Honda GL 1000 Gold Wing und 1800 Gold Wing: 1978 und 2024 im Vergleich

Honda GL 1000 Gold Wing und GL 1800 Gold Wing
1978 und 2024 ergeben zehn Zylinder

ArtikeldatumVeröffentlicht am 11.08.2025
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Ehrfürchtig umschleichen wir die wuchtigen Supertourer, Sehnsuchtsmaschinen seit 50 Jahren, so unterschiedlich sie auch wirken: hier die funkelnde, nackte Honda GL 1000 Gold Wing , dort die elegante, vollverkleidete GL 1800 im Mattlack. Nun, eine Gold Wing ist eine Gold Wing, ist eine Gold Wing. Ein Motorradgebirge mit allem Schnickschnack, maximalem Komfort und allem Pipapo. Kurz: ein Luxus-Cabrio auf zwei Rädern. Grand Luxe!

Legendäre Zuverlässigkeit

Bereits vor 50 Jahren setzte der erste Boxer aus Fernost als echter Meilenstein Superlative en masse: erste japanische 1000er, mit Zylindern im Wassermantel, Kardan und drei Scheibenbremsen. Da bleibt im Hier und Jetzt die Frage, wie Honda den Geist in dieser speziellen Maschine, den Gold Wing Spirit, bis heute bewahrt hat.

Hunderttausendfache Erfahrungen von legendärer Zuverlässigkeit bei astronomischen Laufleistungen und geringstem Ölverbrauch prägen die Gold-Wing-Geschichte und -Philosophie bis heute.

Erste Eindrücke

Heute gehen Ur-Opa und Enkel gemeinsam auf Tour. Die historische Honda GL 1000 K3 von 1977/78 gehört Reiner Schwarz kopf, Präsident des Gold Wing Clubs Deutschland, GWCD. Der würdevolle Oldtimer trägt reichlich zusätzlichen Chrom-Zierrat. Dazu zählen Sturzbügel, eine Reling rund um den chromglänzenden Frontfender und sogar verchromte Griffe.

Platz nehmen auf der üppig gepolsterten Präsidentensuite von einer Sitzbank. Gut liegt der hohe Hirschgeweih-US-Lenker zur Hand. Irgendwie lässig. Rund sechs Zentner (ohne Extra-Chrom!) wollen in die Senkrechte gewuchtet werden.

Hier surrte beim Einschalten der Zündung bereits in den 70er-Jahren eine Benzinpumpe. Sie fördert den schwerpunktgünstig unterm Sitzmöbel bunkernden Sprit – eines der vielen Gold-Wing-Gene – zu den vier etwas weiter höher liegenden Vergasern.

Das "Hacke-Spitze-Spiel"

Puh, die Batterie muss ziemlich orgeln. Endlich erwacht der zweiventilige Kraftwürfel. Kleine blaue Wölkchen künden nach Kaltstart davon, dass nach Abstellen auf dem Seitenständer ein paar Tropfen Öl den Weg in die Brennräume gefunden haben. Und das bei einer Honda, kaum zu glauben!

Zwar braucht der Vierzylinder eine lange Warmlaufphase. Doch der Choke zum Nachjustieren von Drehzahl und Gasannahme liegt griffgünstig am Lenker.

Im Klang, den die beidseitig verlegten, verchromten Peashooter-Schalldämpfer entlassen, steckt ein Unterton à la VW Käfer. Klar, Konzept Vierzylinder-Boxer. Nur wirkt der Sound hier viel dumpfer, die kultivierte Honda GL 1000 Gold Wing klingt schön satt.

Trittbretter und Schaltwippe, beides nachgerüstet, sind ergonomisch ein Rückschritt. Das "Hacke-Spitze-Spiel" braucht viel Übung. Endlich sitzt der erste Gang. Von Anfang an verwöhnt sprichwörtlich sanfte Laufruhe!

Ein intelligenter Gigant

Stefan entriegelt die elektronische Lenksperre der aktuellen 1830er. Das "Smart Key System" kontrolliert auch die Koffer. Das Display rechts im Cockpit meldet einen offenen Koffer(raum)deckel rechts. Also noch mal absteigen vom 373-Kilo-Brocken, um den hydraulisch gedämpften Deckel fester zuzudrücken …

Parkbremse schon gelöst? Ein intelligenter Gigant ist das. Noch dazu hochwertigst verarbeitet. Aber auch 30.990 Euro teuer.

Und das ist "nur" die leicht kastrierte "Basis-Bagger" Gold Wing – ohne Topcase und Airbag, mit bloß niedrigerer Scheibe. Also wie ein GT-Auto, Gran Turismo. Geschlagene 17 Jahre dauerte es, von 2001 bis 2018, ehe Honda seinem Flaggschiff die mechanische durch eine elektrische Verstellung der Scheibe ersetzte.

Klingt fast wie ein Porsche

Hoch motiviert, fast bellend, erwacht der Sechszylinder-Boxer. Klingt heiser, fast wie ein Porsche. Ein herrlicher Soundtrack ist das: kehlig-dumpf-potent. Dieser auf zwei Rädern unvergleichliche Klang föhnt die Flimmerhärchen im Innenohr.

Der Sixpack – Honda setzt seit 1988 auf Sechszylinder – läuft so seidig, als seien die Zylinderlaufbahnen und Motorinnereien mit Samt und Seide ausgeschlagen. Sound und Feeling! Beste Laufkultur blieb eine der wahren Gold-Wing-Tugenden.

Vom ersten Meter an gibt sich der Koloss prima ausbalanciert. Dank ihres tiefen Schwerpunkts scheint die Honda GL 1800 Gold Wing, einmal in Fahrt, einen Zentner Ballast abzuwerfen.

Irgendwo zwischen Cruise und Tourer

Die 1000er gibt sich vom Start weg schön ruhig, ausgeglichen und elastisch. Sie verträgt bereits bei Tempo 50 den finalen fünften Gang. Ihr Charakter liegt irgendwo zwischen Cruiser und Tourer. Und die lange Schwinge hält Reaktionen des pflegeleichten Kardans in engen Grenzen.

Der Ahne setzt auf eine kinderleicht zu ziehende Zweifinger-Kupplung. Sie sitzt samt Getriebe platzsparend und schwerpunktsenkend unterhalb des Motors.

Nun, dann hat der aktuelle Goldflügel halt eine "Keinfinger-Kupplung". Schließlich ist ihre DCT-Version mit Hondas exklusivem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und ohne Handhebel an Bord. Das System schaltet automatisiert fast immer perfekt hoch, ohne eine Automatik zu sein.

Kollege Computer schaltet selbst

Die Übergänge beim Wechseln der Gänge sind so geschmeidig-unmerklich fein verschliffen, dass oft erst die Ganganzeige im Cockpit offenbart, dass Kollege Computer mal eben zwei, drei Gänge hochgeschaltet hat. Nur beim Anhalten bis zum Stillstand kalonkt es mitunter recht heftig (und dann auch irritierend) aus dem Maschinenraum.

Vier Fahrmodi können hier den Charakter deutlich verändern: "Sport" schaltet später hoch und früher runter; "Tour" passt perfekt zum Anspruch des Raumgleiters, "Rain" wirkt arg degressiv übersetzt, und "Econ" soll Sprit sparen helfen. Dazu kann Stefan jederzeit manuell per Tipptaster am Lenker hoch- oder runterschalten. Der 7. Gang lässt sich ab Tempo 75 einlegen.

Der Oldtimer mag es gemütlich

Ich genieße den sanft säuselnden 1000er-Boxer. Für 100 km/h reichen ihm moderate 3.500 Umdrehungen pro Minute, der 1800er gar nur rund 2.100. Unser historischer Kurzhuber (jawohl!) ist abgesehen von der elektronischen Zündung ein "analoger Motor". Er entert nur zäh die zweite Hälfte des Drehzahlspektrums. Der Oldtimer mag es eben gemächlicher. So ist es, wenn Mensch wie Maschine alt werden.

Dagegen ist das aktuelle Modell ein rollender Computer. Die Bedienungsanleitungen (fürs Fahrzeug plus das umständlich programmierte Navi!) sind dick wie das Kölner Telefonbuch anno 1975. Traumhaft ist die turbinenhafte, völlig befreite Drehfreude des ohc-Einspritz-Vierventilers.

In der Schräglage zurückhalten!

Beim Ausdrehen liefert der 126 PS starke Sechsender Schub ohne Ende. Allgemeiner Trend: Zwar wurden die Gold Wings immer schwerer. Doch die Baureihe ab 2018 hatte Honda spürbar erleichtert.

Nun, die Nachrüst-Trittbretter der Honda GL 1000 Gold Wing nehmen bereits bei geringer Schräglage funkensprühend Asphaltproben. Da ist Mäßigung angesagt.

Immerhin legt sich der sanfte Riese schön leicht in die Kurve. Längs liegende, quer zur Fahrtrichtung rotierende Kurbelwellen machen handlich! Dieses Phänomen kennen und schätzen auch Fahrer von BMWs, Guzzis oder Pan Europeans.

Durch die gegenläufig auf dem Kurbelwellenstumpf rotierende Lichtmaschine zeigt bereits die 1000er kein Rückdrehmoment: Beim Gasgeben neigt sich die Maschine eben nicht kurz zur Seite.

Die Ausstattung des Oldies

Sesam, öffne dich: In der Tank-Attrappe mit drei Klappen (seitlich und oben) befinden sich limousinenlike Handschuhfach, Bordwerkzeug und der gut zugängliche Luftfilter. Am Heck dient der Gepäckträger von Hepco und Becker der wahren Bestimmung.

Auf dem Sechs-Zentner-Brummer von Oldie stakst man ein wenig gefühllos um die Kurven. Als vertrauensbildende Maßnahme des Nakeds gehen haftfreudige Dunlop-Reifen Arrowmax Streetsmart durch, vorn in 19 Zoll, hinten als 17-Zöller.

Die K3 mit den damals neumodischen ComStar-Rädern gilt fahrwerkstechnisch als beste aller 1000er-Gold-Wings, dank verstärktem Rahmen und besseren Federelementen. Einen guten Job erledigt die Gabel. Die K3 bremst sogar einigermaßen.

Auf welliger Strecke wippen die Stereo-Federbeine fröhlich nach. Nachrüstteile von Ikon, Öhlins oder Wilbers könnten helfen. An der viel zu geringen Zuladung von 176 Kilogramm werden allerdings auch sie nichts ändern. Das kann die Neue wesentlich besser, sie sattelt 220 Kilogramm, fährt mit Alu-Brückenrahmen und Einarmschwinge viel stabiler und sicherer.

Was hat sich verändert?

Zuladung und Eigengewicht stiegen in den knapp fünf Jahrzehnten um ein Viertel. Die Zylinderzahl nahm um 50 Prozent zu, der Hubraum um satte 83 Prozent, die Leistung aber "nur" um 53 Prozent. Das maximale Drehmoment hat sich mehr als verdoppelt. Nur die Vmax, 180 km/h, ist elektronisch abgeriegelt geringer als einst.

Die Botschaft: souveräner Dampf bis dahin in jeder Lebenslage. 170 Newtonmeter schüttelt der Flat Six lässig aus dem Ärmel! Gut, dass eine Traktionskontrolle an Bord ist. Spitzenleistung? "Genug!"

Gilt auch für die Ausstattung. Audiosysteme im Gold-Wing-Imperium gibt es seit rund 40 Jahren (trotzdem ist der Radio-Empfang mau), hochwillkommene Rückwärts-Rangierhilfen seit 1988. Aktuell sind 43 Schalter und Regler großflächig über Lenkerarmaturen und Konsole auf der Tank-Attrappe verteilt. Uff.

Uneingeschränkt langstreckentauglich

Wie gehabt bunkert der Sprit im Rahmendreieck. Neu: Licht aus einer anderen Galaxie. Leuchtdioden machen die Nacht zum Tag, zumindest auf Geraden. Auch das aktuelle Gold-Stück setzt in Kurven früh raspelnd mit den Rasten auf.

Kräftig zubeißende, gut dosierbare Bremsen sind gemessen am früheren Baumuster ein Traum. Dazu passt die "sportlichere", aktivere Sitzposition im tiefen, breiten Sattel. Sie fällt trotzdem uneingeschränkt langstreckentauglich aus. Erlesener Sitzkomfort ist das. Ergonomie kann und konnte Honda schon immer.

Das Fahrgefühl

Einlenken? Geht überraschend easy. Das swingt und beschwingt! Die komplexe Vorderradführung mit Doppelquerlenkern und Zentralfederbein folgt supersensibel dem Asphaltrelief. Nur morst sie etwas wenig Rückmeldung von der Front ins Kleinhirn rüber. Na und? Hat Besitzer von GS mit Telelever ja auch noch nie gestört.

Zudem bringt der breite 200er-Heckschluffen viel Gummi auf die Fahrbahn. Aus moderaten Federwegen (109/104 Millimeter) holt die moderne Grundkonstruktion maximalen Federungskomfort raus.

Wie bei Kreuzfahrtschiffen und Jumbojets sind An- und Ablegen die heikelsten Manöver. Aber einmal auf Tour, fährt dieses Gold-Wing-Gefühl von unbedingter Geborgenheit, üppigster Ausstattung und völliger Entspannung immer mit.