Vyrus 986 M2 Strada im Test
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In Rimini entstanden bei Bimota viele Jahre lang außergewöhnliche Maschinen. Unter dem Markennamen Vyrus baut eine kleine Gruppe Enthusiasten dort mindestens ebenso exklusive Motorräder. MOTORRAD-Mitarbeiter Alan Cathcart fuhr die Vyrus 986 M2 Strada mit Vierzylindermotor.

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Foto: Kel Edge

An eine Rennmaschine Lampen und Blinker anzubauen, garantiert noch lange nicht, dass du auf der Straße damit zufrieden bist. Aber wenn du dir sechs Jahre Zeit für die Abstimmung nehmen kannst, stehen die Chancen dann doch ganz gut. Vyrus-Virtuose Ascanio Rodorigo baute 2011 einen Moto2-Renner, den er nun auf die Straße bringt.

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Kaum einen Steinwurf von Bimota entfernt fertigten Rodorigo und seine vier Kompagnons in Rimini bisher über 150 Exemplare des achsschenkelgelenkten Vyrus-Sportmotorrads mit Ducati-Motor. Doch die Vyrus 986 M2 Strada nun ist die erste Maschine mit einem Reihenvierzylinder aus Japan, dem Motor der Honda CBR 600 RR. Nur 50 Triebwerke hat Rodorigo bekommen, Honda stellt die Produktion des Motors bald ein.

Die avantgardistische Achsschenkellenkung erinnert an die Bimota Tesi, dazu begeistert die Vyrus mit ihrem unglaublich dramatischen Design. Die Karbonhülle gestaltete Rodorigo zusammen mit der japanischen Designerin Yutaka Igarashi und Ex-Ducati-Designer Sam Matthews, einst rechte Hand von Pierre Terblanche. Der wesentlich kompaktere Honda-Motor erlaubt einen extrem kurzen Radstand von nur 1350 Millimetern. Zusammen­gehalten wird die Maschine von einem umgedrehten Omega aus gefrästem Ergal-Aluminium. Ohne Benzin wiegt die Vyrus sagenhafte 151 Kilogramm, mit einem 75 Kilogramm schweren Fahrer beträgt die Gewichtsverteilung exakt fünfzig-fünfzig.

Die beiden Schwingen stützen sich über in Thailand gefertigte, voll einstellbare YSS-Federbeine ab. Trotz der kompakten Erscheinung hat man ziemlich bequem Platz auf dem Renner. Wer je eine Bimota Tesi gefahren ist, sucht zwangsläufig Parallelen ­dazu. Die verglichen mit der Vyrus dicken Tesis fuhren sich nicht wirklich präzise in Kurven, vor allem, wenn noch Bodenwellen dazukamen. Die Vyrus packt das viel besser. Sie zieht eher unbeirrt ihre Bahn, man muss die Lenkerstummel nur locker führen. Faszinierend ist immer noch das Bremsen in Schräglage. Denn wie die Tesi trennt auch die Vyrus Lenkung und Federung und steckt damit sogar suizidal gewählte Bremspunkte noch locker weg. Du musst dich nur zwingen, so spät zu bremsen.

Dein Fahrstil ändert sich mit der Zeit völlig. Du belastest den Vorderreifen viel mehr als mit einem konventionellen Motorrad. „Es ist schon bezeichnend, dass Kevin Schwantz den Rundenrekord in Assen über zehn Jahre hält“, philosophiert Vyrus-Bauer ­Rodorigo. „Das zeigt doch, dass die Motorradindustrie sich kaum vorwärtsbewegt. Man verbaut Telegabeln – inzwischen 50 Millimeter dicke Bauteile. Das ist für mich Stillstand. Wir wollen einen frischen Blick auf die Technik des Motorrads werfen.“

Die Vyrus 986 M2 ist ein exquisites und brillant gefertigtes Meisterstück, das mit annähernd 38000 Euro freilich auch einen entsprechenden Preis hat. Doch das Schöne an ihr ist, dass neben der Ästhetik auch die Fahrdynamik passt. Vielleicht sollte Rodorigo auch mal über einen Dreizylinder nachdenken …

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Erscheinungsdatum 26.05.2023