bei der Sache ist und allzu entspannt durch die Landschaft fährt. Womit wir wieder bei den Vorstufen von Stress wären, nämlich Anspannung und Konzentration. Und das schadet beim Motorradfahren nie.

Stressfaktoren - Stress lass nach

Um Stress auf dem Motorrad zu vermeiden, sollte man die Ursachen kennen. Oft lässt sich die körperliche und geistige Belastung reduzieren, wenn man sich über den Ursprung im Klaren ist. Hier enige Beispiele für typische Stressfaktoren.

• Selbst erzeugter Stress Selbstüberforderung, zu hoch gesteckte Ziele ; zu schnelles Fahren, womöglich in der Gruppe; Übermüdung auf zu langen Etappen

• Schlechter Wartungszustand Zum Beispiel Lenkkopflager mit Mittelrastung, schwergängige Züge; tückische Bremsen

• Reifen Unharmonischer Reifentyp mit Aufstellmoment beim Bremsen oder Gegenlenken in Kurven; kein neutrales Lenkverhalten

• Bockige Fahrwerke Oft durch Verschleiß oder Defekt, manchmal auch durch falsche Einstellung verursacht

• Ruppiger Leistungseinsatz, harte Gasannahme, Lastwechselreaktionen

• Leistungslöcher oder schmales Leistungsband des Motors

• Schlechtes Tuning Unharmonische Charakteristik, ungeeignetes Zubehör, verschlechterte Ergonomie

• Ungünstige Ergonomie Zusätz-liche körperliche Belastung durch verkrampfte Sitzhaltung oder unbequeme Polsterung

• Weitere Faktoren Zum Beispiel Lärm durch Windschild oder Helm, schlechte Sicht durch dreckige oder verkratzte Visiere; außerdem falsche Kleidung, also ein frierender Fahrer oder im Extremfall auch Unkonzentriertheit durch Hitze

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023