Kernig bollert der Ducati-V2 der Bimota aus seinen Schalldämpfern, holt tief Luft in der wohl zur Zeit offensten Airbox der Welt, spielt eine ganze Sinfonie von Verbrennungsgeräuschen. Hat das TÜV? Si, klar hat das TÜV. Hat die Geräuschprüfung in Itala abgelegt, dem Land, in dem Schallpegelmesser irgendwie anders geeicht sind. Was gut klingt, darf man nicht einfach verbieten. Die Gesetze aus Brüssel? Na ja, die Nordeuropäer können eben nicht richtig genießen. Haben kein schönes Wetter, kein Mare, keine Amore. Und keine Bimota. Eine Bimota muss klingen, und zwar molto. Basta!
Und sie muss gut aussehen. Tut die DB 4 zweifelsohne mit ihrer zierlichen, schlanken Gestalt, der schmalen Sitzbank, klar gestalteter Halbverkleidung und den vielen Kleinigkeiten, an denen der Blick hängen bleibt. Aus dem Vollen gearbeitete Gabelbrücken, Lenkerstummel sowie Fußrastenhalter, ein kunstvoll gefächerter Alurahmen und eine aufwendig gefertigte Gitterrohrschwinge. Detailverliebtheit, wie sie heutzutage schon fast vergessen schien. Bimota DB 4 die Rückkehr der Riminesen zu alten Werten.
Auf alte Werte besinnt sich die Laverda 750 S Formula ebenfalls. Zumindest was ihren Namen betrifft, denn Formula steht in der Ahnengalerie als Synonym für das sportliche Topmodell. Das Design der aktuellen 750er eher nicht. Erinnert irgendwie an eine Mischung aus Kawasaki ZXR 400 und Yamaha FZR 600. Ziemlich langweilig und fad. Aber beim Sound zählt auch die Laverda zu den herausragenden italienischen Klangwundern. Tönt nach überdimensionierter, ultrastarker Suzuki GS 500 E, und richtig böse, wenn sie antritt. Muss wohl der gleiche Schallpegelmesser gewesen sein wie bei der Bimota.
Die Ducati trompetet so sanft wie keine andere aus ihren dicken Töpfen. Klingt eher heiser als aufregend. Aber Ducati gehört ja auch Amerikanern. Und das Design? Eine 900er Supersport mit Gummi? Stilbruch! Was soll denn dieser schwarze Wulst am Tank, die beiden seitlichen schwarzen Blenden und der in einer dicken Gummilippe gelagerte Scheinwerfer? Nix für Puristen, die pflegen ihre alte Supersport und warten auf die nächste Generation.
Was schade ist, denn die Motorqualitäten der aktuellen 900er Supersport begeistern. Der Desmo zieht von 2000/min bis über 9000/min satt durch. Völlig ohne Leistungsloch. Die Einspritzung arbeitet perfekt, kein Ruckeln, kein Patschen, Gasgriff auf, und die Power ist da. Würde Honda einen 900er-Zweiventil-Desmo bauen, er würde genau so funktionieren. Perfekt. Und gemessene 86 PS sind ein Wort, beschleunigen die Ducati in gut 16 Sekunden auf 200 km/h und sorgen für 225 km/h Topspeed. Da kann keine alte Supersport mithalten, auch keine getunte.
Aber die neue Bimota DB 4. Die hat denselben Motor, aber mir eigener Einspritzung, Airbox und Auspuffanlage. Macht drei PS mehr in der Spitze und drei PS weniger in der Mitte. Und noch viel mehr Spaß. Der Motor geht brutal ans Gas, will seine Pferde ständig ausspielen, reizt und kitzelt an der rechten Handinnenfläche. Man muss ihn geradezu jagen. Dazu vibriert der 90-Grad-V-Twin in der Bimota viel weniger als in der Ducati. Bei ihr wirds ab 7000/min fast schon lästig.
Noch sanfter läuft der Laverda-Zweizylinder. Allerdings erst ab 3000/min, darunter rappelt es heftig im Antriebsstrang, hüpft die ganze Maschine. Doch dann gehts ab, steigt die Leistungskurve bis auf wilde 95 PS, um bei 9400/min in den Begrenzer zu drehen. Gut, im Vergleich zu den beiden 900ern ist der 750er untenrum ein wenig schwach, fehlen bis zu acht PS. Da hilft keine Wasserkühlung und kein Vierventilkopf. Aber ab 7000/min liegt die Laverda vorn. Und beschleunigt deshalb noch eine Sekunde schneller auf 200 km/h. Ein Wert für Techniker: Das höchste spezifische Drehmoment liegt bei 109 Nm/Liter, ein Spitzenwert für einen Saugmotor.
Sensationell auch die Schaltwege der Laverda: Nie war der Weg von einem Gang zum nächsten so lang. Okay, Spaß beiseite, aber der Formula-Pilot muss schon konzentriert schalten, um nicht zu früh den Ganghebel loszulassen. Der Erste ist sehr kurz übersetzt, also Vorsicht: Vollgas führt bei dem Kraftprotz von Motor mit seiner extrem geringen Schwungmasse zu einem heftig in die Höhe schnellenden Vorderrad. Zudem sei vermeldet, dass die Kupplung im Laufe des Tests immer heftiger quietscht. Schönheitsfehler, hoffentlich.
Kupplung und Getriebe arbeiten bei Bimota und Ducati bestens. Kurze, präzise Schaltwege, eng gestufte sechs Gänge, gut dosierbare Kupplungen, das passt. Was gar nicht passt: der Lenkungsdämpfer der Bimota. Der wirkt so stark, dass man um die Kurven eiert. Also weg damit. Die DB 4 schlägt eh nicht mit dem Lenker. Weder bei Topspeed noch auf Bodenwellen. Eine feine Sache ist dagegen die handlaminierte Tank-Sitzbank-Verkleidung, die perfekten Kontakt zur Maschine bietet. Die Sitzposition auf der komfortabel gepolsterten Bank ist sehr versammelt. Fußrasten passen für kleine und große Menschen, Lenkerstummel müssen etwas nach außen gedreht werden. Nur die Spiegel, die lassen sich nicht einstellen, sind zu klein, zu nah an der Verkleidung. Man sieht gar nichts.
Vollgetankt wiegt die Bimota nur 185 Kilogramm, der leichteste Viertakt-Straßensportler überhaupt. Entsprechend spielerisch lässt sie sich bei niedrigen Geschwindigkeiten fahren. Lustvoll schwingt sie durch enge Kurvenkombinationen, fantastisch, dieses Handling, diese Zielgenauigkeit. Eine Wonne, aus Kurven herauszubeschleunigen, die reine Freude, eine verzwickte Kombination anzugehen.
Bei hohen Geschwindigkeiten dominieren allerdings die Kreiselkräfte der recht schweren Räder und üppig dimensionierten Pirelli-Reifen. Dann wird die DB 4 erstaunlich steif in der Lenkung. Trotzdem wirkt sie bei Höchstgeschwindigkeit leicht labil um die Lenkachse, egal, ob mit oder ohne Lenkungsdämpfer. Eine Folge der extrem auf Handlichkeit ausgelegten Geometrie mit 67 Grad Lenkwinkel und nur 91 Millimeter Nachlauf. So ist ihr die Laverda über den gesamten Geschwindigkeitsbereich gesehen sogar überlegen. Jenseits von 140 km/h wirkt sie noch handlicher und sorgt mit ihrem ultrasteifen Fahrwerk für ein extrem sattes Fahrgefühl. Vorne trägt die Formula einen 120/60er, hinten nicht wie die Bimota einen 180er, sondern einen 160/60-Pirelli. Weniger ist diesen Fall eindeutig mehr. Wie ein heißes Messer durch die Butter schneidet die Laverda durch Kurven aller Art.
Was bei ihr extrem stört: Die Fußrasten sind zu nah an den Schalldämpfern montiert, das gibt geschmorte Stiefelsohlen. Und der 750 S-Fahrer sitzt ein wenig zu weit vorn auf der dünn gepolsterten Sitzbank, zu nah am Lenker. Das krasse Gegenteil: die Ducati 900 Supersport. Sie spannt den Fahrer über einen langen Tank, der noch durch diesen überflüssigen Gummiwulst verlängert wird. Den so schönen direkten Kontakt mit dem Vorderrad wie bei den beiden anderen kann die Ducati nicht bieten. Auch nicht deren spielerisches Fahrverhalten. Die SS wirkt eher zäh, lenkt sich träger ein, wie wenn auf einem Baumstamm einen langen Fluss von Kurven hinunterpaddelt und immer ein wenig aus der Strömung getrieben wird. Trotz dieser stabilen Auslegung scheint die Schwinge der Ducati bei vollem Leistungseinsatz labiler zu sein als bei der Laverda und Bimota. Lastwechsel in Schräglage sind so deutlich spürbar.
Was das außergewöhnliche Fahrerlebnis einer DB 4 oder 750 S Formula anbetrifft, kann die Ducati nicht mithalten. Und wie sieht bei so alltäglichen Dingen wie Verbrauch aus? Sensationell niedrig bei der Bimota: 3,7 Liter/100 km bei konstant 100 km/h, nur 4,5 Liter im Landstraßenbetrieb. Ducati und Laverda brauchen einen oder gar eineinhalb Liter mehr. Reichweite: Bimota klar vorn. Eine tankfüllung reicht auf der Landstraße 400 Kilometer. Zum Glück, denn der in einer scharfkantigen Öffnung versenkte Plastikschraubdeckel lässt sich nur schwer und fast nie ohne eingeklemmte Finger aufmachen. Beim unter der Heckklappe befindlichen Tankdeckel der Laverda gehts leichter, und am einfachsten funktionierts beim konventionellen Ducati-Stritfass.
Dafür ist der Windschutz der Laverda besser und bei der Bimota mit ihrer weit geschnittenen Halbverkleidung noch besser. Abstimmungsmöglichkeiten am Fahrwerk? Vorbildlich an der Bimota, sogar die Heckhöhe ist einstellbar. Kernig hart die Grundabstimmung der Ducati, Laverda mit schwierig zu justierender Federbasis hinten. Die Gabeln von Bimota und Laverda sind in der Druckstufendämpfung heikel zu justieren. Es gibt nur einen Klick, der stimmt. Sonst haben sie zuwenig oder zu viel Dämpfung.
Und die Bremsen? Angeblich alles die gleichen Brembos mit 320er-Scheibe vorn und 245er hinten. Trotzdem bremst die Ducati hinten nur mit Gewalttritten auf den Hebel. Da stimmt die Übersetzung oder der Reibwert der Beläge nicht. Und die 900 Supersport wirkt auch vorn seltsam stumpf. In Wirkung und auch Dosierbarkeit ist hier die Bimota. Also, irgendwie wird es jetzt ganz, ganz eng für die Ducati. Zumindest, was diesen Vergleichstest angeht.
Die Realität sieht wiederum anders aus. Laverda muss komplett saniert werden, was mit der Marke passiert, steht in den Sternen. Bimota produziert momentan gar nichts. Echt schade, denn die DB 4 ist die mit Abstand beste Bimota der letzten Jahre. Also doch Ducati? Die gibt es zumindest zu kaufen. Und das zu einem besseren Kurs als die anderen. Die Amerikaner sind doch nicht so ohne, haben Produktion, Kosten und Händlernetz auf eine solide Basis gestellt. Kennen sich im Marketing eben aus. Wissen, wie man managt. Können liefern, wenn ein Modell gefragt ist. Jetzt müssen sie nur wieder für eines sorgen: für dieses Gribbeln im Bauch. Bimota zeigt, wies geht.
1. Platz - Bimota DB 4
Toll, wie diese Bimota fährt! Klasse Motor mit fulminanter Leistungsentfaltung, spitzen Fahrwerk, eine bestechende Verarbeitung. Die beste Bimota der letzten Jahre und der leichteste Viertakt-Straßensportler der Welt. Endlich finden die Riminesen zu ihren Wurzeln zurück. Dazu ist die DB 4 noch extrem sparsam und der Preis von 25000 Mark für die liebevolle handwerkliche Ausführung durchaus angemessen. Ein würdiger Sieger. Bleibt zu hoffen, dass Bimota neue Eigner findet.
2. Platz - Ducati 900 Supersport
Das Diktat der Großserie ließ die Ducati ein wenig von ihrer Faszination einbüßen. Zwar wirkt sie routiniert und fährt ohne große Fehler, doch ihr Konzept ist deutlich in die Jahre gekommen. Die Supersport bietet soliden Motorradbau, aber wenig Highlights. Bremsen, Handling und Sitzposition lassen Wünsche offen, die andere erfüllen. Der 90-Grad-V-Twin mit seiner einzigartigen desmodromischen Ventilsteuerung begeistert dagegen immer noch mit einem schön breiten Leistungsband.
3. Platz - Laverda 750 S Formula
Der exotische Exot hat ein paar Macken in der Verarbeitung und Gestaltung: teilweise billig wirkende Anbauteile und ein Design, das eher an Fernost als an Italien erinnert. Zudem gelang die Sitzposition nicht perfekt. Dafür besitzt die Laverda ein tolles Fahrwerk mit hervorragendem Handling und bester Stabilität. Dazu kommt noch der starke, kernige und einzigartige Motor, eine solide Basis für eine Weiterentwicklung. Schade nur, dass die extrem kompakte Bauweise größere Fahrer ausschließt.