Nur selten wird ein Mythos umgekrempelt. Harleys Big Twin ist Ikone und lebende Legende zugleich. Nun gibt es einen neuen V2, erstmals mit Vierventilköpfen, den „Milwaukee-Eight 107“. Was er draufhat? Das Gleiche wie immer, aber mit mehr Punch.
Nur selten wird ein Mythos umgekrempelt. Harleys Big Twin ist Ikone und lebende Legende zugleich. Nun gibt es einen neuen V2, erstmals mit Vierventilköpfen, den „Milwaukee-Eight 107“. Was er draufhat? Das Gleiche wie immer, aber mit mehr Punch.
Die Acht ist Nummer neun: Der neue „Milwaukee-Eight 107“- Motor ist erst Harleys neunter V2-Motor mit den stilbildenden 45 Grad Zylinderwinkel seit 1909! Und der erste mit Vierventilköpfen in dieser langen Tradition. Das Bauprinzip (beide Pleuel auf einem gemeinsamen Hubzapfen) teilt auch der Neue mit seinen Ahnen: dem per Schnüffelventilen gesteuerten ersten V2 des Jahres 1909, dem F-Head von 1911, dem Flathead von 1929, dem Knucklehead von 1936, dem Panhead von 1948, dem Shovelhead von 1966, dem Evolution von 1984 und dem Twin Cam von 1999.
Allein zwei Millionen Twin Cams entstanden seit 1999. 17 Jahre später offeriert Harley-Davidson wieder einen komplett neu konstruierten Big Twin. Er ist der Nukleus der Company, in ihm schlägt das Herz von Harley. 2017 erhalten alle Touring-Modelle den neuen Antrieb. Den es in drei Konfigurationen gibt: Der „Milwaukee-Eight 107“ (107 Kubikzoll, 1745 cm³) ist standardmäßig luft-/ölgekühlt. Er befeuert die Modelle Road King, Road King Classic, Street Glide Special, Road Glide Special und das Trike Freewheeler. Dagegen umspült im „Twin-Cooled Milwaukee-Eight 107“ kühlendes Wasser die Zone der Auslassventile. Die Kühler sitzen bei Harley-Davidson Road Glide Ultra, Electra Glide Ultra Limited, Electra Glide Ultra Limited Low und dem Trike Tri Glide Ultra in den Beinschilden. Noch dicker kommt’s beim ebenfalls teilwassergekühlten „Twin-Cooled Milwaukee-Eight 114“ (114 Kubikzoll, 1868 cm³) für die Harley-Davidson CVO Limited und CVO Street Glide.
Alles Theorie, wenn du gerade auf einer Harley-Davidson Electra Glide Ultra Limited durch den äußersten Nordwesten der USA fährst. Noch vor Minuten standen wir in Port Angeles am Pazifik, sahen die Fähre nach Vancouver Island in Kanada ablegen. Die Luft schmeckte salzig. Und nun schrauben wir uns dem Himmel entgegen. Du sitzt auf einem amerikanischen Mythos, unter dir pulst ein mächtiger Motor, mit eindreiviertel Liter Hubraum als Twin-Cooled Milwaukee-Eight 107. Im Leerlauf schüttelte er sich etwas, rüttelte an seinen Gummilagerungen. Der Ruhepuls ist noch cooler, gelassener als zuvor, die Leerlaufdrehzahl sank von 900 auf 850 Umdrehungen. Potaatoo-potaatoo-potaatoo. In Fahrt hält die neue Ausgleichswelle den Big Block mächtig im Zaum. Smooth pulsiert der V2. Spürbar, aber nie störend. Sanft, aber nicht weichgespült, massiert der neue Big Twin deine Seele, läuft geschmeidiger. Nur noch eine einzelne Nockenwelle ist leichter und erzeugt weniger Reibung und Geräusche als die zwei des Twin-Cam-Motors. Das vielfältige Konzert mechanischer Geräusche sollen neu gestaltete Motorgehäusedeckel, leichtere (wenngleich doppelt so viele) Ventile und viele neue Motor-Innereien dämpfen, siehe unten.
Alles, damit der bassige Auspuffklang unverfälschter rüberkommt. Er wummert und hämmert schön, aber nicht aufdringlich. Sound und Feeling. Nun gibt’s keine Auspuffklappe mehr, die Klangfülle von US- und Europa-Modellen soll sich kaum unterscheiden. Klar hält der neue Motor die Euro 4-Norm ein. Laut Company soll seine „Verbrennung effizienter, der Benzinverbrauch elf Prozent niedriger und das Drehmoment 15 Newtonmeter höher“ sein. Hhhm, haben sich Harleys jemals über Zahlen und Messwerte erschlossen?
Hey, du bewegst gerade das bekannteste Modell der berühmtesten Motorradschmiede des Planeten. Eine Electra Glide ist ein Mythos, eine rollende Trutzburg. Kein Gefährt, sondern ein Gefährte. Ihre Bat-Wing-Verkleidung hat seit 1969 gleiche Konturen, wurde nur 2013 einmal sanft überarbeitet. Ein Schutzschild in der Brandung der Zeit. Keep the spirit, pflege das Erbe. Genau darum geht es bei Harley-Davidson: Neu sein, okay. Aber bitte schön so alt aussehen wie nur irgend möglich.
Mechanical Look: Die Form der Hüllrohre für die Stoßstangen (was sonst?) ist seit 1936 identisch, seit 80 Jahren! Klar behält sie auch das neue Kraftpaket.
Wie sich der V2 anfühlt? Spürbar kräftiger, mit mehr innerer Stärke! Es ist endlich da, das lange verheißene Gefühl geballter Kraft. Gefühlt liegt der vierte Gang drin, aber es ist schon der fünfte – wie der Blick auf die kleine Ganganzeige offenbart. Der Brummi auf zwei Rädern zieht mächtig, springt nach vorn wie ein Stier in der Arena. Auch im Sechsten ab 2000 Touren. Das sind 50 Meilen pro Stunde, 80 Stundenkilometer. Mit Schaltdrehzahl 3000 bist du flott unterwegs, bei 5500 ist endgültig Schluss.
Ein feiner Motor ist das, nun noch souveräner. Die Landschaft am legendären Pacific Coast Highway 101 saust nur so vorbei. Und das bei 413 Kilogramm Lebendmasse. Trotz Servo-Funktion ist die neue Anti-Hopping-Kupplung hinter schlankerem Gehäuse noch keine Pussy-Clutch. Aber auch nicht Unterarm-mordend. Genau richtig. Wie an sich alles hier.
Wenn doch mal ein Gang gewechselt werden muss: Das identisch übersetzte Getriebe mit der lässigen Schaltwippe schaltet sich exakt, präzise und vor allem sehr weich. Selbst das fette KLONK beim Einlegen des ersten Gangs (als wenn ein Vorschlaghammer auf den Boden fällt) ist Vergangenheit: Wie heißt es im Pressetext: „Die Vorgelegewelle des Getriebes verwendet für den ersten Gang ein Scherenzahnrad im Dauereingriff.“ Na dann.
Von dem tiefen, saubequemen Ledersattel mit ausgeprägter Lendenwirbelstütze möchtest du nie mehr absteigen. Sauber sprechen die neuen Showa-Federbeine (nun mit Handrad statt Luftpumpe) an. Was sie auf sehr groben Unebenheiten noch durchlassen, absorbiert der Sitz. Unterdämpftes Geschaukel wie bislang ist auf jeden Fall passé.
Viel fischt die neue Kartuschengabel heraus. Sie setzt sogar dem Griff zur unveränderten Verbundbremse mit Vierkolben-Sätteln von nun an nennenswerten Widerstand entgegen. In Grenzen hält sich das Aufstellmoment in Schräglage. Nur Spurrinnen in der Kurve läuft der fette 130er- Vorderreifen nach. Von Zuladung bleibt der Brummer komplett unbeeindruckt – selbst im bestnutzbaren und schönsten Topcase der Motorradwelt samt praktischer Reling. Das riesige Motorrad passt perfekt in dieses große Land, braucht Weite vorm Vorderrad. Fluffig schwingt der Blauwal durch die flüssigen Kurven. Fährt sich sehr angenehm, der elektrische Gleiter, lässiger denn je.
Okay, über 30.000 Euro in schicker Zweifarb-Lackierung sind mehrwertteuer. Dafür ist schon alles mit an Bord: Navi mit großem Farbdisplay, klangstarke Audioanlage (viermal 25 Watt), Wegfahrsperre und Tempomat. Durchaus individuelle Charaktere sind die Touring-Schwestern. Die Road Glide, ein cooler Bock, bleibt in Kurven präziser, zielgenauer: Ihre Verkleidung ist rahmenfest montiert. Am „handlichsten“ rollt und schwingt die Road King.
Herrlich bei allen: Auch der neue V2, selbst in teilwassergekühlt, knistert nach dem Abstellen stundenlang vor sich hin, wie ein Lagerfeuer, an dem der Cowboy über den Tag sinniert. Die bewährten Twin-Cam-Motoren mit 1690 cm3 werden vorerst weiter gebaut, befeuern 2017 die beiden anderen Big-Twin-Baureihen, Softail und Dyna, Cruiser und Chopper. 2017 bietet Harley-Davidson insgesamt 30 Serienmaschinen, zwei Trikes und drei exklusive CVO-Sondermodelle an. Captain America, Batman und Co. sind vitaler denn je.
Motor:
Fahrwerk:
Als neu konstruierter V2 mit vier Ventilen pro Zylinder und 1745 cm3 (107 cubic inch) Hubraum debütiert der neue Milwaukee-Eight-107-Motor in der Touring-Baureihe und in zwei Trikes. Er entwickelt bis zu 91 PS und bis zu 153 Newtonmetern maximales Drehmoment. Nur noch eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle mit hydraulischem Kettenspanner treibt über je zwei Paare Stößelstangen und gegabelte Kipphebel auf vier Kipphebelwellen insgesamt acht Ventile an. Für effizientere Verbrennung sorgen zwei Zündkerzen je Zylinder und neu positionierte Einspritzdüsen (Einspritzung direkt in den Einlasskanal). Erstmals erlauben zwei Klopfsensoren zylinderselektiv eine präzisere Regelung der Zündzeitpunkte. Dem laut Harley 50 Prozent höheren Gasdurchsatz angepasst wuchs der Drosselklappen-Durchmesser von 46 auf 55 Millimeter.
Größer und robuster ausgelegt wurden viele Bauteile wie Kurbelzapfen und Kurbelwellenlager. Neu ist eine Ausgleichswelle vor dem vorderen Zylinder. Der Hubraumzuwachs im Vergleich zum Twin Cam 103 beruht ausschließlich auf Vergrößerung der Bohrung von 98,4 auf nun 100 Millimeter. Der Hub von 111,1 Millimetern ist mit dem Vorgänger identisch. In den limitierten CVO-Modellen drückt der Twin-Cooled Milwaukee-Eight 114 (114 Kubikzoll, 1868 cm³) sogar 102 PS und bis zu 166 Nm. Bohrung mal Hub betragen hier 102,0 x 114,3 Millimeter.
Maximal 625 Watt, leistet die größere, anders gewickelte Lichtmaschine. Bereits etabliert waren Harleys hydraulischer Ventilspielausgleich und die „Präzisionskühlung“ im Auslassbereich: Dient Motoröl als Medium, so wird der Auslasskanal umspült, bei Teilwasserkühlung umfließt Kühlflüssigkeit den Ventilsitz. Auch die luft-/ölgekühlte Version verdichtet nun stets 10,0 : 1.
Motor: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, eine untenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, 2 x Ø 55 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 625 W, Batterie 12 V/28 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, Zahnriemen, Sekundärübersetzung 2,125.
Bohrung x Hub 100,0 x 111,1 mm, Hubraum 1745 cm³, Verdichtungsverhältnis 10,0 :1, Nennleistung 67,0 kW (91 PS) bei 5450/min, Max. Drehmoment 153 Nm bei 3250/min
Fahrwerk: Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 49 mm, Dreiecksschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Verbundbremse, ABS.
Alu-Gussräder 3.00 x 17; 5.00 x 16, Reifen 130/80 B 17; 180/65 B 16
Maße + Gewichte: Radstand 1625 mm, Lenkkopfwinkel 64,0 Grad, Nachlauf 170 mm, Federweg v/h 117/76 mm, Sitzhöhe 740 mm, Leergewicht 413 kg, zulässiges Gesamtgewicht 617 kg, Tankinhalt/Reserve 22,7/3,8 Liter.
Garantie zwei Jahre, Farben Schwarz, Grau, Silber/Schwarz, Blau, Rot, Blau/Silber, Gold/Schwarz, Preis ab 29.795 Euro, Nebenkosten 490 Euro