Isle of Man mit Horst Saiger
Und so sahen die Vorbereitungen vom PS-Racer aus

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Nach einem ersten Besuch auf der Isle of Man und der beschlossenen Teilnahme an der TT steht PS-Racer Horst Saiger ein straffes Programm bevor - Stress pur für den Privatfahrer.

Und so sahen die Vorbereitungen vom PS-Racer aus
Foto: Stills aus "all about..."

Als Privatier Rennen vom Niveau der TT, des Macau GP oder North West 200 zu fahren, macht das Leben nicht gerade leichter. Um schließlich am Start zu stehen, braucht es eine gehörige Portion Enthusiasmus. Auf dem Weg vom Entschluss, das Rennen zu fahren, bis zum ersten Bier nach der Zieldurchfahrt liegen etliche Telefonate, Absagen, stundenlanges Verhandeln, Enttäuschungen, Werkstatt-Stunden, unterwegs sein... Das Wichtigste: Man muss wissen, was man will.

Unsere Highlights

Punkt 1: Wir brauchen einen Plan!

Stills aus "all about..."
Horst Saiger.

In unserem Fall ist das eigentlich sehr leicht: Wir machen es so billig wie möglich. Deshalb fahren wir mit einem Stocksport-Motorrad alle Superbike-Rennen. Alles andere wäre Utopie. Wir haben einfach nicht das Geld für den Aufbau eines durchgetunten Superbikes. Aber die Situation im Jahr 2013 kommt uns entgegen, denn es rollen mittlerweile schon richtige Rennmotorräder direkt aus den Fabrikhallen, oder wie mein Tuner Martin Gopp immer sagt: „Wir befinden uns schon ziemlich auf der Spitze des Berges. Da geht es mit Tuning dann schnell auf allen Seiten nach unten.“

Für die fest eingeplanten Rennen, NW 200, TT und Macau GP, lasse ich alles von meinem Freund Rico „Penz“ Penzkofer transportieren. Das ist deutlich günstiger, als alles selbst zu machen. Außerdem darf ich sein Lkw-Vorzelt mitbenutzen - perfekt fürs kleine Saiger-Team.

Punkt 2: Sponsoren suchen und halten

Stills aus "all about..."
Horst Saiger beim Filmen - unter anderem sehr wichtig für Sponsoren.

Ohne Kohle und Material geht nichts, das sind 90 Prozent des Rennsports. Es gibt aber nichts Unangenehmeres, als ständig irgendwelchen möglichen Geld- oder Materialgebern nachzulaufen. Das muss aber sein, wenn man selbst nicht im Geld schwimmt. Ich habe sogar richtig Glück mit meinen Sponsoren, die meisten sind inzwischen Freunde geworden. Da kommt man sich nicht mehr ganz so wie der allerletzte Bittsteller vor. Meine Strategie: Ich gehe einfach hin und rede um mein Leben. Wenn einer nein sagt, heißt das für mich erst mal, dass man falsch gefragt hat, und ich fang von vorne an. Unerlässlich ist das permanente Trommeln in eigener Sache: Zeitungsberichte schreiben, Videos machen usw. - das muss ich den Sponsoren dann wieder euphorisch aufs Brot schmieren, damit ich im nächsten Jahr erneut hingehen kann - ein endloses Spiel. Inzwischen habe ich die Hälfte meines Jahresbudgets zusammen. Wie ich die zweite Hälfte bis Saisonende auftreibe, weiß ich beim Start aber nie so richtig.

Punkt 3: Die Technik

Stills aus "all about..."
Bei Privatiers fehlt jeder Glamour und jede Sterilität einer Werks-Werkstatt. Am Ende kommt trotzdem ein feister Racer dabei heraus.

Ihr könnt euch vorstellen, dass ich da wählerisch bin. Gute Teile sind beim Road Racing meine Lebensversicherung. Ich würde lieber zu Hause bleiben, als irgend einen Mist an mein Motorrad zu schrauben, nur weil es billiger ist oder ich ein Sponsoring bekomme.

Dank der Unterstützung von Kawasaki Schweiz und Deutschland konnte ich sozusagen mit meinem Dreambike weiter- machen. So kann ich alle Erfahrungen und Einstellungen nutzen, die wir in den letzten zwei Jahren erarbeitet haben. Die Ninja von 2012 ist eine sehr schnelle Basis, mit der wir die neuen Sachen testen. Für mich spricht noch einiges für Kawa: Sie haben die treuesten und verrücktesten Fans, das Ding hat Charakter, ist ein echtes Männermotorrad und - für mich am allerwichtigsten - die Kawa ist ohne großen Aufwand siegfähig. Steuerzeiten eingestellt, einen guten Auspuff dran, Kit-Kabelbaum und Kit-ECU reingesteckt (kostet nicht viel, funktioniert bestens und ist kinderleicht zu handhaben), danach alle unnötigen Teile abgebaut und man hat mindestens echte 180 PS am Hinterrad bei unter 170 Kilo - das alles ohne eine einzige Titan- oder Aluschraube und mit stinknormaler Polyester-Verkleidung. 180 PS hört sich vielleicht nicht viel an, aber mir sind die zwölf PS mehr, die wir bei 8000/min gefunden haben, viel mehr wert als 200 PS Topend-Power, denn die beschleunigen mich aus der Kurve und das kann man auf der Stoppuhr ablesen.

Das Wichtigste zwischen Himmel und Erde sind die Reifen: Metzeler macht in diesem Jahr ein Road Racing-Programm und sie unterstützen mich - juhu! Ich denke nicht, dass ich „Odenwald, we have a problem“ in meinen Helm schreien muss (dort werden die Rennreifen produziert). In meiner 2012er-Ninja steckt ein Öhlins-Fahrwerk. Closed Cartridge vorne und ein TTX-Dämpfer hinten - das Teuerste, was man kaufen kann, und das hat auch richtig gut funktioniert. Voraussetzung dafür ist aber, das ich mit richtig Druck auf der Bremse in die Kurven fahre, denn die Teile wurden nicht zum Spazierenfahren entwickelt. Doch so ähnlich könnte es bei meinem ersten TT-Einsatz auf der Isle of Man sein, da werde ich sicher nicht gleich mit der Brechstange in die Kurven fahren. Darum habe ich mir bei Zupin etwas zum Gegentesten bestellt: Gabel-Cartridge und Federbein von K-tech. Das ist die bei Weitem günstigere Variante. Spätestens bei den NW 200-Rennen wird sich herausstellen, welches System besser für mich ist.

Noch etwas Wichtiges: die Bremsen. Ich finde die Original-Kawa-Bremsen schon sehr gut und habe lange suchen müssen, um etwas Besseres zu finden. Meine Wahl fiel bis letzten Herbst auf SBS Dual Carbon-Beläge mit Moto Master-Scheiben von Motochic. Dann habe ich von SBS die neuen Dual-Sinter-Beläge zum Testen bekommen - und was soll ich sagen: Ich liebe sie! Sie beißen richtig rein und halten ewig. Mit denen habe ich Conor Cummins auf seiner Tyco-Suzuki in der letzten Runde beim Macau-GP ausgebremst! Zum Probieren hat mir MTC Lohmann einen FSM Evo-Schaltautomaten überlassen. Mal schauen, was der kann.

Noch etwas zur Fahrerausstattung: Die ist oft Geschmackssache, aber wer so wie ich zirka 52-mal in den letzten 17 Jahren gestürzt ist und sich nie etwas gebrochen hat, der hatte erstens Glück und zweitens keine schlechte Ausrüstung. IXS habe ich schon mein ganzes Rennfahrerleben. Bei den Stiefeln gibt es für mich keine andere Wahl als Daytona. Ich bin einmal von der Raste abgerutscht, mit dem Stiefel unter das Motorrad gekommen und mir dann mit der Fußraste von hinten in die Wade gefahren. Das war ausgerechnet 2008 in Daytona, wo ich bei der US- Meisterschaft gestartet bin. Eine leichte Schwellung war alles. Solche Extremsituationen zeigen erst, welch gutes Zeug manche Menschen herstellen. In diesem Fall Helmuth Frey von Daytona - er baut Stiefel zum Fahren und als Schutz und nicht als Trägereinheit für unzählige Plastikzierteile. Sagen wir’s so: Wenn ich mit 270 km/h an irgendeiner TT-Steinmauer zerschelle und mich in meine Bestandteile auflöse, wette ich, dass ich mir keinen einzigen Zeh brechen werde.

Den neuen 802R von X-Lite noch auf den Kopf, was soll da noch passieren? Wenn es mir mal den Kopf wegreißt, werden meine Ohren noch dran sein und ich komme nicht wie Niki Lauda daher - hoffentlich liest er das jetzt nicht!

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Ohne Freunde und Gönner geht bei Saigers Unternehmung Road Racing nichts. Auf sein Team ist Verlass, wie hier auf Bernd Holzmüller.

So weit, so gut, aber als Teamchef und Fahrer in einer Person habe ich noch ein straffes Programm, bis wir losfahren können. Hier das Wichtigste in Kürze: Alle Ersatz-, Tuning- und Sturzteile besorgen, alle Reisen und Transporte organisieren, das neue Motorrad fertig aufbauen, das alte wieder rennfertig machen, einen Platz suchen, um alles einstellen und vorbereiten zu können, nebenher normal zur Arbeit gehen und irgendwie für alles frei bekommen, Teambekleidung organisieren, schreiben und Filme machen, trainieren und Strecke lernen, testen mit dem eigenen Bike und dem vom Bolliger Team, Tuner Martin Gopp zweimal wöchentlich aufmuntern und motivieren, etwas Filmbares für die zwei Kamerateams von Groox Medienproduktionen und Radio Viktoria bieten, die mich zur TT und zum Macau GP begleiten werden und jetzt schon die ersten Aufnahmen hier bei mir in Liechtenstein drehen.

Das kostet sehr viel Energie und Zeit, ganz zu schweigen von den Kreditkartenabrechnungen. Ich habe meistens 100 Sachen gleichzeitig im Kopf und dann kommt der Zeitpunkt, an dem mir alles zu viel wird - wie Anfang März. Abends saß ich auf der Couch und habe nur noch starr in den abgeschalteten Fernseher geschaut. Am liebsten hätte ich geheult und wusste nicht mal warum.

Aber jetzt genug der Jammerei, es gibt auch sehr viel Positives - von Fans, Freunden und der Familie kommt eine wahnsinnige Unterstützung. Wie der fast 16-jährige Selim aus Deutschland, der sich gemeldet hat, um meine Homepage auf Vordermann zu bringen. Und ich darf meine Tamara nicht vergessen: Sie heißt inzwischen auch Saiger, treibt mich weiter an und baut gerade einen Fanclub auf (fanclub.saiger@me.com). Ich muss jetzt los, meinen Speckbauch zum Sportplatz bewegen. In der nächsten PS könnt ihr lesen, ob die Kawa rennfertig wurde und wie die TT-Pressekonferenz mit den ganzen Stars gelaufen ist.

Horst Saiger

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Horst Saiger.

Steckbrief: Horst Saiger wurde 1971 in Zeltweg unweit des Österreich-Rings geboren. Neben Wildcard-Einsätzen in der Superbike-WM (Valencia 2004, Platz 9) fährt er vor allem die Langstrecken-WM (mehrmals Podium), aktuell im Schweizer Bolliger Team.

Saiger ist amtierender Schweizer Meister in der Klasse Superbike. Außer Macau und der TT-Premiere stehen als Vorbereitung auf sein Isle of Man-Vorhaben Roadraces wie die North West 200 in Irland auf Horsts Kalender für 2013. PS begleitet den coolen Ösi bei seinem Abenteuer. Das Highlight wird die Rennreportage von der Isle of Man sein.

Teileliste

Stills aus "all about..."
Horst Saiger und Martin Gopp.

Was kostet ein Stocksport-Racebike für die TT?

Basispreis Serien-Kawasaki ZX-10R: 15.695 Euro

  • Rennverkleidung 399 Euro
  • Road Racing-Scheibe 65 Euro
  • 24-Liter-Alu-Tank 2500 Euro
  • K-tech-Gabel-Cartridge 1098 Euro
  • K-tech-Federbein 35DDS 1395 Euro
  • Kit-Kabelbaum 888 Euro
  • Kit-ECU 1257 Euro
  • Akrapovic-Auspuff 2228 Euro
  • Lohmann-Schaltmodul 569 Euro
  • DID-Racing-Kette 139 Euro
  • 520er-17z-Ritzel 34 Euro
  • 520er-38z-Zahnkranz 59 Euro
  • GB-Motorschutzdeckel 210 Euro
  • LSL-Lenker 178 Euro
  • LSL-Hebel 199 Euro
  • 2-slide-Rastenanlage 419 Euro
  • Stompgrip-Gummis 55 Euro
  • Stahlflex-Bremsleitungen 172 Euro
  • Bremsscheiben Moto Master 629 Euro
  • Bremsklötze SBS Dual-Sinter 340 Euro
  • Lohmann-dlc-Bremskolben-Kit 192 Euro

Schnellverschlüsse, Sitzbank-Material, Lack, Kleinmaterial, Raddistanzen, Dichtungen, etc.: ca. 500 Euro
Arbeitszeit inkl. Fahrwerks-, Motor-und Prüfstandsarbeit: ca. 70 Stunden

Die aktuelle Ausgabe
PS 6 / 2023

Erscheinungsdatum 10.05.2023