Suzuki Hayabusa 1300 ABS - Teil 1
Die Suzuki Hayabusa 1300 ABS hat etwas von einem Videospiel, die A 7 Richtung Süden, Richtung Füssen. Kurz bevor die Republik aufhört. Am Horizont erhebt sich ebenso majestätisch wie schroff das Alpenpanorama. Und du stichst auf deinem mächtigen Brummer in ein plötzlich überraschend enges Kurvengeschlängel. 260, ein letztes Mal schalten, sechster Gang. Er will einfach nicht erlahmen, der Vortrieb. 280, die Tachonadel rotiert weiterhin wild entfesselt Richtung Niemandsland. Denn die 300 steht schon lange nicht mehr auf der Tacho-Skala. Schon gar nicht die 340, mit der die Ur-Hayabusa 1999 die Tür zu einer neuen Dimension eintrat. Das war mit damals noch 175 PS allerdings mächtig übertrieben.
Die Welt, sie bekam mit der Suzuki Hayabusa 1300 ABS ihr neues Über-Motorrad. Gezeugt im Windkanal, geschlüpft im öffentlichen Straßenverkehr. Schließlich ist „Hayabusa“ die japanische Bezeichnung für den Wanderfalken: Er stößt im Sturzflug mit rund 300 Stundenkilometern auf seine Beute, andere Vögel, herunter. Was folgte, ist bekannt: eine öffentliche Diskussion über Gefahren, über nicht mehr zu beherrschende Leistungen und Geschwindigkeiten bei Motorrädern. Alle Motorradhersteller Europas verpflichteten sich zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung. Bei Maximaltempo 298 ist seit 2001 Schluss. Aus, Ende, vorbei. Von der Zeit überholt.
Die Welt der Physik schlägt voll zu

Dem Nimbus der 1300er-Suzuki aber tat das keinen Abbruch. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits Legende. Doch der Vorreiter der Speed-Fraktion ist immer noch da, stärker und mächtiger als je zuvor. Zur Saison 2008 gab’s eine große Überarbeitung: mehr Hubraum, volle 1340 Kubik und 197 PS bei moderaten 9500 Umdrehungen, Vmax: 295. Was allerdings immer noch fehlte, war ein sicher machendes ABS. Auch die reine Bremswirkung war eher mau. Die stumpfen Bremsen standen im krassen Gegensatz zum Antriebspotenzial des Boliden. 2013 nun hat Suzuki die Kritik erhört. Und bestückt die Suzuki Hayabusa 1300 ABS par excellence ab sofort serienmäßig mit radial angeschlagenen Brembo-Monoblocs und ABS. Der Schutzengel an Bord beruhigt.
Ruhe, was heißt hier Ruhe? Es toben Naturgewalten! Bei doppelter Orkangeschwindigkeit reißt dich die Suzuki Hayabusa 1300 ABS hier und heute durch die Atmosphäre. Ducken, bloß abducken, hinter der nicht allzu hohen Scheibe. Dabei konntest du als 1,71 Meter kleiner Mensch bis Tachoanzeige 200 noch aufrecht sitzen bleiben. Okay, kaum gebückt. Aber nun schlägt die Welt der Physik voll zu. Doppelte Geschwindigkeit heißt vierfacher Luftwiderstand. Er wächst wie der Leistungsbedarf im Quadrat. Bei 300 km/h 16-mal so groß wie bei 75 km/h. Der rasende Falke, formal eher ein Nasenbär, kauert sich tief auf den Asphalt, die Welt fliegt mit rund 80 Metern pro Sekunde an uns vorbei.
Selbst Autobahnkurven werden irgendwann einfach zu eng

Enorm vertrauenerweckend: Wie satt der rund 265 Kilogramm schwere Bolide liegt. Wie superstabil und hochpräzise die Suzuki Hayabusa 1300 ABS ihre Bahn zieht. Wow! Setz dich gefälligst richtig hin, den Hintern weit nach hinten! Das verbessert den Geradeauslauf nochmals spürbar. Und streck dich gefälligst, die eher tief angeklemmten Lenkerstummel liegen ziemlich weit entfernt. Wobei der breite 21-Liter-Tank deine Beine breit spreizt. Ja, diese Sitzposition ist ziemlich old fashioned. Passt aber zu einer aus der Zeit gefallenen Ikone. Totale Konzentration: anpeilen, fokussieren - und durch. Der Blick wird tunnelförmig, Lkws scheinen zu stehen. Riesenräder rasen rückwärts. Doch bald schon gehst du freiwillig vom Gas. Genug ist genug. Selbst Autobahnkurven werden irgendwann einfach zu eng. Und das nächste Tempolimit naht.
Puh! Kräftig ausatmen. Geschafft. Aufrichten. Ausrollen mit 200, 180. Ob es nun Sinn macht oder nicht: Sich einmal für einen kurzen Moment im Oberhaus der landgebundenen Geschwindigkeit zu tummeln, ist wahrhaft und immer noch eines der größten Erlebnisse auf zwei Rädern. Wer weiß, wie lange das noch geht?
Suzuki Hayabusa 1300 ABS - Teil 2





Gut zu wissen, dass die Suzuki Hayabusa 1300 ABS auch die weniger spannende, häufigere Seite der Verkehrswirklichkeit bravourös meistert. Etwa mit Tempo 50 bis 70 im dichtesten Verkehr auf der A 8 den Albaufstieg rauf. Egal. Mit dieser Maschine muss man sich nichts beweisen. Echte 185 PS machen souverän, ganz gelassen. 100 km/h sind gerade mal 3500 Touren im sechsten Gang. Lässig, nicht wahr? Ein Erlebnis: Wie dieser Motor bereits bei 3000 Touren, egal in welchem Gang, anreißt. Mit über 100 Newtonmetern. Wieso gibt’s eigentlich 2013 nicht gleich auch eine Traktionskontrolle?
Aus dem Augenwinkel siehst du, wie Kinder im Fond eines schwarzen Audi A6 den Daumen hochhalten. Später, an der Raststätte, spricht man dich an. Nicht mehr allzu häufig, dass Passanten ein japanisches Motorrad bewundern. Diese organischen, extrem windschlüpfigen Formen der Suzuki Hayabusa 1300 ABS, die den Fahrer bei Topspeed voll ins Geschehen integrieren. Die rundgelutschten Rückleuchten nehmen die Form der übereinandergestapelten Frontscheinwerfer wieder auf. Wunderbar oder verquollen?
Polarisieren gehört hier zum Konzept

Geschmackssache, wie auch irisierender Perlmuttlack. Polarisieren gehört hier zum Konzept. Dieses Motorrad wird wiedererkannt. Du betankst die Suzuki Hayabusa 1300 ABS nach 229 Kilometern auf überwiegend vollen Bahnen mit gerade mal 13,55 Litern. Und klappst das Visier runter. Die beiden mächtigen dreieckigen Schalldämpfer machen ihrem Namen alle Ehre. Dumpf, doch leise tönen sie. Und das kehlige Röcheln aus der Airbox macht an, ohne Nachbarn zu nerven.
Etwas Nachdruck braucht das Einlegen des ersten Gangs. Sonst aber ist das Getriebe tadellos. Die Federelemente im Alu-Chassis arbeiten nicht ganz so sämig und cremig wie bei der unverkleideten Schwester B-King. Welche, Ironie der Geschichte, nach kurzer Zeit wieder aus dem Suzuki-Programm gepurzelt ist. Okay, die kohlenstoffbeschichtete Upside-down-Gabel der Suzuki Hayabusa 1300 ABS arbeitet durchaus sensibel. Ihr knöchern ansprechendes, hartes Federbein scheint jedoch ein Tribut zu sein an bedingungslose Stabilität bei Topspeed. Nun, bei Tacho 300, pardon: 295, darf sich nichts aufschaukeln. Dem zollen auch der lange Radstand, 1485 Millimeter, und die speziell für die Hayabusa entwickelten Bridgestone BT 015 in Sonderkennung „M“ Tribut.
Eine Hayabusa ist ja kein Kinderspielzeug!
Es gibt handlichere Motorräder. Na und? Eine Suzuki Hayabusa 1300 ABS ist ja kein Kinderspielzeug! Und kein Wattebausch: Bei mittleren Drehzahlen, also dem, über das man fast nie hinauskommt, vibriert der potente Vierzylinder feinperlig. Dies lässt die Hände ertauben. Und andere Körperregionen, die am hinteren Tankende anliegen, gleich mit. Immerhin geht der Motor mit seinen Doppeldrosselklappen schön weich ans Gas.
Richtig gut tun der Busa ihre neuen Bremsen. Sie geben sich nun endlich fein dosierbar, stand- und bissfest. Endlich schöpft der Autobahnfalke auch beim negativen Beschleunigen sein ganzes Potenzial aus. Nicht nur Profis bekommen nun prima Bremsleistungen hin - siehe Kapitel Bremsen. Gut so! Auch wenn sie sich leichtes Aufstellmoment beim Bremsen nicht verkneifen kann. Wie in der Autobahnausfahrt. Es wirkt fast wie ein stiller Protest gegen das Verlassen ihre High-Speed-Terrains. Sie ist eine echte Bereicherung fürs Leben auf der Überholspur.
Bremsen

Die Bremse spricht gut an, verlangt aber nach hoher Handkraft. Die Beläge legen mit zunehmender Betriebstemperatur an Wirkung zu. Nach der vierten Messung aus 100 km/h trat deutliches Fading auf, von dem sich die Bremse aber relativ schnell wieder erholte. Das ABS regelt unauffällig.
Technische Daten

Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 44 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 425 W, Batterie 12 V/ 10 Ah, hydraulisch betätigte Mehr-scheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 43:18.
Bohrung x Hub 81,0 x 65,0 mm
Hubraum 1340 cm³
Verdichtungsverhältnis 12,5:1
Nennleistung 145,0 kW (197 PS) bei 9500/min
Max. Drehmoment 155 Nm bei 7200/min
Fahrwerk
Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-down-Gabel, Ø 43 mm, Lenkungsdämpfer, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zweiarmschwinge mit Oberzügen aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 260 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 6.00 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 190/50 ZR 17
Bereifung im Test Bridgestone BT 015 „M“
Maße+Gewichte
Radstand 1485 mm, Lenkkopfwinkel 66,6 Grad, Nachlauf 93 mm, Federweg v/h 120/140 mm, Sitzhöhe* 810 mm, Gewicht vollgetankt* 268 kg, Zuladung* 181 kg, Tankinhalt 21,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Mobilitätsgarantie zwei Jahre
Serviceintervalle alle 6000 km
Farben Schwarz, Weiß
Preis 14 490 Euro
Nebenkosten zirka 145 Euro
Messwerte
Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit**
295 km/h
Beschleunigung
0-100 km/h 3,0 sek
0-140 km/h 4,4 sek
0-200 km/h 7,3 sek
Durchzug
60-100 km/h 3,9 sek
100-140 km/h 3,2 sek
140-180 km/h 3,4 sek
Tachometerabweichung
effektiv (Anzeige 50/100) 47/94 km/h
Verbrauch
Landstraße 5,7 l/100 km
Theoretische Reichweite 368 km
Kraftstoffart Super
*MOTORRAD-Messungen, **Herstellerangabe