Vergleichstest 1000er-Supersportler 2006
The show must go on

Das Mysterium wiederholt sich. Immer dann, wenn wir denken, dass nach oben nichts mehr geht, kommt die nächste Generation unglaublicher Supersportler. Hat dieses Spiel keine Grenzen?

The show must go on
Foto: fact

Doch, es hat Grenzen. 200 Kilogramm vollgetankt, mit allem, was für Kühlung, Schmierung, überhaupt für den
reibungslosen Betrieb notwendig ist. Darunter geht es nicht. Jedenfalls nicht im Jahr 2006. 200 Kilogramm – das ist derzeit die Schallmauer der ultraleichten, ultrastarken 1000er-Supersportler. Und sie wird gehalten von – na? – ganz genau! Von
einer, die es so bereits im vergangenen Jahr gab. Von der Suzuki GSX-R 1000.
Da hatten wir aber schon weniger, mögen einige jetzt sagen. Kawasaki ZX-10R, Modelljahr 2005. 199 Kilogramm! Doch das ist Schnee von gestern. 205 Kilogramm ist das Kampfgewicht der neuen ZX-10R, die nicht nur ausladender wirkt als die alte 10er, sondern bei der vor allem die neue Auspuffanlage mit zwei G-Kats deutlich schwerer geraten sein dürfte.
Gute Nachricht hingegen an der Honda-Front. Die Feuerklinge ist um denselben Wert leichter geworden. 205 Kilogramm bedeuten einen echten Fortschritt. Die Vorgängerin brachte stramme 211 Kilo auf die Waage. Die R1, maßvoll renoviert, bleibt bei 204 Kilogramm. Und von der MV Agusta wollen wir in diesem Zusammenhang besser nicht sprechen. 222 Kilogramm – damit marschiert sie stramm auf die Dickschiff-Klasse zu. Jedenfalls, wenn man Sportlermaßstäbe anlegt.
Aber mal im Ernst: Welche Rolle spielen ein paar Pfunde mehr oder weniger? In einem Testfeld von diesem Kaliber, wo jede Steckverbindung, jede Schraube, jedes kleine Detail nur so vor Faszination strotzt. Schränken sie die Leichtigkeit ein, mit der dich diese Boliden aus dem Stand auf 250 km/h katapultieren? Verwischen sie die bestechende Beiläufigkeit, mit der
diese Kraftpakete alle Fahrwiderstände zur Bedeutungslosigkeit degradieren? Schmälern sie die Gier, mit der ausgewachsene 1000er-Aggregate weit in den fünfstelligen Drehzahlbereich stürmen? Mindern sie die unerschütterliche Stabilität, mit der die ultra-
leichten Fahrwerke sogar die schlimmsten Schläge verdauen? Nein, das tun sie nicht. Zumindest nicht spürbar. Eines jedoch zeigt der Stillstand an der Weight-Watchers-Front überaus deutlich: dass die Luft an der
Spitze unheimlich dünn wird.
Ähnlich verhält es sich mit den exorbitanten Leistungen. Zwischen rund 160 und 170 PS an der Kupplung (siehe Leistungsdiagramme Seite 24) liefern die Vierzylinder ab. Das geht nicht einfach so. Das ist nicht irgendwie dahingewurschtelt. Das ist die Hölle. Aber eine, die heutzutage Euro 3
erfüllt. Zumindest bei Honda und Kawasaki mit G-Kat. Dagegen belassen es Suzuki, Yamaha und MV Agusta bei einem unge-
regelten Kat mit Sekundärluftsystem und Euro 2. Was nichts daran ändert, dass uns die Ehrfurcht vor diesen Leistungen – einmal genossen – für immer in die Hirnrinde gebrannt bleiben wird.
Angesichts solcher Konstellationen ist klar: Es wird eng bei der Punktejagd. Ganz eng. Vermutlich so eng, dass sich gerade einmal ein paar klitzekleine Pünktchen
zwischen Sieger und Verlierer quetschen. Punkte, die am Schluss weit weniger zählen als die Fähigkeiten dessen, der diese Brenner bedient. Folglich immer dran denken: In dieser Klasse kommt es mehr denn je auf den Fahrer an.
Und noch etwas: Im zivilen Leben ist vieles von dem, was diese Überflieger können, nicht einmal annähernd zu verifizieren. Dazu braucht es abgesperrtes Terrain, mitten im Januar am besten im sonnigen Süden. Valencia. Auf dem verzwickten spanischen Grand-Prix-Kurs soll das Test-Quin-
tett zunächst zeigen, was in ihm steckt, bevor das kurvenreiche Hinterland ruft.
Valencia also. Wer hier auf diesen Geräten bestehen will, braucht einen klaren Kopf. Und wer hier glänzen will, braucht viel
Talent. Ganz viel Talent. So wie Ex-Grand-Prix-Fahrer Jürgen Fuchs, der für MOTORRAD die Zeitenhatz übernimmt und schon den 1000er-Sportler-Vergleich vor zwei Jah-
ren mit den Epoche machenden Worten kommentierte: »Am Material liegt es nun wirklich nicht mehr.«
Diese Einschätzung gilt unverändert. Wenn sich knapp 850 PS in der Boxen-
gasse warm brüllen, verspüren vernunftbegabte Normalsterbliche zwangsläufig ein gerüttelt Maß an Respekt. Frontalangriff auf Leib und Magen sozusagen. Ein Wettkampf auf des Messers Schneide. Und auf höchstem Niveau.
Vor dem sich auch die etablierten
Kräfte, Suzuki und MV Agusta, nicht zu fürchten brauchen. Die eine, weil sie vor Jahresfrist den Maßstab setzte. Die an-
dere, weil gerade die abgesperrte Piste in
der Vergangenheit ihre Paradedisziplin war, während sie die ganze Vernunftnummer mit Verbrauch, Komfort und Wohlfühlgetüddel getrost anderen überlässt. Mit einer Ergonomie zum Abgewöhnen, selbst für Fakire eine Qual. Ein langer Tank, der den Gewichtstransfer nach vorne beim Beschleunigen unnötig erschwert und den Weg zu den Lenkerhälften lang und länger werden lässt. Letztere ohnehin tief im Keller angebracht, so dass Bäuchige eigentlich überhaupt nicht erst aufzusteigen brauchen. Nein, das ist nicht gut. Nicht einmal auf der Rennstrecke, zumal die
Nippon-Konkurrenz in dieser Hinsicht mindestens zwei Schritte voraus ist.
Allerdings – und das ist das Erstaun-
liche – hat dieser Umstand die F4 1000 S noch nie von flotten Rundenzeiten abhalten können. Ebenso wenig wie ihr träges Handling. Oder die im Vergleich nicht
überragende Leistung. 159 gemessene PS:
Damit gebührt dem italienischen Vollblut die rote Laterne, denn selbst die bislang immer etwas am Tropf hängende Honda drückt mittlerweile 163 PS ab. Von Suzuki (166 PS), Yamaha (169 PS) und erst recht Kawasaki (171 PS) ganz zu schweigen.
Und tatsächlich: Mit 1.45,18 Minuten schlägt sich die, wie alle anderen auch,
für die Rennstrecke mit Michelin Power Race in Medium/Softmischung bereifte und in diesem Modelljahr zusätzlich in Mattschwarz auflaufende MV wieder einmal besser, als sie sich anfühlt. Mit einer
entscheidenden Einschränkung: »Nach drei Runden in diesem Tempo brauche ich ein Sauerstoffzelt und ein Re-Briefing, wie man auf einer japanischen Tausender fährt«, keucht Jürgen Fuchs. »Das Ding strengt furchtbar an. Schiebt beim Einbiegen gewaltig übers Vorderrad, so dass ich immer zwei Meter vom Curb weg bin. Die einzige Kurve, die Spaß macht, ist die lange Links über die Kuppe. Da liegt sie richtig satt. Aber sonst! Der Grip am Hinterrad hat auch im letzten Jahr schon gefehlt. Und die Bremse – na ja.«
1.45,18 Minuten also. Das sollte die neue Fireblade besser können. Etwas
steilerer Lenkkopfwinkel, zehn Millimeter weniger Nachlauf, weniger progressive Umlenkhebelei, reduzierte Federrate. Dafür härtere Federn in der Gabel inklusive neu abgestimmter Dämpfung – diese Fahrwerkskur hat der Honda gut getan. Sehr gut sogar. »Die Blade ist sehr schön ausbalanciert«, schwärmt Jürgen nach seinem ersten Turn. »Sie gibt dir ein enormes Gefühl für den Grenzbereich. Besonders das Feedback vom Vorderrad ist toll. Dazu liegt sie auch in der Beschleunigungsphase vorbildlich neutral, so dass die engen Linien am Kurvenausgang leicht zu halten sind. Echt klasse.«
Das ist viel Lob für eine, die gerade
unter den Profis in der Vergangenheit nicht immer sehr gut wegkam. Wobei es auch Rückschritte gibt. Die vordere Bremsan-
lage – zwei 320er-Scheiben mit radial verschraubten Vierkolben-Beißern – hat ihre alles überragenden Qualitäten eingebüßt. Der Grund: Honda reagierte mit weniger aggressiven Belägen auf das bisweilen auftretende Gabelflattern beim letzten Modelljahr. Die neue Reibpaarung reicht bei der Dosierbarkeit indes nicht an die alten heran, beschert nach einigen scharf ge-
fahrenen Runden trotz konstanter Verzögerung einen wandernden Druckpunkt.
Das ist es im Grunde schon, was man dem Fahrgestell der neuen Blade vorwerfen kann. Dass andere etwas handlicher sind, vielleicht noch. Mehr Kritik erntet der Motor. Besonders im Vergleich mit der Konkurrenz und wenn auf der letzten Rille gefahren wird. Die Honda-Entwickler un-
ternahmen vieles, um die in der Vergangenheit geäußerten Kritikpunkte aus der Welt zu räumen: Größere Auslasskanäle, neue Ventile, kompaktere Brennräume, erhöhte Verdichtung, neue Ventilfedern, höhere Drehzahl, kürzere Sekundärübersetzung (42er- statt 40er-Kettenblatt) – es ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, der der aktuellen Fireblade im Vergleich zum Vorjahresmodell zu sieben PS mehr verhilft. Trotzdem gilt: Das Niveau der japanischen Konkurrentinnen hat sie noch nicht erreicht. Sowohl in der Mitte als auch oben heraus fehlt es ein wenig an Druck und Drehzahl, weshalb der Honda-Motor zumindest auf der Rennstrecke »bemühter« wirkt.
Vor allem die fehlende Drehzahlreserve ist es vermutlich, die Zeit kostet. An der
tadellosen Ergonomie und der mittlerweile recht geschmeidigen Gasannahme kann es jedenfalls nicht liegen, dass die auch von weniger schnellen Piloten leicht und sicher zu dirigierende Honda unter Jürgen nicht über 1.45,43 Minuten hinauskommt.
Für sich genommen ist das schnell
und für Normalbegabte unerreichbar. Doch gemessen an den Zeiten, die Jürgen Fuchs auf einer Suzuki GSX-R in Valencia in den Asphalt brennt, erscheint das Tempo eher mittelmäßig. Eine Sekunde schneller zieht die Titelverteidigerin ihre Bahn. Und zeigt an jedem Kurvenausgang, auf jeder kurzen Geraden, wo ihre fulminante Stärke liegt. Dieser Vierzylinder ist nur ganz schwer zu schlagen. Die geschmeidige Gasannahme, der satte Antritt bereits aus mittleren Drehzahlen, die feine Drehfreude – das spürt man nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch im Alltag. »Darüber hinaus lenkt die Suzuki viel agiler ein als die Honda. Aber dann, ab dem Scheitelpunkt, gibt
es jede Menge Arbeit. Unter Zug will sie immer den weiten Bogen fahren. Dafür hielt die Bremse in diesem Jahr. Und eben dieser Motor! Allererste Sahne.«
So, das sitzt. Und ist eine Warnung
an die Nachfolgenden, dass zumindest in diesem Test neuer nicht zwangsläufig besser bedeuten muss. So leicht lässt sich eine GSX-R nicht die Butter vom Brot
nehmen. Auch nicht von der behutsam mo-
dellgepflegten Yamaha YZF-R1. Eigentlich sind es Winzigkeiten, die sie von der Vor-
gängerin unterscheiden. Die Schwinge ist zwanzig Millimeter länger, die Wandstärke des Rahmens hier und da im My-Bereich geringer. Nichts Entscheidendes, fürwahr. Weshalb sich an den Qualitäten der R1 nichts Grundlegendes geändert hat.
Ungemein handlich tanzt die Yamaha durchs Kurvenlabyrinth, verhält sich bis in tiefste Schräglagen neutral, jubelt zwischen den Ecken in höchsten Tönen. Dreht oben heraus wie keine andere, ist aber
auf diese Drehzahl nach wie vor dringend angewiesen. In der Mitte, zwischen 6000 und 8000/min, klafft nämlich immer noch eine beträchtliche Delle in der Leistungskurve. Dafür dreht der Fünfventiler locker 1000/min höher als die Konkurrenz – und gar 1500/min höher als das Honda-Aggregat. Das bringt dort, wo man sich auf der Yamaha einen Schaltvorgang sparen kann, Zeit. Ebenso wie die Tatsache, dass nach der Überarbeitung die Eigenheit der R1, sich beim Beschleunigen tief in die Feder zu ziehen, weitgehend passé ist. Außerdem ist diese Yamaha wohl die erste,
die in einem so illustren Testfeld über das beste Getriebe verfügt. Angenehm auf der Landstraße, wichtig im Rennmodus. »Es reicht, wenn ich nur ein Drittel vom Gas gehe, und schon sitzt der nächste Gang«, lobt Jürgen die R1-Schaltbox. Und verrät damit, wie man beim Gangwechsel Zeit spart. Dafür tadelt er die Bremse. »Erst kommt sie gar nicht, dann mit Gewalt. Das fühlt sich jedes Mal wie eine Notbremsung an. Und weich wurde sie zum Schluss auch noch.«
Dennoch reicht es, um die Honda und die MV zu distanzieren. Niedrige 1.44,9er-Zeiten markieren das Leistungsniveau der R1 an diesem kühlen Januartag. Zur Su-
zuki kann sie jedoch nicht aufschließen. Das bleibt – so sollte man angesichts der Vorjahresperformance der wilden Kawa meinen – der neuen ZX-10R vorbehalten. Insbesondere, wenn man sich deren Prüfstandskurve vor Augen führt. Praktisch
deckungsgleich mit der Suzuki sind Leistung und Drehmoment. Nur dass der Kawa-Motor oben einen extra Blubb Leistung draufsattelt und im Vergleich zum Vorjahr noch mal fünf PS zulegte.
Im Übrigen ist die Grüne, das haben bereits die ersten Proberunden gezeigt, zahmer geworden. Kompromissbereiter. Ein Triebwerk mit mehr Laufkultur, ein Fahrwerk mit einer nicht mehr ganz so grenzwertig und einzig auf die Rundstreckenperformance ausgelegten Abstimmung. Was das zivile Leben leichter macht – und das auf der Piste nicht unbedingt schwerer. Wie die gute Vorstellung der GSX-R beweist, die ähnlich konditioniert ist. Und siehe da: Mit fünf Hunderstelsekunden Vorsprung markiert die ZX-10R die schnellste Zeit. Liegt allerdings, wenn man die Runden-
zeiten in ihrer Gesamtheit mittelt, einen Wimpernschlag hinter der Suzuki zurück. Praktisch ein totes Rennen mit wechselnden Vorteilen hüben wie drüben.
Die Stärken der Kawa in Kurzform.
Ihre Bremse – ein Gedicht. Im Fahrerlager-
jargon: »Kick-Ass-Brake«, im Alltag eine fein zu dosierende Wucht. Der Klassenmaßstab und beim Testmotorrad ohne den im letzten Jahr beim 2005er-Modell auf-
getretenen Druckverlust. Das Fahrwerk:
nicht mehr ganz so agil, dafür gelasse-
ner, mit Reserven. Und enormer Hinterrad-Haftung. Die Sitzposition: etwas weniger
kompakt, weiter entfernt vom Lenker, nicht mehr ganz so stark vorderradorientiert. Das ist nicht unbequem, doch es fällt schwerer, bei voller Beschleunigung Haltung zu bewahren. Praktisch aus jedem Eck steigt
die Front gen Himmel. »Ein geiles Gefühl«, rapportiert Jürgen. »Weil gut kontrollierbar. Und weil die 10er jetzt serienmäßig einen nervenschonenden, einstellbaren Öhlins-Lenkungsdämpfer trägt.«
Unterm Strich reicht das, um in der Rennstreckenwertung ein Pünktchen mehr einzuheimsen als die Suzuki. Zu einem glänzenden Sieg über die Vorjahresmeis-
terin reicht es nicht. Ob es auf der Landstraße reicht, um die Queen vom Thron zu stoßen? Aufmerksame MOTORRAD-Leser, die den Top-Test in Heft 4/2006 gelesen haben, wissen allerdings bereits, dass die Kawasaki mit der Originalbereifung »Dunlop Qualifier« in B-Spezifikation ein Problem mit sich herumträgt. Harmonierten die
Michelin Power Race auf der Piste tadellos mit der ZX-10R, lenkt die Kawa mit dem serienmäßigen Vorderreifen träge und unpräzise ein, nimmt jede Unebenheit oder Bodenwelle dankbar auf, um aus der Spur zu laufen und lässt es an Grip vermis-
sen. Ständige Korrekturen sowie mitunter plötzlicher Haftungsverlust – das verdirbt den Fahrspaß zumindest auf onduliertem Geläuf so nachhaltig, dass die unbestrittenen Qualitäten der Grünen, die fein dosierbare Bremse und der fulminante Motor, ins Hintertreffen geraten.
Welchen positiven Einfluss andere Reifen auf die ZX-10R haben können, zeigte die Umbereifung auf die Pirelli Supercorsa Pro (ebenfalls im seltenen 190/55er Hinterreifenformat) der MV, die übrigens auch mit dem Renner aus Varese wunderbar harmonieren. Weitaus homogener und neutraler zieht die 10er ihre Bahn, lenkt flüssiger
ein, baut einfach mehr Vertrauen auf. Aber das – so steht es in den MOTORRAD-
Statuten – kann leider nicht in die Alltags-
wertung einfließen.
Yamaha hat die Erstbereifung perfekt gewählt. Besohlt mit dem famosen Michelin Pilot Power, biegt die R1 handlich,
geschmeidig, zielgenau in alle Ecken, die
das öffentliche Leben zu bieten hat. Die noch unter Rennstreckenbedingungen verhalten ansprechende Bremse fällt hier nicht so negativ auf. Die sämig ansprechende Gabel und das komfortable Federbein dafür umso mehr. Und auch, dass
die Leistungsentfaltung mit mittleren Drehzahlbereich nicht mit der Suzuki-Spon-
tanität mithalten kann. Bevor das jetzt missverstanden wird: Die R1 hat ebenfalls
immer und überall genug Druck und dazu die gediegenste Laufkultur des Quintetts. An die spritzige, überbordende Lebendigkeit der GSX-R indes kommt keine heran. Die Honda trotz kürzerer Übersetzung und deutlich gestiegener Lebensfreude nicht. Und die Kawasaki, deren ruhiger Motor-
lauf sowie die sanfte Gasannahme auf der Landstraße weitaus stärker ins Gewicht fallen als auf der Rennstrecke, ebenfalls nicht. Dafür ist die Übersetzung der ZX-10R wegen des rennmäßigen ersten Gangs zu lang ausgelegt.
Hingegen ist die Fahrwerksabstimmung zwar nach wie vor straff, aber durchaus
alltagstauglich. Gleiches gilt im Übrigen für die neue Fireblade. Mit dem Unterschied, dass die ebenfalls neuen Bridgestone BT 015 prächtig mit dem Tausendsassa harmonieren. Infolgedessen ist sie praktisch in allen Kapiteln vorne dabei. In der Summe reicht das für Platz zwei, knapp vor der R1 und der ZX-10R.
Die MV landet wie im letzten Vergleich auf dem letzten Platz in der Alltagswertung. Brettharte Fahrwerksabstimmung, Verbrauch, Schadstoffwerte, Sicht in den Spiegel, Inspektionskosten, Preis – ach, lassen wir das. Sie ist ein Motorrad für
eingefleischte Fans, und damit genug. Wenden wir uns lieber der strahlenden – und überraschenden – Siegerin zu. Die »alte« Dame Suzuki GSX-R 1000 gewinnt. Und zwar völlig zu Recht. Was nicht heißt, die anderen könnten irgendetwas so signifikant weniger gut, dass man mit ihnen
im Alltag unglücklich würde. Im direkten Vergleich jedoch bietet die GSX-R 1000 das beste Rundum-Sorglos-Paket für Rennstrecke und Landstraße. Damit könnte allerdings bereits im Herbst Schluss sein. Dann kommt, wenn man dem Zweijahresrhythmus folgt, wohl die neue GSX-R 1000. Denn selbst wenn diesem Jahrgang die Grenzen aufgezeigt wurden: Die Show muss immer weiter gehen.

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The show must go on
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Punktewertung: Motor

Wie gehabt. Antriebsseitig gibt die GSX-R den Ton an.
Top-Fahrleistungen, vorbildliche Leistungsentfaltung, sanftes
Ansprech- und Lastwechselverhalten. Am nächsten kommt dem
Suzi-Reihenvierer noch der Kawa-Motor, der vor allem wegen
seiner schwergängigen und schlechter dosierbaren Kupplung
sowie dem langen ersten Gang verliert. Die Yamaha kann ebenfalls
nicht ganz mit der Suzuki mithalten. Außerdem schlägt sich
die Leistungsdelle im Durchzug nieder, während die Honda beim Lastwechselverhalten Boden verliert. Das ist auch der größte Schwachpunkt der MV, der besonders im Alltagsbetrieb durchschlägt. Zudem gibt das knochige Getriebe Punktabzug.

Punktewertung: Fahrwerk

Und wieder liegt die Suzuki vorn, diesmal knapp vor der sehr homogenen und wunderbar hand-
lichen R1. Die Fireblade hält sich wacker, ist zwar nicht ganz so handlich, aber sehr gut abgestimmt. In diesem Kapitel schlägt
sich die problematische Erstbereifung der Kawa deutlich nieder. Speziell in Sachen Handlichkeit und Lenkpräzision lässt die
Grüne Federn und landet so insgesamt auf MV-Niveau.

Punktewertung: Sicherheit

Ganz knapp fällt der Sieg für die Kawasaki vor der Suzuki in diesem Kapitel aus, und er ist vor allen Dingen
auf die formidable Bremse zurückzuführen. Hier kann die aktuelle Fireblade im Gegensatz zur Vorgängerin nicht mehr ganz mithalten. Dafür ist das Gabelflattern kein Thema mehr, so dass die Honda
in Sachen Fahrwerk ganz vorne dabei ist. Die R1 folgt mit etwas Abstand. Auch, weil bei ihr trotz Lenkungsdämpfer die Tendenz zum Kickback am stärksten ausgeprägt ist. Bei der MV ist die Bremse bestenfalls Mittelmaß. Und Rücksichtnahme selbst bei
gutem Willen nur durch den Blick über die Schulter möglich.
In den Spiegeln sieht man nichts.

Punktewertung: Alltag

Es gibt ihn, den Alltag, selbst mit diesen
Preziosen. Honda, Suzuki und Yamaha meistern ihn annähernd gleich gut und angesichts ihrer sportlichen Fähigkeiten absolut überzeugend. Die Kawa ebenfalls. Sie verliert etwas durch
Reichweite und Zuladung. Auf der MV klemmt man sich beim
Wenden den Daumen, dafür gibt es allerdings kein Kriterium.

Punktewertung: Komfort

Wer hier jetzt lacht, hat nichts verstanden.
Komfort ist auch bei Supersportlern ein zentrales Thema.
Wer gut sitzt, fährt auch schneller. Jedenfalls auf Dauer. Also
auf Yamaha, Suzuki und Honda. In dieser Reihenfolge. Die MV
liegt im Kapitel »Folterstuhl« weit vorne. Was den Sitzkomfort
in der zweiten Reihe angeht: Schwamm drüber.

Punktewertung: Kosten / Umwelt

Euro 3, ick hör dir trapsen. Honda
und Kawasaki sind fit für die Zukunft, der Rest muss nachsitzen. Speziell die MV, denn die bläst nicht nur fröhlich raus, sondern kippt auch mächtig rein. Für Punktverlust sorgen außerdem der stolze Preis von über 20000 Euro und die hohen Inspektions-
kosten, während sich alle anderen zumindest beim Preis mit gut 13000 Euro weitgehend einig sind. Die Yamaha macht zudem
mit den geringsten Inspektionskosten auf sich aufmerksam,
während bei den Unterhaltskosten ein Patt herrscht.

1. Platz - Suzuki GSX-R 1000

Suzuki GSX-R 1000 Man konnte es ahnen, aber nicht wissen. Die GSX-R ist ein großer Wurf, der sich auch gegen die frische Konkurrenz durchsetzt. Ein knapper, aber verdienter Sieg.

2. Platz - Honda Fireblade

Honda Fireblade Es reicht noch nicht ganz. Kühl
gerechnet trennen die Honda zwei Pünktchen von der GSX-R. Emotional betrachtet macht vor allem der Suzuki-Motor den Unterschied.

3. Platz - Yamaha YZF-R1

Yamaha YZF-R1 R1-Fans dürfen rechnen: acht Punkte
Differenz zur Besten in der Abgaswertung. Insgesamt sieben Punkte Unterschied zur GSX-R. Was wäre, wenn? Aber dies gilt auch für Suzuki.

4. Platz - Kawasaki ZX-10R

Kawasaki ZX-10R Ebenfalls ein richtig gutes Sport-
motorrad. Doch sie könnte besser sein. Die Reifenwahl ging daneben.
Mit einem anderen Vorderreifen – doch das ist gegen die Spielregeln.

5. Platz - MV Agusta F4 1000 S

MV Agusta F4 1000 S »Wenn die Gondeln Trauer
tragen« – ach was. Die MV ist eben ein ganz besonderes Motorrad. Wenn man das mit normalen Maßstäben misst, geht sie unter. Basta!

Technische Daten: Honda CBR 1000 RR Fireblade

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 44 mm, geregelter Katalysator, Drehstromlichtmaschine 344 W, Batterie 12 V/10 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 75,0 x 56,5 mm
Hubraum 998 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,2:1
Nennleistung
126,4 kW (172 PS) bei 11250/min
Max. Drehmoment 115 Nm bei 10000/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km
CO 0,660 / HC 0,210 / NOx 0,099

Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alumini-
um, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare
Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test Bridgestone BT 015 »G«
Maße und Gewichte: Radstand 1400 mm, Lenkkopfwinkel 66,5 Grad, Nachlauf 100 mm, Federweg v/h 120/135 mm, Sitzhöhe* 810 mm, Gewicht vollgetankt* 205 kg, Zuladung* 180 kg, Tankinhalt 18,0 Liter.

Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle alle 6000 km
Farben Silber, Schwarz, Rot/Schwarz
Preis 13190 Euro
Nebenkosten 200 Euro

Technische Daten: Kawasaki ZX-10R

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 43 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 424 W, Batterie 12 V/ 10 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 76,0 x 55,0 mm
Hubraum 998 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,7:1
Nennleistung
128,7 kW (175 PS) bei 11700/min
Max. Drehmoment 115 Nm bei 9500/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km
CO 0,516 / HC 0,142 / NOx 0,069

Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alumini-
um, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufen-
dämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium,
Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstell-
bare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 300 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Bereifung im Test Dunlop Qualifier »MTJ«/»J«
Maße und Gewichte: Radstand 1390 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 102 mm, Federweg v/h 120/125 mm, Sitzhöhe* 800 mm, Gewicht vollgetankt* 205 kg, Zuladung* 177 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.

Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle alle 6000 km
Farben Grün, Schwarz, Silber
Preis 13145 Euro
Nebenkosten 170 Euro

Technische Daten: MV Agusta

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zy-
linder, radial angeordnet, Tassenstößel, Nass-
sumpfschmierung, Einspritzung, ø 46 mm, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 650 W, Batterie 12 V/
9 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-
Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 76,0 x 55,0 mm
Hubraum 998 cm3
Verdichtungsverhältnis 13,0:1
Nennleistung
122,0 kW (166 PS) bei 11750/min
Max. Drehmoment 109 Nm bei 10200/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km CO 2,231 / HC 0,681 / NOx 0,175

Fahrwerk: Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, ø 50 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 310 mm, Sechskolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 210 mm, Vierkolben-Festsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/55 ZR 17
Bereifung im Test Pirelli Supercorsa Pro
Maße und Gewichte: Radstand 1408 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 99 mm, Federweg v/h 118/120 mm, Sitzhöhe* 820 mm, Gewicht vollgetankt* 222 kg, Zuladung* 196 kg, Tankinhalt 21,0 Liter.

Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle alle 6000 km
Farben Schwarz, Rot/Silber, Blau/Silber
Preis 20390 Euro
Nebenkosten 244 Euro

Technische Daten: Suzuki GSX-R 1000

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 44 mm, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 375 W, Batterie
12 V/10 Ah, mechanisch betätigte Mehr-
scheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 73,4 x 59,0 mm
Hubraum 999 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,5:1
Nennleistung
131,0 kW (178 PS) bei 11000/min
Max. Drehmoment 118 Nm bei 9000/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km CO 3,006 / HC 0,770 / NOx 0,085

Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alumini-
um, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufen-
dämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium,
Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstell-
bare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 310 mm, Zweikolben-Festsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test
Bridgestone BT 014 »J«/»SJ«
Maße und Gewichte: Radstand 1405 mm, Lenkkopfwinkel 66,2 Grad, Nachlauf 96 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe* 810 mm, Gewicht vollgetankt* 200 kg, Zuladung* 175 kg, Tankinhalt 18,0 Liter.

Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle alle 6000 km
Farben Blau/Weiß, Rot/Schwarz, Schwarz
Preis 13090 Euro
Nebenkosten 140 Euro

Technische Daten: Yamaha YZF-R1

Motor: wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, fünf Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, ø 42 mm, ungeregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem, Lichtmaschine 560 W, Batterie 12 V/9 Ah, mechanisch be-
tätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
Bohrung x Hub 77,0 x 53,6 mm
Hubraum 998 cm3
Verdichtungsverhältnis 12,4:1
Nennleistung
128,7 kW (175 PS) bei 12500/min
Max. Drehmoment 107 Nm bei 10500/min
Schadstoffwerte (Homologation) in g/km CO 2,020 / HC 0,712 / NOx 0,146

Fahrwerk: Brückenrahmen aus Alumini-
um, Upside-down-Gabel, ø 43 mm, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, ø 220 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test
Michelin Pilot Power, hinten »G«
Maße und Gewichte: Radstand 1415 mm, Lenkkopfwinkel 66,0 Grad, Nachlauf 97 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe* 810 mm, Gewicht vollgetankt* 204 kg, Zuladung* 191 kg, Tankinhalt/Reserve 18,0/3,4 Liter.

Garantie zwei Jahre
Service-Intervalle alle 10000 km
Farben Blau, Rot/Silber, Schwarz
Preis 13300 Euro
Nebenkosten 195 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023