Interview mit Moto2-GP-Pilot Tom Lüthi

Interview mit Moto2-GP-Pilot Tom Lüthi „Der Jugendwahn ist vorbei“

Der Schweizer Moto2-Star Tom Lüthi steigt mit dem Marc VDS-Team 2018 in die Königsklasse auf – und verrät im Interview mit MOTORRAD, dass er auch mit 30 Jahren noch große Zukunftspläne hat.

„Der Jugendwahn ist vorbei“ MarcVDS

Seit Jahren wartet Tom Lüthi auf den MotoGP-Ausftieg – jetzt hat es geklappt

Dein MotoGP-Aufstieg lag schon vor Jahren in der Luft, hat aber nie geklappt. Wie kam er jetzt doch noch zustande?
Schlussendlich ist er erarbeitet, denke ich. Aber es hat viele Jahre gebraucht, das zu schaffen. Ich habe dann die Chance bekommen und wollte sie natürlich unbedingt nutzen. Ich habe immer gesagt: Wenn ich den Aufstieg doch noch einmal machen sollte, dann auf jeden Fall mit einem konkurrenzfähigen Team, das eine gute Struktur hat, das professionell ist. Das habe ich jetzt geschafft.

Es gab zwei Szenarien. Eine hieß KTM Moto2 mit der Perspektive eines späteren MotoGP-Einstiegs, die andere hieß Team Marc VDS jetzt. Offensichtlich wolltest du das Eisen schmieden, solange es heiß ist...
Es gab Gespräche, aber nie direkt mit mir, dass mein jetziges Moto2-Team aufs nächste Jahr zu KTM wechseln könnte und so weiter. Ich war da nicht wirklich eingebunden. Dann ging es mit Gesprächen über den Aufstieg bei Marc VDS los, und da war natürlich für mich klar, zu versuchen dort dranzubleiben und in diese Richtung weiterzuarbeiten.

Johann Zarco blieb sehr lange in der Moto2-WM und fühlte sich bestens vorbereitet für die MotoGP-Klasse. Geht es dir ähnlich?
Ja, ich denke. Es gab ja immer wieder die Meinungen, Moto2 sei eine schlechte Vorbereitung auf die MotoGP-Klasse, weil es keine anspruchsvolle Elektronik gibt, ganz anders gefahren wird und so weiter. Aber auf der anderen Seite ist es so, dass Jonas Folger und Johann Zarco mit ihren Leistungen in der MotoGP-Klasse genau das Gegenteil zeigen. Also ich glaube schon, dass die Moto2-Klasse eine gute Klasse ist, um zu lernen. Aber man muss natürlich nachher schon offen sein, um wirklich schnell umdenken und anpassen zu können. Denn es ist etwas anders. Ich konnte bei KTM letztes Jahr ein bisschen MotoGP-Luft schnuppern, und das ist schon ein anderes Ding. Man muss einfach den Horizont erweitern und offenhalten. Dann, glaube ich, ist es möglich, schnell zu lernen.

Die Yamaha von Jonas und Johann gilt als vergleichsweise leicht zu fahren. Dein neues Motorrad gilt als schwieriger zu beherrschen...
Ich kenne die Honda natürlich nicht. Ich sehe das auch nur von außen und über die Medien, spreche vielleicht mal mit den Jungs, und werde vielleicht auch mal bei Dani Pedrosa nachfragen, wie das aussieht. Aber jetzt muss ich die Moto2-Geschichte erst mal abschließen und nachher das neue Kapitel anfangen und möglichst schnell lernen. Aber schlussendlich, die Honda gewinnt auch Rennen. Es wird vielleicht schwieriger zu lernen und sich umzustellen, das sagen alle. Ich kann das auch nur nacherzählen, ich habe es noch nicht gefühlt.

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Beim Moto2-GP in Assen/NL kämpften Franco Morbidelli (links) und Tom Lüthi um den Sieg. Morbidelli gewann vor Lüthi. 2018 werden sie Kollegen im MotoGP-Team von MarcVDS sein

Welchen Eindruck hast du vom Marc VDS-Team?
In der Moto2-Klasse sind sie sehr hartnäckig! Da dürften sie für die letzten sieben Rennen ruhig mal ein bisschen langsamer werden. Sie machen einen Top-Job, es ist professionell, es ist top durchorganisiert, es steht wirklich eine Struktur fest auf den Beinen. So sieht es von außen aus und ich glaube auch wirklich, dass es so ist, dass wirklich Professionalität da ist. Das ermöglicht es den Fahrern, ihren Job zu machen und schnell Motorrad zu fahren.

Dein künftiger Teamkollege ist dein jetziger Gegner, Franco Morbidelli. Für uns ist das interessant, wie ist es für dich?
Es ist auch für mich interessant. Es ist auch eine coole Chance. Natürlich ist es viel zu früh, irgendwelche Ziele festzulegen, dazu ist es viel zu weit weg, es wurde ja gerade erst unterschrieben. Das ist schön, darüber freue ich mich, aber jetzt geht es darum, unseren Job weiterzumachen. Aber fürs nächste Jahr ist die Situation perfekt, wir sind beide Rookies, bewegen uns in etwa auf dem gleichen Niveau ganz vorne in der Moto2-Klasse. Und danach beide mit gleich viel Erfahrung in die MotoGP-Klasse aufzusteigen, mit identischem Material in der gleichen Box zu stehen, ist ein Vorteil. Vielleich können wir uns dann auch gegenseitig anstacheln, wenn der eine schneller ist als der andere, dass wir uns gemeinsam steigern und vielleicht sogar voneinander lernen können.

Es heisst, dass dein Cheftechniker Gilles Bigot mit dir zu Marc VDS geht...
Es finden Gespräche in dieser Richtung statt. Ich habe dieses Jahr ja schon oft erwähnt, dass Gilles ein Top-Mann ist. Natürlich würde ich diesen Schritt gerne mit ihm gemeinsam machen.

Gilles hat ja bereits Alex Crivillé zum Weltmeister der Königsklasse gemacht. Wird er das Gleiche mit dir tun?
(Lacht) Jetzt fahren wir erst mal noch in dieser Moto2-Klasse – und wie gesagt, für eine Zielfestlegung in der MotoGP ist es noch zu früh.

Früher wollten die Teams nur ganz junge Fahrer, du bist mit 30 Jahren aber in etwas reiferen Alter. Ändert sich die Haltung der Teams?
Ja, ich denke, es ist ein bisschen was passiert. Zum Glück. Schon als Zarco da oben eingestellt wurde. Ich meine, man musste ihn nehmen, zweimal Moto2-Weltmeister hintereinander, wer schafft das schon. Und es ist sehr schön für mich, dass man auch mir Vertrauen schenkt. Auch Cal Crutchlow bekommt einen Werksvertrag fürs nächste Jahr, und er ist noch älter als ich. Für mich ist das positiv. Dieser Jugendwahn ist ausgebrochen, als vor allem Marc Márquez durchmarschiert ist und alles gewonnen hat. Da dachten alle, es muss jeder so jung sein, dann ist jeder so schnell. Aber es wurde erkannt, dass andere vielleicht ein bisschen länger brauchen als das Riesentalent Marc, um Sachen zu lernen. Für mich ist es gut, dass dieser Jugendwahn ein bisschen vorbei ist. Denn ich glaube, ich habe meinen Zenit noch lange nicht erreicht. Ich habe noch viel vor.

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Seinen ersten Sieg feierte Tom Lüthi dieses Jahr nach dem Moto2-Grand Prix in Brünn/CZ

Inspiriert dich das Beispiel von Valentino, dass du auch in acht oder neun Jahren noch Rennen fahren wirst?
Auf jeden Fall. Was auch sehr cool ist, in einem anderen Sport, ist der Roger Federer. Der ist in seinem Alter zurückgekommen, und das in einem Ausdauersport, wo der sehr fit sein musst. Das ist für mich auch, wow, sehr beeindruckend. Und was der Valentino macht, ist perfekt. Es zaubert mir ein Lachen ins Gesicht. Es zeigt: Ich habe noch lange Zeit. Und der Cal hat vorher zu mir gesagt, es sind noch viele Jahre. Das Alter ist nicht entscheidend. Man muss körperlich fit bleiben, und im Kopf muss man motiviert sein. Das ist wichtig.

Du bist überhaupt stärker denn je. Woher kommt das?
Ich denke schon, dass es ein kontinuierliches Lernen und Wachsen war. Auch jetzt mit Gilles zusammen, die Zusammenarbeit hat mich wirklich weitergebracht. Auch körperlich konnte ich stets weiterarbeiten, ich konnte mich steigern über die ganzen Jahre. Ich konnte verletzungsfrei in den Winter gehen, um aufzubauen, und bin eigentlich fit wie noch nie. Ich bin motiviert wie selten, war eigentlich immer stark motiviert, aber jetzt sowieso. Ich kann außerdem meine ganze Erfahrung einbringen. Ich glaube, dieses Paket ist nicht schlecht.

Wirst du deine gewohnte Saisonvorbereitung für die MotoGP-Klasse ändern?
Ich werde nicht alles über den Haufen werfen, denn ich bin auf einem guten Weg mit dem Training und der Fitness. Klar, wir können es über den Winter noch ein bisschen ausbauen. Aber ich werde mit dem gleichen Trainer und dem gleichen Physiotherapeuten weiterarbeiten. Der Plan ist auch, öfter als in den bisherigen Wintern auf dem Motorrad zu sitzen, ob das Moto Cross ist oder etwas anderes. Diese Dynamik möchte ich beibehalten.

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