Leuchttechnik am Motorrad, Halogen und LED im Praxistest

Scheinwerfersysteme und Leuchtmittel im Praxistest
Welche Leuchttechnik überzeugt am Motorrad?

Veröffentlicht am 27.12.2023

Wie schlägt sich ein gut 40 Jahre alter, konventioneller H4-Rundscheinwerfer im Vergleich zum 15 Jahre jungen, mit H7-Birnen bestücktem Multireflektor-Scheinwerfer? Was bringen bei früheren Tests besonders gut getestete H4-Birnen? Und welchen Unterschied machen Leuchtdioden, ganz einfach per Plug-and-play nachgerüstet? Wie hell strahlen dagegen moderne LEDs ab Werk? Oder bringt aktuelles Kurvenlicht Licht ins Dunkel? Der große Praxistest liefert Antworten.

Abblendlicht bei Kurvenfahrt und Kurven-Licht

Bei Motorrädern leuchtet das Abblendlicht bei einer Kurvenfahrt durch die Schräglage zur entgegengesetzten Seite. In Linkskurven etwa strahlt es vor allem den rechten Fahrbahnrand an, während der Lichtkegel die linke Fahrbahn nur noch auf wenigen Metern erhellt. Hier setzt das adaptive Kurvenlicht von BMW an. Das gibt es in der K 1600 GT und optional in der R 1250 RT. Strahlt diese aktiv gesteuerte Lichttechnik dank Schräglagensensoren und viel Know-how wirklich überragend hell?

Schweinwerfer von 5 Motorrädern im Test

Das prüfen wir bei unserer nächtlichen Zusammenkunft mit insgesamt 5 verschiedenen Motorrädern, in Kurven wie auch statisch: Auf einer leicht abschüssigen, dann wieder ansteigenden Strecke müssen alle 5 Maschinen vom gleichen Punkt aus zeigen, was ihre (Fern-)Scheinwerfer so draufhaben. Diese sind 140 Meter vom Eingang einer recht scharfen Rechtskurve entfernt. Sind die Warnschilder und der Straßenverlauf gut zu sehen?

Lichtverteilung im Passagierbetrieb

Zudem geht es um die Lichtverteilung im Passagierbetrieb. Bereits beim Aufsitzen eines Sozius haut der Lichtkegel des Abblendlichts mitunter in der Ferne ab. Er strahlt dann zwar weiter, doch auch diffuser. Fernlicht wird so im Extremfall unbrauchbar, blendet bloß noch den Gegenverkehr. Zu zweit bleibt so, nur den Scheinwerfer neu zu justieren. Dies geht sehr einfach an klassischen Rundscheinwerfern oder per speziellen Einstellschrauben an der Rückseite von moderneren Multireflektor-/LED-Leuchten.

Wo diese fehlen, sollte man unbedingt die hintere Federbasis an das Mehrgewicht weit oben und hinten anpassen. Selbst ein Supersportler wie die Honda Fireblade SC 59 reagiert da nämlich sensibel drauf. Ganz gelassen bleibt da nur die BMW K 1600 GT dank automatischer Niveauregulierung. Bei der Ducati Multistrada V4 S lässt das semiaktive Fahrwerk eine Anpassung an die Zuladung auf Knopfdruck zu: Das Federbein auf "2 Personen" gestellt (eventuell noch plus Gepäck), und schon strahlt der Lichtkegel exakt wieder dorthin, wo er im Solobetrieb stand. Klasse! Übrigens: Ein Lichtkanal zur exakten Messung von Lichtverteilung, Reichweite und Helligkeit hätte nur ausgebaute Scheinwerfer, nicht aber Motorräder testen können.

Modernes Naked Bike: Benelli Leoncino 800

Positive Überraschung: Das China-Bike mit modernem LED-Scheinwerfer erhellt die Nacht sehr ordentlich. Markant wirkt das hufeisenförmige Tagfahrlicht. Direkt darunter, in der oberen Hälfte des Scheinwerfers, sitzt das Abblendlicht, Fernlicht unten. Das breite, aus Fahrerperspektive fast rechteckig scheinende Abblendlicht leuchtet schön weit und ferner Links- wie Rechtskurven erstaunlich gut aus. Dem fügt das Fernlicht deutlich sichtbar einen weiteren Lichtkegel hinzu. Selbst aufgeblendet bleibt der Bereich unmittelbar vor dem Vorderrad schön hell. Und beim Bremsen kommt einem der Lichtkegel nicht zu nah. Eher nervt die ab Werk hohe bis eindeutig zu hohe Grundeinstellung der Scheinwerfer: Mit Sozius strahlt Fernlicht eher die Baumwipfel an.

Scheinwerfersysteme und Leuchtmittel im Praxistest
Jörg Künstle

Klassisches Naked Bike: Yamaha SR 500 (1981)

Die Wahl dieses Testmotorrads erfolgte nicht ganz zufällig: Denn der markante Rundscheinwerfer mit riesigen 200 Millimetern Innendurchmesser sollte vor rund 40 Jahren eine gute Lichtausbeute signalisieren. Tatsächlich verbaute Yamaha ihn nicht allein in der SR 500 (Typ 2J4), sondern auch in der XJ 650, TR 1 und XJ 900 N. Die oberen Fotos zeigen die Lichtausbeute mit der Nachrüst-H4-Lampe Osram "Night Breaker 200", dem Testsieger unseres Lampentests. Damit strahlt das Abblendlicht deutlich heller, weiter und sogar weiter nach links im Vergleich zur Serienlampe (sie Bildergalerie). Selbst das Fernlicht leuchtet nun heller und besser aus. Für gut 10 Euro ist das eine spürbare Verbesserung, ein Schritt in Richtung mehr Sicherheit.

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Jörg Künstle

Zwar ist die SR-Leuchte groß wie ein Suchscheinwerfer. Es nützt nur wenig: Hell ist anders! Zudem wirkt der Lichtkegel mit der undefinierbar alten H4-Serienlampe ziemlich gelblich, fast schon milchig. Positiv ist allein die recht homogene Ausleuchtung ohne störend harte Hell-Dunkel-Grenzen. Eher diffus und ein wenig fleckig wirkt die Lichtverteilung, zudem etwas asymmetrisch: Das Abblendlicht betont die rechte Seite. Erst das Fernlicht leuchtet auch die linke Fahrbahnseite einigermaßen erhellend aus. Das zugehörige Foto lässt die Funzel allerdings noch trüber erscheinen, als in Wirklichkeit wahrgenommen. Trotzdem: Von allen 5 verglichenen Maschinen ist dies klar die schlechteste Lichtausbeute!

Supersportler: Honda Fireblade (SC 59, 2008)

Versuch macht klug: Hier haben wir die 2 H7-Birnen dieser Fireblade gegen aktuelle Top-LED-Leuchtmittel von Philips getauscht – mit Freigabe per ABE. Und siehe da: Der Umbau lohnt sich sehr! Die Leuchtdioden made in China strahlen nochmals deutlich heller und mit bläulich-weißerem Licht als serienmäßige H7-Lampen. Allerdings ist die Ausleuchtung in Linkskurven viel schlechter als rechtsherum. Der "einäugig" rechts strahlende Abblendscheinwerfer bekommt in Linkskurven nicht genug Licht links vors Vorderrad. Das hat trotz des tollen LED-Lichts dann etwas von Blindflug. Geradeaus erscheint die Lichtverteilung der LEDs schön homogen, doch in Kurven etwas "mehrzonal".

Scheinwerfersysteme und Leuchtmittel im Praxistest
Jörg Künstle

Schon das Abblendlicht der 15 Jahre alten Fireblade strahlt hell, weit und breit über die gesamte Fahrbahnbreite. Dazu auch noch mit recht gleichmäßiger Lichtverteilung. Helles Fernlicht leuchtet als Ergänzung die Fahrbahn sehr gut aus – nur damit strahlen beide Scheinwerfer symmetrisch. Mit den H7-Serienlampen ist der Farbton dabei deutlich gelblich.
Ebenso wie in Linkskurven taucht das Abblendlicht auch beim Griff zu den wirkungsvollen Bremsen ziemlich tief ab. Motto: "Gerade war es doch noch da …" Selbst bei diesem straff abgestimmten Supersportler stimmt die Lichtverteilung im Soziusbetrieb gar nicht mehr: Das Fernlicht strahlt dann viel zu hoch, erinnert somit eher an einen Flak-Scheinwerfer.

Reiseenduro: Ducati Multistrada V4S

Das Voll-LED-Licht der V4-Multistrada strahlt hell und breit. Aber nicht sehr weit. Beim Bremsen kommt es sehr nah vors Vorderrad. Und wegen seines harten Kontrasts (scharfe Hell-Dunkel-Grenze vorn) ist man ständig versucht, das extrem helle Fernlicht dazu zu aktivieren. Beim erneuten Abblenden tut sich das Auge dann schwer mit der Hell-Dunkel-Adaption. Bei Kurvenfahrt werden auf der inneren Seite zusätzliche LEDs unterhalb der Leuchte fürs Abblenddlicht aktiviert. Dies hilft gut in Kreisverkehren und sogar beim Abbiegen. Aber in weiten Kurven strahlt das Kurvenlicht zu weit seitlich, nicht genug nach vorn auf die Fahrbahn.

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Jörg Künstle

Touring-Motorrad: BMW K 1600 GT

Die Voll-LED-Scheinwerfer mit Schwenkfunktion serienmäßig ("adaptives Kurvenlicht") machen die Nacht zum Tage. Hierbei wird das Abblendlicht abhängig von der Schräglage in die Kurve hineingedreht. Auf diese Weise werden Kurven bestens ausgeleuchtet, weil sich das Licht dort befindet, wohin die 1600er fährt. Ferner werden durch Schwenken der gesamten Scheinwerfereinheit um ± 2° automatisch die fahrdynamischen Zustände Bremsen/Beschleunigen zum Teil ausgeglichen. Allein 4 LED-Leuchten erzeugen überragendes Fernlicht. Fazit: der aktuelle Maßstab der Motorradbeleuchtung!

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Jörg Künstle