Ob mit oder ohne Exup – die FZR 1000 ist eine herausragende Vertreterin jener Epoche, in der echte Supersportler 750 cm³ Hubraum hatten und sportliche 1000er mit der Eleganz und Wucht von Rennyachten die Wellen bügelten.
Ob mit oder ohne Exup – die FZR 1000 ist eine herausragende Vertreterin jener Epoche, in der echte Supersportler 750 cm³ Hubraum hatten und sportliche 1000er mit der Eleganz und Wucht von Rennyachten die Wellen bügelten.
Eine ungedrosselte FZR 1000 galt in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren als das Speedbike schlechthin: Leichter und fahrstabiler als die Kawasaki ZZR 1100, fahrstabiler als die erste Suzuki GSX-R 1100, leichter als die Honda CBR 1000 F und spätere GSX-R 1100, dazu piekfein verarbeitet und mit aufwendigen Details wie der hinteren Achsaufnahme in Prismenlagern oder dem Elipsoid-Scheinwerfer veredelt. Sie fand den besten Platz zwischen den Sauriern und den 750er-Superbikes, schöpfte aus dem großen Hubraum eine enorme Leistung und brachte sie dank der vom Rennsport inspirierten Fahrwerkstechnik so sicher auf die Straße wie keine andere.
Die ab 1989 in verschiedenen Updates angebotene FZR 1000 vom Typ 3LE war der Höhepunkt der Baureihe, doch bereits das Urmodell vom Typ 2LA sorgte für reichlich Furore. Bis Mitte der 80er-Jahre hatte das Yamaha-Modellprogramm überwiegend aus luftgekühlten Motoren in Stahlrohrrahmen bestanden. Avantgardistische Konstruktionen wie die XZ 550 mit wassergekühltem Vierventil-V2 waren krachend gescheitert. Erst mit der FZ 750 von 1985 ging der Fortschritt in die richtige Richtung. Yamaha brachte einen sensationellen wassergekühlten Reihenvierzylinder mit fünf Ventilen pro Brennraum und in der Folge auch die Fahrwerkstechnik auf den neuesten Stand. Seit der OW61 von 1982, der ersten 500er-Rennmaschine mit V4-Motor, hatten die Ingenieure den Leichtmetall-Brückenrahmen ständig weiterentwickelt. Zu Beginn der Saison 1987, ein Jahr nach der Honda VFR 750 F, war er reif für die Großserie.
Wer das Chassis der ersten Genesis-FZR genau betrachtet, entdeckt aber auch Zeichen des Zweifelns, ob ein unten offener Rahmen mit tragendem Motor tatsächlich stabil und haltbar sein würde. Geschraubte Rahmenunterzüge verbanden nicht nur den Lenkkopf- mit dem Schwingenbereich, sondern gleichsam auch die neue mit der alten Zeit. Die Rahmen der Superbike-Basis FZR 750 R OW01 und der zeitgleich entwickelten FZR 1000 3LE räumten mit ihren mächtigen, ausgeprägt dreidimensional gestalteten Profilen die letzten Zweifel bezüglich der Fahrstabilität aus. Darüber hinaus erhielten die Motoren ein neu entwickeltes Auspuffklappensystem, mit dessen Hilfe das Drehmoment im mittleren Bereich gestärkt wurde, ohne Spitzenleistung zu opfern. Dessen Bezeichnung wurde zum Inbegriff einer legendären Baureihe: Exup.
FZR 1000 2LA (1987)
Abgesehen von den Highlights Motor und Rahmen glänzte die erste FZR mit einer Ergonomie, die den Fahrer vertrauenerweckend ins Motorrad integrierte sowie mit gutem Windschutz. Die Fahrstabilität hing von den Reifen ab. Moderne Radialpneus funktionierten besser als Diagonalreifen.
FZR 1000 3LE (1989)
Die erste mit Exup-System, 1002 statt 990 cm³ Hubraum, neuem Rahmen sowie neuer Schwinge. Die Leistung der ungedrosselten Version stieg von 135 auf nominell 144 PS. Statt dem 18-Zoll Hinterrad bekam die FZR einen 5,5 Zoll breiten 17-Zöller, das Vorderrad einen dicken 130er-Reifen.
FZR 1000 3LE (1991)
Die auffälligsten Änderungen bestehen in der neuen Upside-downGabel und dem DE-Projektionsscheinwerfer. Der Motor erhielt einen leistungsfähigeren Kühlkreislauf und einen wasserumspülten Ölkühler. Kotflügel sowie Front- und Heckverkleidung wurden neu gestaltet.
FZR 1000 3LE (1994)
Fox Eye hießen die schräg geschnittenen Doppelscheinwerfer, die anstelle der DE-Leuchte in die geänderte Verkleidung gesetzt wurden. Neue Sechskolben-Bremssättel erhöhten die ohnehin beeindruckende Bremsleistung, zudem wurden die Gabel und das Getriebe überarbeitet.
YZF 1000 R Thunderace (1997)
Die Thunderace diente als Interimsmodell, das die Zeit bis zur Fertigstellung der YZF-R1 überbrücken musste. In Aufbau und Ausstattung schlichter gehalten als die FZR, half sie Produktionskosten zu sparen. Der Funktion hat das nicht geschadet; die große Ypse blieb ein verlässlicher Tourensportler.
Wer gezielt nach einer FZR 1000 sucht, wird leicht eine finden, selbst wenn er aus dem Angebot die mehr oder minder gelungenen Streetfighter-und Superbikelenker-Umbauten aussortiert. Exemplare aus der Genesis-Serie bis einschließlich 1988 sind allerdings sehr selten, ebenso 3LE-Modelle mit weniger als 40.000 Kilometern Laufleistung. Solche Motorräder mit zwischen 40.000 und 60.000 Kilometern auf der Uhr werden meist für Preise von 1.500 bis 3.000 Euro angeboten. Die Verarbeitungsqualität entspricht einem hohen japanischen Standard. Mit kompetenter, nicht einmal übermäßiger Pflege und Wartung lässt sich die FZR sehr lange in gutem Zustand erhalten.
Mit einer Einschränkung: Prinzipiell schadet es nicht, einen warm gefahrenen, korrekt eingestellten Motor mit hohen Drehzahlen zu fahren. Die FZR-Vierzylinder reagieren jedoch empfindlich auf hohe Dauerdrehzahlen. Wegen des weiten Abstands zwischen dem dritten und vierten Kurbelwellen-Hauptlager entwickelt die Kurbelwelle im Bereich fünfstelliger Drehzahlen Biegeschwingungen, welche die Schmierung der Lager beeinträchtigen. Zumindest erwiesen sich der Motor der GTS 1000 und der YZF 1000 R Thunderace, die beide auf dem FZR-Triebwerk basieren, im Dauertest als anfällig für Lagerschäden. Es scheint sich dabei keinesfalls um Einzelfälle gehandelt zu haben, denn Yamaha änderte noch beim Thunderace-Motor – der letzten Ausführung des 1002-cm³-Vierzylinders – in der laufenden Serie die Kurbelwellenlager. Weniger gefährlich, aber kaum weniger aufwendig zu tauschen sind die Schaftabdichtungen der Auslassventile, die nach 50.000 Kilometern oval aufgeweitet sein können und Ölverbrauch sowie verkokte Auslassventile verursachen.
Was genau der Begriff "Genesis Concept" meint, weiß ich bis heute nicht. Zudem halte ich die FZR-Modelle dann doch nicht für so bedeutsam, dass sich Reminiszenzen an die biblische Schöpfungsgeschichte aufdrängen. Aber egal, Yamaha hat mit der FZR die Motorradtechnik für sich selbst neu erfunden und das Ziel formuliert, Motorräder als harmonisches Ganzes zu entwickeln. Diesem Ziel sind sie freilich schon zuvor mit etlichen Motorrädern ziemlich nahe gekommen. Die Leistung der Fahrwerksentwickler besteht darin, den leichten, aber wenig zugfesten Werkstoff Aluminium so zu nutzen, wie es seinen Eigenschaften entspricht. Große Querschnitte statt dünner Rund- oder Vierkantrohre, gemäßigte Biegewinkel statt scharfer Ecken, und dort, wo komplexe Formen gefordert waren, die Kombination mit Gussteilen. Wichtig für die Großserie war auch die Entwicklung zuverlässiger Schweißtechnik. Betrachtet man den unten abgebildeten Rahmen der 3LE, ahnt man, dass die Ingenieure auch schon recht genau wussten, wo Steifigkeit und wo Flexibilität gefragt war. Eine Konstruktion, die sich auch heute noch sehen lassen kann.
Anders der Motor. Vor allem der mittige Nockenwellenantrieb ist schwer zu verstehen. Kawasaki hatte mit der GPZ 900 R von 1984 vorgemacht, wie sich mit seitlicher Anordnung der Steuerkette ein Reihenvierzylinder mit nur fünf Kurbelwellen-Hauptlagern realisieren lässt, die gleichmäßig eng nebeneinander stehen und Biegeschwingungen der Kurbelwelle wirksam unterbinden. Yamaha wollte den mittigen Nockenwellenantrieb, sparte sich trotzdem wegen des leichteren Laufs das sechste Kurbelwellenlager und handelte sich damit ein Problem ein. Was bei den luftgekühlten Honda-Motoren der 70er-Jahre noch funktioniert hatte, erwies sich jenseits der 100 PS und 9.000/min als anfällig. Die Fünfventiltechnik als Alleinstellungsmerkmal behielt Yamaha bis 2006 bei. Erst die YZF-R1 vom Typ RN19 erhielt 2007 einen Vierventil-Zylinderkopf. Neueste Erkenntnisse zur Gasströmung und Verbrennung sprachen für die einfachere und trotzdem effizientere Lösung.
Ralf Schneider, Testredakteur
Yamaha FZR 1000 – bei diesem Stichwort stürzt eine Flut an Erinnerungen auf mich ein. An erster Stelle steht das berühmte Tune-up (PS 8/1992), das wir im Sommer 1992 während fünf paradiesischer Tage auf der Nürburgring Nordschleife produzierten. Bis auf ein kurzes Gewitter am letzten Tag schien die ganze Zeit über die Sonne; wir fuhren jeden Tag von morgens bis abends, probierten unvorstellbare 29 verschiedene Reifenpaarungen, plus Federelemente, Fußrasten- und Auspuffanlagen, Spoilerscheiben und Lenkungsdämpfer. Eine Doktorarbeit in Sachen Zubehör.
Wir, das waren mein leider viel zu früh verstorbener Freund und Kollege Raphael Schmidt, PS-Schrauber Mike Funke und ich. Unterstützung erhielten wir vom Metzeler-Renndienst und in diesem Fall auch von Josef Zupin und seinem Schwiegersohn Gerhard Günther. Der Grund dafür war eigentlich nicht so erfreulich. Zupin, damals alleiniger Öhlins-Importeur für Deutschland, war unzufrieden mit dem Abschneiden seiner Produkte bei vorangegangenen Tune-ups und wollte sehen, "was die Idioten von PS" da veranstalteten, bevor sie seine edlen Teile kritisierten. Kaum angekommen, drehten die beiden eine Nordschleifenrunde im Auto, und es war wirklich reiner Zufall, dass Raphael und ich sie überholten. Ich glaube, das war ausgangs der Dreifach-Links nach dem Bergwerk, sodass sie noch sehen konnten, wie uns über der Kuppe die Vorderräder kurz in die Luft schnappten. Danach war das Eis gebrochen. Gerhard steckte nach unseren Wünschen ein Federbein zusammen. Kombiniert mit einem Gabelfedersatz, den es zu dieser Zeit leider nur für die konventionelle Gabel der 89/90er-FZR gab, funktionierte es einfach traumhaft. Mit der Spindel hoben wir das Heck an, was die FZR schon fast zu einem handlichen Motorrad machte. Dazu gab es feines Ansprechen und satte Dämpfung – das Ganze wirkte als wahres Bodenwellen-Bügeleisen.
Dieses Fahrwerk, mit Michelin Hi-Sport TX 11/TX 23 bereift, wurde unser Tune-up-König. Angeblich übernahm Zupin das Setup als Standard der Öhlins-Federbeine für die FZR. Uneins waren Raphael und ich uns nur über die optimale Dimension des Vorderreifens. Zur Wahl standen ein 120/60 ZR 17, ein 120/70 ZR 17 und ein 130/60er. Raphael bevorzugte wegen des besseren Vorderradgefühls beim Bremsen in Schräglage den 120/60er, mir flößte der 120/70er mehr Vertrauen ein, dessen Dämpfungsverhalten für mich optimal zur Gabelabstimmung passte. Den 130/60er fuhr ich aus reinem Pflichtgefühl. Bestens eingeschossen startete ich in eine zügige Runde, wunderte mich aber schon nach wenigen Kurven über einen Typen, der mir beständig in den Rückspiegeln herumtanzte. Mit einer FZR 1000. Abschütteln konnte ich ihn nicht, aber er wollte auch nicht überholen. Dann ging ich die schnelle Links am Metzgesfeld etwas zu schnell an, wegen des breiten Vorderreifens brauchte die FZR einen Tick mehr Schräglage als mit dem 120/70er und knallte deshalb großflächig und härter als zuvor auf die linke Verkleidungsseite. Auf Fahrerknie, Reifen und Verkleidung zart rutschend wollte sich die Yamaha in Richtung Wiese davonstehlen. Ich schaffte es, sie wieder einzufangen und winkte meinen lästigen Verfolger vorbei. Später erzählte mir Raphael, das sei Herbert Mandelartz gewesen, zu dieser Zeit der Hauptkonkurrent von Helmut Dähne im Kampf um die Deutsche Motorrad-Rallye-Meisterschaft. Ich konnte ihn nicht halten, war aber froh, die Nürburgring-Expedition zum Abschluss zu bringen, ohne dass einer von uns gestürzt wäre. Und "unsere" FZR 1000 – in Wahrheit gehörte sie Bodo Schmidt – blieb noch viele Jahre mein Nordschleifen-Favorit.