Vergleichstest Kawasaki Ninja 250 R/ Yamaha WR 250 X
Welcome back

Lange schien es so, als würde die ruhmreiche 250er-Klasse bestenfalls im Motorsport überleben. Doch nun hauchen Kawasaki und Yamaha dem Viertelliter neues Leben ein.

Welcome back
Foto: Jahn

Preisfrage: Wie groß ist der Unterschied zwischen den späten siebziger Jahren und heute? Antwort: Er beträgt ziemlich genau zwei Takte, einen Zylinder, ein PS und sieben Kilogramm. Mehr ist es hinsichtlich der technischen Eckwerte nicht, was eine Yamaha RD 250 von 1976 von einer Yamaha WR 250 X, Baujahr 2008, trennt. Ebenso eng beieinander: Kawasaki Ninja 250 R von 2008 und Kawasaki Z 250 A von 1980. Sechs PS zugunsten der Ninja stehen sechs Kilogramm Mehrgewicht gegenüber. Hubraum und Zylinderzahl sind identisch. Allerdings hat die neue vier statt der früheren zwei Ventile pro Zylinder. Sieht so Fortschritt aus? Wollen das die Leute? Die Frage muss man stellen dürfen. Die Antwort: Sowohl Kawasaki als auch Yamaha berichten von verkauften Stückzahlen, die über den Erwartungen liegen. Die Zeit scheint reif für ein Comeback.

Unsere Highlights

Dass es sich bei den Interessenten um zwei ganz unterschiedliche Käufergruppen handeln muss, macht schon die erste Sitzprobe deutlich. In 920 Millimeter lichter Höhe thront der – zwangsläufig lange –Yamaha-Fahrer, bei den 765 Millimetern der Ninja fühlen sich eher klein gewachsene Menschen wohl. Doch es ist nicht nur das Konzept – hier hochbeinige Supermoto mit Einzylindermotor, dort die geduckte Sportlerin mit Zweizylinder-Reihenmotor –, was die 250er unterscheidet, sondern auch die Verkaufsphilosphie. Ein funktionelles, einfach gestricktes Motorrad zum kleinen Preis offeriert Kawasaki, ein Highend-Funbike mit feinster Technik und hohem Unterhaltungswert bietet Yamaha an. Und muss dafür zwangsläufig mehr verlangen.

4345 zu 5995 Euro: Angesichts der Preisdifferenz dürfte sich die Konzeptfrage für viele schon an der Ladentheke entscheiden. Dort bekommt der Motorrad-Nachwuchs mit der kleinen Kawa nicht nur eine ansehnliche und ordentlich funktionierende Sportlerin, sondern auch ein Motorrad, das stufenführerscheintauglich ist. Die Yamaha hingegen fällt wegen ihres geringen Gewichts von vollgetankt 137 Kilogramm durch das Anfänger-Raster (0,16 kW pro PS) und müsste in ihrer Leistung auf knapp 30 PS zurückgenommen werden oder 141,25 Kilogramm wiegen, um den restriktiven Anforderungen zu genügen.

Yamaha WR 250 X - Die Luxus 250

Allein es wäre schade um jedes Pferdchen. Mit der kleinen Supermoto durch die Stadt oder über winkelige Landsträßchen – das bedeutet pures Vergnügen. Nicht nur, weil der Hightech-Single (vier Ventile, Ein- und Auslassteuerung) aus der Yamaha-Wettbewerbsabteilung auch im Straßentrimm eine vorbildliche Gasannahme und lineare Leistungsentfaltung an den Tag legt.

Er steckt zudem in einem aufwendigen Fahrwerk. Selbst wenn der kleine Quirl bereits im fünfstelligen Bereich dreht, kann dieses noch locker draufsatteln. Bevor das jetzt missverstanden wird: Der Motor ist richtig gut, doch das Fahrwerk ist über alle Zweifel erhaben. Die mächtige, voll einstellbare 46er-Upside-down-Gabel liefert bei feinem Ansprechverhalten und komfortabler Auslegung eine wunderbare Rückmeldung, das ebenfalls voll einstellbare Federbein steht dem nicht nach. Die Krönung indes ist das Handling. Von leichter Hand am breiten Lenker geführt, sticht die WR mit einer solchen Lässigkeit von einem Eck ins andere, dass sich auf engem Terrain selbst Leistungsprotze warm anziehen müssen, weil sie dort, wo jene beinahe fertig sind mit Bremsen, mit ihrer wirkungsvollen 298-Millimeter-Doppelkolbenanlage erst richtig anfängt. Noch besser: Es ist nahezu jede Linienwahl möglich.

Kawasaki Ninja 250 R - Die Unkomplizierte

Kein Wunder also, dass die Ninja 250 R angesichts dieser Vorstellung nicht mithalten kann. Ihr das vorzuwerfen wäre unfair, denn sie ist anders konditioniert. Viel ziviler als die WR mit ihrem Minitank (7,6 Liter) und der brettharten Wettbewerbssitzbank. Anders gesagt: Unter der giftig grünen Schale steckt ein braver Kern. Der Zweizylinder braucht zwar Drehzahlen – am besten jenseits der 7000/min – , explodiert aber nie.

Das simpel gestrickte Fahrwerk – Brückenrahmen aus Stahl, herkömmliche Gabel, einfaches Federbein – erfüllt die Ansprüche, brilliert aber nie. Die Ninja bremst ordentlich, läuft ganz im Gegensatz zur WR auch bei Topspeed sauber geradeaus, ist zielgenau. Die fulminante Handlichkeit der WR jedoch fehlt.

Im Grunde ist das herausragende Talent der 250 R ihre Unkompliziertheit, ihre Genügsamkeit. Sie fordert weder vom Fahrer erhöhte Aufmerksamkeit noch an der Zapfsäule zu viel Benzin. Und vielleicht könnten gerade die 3,1 Liter, welche die Kawa (und übrigens auch die Yamaha) auf der Landstraße konsumierte, den Viertelliter-Flitzern zur Renaissance verhelfen. Der deutlich vorgezeichnete Weg weg vom Gigantismus hin zu gesundem Augenmaß. So gesehen sind diese beiden ein vielversprechender Anfang.

MOTORRAD-Testergebnis

Yamaha WR 250 X
So flink, so übermütig. Die WR zeigt auf beeindruckende Weise, dass keineswegs nur Leistung glücklich macht. Als stolze Leistung darf durchgehen, dem kleinen Single unter den aktuellen Vorschriften gemessene 32 PS zu entlocken.

Kawasaki Ninja 250 R
Der traditionelle Weg: Man nehme einen quirligen kleinen Zweizylinder, stecke ihn in ein konventionelles Fahrwerk und verpacke das Ganze möglichst erwachsen. Heraus kommt ein unkompliziertes Alltagsbike mit hohem Nutzwert und geringen Kosten.

Rückblick 250 Kubik - Flotte Flitzer

Erst war es eine Frage des Hubraums (bis 1976), später dann die 27-PS-Versicherungsgrenze: In jedem Fall gab es über einen langen Zeitraum gute Gründe, sich für eine kostengünstige 250er zu entscheiden. Der beste war jedoch die Fahrdynamik. 32 PS lieferten die Zweizylinder-Zweitakter Suzuki GT 250 und Yamaha RD 250 1976 ab, bei einem Gewicht von 146 beziehungsweise 144 Kilogramm. Zum Vergleich: Yamahas Viertakter XS 650 leistete 50 PS und wog 230 Kilogramm. Vier Jahre später dann war auch die 250er-Viertakt-Technologie so weit, um in diese Sphären vorzustoßen. 27 PS entwickelte die Kawasaki Z 250 A von 1980 bei 10000/min. Und die Sensation des Jahres kam ebenfalls aus der Viertelliterklasse: die RD 250 LC, deren wassergekühlter Zweitakter für satte 38 PS gut war.

Daten Kawasaki Ninja 250 R

Kawasaki
290mm Durchmesser gegen 250cm³ Hubraum

Motor:
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 28 mm, G-Kat, Lichtmaschine 322 W, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe.
Bohrung x Hub 62,0 x 41,2 mm
Hubraum 249 cm²
Verdichtungsverhältnis 11,6:1
Nennleistung 24,0 kW (33 PS) bei 11000/min
Max. Drehmoment 22 Nm bei 8200/min

Fahrwerk:
Brückenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 37 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 290 mm, Doppelkolben-Schwimmsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 220 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel.
Alu-Gussräder 2.75 x 17; 3.50 x 17
Reifen 110/70 ZR 17; 130/70 ZR 17
Bereifung im Test IRC Road Winner

Maße und Gewichte:
Radstand 1400 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 Grad, Nachlauf 82 mm, Federweg v/h 120/130 mm, Sitzhöhe* 765 mm, Gewicht vollgetankt* 172 kg, Zuladung* 167 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Service-Intervallealle 6000 km
Farben Grün, Schwarz

Preis:
4345 Euro, Nebenkostenzirka 150 Euro

*MOTORRAD-Messungen

Daten Yamaha WR 250 X

markus-jahn.com
Potente 250cm³.

Motor:
Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, zwei oben liegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 38 mm, G-Kat, Lichtmaschine 350 W, Batterie 12 V/6 Ah, mechanisch betätigte Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe.
Bohrung x Hub 77,0 x 53,6 mm
Hubraum 250 cm³
Verdichtungsverhältnis 11,8:1
Nennleistung 22,6 kW (31 PS) bei 10000/min
Max. Drehmoment 24 Nm bei 8000/min

Fahrwerk:
Doppelschleifenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 46 mm, verstellbare Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Scheibenbremse vorn, Ø 298 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 230 mm, Einkolben-Schwimmsattel.
Speichenräder mit Alu-Felgen 3.00 x 17; 4.00 x 17
Reifen 110/70R 17; 140/70R 17
Bereifung im Test Bridgestone BT 090 „G“

Maße und Gewichte:
Radstand 1425 mm, Lenkkopfwinkel 64,8 Grad, Nachlauf 76 mm, Federweg v/h 270/265 mm, Sitzhöhe* 920 mm, Gewicht vollgetankt* 137 kg, Zuladung* 184 kg, Tankinhalt/Reserve 7,6/1,5 Liter.
Garantie zwei Jahre
Service-Intervallealle 10000 km
Farbe Schwarz

Preis:
5995 Euro, Nebenkosten zirka 150 Euro

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023