Vergleichstest Suzuki GSX 600 F gegen Suzuki GSF 600 S Bandit

Vergleichstest Suzuki GSX 600 F gegen Suzuki GSF 600 S Bandit Blau-Wahl

GSX 600 F oder GSF 600 S? Die Farbgebung leistet ebensowenig Entscheidungshilfe wie die Preisgestaltung. Halten wir uns also - vernünfig wie wir sind - an die inneren Werte der Vergleichskandidaten.

Zu den Stillen im Lande zählt die Suzuki GSX 600 F, seit sie 1988 die Motorradszene betrat. Als sportlicher Allrounder konzipiert und mit dem Handicap eines gewöhnungsbedürftigen Erscheinungsbilds zur Welt gekommen, hatte sie von Anbeginn gegen die Supersportler ihrer Klasse wenig zu bestellen. Doch die »F« gab nicht auf, spielte vielmehr auf Zeit. Mit Erfolg: Während die konkurrierenden »R«-Modelle der 600er Klasse teurer und teurer wurden, setzte die Suzuki auf Preisstabiltät und schuf sich klammheimlich über die Kostenschiene einen beachtlichen Freudeskreis.

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Doch nun, zu Beginn des neunten Lebensjahrs, läuft der stille Star im Suzuki-Programm Gefahr, von einem hausgemachten Widersacher eingebremst zu werden: Die teilverkleidete GSF 600 S ist neuer und billiger, und sie kommt auf der Erfolgsspur, den die nackte Bandit 1995 im Burn out-Stil auf dem deutschen Markt hinterlassen hat.

Die GSX könnte versucht sein, das Beste aus der neuen Situation zu machen und die Vorteile ihres langen Daseins herauszustreichen. Sie könnte auf ihren bewährten Vierzylinder verweisen, der in direkter Linie vom luft-/ölgekühlten GSX-R 750-Triebwerk abstammt - eine gute Basis, die wegen geringeren Belastung als Folge des reduzierten Hubraums beste Ausdauerqualitäten verspricht. Doch Pech gehabt: Die GSF schöpft motorisch aus derselben, mittlerweile zwölf Jahre alten Quelle, präsentiert den gleichen filigran verrippten, kampferprobten Reihenvierer.

Auch der Versuch, die Bandit zu einem Leistungsvergleich herauszufordern, führt die GSX auf dünnes Eis, denn ihr vermeintlicher zehnprozentiger Vorsprung schmilzt im Licht der Prüfstandsrealität zur Bedeutungslosigkeit: Statt versprochenen 86 Pferdestärken liefert sie deren 84, während die bestens aufgelegte GSF 83 PS (Werksangabe: 78 PS) auf die Rolle drückt.

Damit nicht genug: Untenrum wirkt der GSX-Motor kraftlos, um die 6000/min durchlebt er eine Phase tiefer Lustlosigkeit, erst bei der 8000er Marke auf dem Drehzahlmesser macht er Anstalten, sich energisch ins Zeug zu legen. Rasante Spurts aus dem Stand gelingen folglich nur mit hohen Drehzahlen und schleifender Kupplung, und bei lockerem Fahren im mittleren Geschwindigkeitsbereich fällt der Vierzylinder immer wieder ins Elf-Uhr-Loch seines Leistungsbandes, aus dem er ohne Hilfestellung vom Getriebe nur mühsam herausfindet.

Also schalten, schalten, schalten, um den Motor bei Laune zu halten. Das geht gottlob leicht, präzise, geräuschlos und bei Bedarf auch ohne Kuppeln.

Der Vierzylinder der Bandit, der über kleinere Vergaser und eine Vier-in-eins- statt einer Vier-in-zwei-Auspuffanlage mit der Umwelt kommuniziert, zeigt ähnliche, unter dem Strich aber benutzerfreundlichere Charaktereigenschaften. Auch er lebt von hohen Drehzahlen, auch er ist auf seine perfekt funktionierende Schaltbox angewiesen. Der entscheidende Unterschied: Seine Leistungskurve strebt entschlossener zum Gipfel, leistet sich keine nennenswerte Einbrüche in der Mittellage. Daß die Bandit die GSX-F beim Durchzug im letzten Gang dennoch nur schwach überflügelt, geht wohl auf das Konto ihrer etwas längeren Sekundärübersetzung. Zwei, drei Zähne mehr am hinteren Kettenrad könnten der Bandit zusätzliche Schubkraft verleihen, ohne daß sie bei Höchstgeschwindigkeit in ungesunde Drehzahlbereiche vorstoßen würde. Dennoch: Auch im Ist-Zustand wirkt sie im Vergleich zur »F« bissiger, zupackender - kurzum: souveräner motorisiert.

Ganz und gar nicht souverän geben sich die Motoren von GSX-F und GSF-S zur Winterzeit beim Druck aufs Anlasserknöpfchen. Da dauert es eine Ewigkeit, bis die durchgefrorenen Vierzylinder sich zur Arbeit bequemen - um dann allerdings zügig und ohne weitere Mucken die Warmlaufphase zu absolvieren. Die knapp bekleidete Bandit zahlt obendrein den Preis für ihren Hang zum Exhibitionismus: Bei Feuchtigkeit gibt sich ihre Zündelektrik verschnupft und läßt das Triebwerk auf zwei oder drei Zylindern ins Leben stolpern.

Wenn dann schließlich alle vier Pleuel an einem Strang drehen, zeigt der Bandit-Motor - im Schulterschluß mit dem GSX-F-Pendant - schönste Laufkultur, die von der Kurbelwelle bis zum Hinterrad wirkt: keine spürbaren Vibrationen, keine Verschlucker beim hastigen Öffnen der Vergaserschlünde, kein lästiges Spiel im Antriebsstrang zwischen Zug- und Schubstufe.

Ins Thema Fahrkultur spielen die ergonomisch relevanten Verhältnisse an Bord der beiden 600er. Die kompakte GSX-F interpretiert das Thema »600 Supersport«: Vergleichsweise niedrige Lenkerhälften, weit hinten und mit wenig Abstand zur Sitzfläche plazierte Fußrasten. Die daraus resultierende Körperhaltung mit vorgebeugtem Oberkörper und stark angewinkelten Unterschenkeln paßt zu angriffslustiger Fahrweise und hohen Dauergeschwindigkeiten auf der Autobahn. Dabei stellt sich heraus, daß die knapp geschnittene Verkleidung überraschend guten Windschutz und wirbelarme Umströmung des Kopfbereichs bietet.

Anders verhält es sich mit der Bandit. Der höhere Lenker und die weiter vorn und in größerer Distanz zur Sitzbank angebrachten Fußrasten sorgen in fast allen Lebenslagen für ein Plus an Unbeschwertheit und Bequemlichkeit. Erst ab Tempo 150 bis 160 bahnt sich ein Vorzeichenwechsel an. Die Halbschale - obwohl nicht knapper geschnitten als das GSX-F-Oberteil - bringt wenig Druckentlastung, und beim Versuch, durch tiefes Abtauchen Besserung zu erzielen, sind Krampfzustände vorprogrammiert.

Davon abgesehen, bietet die Bandit gute Voraussetzungen für unverkrampftes Dauerbrennen. Welche Störfaktoren sich auch immer über die GSF 600 S hermachen, der Geradeauslauf bei hohen Geschwindigkeiten bleibt unangetastet: Querfugen, Längsrillen, Windkräfte - nichts bringt die Bandit in Verlegenheit.

Die GSX 600 F ist da wesentlich dünnhäutiger, zeigt rege Anteilnahme an dem, was um sie herum vorgeht, quittiert jeden Stupser mit leichten Schwankungen um die Fahrzeug-Längsachse. Obwohl dieses mimosenhafte Gezappel niemals in Pendeln ausartet, verleiht es voll gefahrenen Autobahnetappen einen Hauch von Abenteuer.

Die Ruhe selbst ist die GSX auch auf der Landstraße nicht. Während sie auf topfebenen Asphaltbändern mühelos einlenkt und präzise ihren Weg findet, überfallen sie auf unebenem Untergrund die schon bekannten Zeichen der Rührung. Doch diese Nervosität ist kein gottgebenes Manko, sondern eine Konsequenz der serienmäßigen Dunlop K 655-Bereifung. Jede andere der von Suzuki freigegebenen Reifenpaarungen wirkt mehr oder weniger beruhigen auf die Spurstabilität der »F« (siehe MOTORRAD 25/92). Die Bandit, von Haus aus auf Bridgestone BT 50/BT 54-Reifen unterwegs, untermauert jenseits der Autobahn die dort gesammelten positiven Eindrücke. Unterstützt durch die legere Sitzposition hinter dem breiten Lenker, läßt sie sich noch lockerer durch Kurvenkombinationen zirkeln, wirkt noch einen Hauch präziser in der Spurhaltung. Vor allem aber: Sie folgt der vorgegebenen Marschrichtung, egal ob der Bodenbelag straff gespannt ist oder ob er häßliche Falten wirft. Das gilt zumindest für den Solobetrieb. Unter dem Eindruck eines gewichtigen Zweierteams stößt die Bandit - genauer gesagt: ihr Zentralfederbein - an Grenzen: Auf heftigen Bodenwellen schlägt die Hinterradfederung krachend durch, und die Zugstufendämpfung hat alle Mühe, die anschließende Aufwärtsbewegung des Rahmenhecks zu bremsen. Das Federbein der GSX-F ist im Solobetrieb ähnlich schluckfreudig und komfortabel wie das Bandit-Pendant und läßt sich bei voller Beladung ebenfalls hin und wieder auf Anschlag zusammenstauchen, hat aber unter dem Strich ein Quentchen mehr Federungs- und Dämpfungsreserven.

Dafür schlägt das Stündlein der »F«, wenn hartes und kontrolliertes Bremsen angesagt ist. Obwohl mit Festsätteln und schwimmenden Scheiben am Vorderrad bestens vorbereitet, vereinigt sie hohen Handkraftbedarf mit schlechter Dosierbarkeit. Die Bandit macht vor, wie`s besser geht: Mit leichtem Griff und gutem Feedback zeigt sie, obwohl »nur« mit Schwimmsätteln bestückt, die klar bessere Verzögerungstaktik.

Das Leben für den Sozius ist auf der GSX-F kein Zuckerschlecken: Zwar hat er aureichenden Überlebensraum auf der hinteren Sitzbankhälfte, doch hockt er seltsam isoliert weit hinter und über dem Vor-Sitzenden. Auf der Bandit lebt es sich zu zweit in etwas intimerer Nähe - ein Vorteil, der durch die nach vorn abfallende Sitzfläche und den geringen Abstand zwischen Hosenboden und Fußauflagen leider völlig zunichte gemacht wird. Womit die Blau-Wahl zur einsamen Entscheidung wird - im einen wie im anderen Fall.

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