- Kawasaki Versys 650
- Triumph Tiger Sport 660
- Yamaha Tracer 7 GT
- Fazit
Dem aktuellen Trend der Zentralisierung der Massen folgend, tragen alle drei ihre einteiligen (!) Auspuffanlagen unter dem Motor, was das Anbringen eines Hauptständers verhindert. Wohl haben alle drei Gewindebuchsen für die Montage von Adaptern für Heckständer in der Schwinge, wenn man auf Reisen die Kette schmieren will, helfen die nur bedingt weiter. Alle drei haben verstellbare Windschilde, wobei die von Triumph und Yamaha einhändig zu bedienen sind. Bei der Yamaha lässt sich die Höhe stufenlos um 65, bei der Triumph in sieben Stufen um 70 Millimeter variieren. Wobei der Autor ausgerechnet bei der großen GT-Scheibe (Höhe plus 92, Breite plus 70 Millimeter) keine für ihn in puncto Lautstärke und Windschutz wirklich passende Position finden konnte. Der mit Abstand kleinste Schild der Kawa lässt sich zwar, sofern man die gut getarnte Entriegelung gefunden hat, um imposante 80 Millimeter verschieben, die Bedienung ist recht fummelig, funktioniert nur mit beiden Händen und verändert zudem im Wesentlichen den Geräuschpegel.
Kawasaki Versys 650
Dafür empfängt sie den Fahrer mit der flauschigsten Sitzbank, durch den hoch liegenden, konifizierten Alulenker ergibt sich eine aufrecht entspannte, durchaus touristische Sitzposition. Auf Triumph und Yamaha sitzt man hinter schnödem Stahlrohr etwas vorderradorientierter, wenngleich nicht weniger komfortabel. Der Hintermann fühlt sich auf der Kawa am wohlsten, dicht gefolgt von Yamaha und Triumph. Auf Knopfdruck legt der bekannt rappelige Gegenläufertwin los. Obwohl er durch die kurze Übersetzung und das mit 222 Kilogramm recht hohe Gewicht etwas gehandicapt ist, schafft er die Verbrauchsrunde mit 4,2 Liter (Tiger 4,5/209, Tracer 3,9/199 Liter/Kilogramm). Zügiger bewegt, kommen bei Kawa und Yamaha rund ein, bei Triumph sogar eineinhalb Liter Expresszuschlag hinzu.
Soll es flott vorangehen, sind hauptsächlich auf der Kawa Drehzahlen gefordert. 6.000/min dürfen es dann schon sein, wobei sich beim aktuellen Testbike im Gegensatz zum letzten die Schaltbox nur hölzern und besonders abwärts nur mäßig präzise bedienen ließ und die Vibrationen stärker waren. Eine zweistufige und abschaltbare Traktionskontrolle nimmt rutschigem Untergrund den Schrecken, kommt auf trockener Straße bei 67 PS und 61 Nm eher nicht zum Einsatz. Trotz recht komfortabler Grundabstimmung macht die Kawa im Fast-forward-Modus eine gute Figur. Upside-down-Gabel und Federbein arbeiten synchron und gehen mit Sozius auf schlechtem Geläuf nicht in die Knie. Reserven gibt es dann keine mehr.
Die Federvorspannung hinten ist bequem per Handrad justierbar, die Dämpfung fix. Eine Vorspannungsänderung der im linken Gabelholm wohnenden Feder geht nur mit einem passenden Tool, das sich nicht im Bordwerkzeug befindet. Die Zugstufendämpfung macht mit 2 von 3,75 Umdrehungen geöffnet einen soliden Job. Zackig winkelt die Kawa ab und bleibt beim Bremsen in Schräglage weitgehend neutral. Überhaupt die Bremsen. Mit knackigem Druckpunkt und bissiger Wirkung gehen die Stopper im Normalfall ihrem Job nach. Doch im ABS-Regelbereich erschreckte das Testbike mit enormer Stoppieneigung. Bisweilen musste sogar die Bremse gelöst werden, um Überschläge zu vermeiden. Ob beim Testbike ein Fehler vorlag, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden, denn die letzte Versys, ein 2021er-Modell (MOTORRAD 2/2022), zeigte dieses Verhalten nicht. Wir bleiben an dem Thema dran.
Verarbeitung und Wertanmutung sind gewohnt solide, es bleibt Luft nach oben. Im umfangreich informierenden TFT-Display ist sogar Platz für eine Glatteiswarnung vorgesehen, die Außentemperatur teilt sich den Platz mit der Motortemperatur. Letztlich ist die aktuelle Versys eine typische, gerne etwas hemdsärmelig, nicht unsympathisch agierende Kawasaki, die viel Motorrad für den in diesem Fall günstigsten Preis bietet.
Triumph Tiger Sport 660
Bei der Tiger sieht das etwas anders aus. Vom Grundpreis mit 8.700 Euro knapp 100 Euro günstiger als die Kawa, kommt das Testbike dank des oben erwähnten Zubehörs auf gar nicht mehr so günstige 10.087 Euro. Mit herausgerechneten Koffern bleiben noch 9.488 Euro. Dafür gibt es neben der im Testfeld besten Verarbeitung und Wertanmutung ein modernes TFT-Display mit den heute üblichen Features. Obendrein bietet die Tiger zwei Fahrmodi (Rain, Road), wobei man mangels Anzeige nur dann genau weiß, welcher gerade aktiv ist, wenn man auf den Mode-Knopf drückt. Denn beim Ansprechverhalten sind Unterschiede eher zu erahnen als zu spüren. Im Winkelwerk ändert sich das dann. In Rain kappt die Traktionskontrolle in vorauseilendem Gehorsam den Vortrieb, obwohl es nichts zu kappen gibt, und in Road wird proaktiv eingegriffen. Wer also auf trockenen Straßen die volle Leistung des Triples abrufen will, tut gut daran, den Rutschwächter zu deaktivieren.
Bereits ab 2.000/min, bei den Twins sollten es mindestens 3.000/min sein, akzeptiert er ohne Murren den Sechsten, zieht wacker an, um dann nach einer kleinen Verschnaufpause ab 6.000/min befreit und mit dann deutlich spürbaren Vibrationen aufzuspielen. Dank Zubehör-Quickshifter/Blipper geht das Schalten rauf wie runter leicht und exakt vonstatten. Am Fahrwerk gibt es, außer der hinteren Federvorspannung nichts einzustellen. Es gibt keinen Grund, denn das verhältnismäßig straffe, schön ansprechende und harmonisch arbeitende Grundsetup macht seine Sache gut. Es bietet sowohl beim gemütlichen Gleiten genügend Komfort als auch hinreichend Dämpfung bei flotter Fahrt. Nur mit voller Besetzung auf schlechtem Untergrund wünscht man sich besonders hinten mehr Dämpfung und somit Ruhe im Gebälk.
Etwas Gewöhnung hingegen erfordert das Einlenkverhalten der Tiger. Die ersten Winkelgrade aus der Nulllage klappt sie noch willig ab, ab mittleren Schräglagen neigt sie dazu, sich wieder aufzustellen. Bremsen in dieser Situation verstärkt den Effekt spürbar. Die Bremse an sich macht im Normalfall einen guten Job. Handkraft, Druckpunkt, Wirkung, Feeling geben keinen Grund zum Klagen. Doch im ABS-Regelbereich können die Stopper mit groben Intervallen und langen Öffnungsphasen und den daraus resultierenden recht langen Bremswegen nicht wirklich überzeugen. Die Tiger steht ja noch am Anfang ihrer Entwicklung.
Yamaha Tracer 7 GT
Die Yamaha Tracer 7 GT ist da mittendrin und bei ihr ist es die Bremse, die für etwas Stirnrunzeln sorgt. Trotz verhältnismäßig hoher Handkräfte bleibt die Wirkung stumpf und der Druckpunkt kaum spürbar. Bei hartem Bremsen rauscht die Gabel auf Block, zudem lässt sich der Hebel bei starker Belastung mitunter bis zum Griff ziehen. Die Tracer hat einen, wenngleich nur milde ausgeprägten, Hang zum Kopfstand und die ABS Regelintervalle sind nicht die kürzesten. Die hintere Bremse will da mit recht langem Leerweg nicht hintanstehen. Das liest sich deutlich dramatischer, als es in der Realität ist, fällt im direkten Vergleich und beim Verzögern am Limit auf. Bei normaler, gerne zügiger Fahrweise macht die Bremse ihren Job unauffällig und gut. Die Tracer kam mit quasi null vorgespannter Telegabel (sechs Ringe sichtbar) zum Test.
Sukzessives Erhöhen der Vorspannung und somit der Front ersparte zwar den langen Angstnippeln der Fußrasten den einen oder anderen Bodenkontakt, ging spürbar zulasten des Handlings. Als guter Kompromiss stellen sich vier sichtbare Ringe heraus. Eine Erhöhung der Druckstufendämpfung hätte vielleicht das Durchschlagen verhindert, doch leider lässt sich nur die Zugstufe verändern. Mit fünf von 13 Klicks geöffnet, machte die Gabel einen ordentlichen Job. Um die hintere Federvorspannung zu justieren, braucht es neben Kraft Geduld und Muße, denn die Platzverhältnisse sind so eng wie die Passform des bordeigenen Hakenschlüssels großzügig. Leichter kommt man an die Zugstufe, mit 1,75 von 3,75 Umdrehungen geöffnet fand sich eine passable Einstellung.
Dennoch ist das Ansprechverhalten hinten nicht überragend. Im Winkelwerk ist sie nicht ganz so agil wie die Versys, überzeugt mit neutralem Einlenkverhalten und nur geringem Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Die Ergonomie auf der Tracer ist der der Tiger sehr ähnlich, allerdings fallen der recht breite Tank und vor allem die ausgeprägte Kante am Übergang von der farbigen zur schwarzen Tankabdeckung auf. das schlichte, monochrome Cockpit wirkt im Zeitalter überbordender TFT-Displays etwas altbacken, es enthält alles, was man beim Biken wirklich wissen muss, und verzichtet auf neumodisches Bling-Bling wie Konnektivität. Wer auf den großen Schild, die Koffer und die Komfortbank verzichten kann, bekommt die Tracer ohne GT sogar 900 Euro günstiger.
Der Twin, der unverändert in der MT-07, Ténéré 700, XSR 700 und seit diesem Jahr im Einsteigersportler R7 zum Einsatz kommt, wurde schon zigmal gelobt. Und hier macht er seine Sache richtig gut. Egal ob unten ziehen, in der Mitte drücken oder oben drehen – er ist mit viel Freude und wenig Durst dabei. Klar vibriert er ein wenig, das stört nicht wirklich. Nicht ganz so viel Lob erntet das Getriebe, es operiert etwas hakig und mit recht langen Schaltwegen und spürbaren Lastwechseln. Dennoch ist die Tracer ein treuer und spaßmachender Begleiter für die kleinen wie großen Wege das All- und Sonntags; und nicht einmal die vielen großen, etwas trist und billig wirkenden schwarzen Kunststoffteile der Karosserie können den guten Eindruck nachhaltig trüben. Und so fragt man sich verwundert, warum sich die vielseitigen Qualitäten dieser universell einsetzbaren Bikes bislang nicht in entsprechenden Verkaufszahlen widerspiegeln. Schade.
Fazit
1. Triumph Tiger Sport 660: Sie kam, sah und tigerte. Der leider etwas durstige Antrieb ist ganz klar das Pfund, mit dem die Tiger wuchert. Da echte Schwächen fehlen, reicht es unterm Strich locker für den Sieg. Leider sind viele Teile der Ausstattung nur gegen Aufpreis zu haben.
2. Yamaha Tracer 7 GT: Sie war schon da und musste sich wehren. Ihr Antrieb ist nach wie vor ein Freudenspender erster Klasse, doch gegen den Triple hat er es schwer. Ihr Fahrwerk ist ausgewogen, doch die Bremse gehört in Sachen Handkraft und Druckpunkt überarbeitet.
3. Kawasaki Versys 650: Sie kam frisch überarbeitet und muss sich dennoch nach der Decke strecken. Ihr handliches, komfortables Fahrwerk und der quirlige, aber raubeinige Motor machen Laune, die Wirkung der Bremse an sich ist toll, die ABS-Abstimmung nicht.