Lange mussten Dreizylinder-Fans auf einen Supertourer mit Kardan warten. Nun rollt die neue Triumph Trophy SE mit einem Feuerwerk an Serienausstattung und Elektronik aus. In den schottischen Highlands gab die 1200er ihr Debüt.
Der alte Traum vom Touring lebt. Dafür ist Schottland wie geschaffen, beflügelt die Fantasie, weckt Sehnsucht. Hier, wo die Landschaft verwunschen karg und wild ist. Etliche Meilen weiter südlich, im englischen Hinckley, hat Triumph seine ersten echten Kardantourer entwickelt: die Trophy SE und die etwas weniger opulent ausgestattete Standard-Trophy.
Beide Trophy-Versionen tragen die gleiche, riesige Vollverkleidung inklusive elektrisch verstellbarem Windschild. Auch der Fahrersitz ist in der Höhe einstellbar, 800 oder 820 Millimeter. 31-Liter-Koffer sind serienmäßig an Bord. Ebenso ABS, Integralbremse, Traktionskontrolle und Tempomat. Ein 11,3 Kilogramm leichter Alu-Brückenrahmen sowie eine Kardan-Einarmschwinge mit Momentabstützung sind Ehrensache. Zum Techno-Tourer machen die hier und heute als Vorserien-Maschine gefahrene Trophy SE aber ihre Stereoanlage und das elektronisch einstellbare Fahrwerk, das erste von Triumph. Super- oder Luxustourer?
Nun, zunächst einmal steht der begeisternde Motor im Mittelpunkt des Geschehens. Der 1215 cm3 große Dreizylinder treibt bereits die Tiger Explorer an. In der Reiseenduro und dem neuen Fullsize-Tourer sind daher Motorgehäuse samt aller Innereien und der komplette Antriebsstrang identisch. Nun ja, fast. Im wartungsfreundlichen Kassettengetriebe ist der sechste Gang in der Trophy länger übersetzt. Bei Tempo 120 rotiert die Kurbelwelle nur 4200-mal.
Fließende Formen, stattliches Gewicht: Die vollgetankt und mit Koffern 315 Kilogramm schwere Trophy SE rangiert mit elektronischem Fahrwerk, Audioanlage und Rundum-Wohlfühlpaket irgendwo zwischen Super- und Luxus-Toure.
Herrlich unaufgeregt und lässig schüttelt der Dreizylinder seine Leistung auch im tiefen Drehzahlkeller aus dem Ärmel. Wirklich drehmomentstark schiebt der Triple die Trophy aus den Kehren. Nachdrücklich und bestimmt. Von 2500 Touren bis hin zum Drehzahlbegrenzer bei 9500/min sollen stets mehr als 100 Newtonmeter anliegen. Triumph hat den 1200er-Triple in der Trophy auf noch mehr Druck von unten abgestimmt. Das maximale Drehmoment von 120 Nm liegt bereits bei 6450 Touren an (Explorer 121 Nm bei 7850/min). Völlig okay also, dass die Spitzenleistung gegenüber der Reiseenduo marginal sank, von 137 auf 135 PS.
Das liegt an neuer Software, einer anderen Airbox und der speziellen Edelstahl- Auspuffanlage der Trophy. Sie rangiert von der Zylinderzahl wie leistungsmäßig zwischen BMW R 1200 RT (110 PS) einerseits und Kawasaki 1400 GTR (155 PS) sowie Yamaha FJR 1300 (144 PS) andererseits. Auch optisch orientiert sich die Trophy ziemlich an den Mitbewerbern. Ihrem dreieckigen Endtopf im Ofenrohr-Format entweicht stark gedämpftes, sanftes Dreizylinder-Fauchen. Passt gut zum souveränen Charakter des Motors. Bereits bei 4000/min drückt der Triple kraftvoll wie ein Hochlandbulle. Also einfach immer einen Gang höher bleiben. Serpentinen lassen sich locker im Dritten umrunden. Da ist wenig Schaltarbeit gefragt. Nicht jeder Gangwechsel gelingt lautlos. Schön leicht lässt sich die hydraulisch betätigte Kupplung ziehen.
Auch kurvige Strecken bereiten der Trophy SE keine Probleme.
Herrlich, wie weich und geschmeidig der Triple ans Gas geht. Immer direkt, aber nie ruppig. Hervorragend haben die Triumph-Techniker die Abstimmung des Ride-by-Wire im Griff: Der Bordrechner wandelt Öffnungswinkel und Geschwindigkeit des Drehs am Gasgriff je nach eingelegtem Gang und Drehzahl in Befehle für den Stellmotor um. Komplettes Schließen oder Öffnen der drei 46er-Drosselklappen soll nur 75 Millisekunden dauern. Feinfühlig und bestens berechenbar funktioniert das System. Gas schließen und dann den Triple sofort wieder unter Last nehmen? Kein Problem. Vibrationen? Fehlanzeige.
Die Ausgleichswelle leistet ganze Arbeit. Der Triple läuft smooth wie ein milder Single-Malt-Whisky. Auch Kardanreaktionen sind absolut nicht zu spüren. Prima. Dafür folgt die Benzineinspritzung der Gashand geradezu tele- pathisch. Die Anzeige des momentanen Benzinverbrauchs ändert sich extrem direkt. Nur nicht ablenken lassen von der Informationsflut im Cockpit: Der hochintelligente Bordcomputer vermeldet per Flüssigkristall-Matrix aktuelle und Durchschnittswerte von Benzinkonsum und Geschwindigkeit, Fahrzeit, Entfernung seit Abfahrt, Spritvorrat, verbleibende Reichweite, Temperatur von Kühlwasser und Umgebungsluft, Uhrzeit, Nummer des eingelegten Gangs und Reifenfülldruck.
Fahreigenschaften Trophy SE
Ausgewogen und wohlbalanciert: Die Trophy SE in Kurven.
Alles auf Wunsch in diversen Sprachen und diversen Maßeinheiten. Bei nur noch 12° C sind die Heizgriffe hochwillkommen, empfiehlt sich die erste von zwei Röststufen. Wir entern gerade die höchstgelegene Straße Großbritanniens, der Beginn endloser Kurvenkombinationen. Nun darf das Fahrwerk zeigen, was es draufhat. Eine Menge! Richtig frech und keck geht der dicke Brummer ums Eck. Flottes Wedeln auf dem flüssig zu fahrenden Asphaltgeschlängel ist das pure Vergnügen. Der hohe, breite Lenker macht die Wuchtbrumme durchaus handlich.
Ausgewogen, wohlbalanciert zieht die Trophy ihre Bahn. Zielgenau und auch in tiefen Schräglagen ohne Aufsetzen und ziemlich neutral. Nur auf extrem welligem Asphalt zeigt der Reise-Riese die Tendenz, sich ein wenig aufzurichten, lieber ein wenig weiter laufen zu wollen. Behände, handlich und unerschütterlich stabil – alles nicht selbstverständlich bei stattlichen 315 Kilogramm Leergewicht. Eine 1200er-RT ist 33 Kilogramm leichter(!), und selbst die vierzylindrige Konkurrenz wiegt mit Ausnahme der Honda Pan European weniger. Nun, eine BMW K 1600 GT bringt es auf 27 Kilogramm mehr. Bei doppelt so vielen Zylindern.
Klassische, gut ablesbare Runduhren erfreuen das Auge, dazwischen liefert der Bordcomputer per LCD haufenweise Infos und Abwechslung auf langen Strecken.
Beim Rangieren und In-die-Senkrechte-Hieven rufen sich die Pfunde schlagartig in Erinnerung. Beim Fahren vergisst man sie. Prima funktionieren die Tourensport-Reifen Pirelli Angel ST. Sie vereinen gute Rückmeldung, tolle Haftung und hohen Abrollkomfort. Feinfühlig fischen die Federelemente selbst gröbste Verwerfungen und Frostaufbrüche aus dem Straßenrelief. Solch gehobener Federungskomfort passt zum Konzept wie das Butterplätzchen zum Fünf-Uhr-Tee. Eher weich fällt die auf Knopfdruck auch in Fahrt verstellbare Dämpfung aus.
Drei Dämpfungsstufen sind wählbar: „Normal“, „Comfort“ und „Sport“. Und nicht missverstehen: Selbst die sportliche Variante agiert nicht unkomfortabel-straff. Wie bei BMW lässt sich die Federbasis allein im Stand in drei Stufen an die Zuladung anpassen – solo, solo mit Gepäck und Passagierbetrieb. „TES“ nennt Triumph sein mit WP zusammen entwickeltes, elektrisch einstellbares Fahrwerk. Zum Verstellen muss man sich ein
wenig umständlich erst ins Untermenü des Bordcomputers zappen.
Warnschilder mahnen „Reduce Speed now“, jetzt langsamer fahren. Mit verstörten Moorhühnern und verirrten Schafen ist hier ständig zu rechnen. Jederzeit sicher und gut dosierbar fangen die Nissin-Bremsen die Trophy wieder ein. Vorn ankern Vierkolben-Sättel mit je vier Einzelbelägen, hinten ein Zweikolbenstopper. Zwei Bremskolben des rechten vorderen Sattels werden dabei über ein Verzögerungsventil einzig von der Hinterradbremse aktiviert. Und auch nur bei einem kräftigeren Tritt aufs Bremspedal. Bei leichten Anpassungsbremsungen mit der Fußbremse wird dagegen nur hinten verzögert.
Klangstark geben sich die zwei 20-Watt-Boxen in der Front. Aus ihnen tönt wahlweise das Bluetooth-taugliche Dreibandradio oder eigene Mucke dank USB-Anschluss für iPad/MP3-Player. Wir kommen zurück ins Flachland, auf etwas Ähnliches wie eine Autobahn. Einmal schneller fahren. Ab 6000 Touren ändert der Triple Tonlage und Charakter, wird nun richtig feurig.
Scheibe elektrisch um riesige 16,4 Zentimeter variierbar.
Die XXL-Verkleidung stanzt ein mächtiges Loch in die Atmosphäre. Völlig hoch gefahren herrscht hinter der riesigen Scheibe himmlische Ruhe. Visier runter? Nicht nötig. Keine Fliege kann dich treffen. Der Windschild hat eine Memory-Funktion: Nach Wiedereinschalten der Zündung sucht sie sich selbsttätig die zuletzt gewählte Position. Positiv hinzu kommen kaum Sog und gute Protektion für die Hände hinter den ausladenden Spiegeln mit den integrierten Blinkern. Well done, die Arbeit im Windkanal. Nett: ein wasserdichtes, nach Ausschalten der Zündung verriegeltes Staufach.
Bei konstant 120 km/h verspricht Triumph nur 5,2 Liter Verbrauch. Dann wäre der 26-Liter-Tank für 500 Kilometer am Stück gut. Solche Distanzen reißt man im bequemen Sattel locker ab. Tiefgestellt haben auch kleinere Piloten gute Kontrolle über die Trophy. Am Ende der flott gefahrenen 400-Kilometer-Tour vermeldet der Bordcomputer moderate 5,5 Liter Durchschnittsverbrauch. Klasse: die immensen Wartungsintervalle. Kleiner Service steht alle 16 000 Kilometer an, großer Service nach 32 000 Kilometern.
19 000 Euro kostet die SE inklusive Nebenkosten. Ausstattungsbereinigt ein wenig mehr als die japanischen Vierzylinder-Tourer und nah dran an der Sechszylinder-BMW. In den Handel kommen die Trophy-Sisters Ende Oktober 2012. Der alte Traum vom Touring lebt weiter!
Daten und Fakten
Die Triumph Trophy SE - auch in der Farbe blau erhältlich.
Motor
Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 46 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 950 W, Batterie 12 V/18 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,455.
Bohrung x Hub: 85,0 x 71,4 mm
Hubraum: 1215 cm³
Verdichtungsverhältnis: 11,0:1
Nennleistung: 99,0 kW (135 PS) bei 8900/min
Max. Drehmoment 120 Nm bei 6450/min
Fahrwerk
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, verstellbare Zugstufendämpfung (SE mit elektronischer Zugstufendämpfung), Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung (SE mit elektronischer Federbasis und Zugstufendämpfung), Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, Teilintegral-Bremssystem, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder: 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen: 120/70 R 17; 190/55 R 17
Maße und Gewicht
Radstand 1542 mm, Lenkkopfwinkel 63,0 Grad, Nachlauf 119 mm, Federweg v/h 130 (127)/120 mm, Sitzhöhe 800-820 mm, Gewicht vollgetankt* 315 kg, Tankinhalt 26,0 Liter.
Garantie: zwei Jahre
Farben: Blau, Silber
Preis: 16990 (18 6701') Euro
Nebenkosten: 370 Euro
*Herstellerangabe; 'SE mit elektronisch einstellbarem Fahrwerk und Audioausstattung
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