Vergleichstest: BMW S 1000 RR 2011 gegen 2012
Gutes noch besser machen beim Supersportler von BMW

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Ausgesprochen Gutes noch besser zu machen ist immer sehr schwierig. BMW besserte die dominante S 1000 RR nach - im Millimeterbereich. Und erzielte meilenweite Fortschritte.

Gutes noch besser machen beim Supersportler von BMW
Foto: pixelrace.de

Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Schritt für die Menschheit!“ So kommentierte NASA-Astronaut Neil Armstrong im Juli 1969 seinen ersten Schritt auf die Mondoberfläche.

Mir geht es gerade ähnlich wie Neil. Ich stehe in der Boxengasse des Circuito Mallorca auf Malle, vor mir die neue BMW S 1000 RR. Es ist ein kleiner Schritt für mich, und ich sitze im Sattel dieses überarbeiteten Rennreaktors. Doch es war eine große Teamleistung der Entwicklungs-Mannschaft, den neuen Brenner so hinzustellen, wie er ist. 

Unsere Highlights

Nach dem Landstraßentest der neuen BMW S 1000 RR unter herbstlichen Bedingungen, kann es nun endlich in ihrem angestammten Revier, auf der Rennstrecke, zur Sache gehen. Am Start: Die Geschwister S 1000 RR 2011 und 2012 sowie meine Wenigkeit, Stunt-Flitzer „Crazy-Jo“ Bauer. Dazu gesellen sich Sonne, Strand und Meer, doch dass interessiert erst einmal genau so -wenig wie der Ballermann.

Geballert wird einzig und allein auf dem 3200 Meter langen Track. Mit dem Startschuss zur ersten Session gehe ich auf der 2011er raus, ohne Fahrassistenzen, um mich dem passenden Setup widmen zu können. Ich knall ein paar zackige Runden hin, die Metzeler Racetec K3 wissen sofort was zu tun ist, die Federelemente sind aber noch auf Kuschelsex aus. Ein paar Klicks hier, etwas Vorspannung da, und es geht knackig um die Ecken. Fahrzeugwechsel. Knisternd wird die 2011er in die Box gestellt, die 2012er bestiegen und eingeritten. Entzückung ab dem ersten Meter - das ist ’ne S 1000 RR? Die Neue geht dank straffer Dämpfung in Gabel und Federbein ab der ersten Runde kerniger zur Sache, verlangt etwas geringere Korrekturen am Setting als die Alte. Klar wird wohl etwas Alltagskomfort dadurch flöten gehen, doch das spielt hier und heute keine Rolle. Was umso mehr die Musik macht, ist das Feedback. Und das fällt auf der Neuen eindeutig besser aus, auch wenn es nicht überirdisch weit weg von der 2011er-Maschine ist.

Wie soll es das auch, schließlich wurde bei der Modellpflege nicht radikal verändert, sondern Millimeter um Millimeter hier gedreht und da geschraubt. Dort was hinzugefügt und da was weggenommen. Heureka, Schluss mit der Laberei, schließlich durfte der gute Neil Arm-strong vor seinem ersten Mondausflug ja auch den fulminanten Schub seiner Saturn V-Rakete erleben.

Also rauf auf die Start-Ziel-Gerade! Leichtfüßig und mit nahezu unbändiger Kraft schraubt sich der Vierzylinder durch das Drehzahlband. Wie weggeblasen ist der kleine Hänger des alten Modells zwischen 5000 und 7000 Touren, ein neues Mapping der Einspritzung sowie die um einen Zahn kürzere Sekundärübersetzung machen es möglich. Zusätzliche Gaudi kommt auf, wenn die RR ab 8000/min ungefragt keck ihr Vorderrad lupft.

Schon rast die erste Herausforderung auf uns zu. Eine Bergab-Rechts, die in eine lange Bergauf-Linkskurve mündet, will hart und spät angebremst werden. Ruhig und ohne vorne zu stark abzutauchen, folgt die BMW meinem Lenkimpuls. Argh - Einlenkpunkt verpasst! Sofort schießt das Adrenalin durch meine Adern. Doch egal, die Neue verzeiht. Nun die Links ordentlich meistern! Gefühlvoll das Gas aufziehen - wow, die Neue setzt herrlich sanft jeden Millimeter am Gasgriff in Vortrieb um, und drängt bei tiefer Schräglage und raspelndem Knieschleifer mit dem Heck nach außen. Das ist Vortrieb! Das ist Slide! Und ja, das ist Feedback! Die Kombi aus strafferer Abstimmung, linearerer Leistungsentfaltung, leichtgängigerem Gasgriff und die Geometrieveränderungen beleben die BMW und machen sie gleichzeitig berechenbarer. Ohne Zeitverzögerung wird jeder kleine Rutscher, jedes Einknicken der Reifenflanke auf einer Asphaltrunzel rapportiert. Auf diese Weise muss auch die neu abgestimmte und weicher regelnde Traktionskontrolle weniger eingreifen, was logischerweise weniger Zeit kostet. Sprich, die Orbitalzeit verkürzt sich. Einziger Fleck auf der weißen Fahrwerksweste ist die stärkere Tendenz zum Kickback bei entlastetem Vorderrad. Doch auch hier wird ein verfeinerter Helfer angeboten. Ab 2012 ist der Lenkungsdämpfer in zehn Stufen einstellbar (altes Modell nicht einstellbar), wobei der Verstellbereich überdacht werden sollte. Beim Ballern in Malle musste Stufe neun von zehn eingestellt werden, um die Front zu beruhigen.

JKuenstle.de
BMW verpasst der S 1000 RR ein umfangreiches Update.

Besonderer Spaß kommt auf der 2012er in Wechselkurven auf, wachsen als Resultat der verbesserten Fahrwerksabstimmung und der Neupositionierung des Motors im Rahmen die süßesten Früchte. Klaro, ein Superbike, sei es auch noch so handlich, lässt sich nicht wie meine Supermoto in Sekundenbruchteilen von Raste zu Raste pfeffern, doch die Show der 2012er ist im direkten Vergleich mit der 2011er-BMW eine große. Und vor allem, auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, die 2012er spricht buchstäblich mit mir. Sie will spielen, also bekommt sie mehr Auslauf. Hahn auf und ab! Wurde der alten S 1000 RR ein zu hartes Regelverhalten bei der Wheelie-Regelung vorgehalten, so kann das das neue Modell - na logisch - besser. Die Steigbewegung des Vorderrads wird zwar immer noch nicht von der sagenumwobenen Geisterhand auf den Boden zurückgeholt, doch die ganz harten Regel-Eingriffe gehören der Vergangenheit an. Das Highlight der 2011er, ihr sportliches ABS, glänzt auch am neuen Modell, ähnlich einem Fixstern, strahlend hell weiter. Nach mehrfachem Hin- und Herwechseln von der 2011er- auf die 2012er-S 1000 RR überkommt mich diese verrückte Idee: Fahr einen kompletten Tank leer - am Stück! Das wird schon gehen, auch wenn du danach Sterne siehst.

Gesagt, getan, die 2012er bekommt Sprit, der Autor Wasser und raus geht es auf die mallorquinische Umlaufbahn. Runde für Runde brenne ich um den Kurs, die Zeiten innerhalb geringster Toleranzen. Ich bin ein Uhrwerk, nein, ein Raumschiff, das die Erde umkreist. Und dann ist er wieder da, der Neil Armstrong in mir und vermeldet die erfolgreiche Mission: „Berlin, hier ist der Stützpunkt Malle. Der Adler ist gelandet - die neue S 1000 RR ein Knaller."

Technische Daten

BMW
BMW S 1000 RR 2012: Die Gestaltung des Cockpits wurde aufgefrischt, das LCD-Display ist in fünf Stufen dimmbar und bietet bei Bedarf mehr Informationen.

BMW S 1000 RR 2012

Antrieb  
Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 142 kW (193 PS) bei 13 000/min*, 112 Nm bei 9750/min*, 999 cm³, Bohrung/Hub: 80,0/49,7 mm, Verdichtungsverhältnis: 13,0:1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette, Traktionskontrolle

Fahrwerk  
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 99 mm, Radstand: 1423 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 46 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe (high/low). Federweg vorn/hinten: 120/130 mm

Räder und Bremsen  
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, Erstbereifung: Metzeler Racetec K3, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS

Maße und Gewicht  
Länge/Breite/Höhe: 2020/800/1090 mm*, Sitz-/Lenkerhöhe: 805/855 mm, Lenkerbreite: 640 mm, 208,5 kg vollgetankt, v./h.: 51,5/48,5 % 

Hinterradleistung im letzten Gang  
137 kW (186 PS) bei 273 km/h

Verbrauch  
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnitts-testverbrauch: 8,8 Liter/100 km, Tankinhalt 17,5 Liter, Reichweite: 199 km

Grundpreis  16 100 Euro (zzgl. NK, ABS+DTC 1230 Euro, Schaltautomat 364 Euro, Heizgriffe 197 Euro)

BMW S 1000 RR 2011

Antrieb  
Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 142 kW (193 PS) bei 13 000/min*, 112 Nm bei 9750/min*, 999 cm³, Bohrung/Hub: 80,0/49,7 mm, Verdichtungsverhältnis: 13,0:1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-Anti-Hopping-Kupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette, Traktionskontrolle

Fahrwerk  
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,1 Grad, Nachlauf: 96 mm, Radstand: 1432 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 46 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe (high/low). Federweg vorn/hinten: 120/130 mm

Räder und Bremsen  
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17/6.00 x 17, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, Erstbereifung: Metzeler Racetec K3, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten, ABS 

Maße und Gewicht  
Länge/Breite/Höhe: 2080/785/1100 mm *, Sitz-/Lenkerhöhe: 810/865 mm, Lenkerbreite: 640 mm, 208 kg vollgetankt, v./h.: 52,0/48,0 %

Hinterradleistung im letzten Gang  
137,5 kW (187 PS) bei 282 km/h

Verbrauch  
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnitts-testverbrauch: 8,7 Liter/100 km, Tankinhalt 17,5 Liter, Reichweite: 201 km

Grundpreis  15 800 Euro (zzgl. NK, ABS+DTC 1220 Euro, Schaltautomat 360 Euro, Sonderlack 475 Euro)

* Herstellerangab 

Die aktuelle Ausgabe
PS 10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023