Vorstellung Honda RC213V-S
Street Racing

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Da bekommt der Begriff Straßenrennsport eine ganz neue Bedeutung: Honda baut mit der Honda RC213V-S einen lupenreinen MotoGP-Ableger mit Straßenzulassung, der allein beim puren Betrachten den Mund wässrig macht.

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Foto: Honda

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Honda baut eine MotoGP-Replika für die Straße.“ Das war vor gut einem Jahr. Die Informationen flossen eher spärlich, und den darauf folgenden Spekulationen und Erwartungen begegnete Honda letzten Herbst in Mailand auf der EICMA mit einem Prototyp, dem nun beim Catalunya-GP in Barcelona die offizielle Vorstellung folgte, live, zum Anfassen und Probesitzen. Ein MotoGP-Ableger mit Licht und Blinker, so steht die Honda RC213V-S im Blitzlichtgewitter. Die fette Aluschwinge mit ihren wuchtigen Unterzügen, die gewaltige Öhlins-Gasdruckgabel mit den mächtigen, gefrästen Gabelfüßen, Rasten, Achsen, Details wie die hintere Bremszange – es scheint, als hätten die Techniker tatsächlich aus Márquez‘ und Pedrosas Box das Ersatzbike gekapert und mit TÜV-Ornat versehen. 

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Um die Wichtigkeit dieses Anlasses zu unterstreichen, waren neben der Entwicklerriege aus Japan denn auch die beiden Werksfahrer bei der Zeremonie anwesend und gaben artig ihr begeistertes Statement zur Honda RC213V-S ab. Einen Dämpfer bekam die anfängliche Begeisterung bei der Nennung der Leistungsdaten. 159 PS im zivilen Trimm, das sorgt zunächst für fragende Mienen. Die Erklärung von Honda: Ziel der vor drei Jahren gestarteten Entwicklung war es, die pure Fahrdynamik eines MotoGP-Bikes für die Straße zu konservieren. Ausgangspunkt dafür war jene RC213V, mit der Márquez seine beiden WM-Titel holte. Das hieß in erster Linie: minimales Gewicht, bestmögliche Schwerpunkt­lage und Balance bei ausreichend ­Leistung.

Race-Kit kostet stattliche 12.000 Euro

Und mal ehrlich: 160 PS, da sprechen wir bei handelsüblichen Serien-1000ern von Drehzahlen um 10.000 Umdrehungen. Ein Bereich, den selbst hartgesottene Landstraßen-Heizer eher in Ausnahmefällen nutzen oder überschreiten. Dennoch bleibt Stirnrunzeln. Denn zwar entkorkt der Race-Kit für stattliche 12.000 Euro den V4 der Honda RC213V-S auf standesgemäße 215 PS. Doch sind das Größenordnungen, in die eine gut gehende BMW S 1000 RR auch schon fast vordringt – leise und dazu abgasgereinigt.

Möglicherweise lag den Honda-Technikern schlicht die Zuverlässigkeit und Lebensdauer des V4 am Herzen, der schließlich weitgehend seinem ­MotoGP-Bruder entsprechen soll, also etwa auch in puncto Dimensionierung von beispielsweise Wandstärken und Lagern. So dreht das Aggregat der Honda RC213V-S offen bis 14.000/min und gibt seine Höchstleistung bei 13.000/min ab, während die Straßenversion schon bei zahmen 11000/min ihren Leistungsgipfel erreicht.

Die letzten Kilo sind die schwierigsten

Es ist also das ganze „Package“, wie es die Honda-Techniker beschreiben, das die Honda RC213V-S so besonders macht. Und dass sie weitgehend baugleich ist mit dem MotoGP-Renner. Das TIG-geschweißte Alu-Chassis mit seinen genau definierten Steifigkeiten entspricht damit genauso dem Racer wie die fulminante Schwinge samt Umlenkung. Auch die Sitzposition wurde eins zu eins übernommen. Dass die Honda-Techniker beim Leichtbau alle Register zogen, zeigt die Werksangabe von 170 Kilogramm trocken. Nur noch 160 ­sollen es rennfertig sein. Ein MotoGP-Motorrad muss nach dem Rennen noch 158 Kilo wiegen. Noch Fragen? Und wer je versucht hat, sein Rennbike so leicht wie möglich zu machen, weiß, dass das gehörig ins Geld geht. Es ist wie bei der eigenen Wampe: Die letzten Kilo sind die schwierigsten. Ergo schmückt sich die RC213V-S mit allem, was gut und teuer ist. Selbsttragendes Karbon-Heck, geschmiedete Magnesium-Räder, leichter, bis unter die Sitzbank reichender Alu-Tank, dazu ­Karbon und Titan-Schrauben in verschwenderischer Pracht.

Doch es ist nicht nur das grundsätzliche Layout: Die Materialien und Bearbeitungsprozesse und -schritte entsprechen beim Aufbau der Honda RC213V-S jenen der MotoGP-Werksrenner, ebenso der ausgeklügelte Aufbau. Im Zentrum des Geschehens: Der auf einem Sandguss-Gehäuse aufgebaute 90-Grad-V4. Wie oben schon ­erwähnt im Grunde identisch mit dem Renntriebwerk. Auf Goodies wie pneumatischer Ventiltrieb, leichte Renn­kolben oder Seamless-Getriebe muss der Serienmotor zwar verzichten. Doch Leckereien wie Kassettengetriebe, Zahnradantrieb für die Nockenwellen und die mit Wolfram-Gewichten ausbalancierte 360-Grad-Kurbelwelle sind mit an Bord. Dabei geriet der 1000er so kompakt wie das 800-cm³-Aggregat der RC212V. Direkt auf der Auslassnockenwelle des vorderen Zylinderpaars sitzt die Wasserpumpe. Die tief gezogene Ölwanne garantiert zuverlässige Ölversorgung auch bei brachialsten Beschleunigungen, Verzögerungen und Schräglagen, während die mächtige Kühlerwand den thermischen Stress in Grenzen hält. Und jede Zylinderbank besitzt einen eigenen Auspuffstrang mit separatem Sammler und Klappe.

Auch die Elektronik soll von den Werksmaschinen kommen

Lässt sich über die Leistungsdaten vielleicht noch kritisch diskutieren, so sind Aufbau und Verarbeitung der Honda RC213V-S makellos. Nicht nur die Mechanik, auch die Elektronik soll von den Werksmaschinen kommen, vor allem Traktions- und Wheeliekontrolle. Wenngleich der Schaltautomat nur beim Hochschalten aktiv ist. Genau wie die Werksrenner kommt die RC213V-S übrigens ohne ABS aus. Doch auch solche Kunstwerke wie Hondas MotoGP-Replika benötigen, sofern sie genutzt werden, Wartung und Pflege. Darum sollen sich in Europa drei Service-Center mit ­eigens geschulten Spezialisten und den nötigen Spezialwerkzeugen kümmern. 

Wer ernsthaft eine dieser Preziosen ­haben möchte, muss zweierlei sein: solvent und schnell. Denn 188.000 Euro für die Honda RC213V-S sind eine gewaltige Hürde. In Deutschland wird sie nur zusammen mit dem Race-Kit verkauft, macht summa summarum 200.000 Euro. Vom 13. Juli bis zum 30. September 2015 konnte sie auf der eigens eingerichteten Homepage www.rc213v-s.com bestellt werden. Die Kaufanträge werden nach Eingang bearbeitet. Ein Team von Spezialisten baut auf Bestellung von Hand jede Maschine auf. Sämtliche Schrauben wie etwa die Motorhalteschrauben werden nicht wie in der Serienfertigung mit Druckluftwerkzeugen, sondern manuell mit Drehmomentschlüsseln montiert. Maximal eine Maschine kann so pro Tag gebaut werden. Mehr als insgesamt ­etwa 250 werden es aber auf keinen Fall sein. Und nur ein Fünftel davon ist für Europa bestimmt. So verhält es sich mit den GP-Replikas wie mit den Werksrennern: Sie werden nicht einfach zu ergattern sein.

Technische Daten Honda RC213V-S

Honda
Ohne Verkleidung offenbart die Honda ihre inneren Werte.

Honda RC213V-S - Racekit

Honda
Dank des Honda Smart Keys (unten links) muss kein Schlüssel mehr in Tank- oder Zündschloss gefummelt werden. Und Gewicht spart es auch.

Das Racekit für 12.000 Euro beinhaltet:

  •  ECU 
  •  Ansaugkanal in Verkleidungsfront
  •  Titan-Auspuffanlage, 4,8 kg leichter
  •  Spezielle Zündkerzen mit Steckern
  •  Racing-Schaltautomat
  •  Schaltwalze für umgedrehtes Schaltschema
  •  Data-Logger-Set
  •  Umlenkhebel des Federbeins einstellbar zur Änderung der Heckhöhe
  •  Racing-Bremsbeläge vorne
  •  Fernversteller (Remote Adjuster) für den Handbremshebel
  •  Thermostat, der bei 62 Grad Wassertemperatur öffnet (Serie: 82 Grad)
  •  Übersetzungspaket Innenverkleidung unter der unteren Gabelbrücke
  •  Hinteres Sitzpolster zum Abstützen
  •  Kabelbaum: Abdeckkappen für Steckverbindungen, die nach Entfernen der Lampen etc. offen liegen
  •  Montageständer für vorne und hinten
  •  Abdeckplane
  •  Leistung über 158 kW (215 PS) bei 13.000/min
  •  Drehmoment über 118 Nm bei 10.500/min
Die aktuelle Ausgabe
PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023