Vergleichstest Supersportler

Vergleichstest Supersportler Feuer frei

Die neue Jagdsaison ist eröffnet. Es geht um die Krone der Supersportler. Die stark überarbeitete Suzuki GSX-R 750 und die renovierte Honda CBR 900 RR stellen sich dem Frontalangriff der brandneuen Kawasaki ZX-9R und der Yamaha YZF R1.

Selten waren sich Kawasaki und Yamaha so einig: »Fireblade, jetzt bist du fällig!« Seit 1992 schneidet sich die Honda CBR 900 RR den größten Teil vom Supersport-Kuchen ab, und damit soll jetzt Schluß sein.
Doch es sind nicht nur die Hubraumboliden, die bei der Neuverteilung Ansprüche stellen, sondern auch die »Kleinen« haben ein Wörtchen mitzureden. Zum Beispiel die Suzuki GSX-R 750. Weiterentwickelt mit Einspritztechnik, findet sie in der verödeten 750er Klasse kaum noch ernstzunehmende Konkurrenz. Mit einer CBR 900 kann sie sowohl in der Endleistung als auch beim Gewicht mithalten, und im Kampf gegen die neuesten Sportbomben ZX-9R und YZF-R1 spielt sie ihren Joker aus: Preisvorteil.
Szenenwechsel. Spanien im Dezember. Vorweihnachtliche Stimmung. Vier MOTORRAD-Tester, ein Wunsch: Ich will sie zuerst fahren. Klar, welche gemeint ist, die Yamaha YZF-R1. Alle haben schon mal Probe gesessen, auf dem Hotelparkplatz, noch vor dem Frühstück. Und alle sind sich einig: Die R1 ist anders als die anderen. Irgendwie kleiner, kürzer, schmaler. Die Lenkerstummel sind zwar tief, aber nicht so weit vorn montiert wie bei den Konkurrenten. Lenkeinschlag? Reicht trotzdem aus. Der schmal gehaltene Brückenrahmen und der schlanke Tank machen’s möglich.
Kaltstart kein Problem. Die R1, die unsere spanischen Kollegen vom Schwesterblatt MOTOCICLISMO aus dem Yamaha-Vorserien-Fundus organisiert haben, springt ohne Theater an, kann - wie ihre drei Kontrahentinnen - schon nach ein, zwei Kilometern auf jegliche Gemischanreicherung verzichten. Geschmeidig. Ja, das trifft’s. Der R1-Motor läuft geschmeidig. Hängt sanft, aber mit unglaublichem Nachdruck am Gas. Reagiert spontan, aber ohne überraschende Ausbrüche. Fordert mit seiner Leistung Respekt und entlohnt mit Souveränität. Ob 2000 oder 10000/min, überall hält die R1 verwertbare und berechenbare Leistung parat.
Von ähnlicher Natur ist das CBR-Aggregat. Schon immer ein Vorbild an kontrollierbarer Kraft, zeigt die überarbeitete Fireblade (siehe MOTORRAD 24/1997), daß auf der Landstraße nicht Megapower, sondern ein breit nutzbares Leistungsband der Schlüssel zum Erfolg ist. Nicht ganz so vehement wie die R1, zieht die CBR auch mal zwei Gänge zu hoch aus dem Eck. Daß sie über 9000/min etwas zurückhaltender agiert, wirkt eher beruhigend als enttäuschend. Denn 128 PS sind im öffentlichen Straßenverkehr mehr als genug.
Blankes Entsetzen wird der erfahren, der es wagt, die Kawasaki ZX-9R ernsthaft herauszufordern. Im unteren Drehzahlbereich ziemlich harmlos und prima zu handeln, zeigt der ultrakurzhubige Vierzylinder über 9000/min, was ein ordentlicher Tritt ins Kreuz ist. Brutaler Biß, brutaler Schub, brutaler Sound. Vibrationen, Ansauggeräusch, Antritt und leider auch der hackende Leistungseinsatz beim Übergang von Schiebe- in Lastzustand - alles an der Grünen wirkt kerniger, härter. Daß die Testmaschine im Vergleich zum Einzeltestexemplar (MOTORRAD 25/1997) »nur« 144 PS auf dem Prüfstand abliefert, ist völlig wurscht: Die Kawasaki zeigt´s dir schon, keine Sorge.
Sorgen hat nur die Suzuki. Auch wenn sie dank Einspritzung im mittleren Drehzahlbereich zugelegt hat, steht sie im Reigen dieser drehmomentstarken Gesellschaft voll unter Streß. Um im Kurvengewirr des Hinterlandes von Valencia den Anschluß an die Truppe nicht zu verlieren, hilft nur eins: Bei Zeiten schalten und immer schön auf Drehzahl halten. Kein Wunder, daß die GSX-R im Schnitt rund 1,5 Liter mehr Sprit durch die Einspritzdüsen jagt. An Spitzenleistung fehlt es der 130 PS starken Giftspritze jedenfalls nicht. Relaxt reisen geht aber anders.
Die Honda macht´s vor. Zum gutmütigen Antrieb, dem die nervigen Lastwechselreaktionen der Vorgängermodelle weitgehend abgewöhnt wurden, gesellt sich ein prima Fahrwerk. Die Federelemente lassen sich sehr komfortabel abstimmen, sprechen sensibel an und sorgen stets für das nötige Maß an Fahrstabilität. Ein Sahnestückchen ist das Sitzkissen. Selbst namhafte Tourer bieten kein wohligeres Plätzchen. Nach wie vor störend wirkt die ausgeprägte Aufstellneigung in leichter bis mittlerer Schräglage. Der vordere 130er Pneu auf der 16-Zoll-Felge erschwert nicht nur das Leben auf welligem Untergrund, sondern begrenzt auch die Wahl der Reifen. Altgediente CBR 900-Fahrer können davon ein Klagelied singen.
Klagen rein körperlicher Natur verursacht die ZX-9R. Knüppelhart prügelt sie auf schlechten Straßen auf ihren Fahrer ein, kennt selbst bei fast völlig geöffneter Dämpfung keine Gnade. Dafür überzeugt die lässige Sitzposition mit den hoch montierten Lenkerstummeln. So läßt sich die schwerste Probandin im Test (211 Kilogramm) ohne großen Kraftaufwand um die Ecken biegen.
Seit die Suzuki auf den neuen Metzeler ME Z3 steht, zählt auch sie zu den zielgenauen Leichtfüßlern. Mit angenehmen Komfortreserven ausgestattet, gleitet sie über schlechte Straßenabschnitte tadellos hinweg. Doch bei ihr ermüdet die weit vornübergebeugte Sitzposition. Und dann das leidige Thema Lenkungsdämpfer. Tja, liebe Suzuki-Techniker, wie man´s macht, ist´s verkehrt: Solange keiner dran war, heulte die Fachpresse über gemeines Lenkerschlagen. Jetzt, da einer montiert ist, beklagt sie den schlechten Geradeauslauf bei niedriger Geschwindigkeit. Undank ist der Welten Lohn.
Und die R1, was gibt´s an der zu meckern? Nichts. Die Sitzposition geht auch auf längeren Strecken in Ordnung. Gabel und Federbein der Vorserien-Yamaha (Grundabstimmung kann sich noch leicht verändern) lassen sich extrem komfortabel einstellen und überzeugen durch seidenweiches Ansprechen. Keine tobt so einfach und selbstverständlich durch die kurvige Bergwelt, keine beherrscht den schnellen Schräglagenwechsel so gut. Gewichtsverleilung, Balance und Ergonomie sind unter sportlichen Gesichtspunkten das Feinste, was der Markt zu bieten hat. Die R1 scheint sich auf dem Asphalt festzusaugen, und die direkte Rückmeldung steigert nicht nur den Glauben an die Maschine, sondern auch ans eigene Fahrkönnen. Also: Vorsicht!
Leistungsstarke Maschinen brauchen auch leistungsstarke Bremsanlagen. Und die meistern ihre Aufgaben allesamt bravourös. Zumindest auf öffentlichen Straßen zeigt sich keine nur annähernd überfordert. Etwas mehr Handkraft hier, etwas sanftere Wirkung da. Nach ein paar Kilometern auf der jeweiligen Marke lassen sich kaum noch Unterschiede ausmachen. Einzig die ZX-9R fällt ein wenig ab. Beileibe nicht wegen mangelnder Leistungsfähigkeit, vielmehr hat man den Eindruck, als würde sich die Gabel unterm harten Zugriff der Sechskolben-Anlage im ersten Moment verwinden. Darunter leidet vor allem das so wichtige Vertrauensverhältnis zum Vorderrad.
Vertrauen ist auch bei der Vollgasetappe auf der Autobahn vonnöten. Die Erkenntnisse: Pluspunkte für den überragenden Topspeed der ZX-9R. Bonuspunkte für den Windschutz der GSX-R, die sich übrigens nicht aus dem Windschatten der R1 abschütteln läßt. Minuspunkte für den kleinen Tank der Yamaha - mit den angegebenen 18 Liter müßten mehr als 130 Kilometer drin sei, bevor die Reservelampe mahnt. Mitleid mit der CBR, auf die man immer wieder warten muß.
Neuer Tag, neues Glück. Die Rennstrecke von Cartagena steht auf dem Programm. Traumhafte Bedingungen: 18 Grad, Sonne, anspruchsvolle Strecke, nicht zu schnell, aber gespickt mit jeder Menge kniffliger Passagen.
Zum Warmfahren rücken alle vier auf ihren mittlerweile arg strapazierten Serienreifen aus. Schon bald stoßen die Bridgestone-bereiften Sportler von Kawasaki und Honda an die Grenzen ihrer ausgemergelten Gummis. Aberf auch den Metzeler der GSX-R scheinen die 1300 Landstraßenkilometer zugesetzt zu haben. Kaum nippen die Fußrastennippel am Asphalt, fangen die Gummis zu rutschen an. Die R1 steht auf den für den spanischen Markt montierten Michelin TX 15/25. Die deutschen Maschinen werden auf Metzeler ME Z3 ausgeliefert. Damit sollte das leichte Zucken in der Lenkung beseitigt sein.
Um für alle Beteiligten gleiche Voraussetzungen zu schaffen, werden sie während der Mittagspause auf einheitliche Sportreifen, Marke Michelin Race 3, gestellt. Der Name ist Programm: Haftung bis zum Abwinken. Die CBR profitiert gleich zweifach vom neuen Schuhwerk, da die Michelin ihre lästige Aufstellneigung minimieren. Deutlich leichter einzulenken, läßt sich die bislang auf Landstraße und Rennstrecke etwas unhandlich wirkende Honda viel besser durch die enge Schikane zirkeln und in den sich zuziehenden Ecken auf Linie halten. In extremen Situationen setzt zwar der dicke Schalldämpfer auf, doch die Zeiten, als der Lichtmaschinendeckel zum Stolperstein werden konnte, sind vorbei. Wäre sie obenrum doch nur ein wenig spritziger - sie hätte das Zeug zum Siegen: standfeste, perfekt dosierbare Bremsen, Federelemente, die auch nach zehn Runden am Limit nicht schlapp machen. Die CBR vermittelt einfach ein gutes Gefühl.
Die ZX-9R bringt’s auf die harte Tour. Von 9000 bis 12500/min tobt ein Orkan. Wo die Honda bedenkenlos unter Vollgas durchgepeitscht wurde, wird jetzt das Gas gelupft, um die letzten paar PS zurückzuhalten. Schwierigkeiten gibt´s in den langsamen Passagen, beim Gasanlegen nervt dieser Ruck, verursacht durch die Schubabschaltung an den Vergasern. Da es sich bei der Testmaschine nicht um die Kat-Version handelt, wird kurzerhand die Steckverbindung gelöst. Und siehe da: Der Leistungseinsatz kommt nicht mehr so hart.
Ganz so einfach läßt sich das Problem mit der Gabel nicht beheben. Wie schon auf der Landstraße moniert, kriegt die Gabel beim ersten Zupacken der Bremsen die große Flatter. Erst nach ein paar Metern mit gezogener Bremse beruhigt sich der Vorbau und besinnt sich auf seine eigentliche Aufgabe - das Federn und Dämpfen. Was bleibt, ist ein ungutes Gefühl und die Gewißheit, in der nächsten Runde auf keinen Fall noch später zu bremsen. Die klebrigen Sportreifen fordern Opfer. Der schöne Titan-Endschalldämpfer sieht etwas mitgenommen aus.
Die Suzuki brennt auf der Strecke ein richtiges Feuerwerk ab. Die Rundenzeiten (siehe Tabelle) sprechen für sich. Lediglich die Bremsen enttäuschen. Zwar stimmt der Biß der Sechskolben-Anlage, mit der Standfestigkeit ist es allerdings nicht weit her. Mehr als sechs schnelle Runden hintereinander sind nicht drin, weil sich der Handhebel dann selbst in der äußersten Stellung bis an den Griffgummi ziehen läßt.
Und die R1? Steht wieder über den Dingen. Zwar kratzt auch sie jetzt mit dem Endtopf leicht auf der Piste, alles andere dagegen läuft wie geschmiert. Sie bleibt stabil beim Anbremsen, zieht auf engstem Radius durch die Kurven und malt die längsten schwarzen Striche an den Kurvenausgängen. Das alles einfach so, ohne übermäßigen Streß zu verursachen. So müssen sich die Helden dieser Welt auf ihren Grand Prix-Rennern fühlen.

Fazit Kawasaki

3. Platz StraßeDie gnadenlose Power der ZX-9R kann auf der Straße fast nie umgesetzt werden. Und das Fahrwerk prügelt einem auf schlechten Staßen das Rückgrat weich. Trotz guten Handlings und einer angenehm aufrechten Sitzposition fehlt es der ZX-9R ein wenig an guten Manieren.2. Platz RennstreckeOhne Übung die Hölle, für PS-erprobte Heizer ein Gedicht. Im oberen Drehzahlbereich explodiert das 900er Triebwerk förmlich. Auch die harte Fahrwerksabstimmung paßt auf der Rennstrecke. Nur die Gabel bereitet beim harten Bremsen Sorgen.

Fazit Yamaha

1. Platz StraßeNoch nie wurde das Thema Leistung und Drehmoment so eindrucksvoll interpretiert wie bei der R1. Ihr Motor steht einfach eine Stufe über der Konkurrenz. Gleiches gilt für das spielerische Handling. Verarbeitung und Ausstattung liegen auf hohem Honda-Niveau.1. Platz RennstreckeSich fühlen wie Cadalora, Abe und co. Die R1 macht’s möglich. Leistung gibt’s in allen Lagen, gut kontrollierbar und ohne Überraschungseffekt. Prima Bremsen und ein stabiles, superhandliches Fahrwerk runden das Bild ab. R1, die neue Referenz.

Fazit Honda

2. Platz StraßeSpitzenleistung ist nicht alles. Eine gutmütige Leistungsentfaltung und ein komfortables Fahrwerk versüßen den Alltag. Fast wäre die CBR über ihr 16-Zoll-Vorderrad gestolpert. Hohe Aufstellneigung und kippeliges Kurvenverhalten auf welligen Straßen müssen nicht sein.4. Platz RennstreckeAlles locker, alles easy, aber nicht konsequent genug. Dem CBR-Motor fehlt der letzte Biß Auf der Bremse diese extrem starke Aufstellneigung, die zu viel Kraft beim Einlenken fordert. Dennoch, der neue Jahrgang ist besser denn je.

Fazit Suzuki

4. Platz StraßeSie hat sich mehr als tapfer geschlagen. Doch das Hubraumdefizit ist nicht aufzuholen. Leider kann die Kleine weder Gewichts- noch Handlingsvorteile für sich verbuchen. Finanziell gesehen ist die GSX-R jedoch eine mehr als interessante Alternative.3. Platz RennstreckeEin drehfreudiger Motor, ein gut abgestimmtes Fahrwerk und sauschnelle Rundenzeiten machen die 750er zum echten Big Bike-Schreck. Leider sind die Bremsen nicht sehr standfest, und das Leistungsband des Vierzylinders ist im Vergleich zur hubraumstarken Konkurrenz recht schmal.

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