125er-Champs – Nachwuchs testet A1-Bikes
Kräftemessen in der Achtelliter-Klasse

Sieben 125er-Bikes, fünf Jugendliche und zwei altgediente Tester, zwei Tage mit vielen Kilometern und ein neuer 125er-König.

In diesem Artikel:
  • So sucht MOTORRAD den 125er-Champ
  • Fazit

Sauber aufgereiht lehnen die sieben 125er-Bikes auf ihren Seitenständern vor der Motor Presse in Stuttgart. Hinter ihnen warten fünf 125er-Fahrer und -Fahrerinnen auf den Startschuss, wollen endlich mit den Testbikes von Aprilia bis Yamaha losdüsen, die beste 125er, den 125er-Champ 2022 bestimmen.

Die Auswahl der Bikes richtete sich dabei nach den 125er-Zulassungszahlen bis Ende Juni 2022. Die Top Five dieser Liste waren gesetzt, allerdings durfte pro Hersteller nur ein Bike teilnehmen. Dazu kamen noch zwei Wildcard-Bikes, die von den MOTORRAD-Testern ausgewählt wurden und das 125er-Feld ergänzen.

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Die fünf jugendlichen Mitfahrer sind alle zwischen 17 und 18 Jahre alt, pilotieren privat ein 125er-Bike, haben sich nach einem Online-Aufruf direkt für diesen Test beworben und wurden ausgelost. Die Möglichkeit, verschiedene Achtelliter-Modelle hintereinander auszuprobieren, hatten sie alle noch nie. Dabei geht’s bei den 125er-Champs nicht nur ums Vergnügen.

So sucht MOTORRAD den 125er-Champ

Die 125er-Jungtester sowie die beiden ebenfalls mitfahrenden MOTORRAD-Kollegen sind gleichberechtigte Wahlfrauen und -männer, wenn es darum geht, den 125er-Champ des Jahres 2022 zu bestimmen. Haben alle Teilnehmer alle Modelle einmal gefahren, wird’s ernst. Die erste Abstimmung folgt. Bei der entscheidet die Gruppe, welches Modell von den sieben 125er-Bikes als Erstes aus dem Wettbewerb ausscheidet. In jeweils geheimen Wahlen votiert jeder der Tester – egal, ob jugendlich oder mit MOTORRAD-Siegel auf der Brust –, welches Bike pro Runde den Kreis der 125er-Champs verlassen muss. Die Kriterien dafür? Streng situativ. Die jugendlichen Mitfahrer wussten schließlich nicht, welche Modelle bei den 125er-Champs mitfahren, konnten sich nicht vorab informieren. Nur das Fahrerlebnis und die daraus gewonnenen Ergebnisse zählen.

Die besten 125er 2022

Platz 7: Hyosung GV 125 S Aquila

Auf den ersten Blick sammelt die Hyosung GV 125 unter den jugendlichen Testfahrern viele Sympathiepunkte. Den Cruiser aus Südkorea hatten sie einfach nicht auf dem Schirm. Mit seiner langen, flachen Optik, den breiten Reifen und dem einzigen V2-Motor unter allen 125er-Champs-Anwärtern transportiert die Aquila eine gehörige Portion Coolness in die 125er-Klasse. Dass die Koreaner dabei mit mehr als einem Auge beim Layout der GV (steht für "Grand Voyage") in Richtung Amerika, der Heimat aller Cruiser, geschielt haben, hat eine gewisse Logik. Schließlich zitiert die 125er gekonnt etablierte Gestaltungsformen der großhubraumigen Vorbilder. Allein der Tank. Mit seiner Tropfenform sieht er aus, als wäre er noch von der Harley 883 Sportster übrig geblieben. Doch die Koreaner können noch mehr als nur kopieren. Kaum fährt der erste Stromimpuls von der Batterie nach dem Einschalten Richtung Cockpit, bekommt der Hyosung-Treiber ein freundliches "get ready" übers Dashboard zugeworfen. Ohne Zweifel: Das beeindruckt.

Allerdings verspielt die Korea-125er viel von ihrem im Stand gewonnenen Charme wieder, als die ersten Meter unter den Reifen durchrollen. Beispiele? Da gibt es einige. Die Sitzposition ist so eines. Streckt sich der überraschend flach geformte und ziemlich gerade Lenker dem Fahrer noch griffgünstig entgegen, wissen die Füße nicht so recht, wohin sie sollen. Die Rasten liegen für einen Cruiser ziemlich weit hinten. Weil der Hintern in überschaubaren 730 Millimetern thront, ergibt das eine mindestens merkwürdige, auf Dauer ziemlich unbequeme Fahrerposition. Und da reden wir nicht von baumlangen Hyosung-Reitern. Durch die Bank gab’s von allen 125er-Testern einen Daumen nach unten fürs eigentümliche Sitzarrangement.

Hyosung GV 125 S Aquila
Hyosung GV 125 S Aquila
Leichtkraft-Cruiser mit V2
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Und weil noch hoch angebrachte Fußbrems- und Schalthebel dazukommen, die fast yogamäßige Verrenkungen erfordern, um ordentlich im Getriebe herumzurühren oder den hinteren Stopper zur Arbeit zu bewegen, wächst die Minuspunkteliste fröhlich weiter. Die nimmt beim Fahren nicht ab, zumindest, wenn’s ins Kurvige geht. Auf ihren Timsun-Pneus, deren Profil wie eine Kopie der TrailAttack-Reifen von Conti aussieht, widersetzt sich die GV erst dem Wunsch nach Schräglage, bevor sie nur kurze Zeit später fast widerstandslos abklappt. Ein Fahrverhalten, an das man sich erst gewöhnen muss und das in etwa so viel Feedback vom Untergrund liefert wie die aktuell wieder angesagten Buffalo-Plateautreter für hippe Kids. Eine andere Erstbereifung, und die Sache sähe für die Aquila wahrscheinlich schon wieder ganz anders aus.

Wenig ändern lässt sich am Motor. Optisch ein Hingucker, fahrtechnisch ein müder Geselle. Der 60-Grad-V2-Motor läuft geschmeidig, überzeugt mit feinen Umgangsformen, Druck von unten heraus bleibt ein frommer Wunsch. Klar, den liefert keine 125er mit Vehemenz, aber die Hyosung entwickelt ihre paar Pferde mehr wie ein laues Lüftchen als wie ein forscher 125er-Wind. Drehzahlen hoch und ducken – anders ist Tempo 100 kaum drin. Nur ein wenig mehr an motorischer Durchschlagskraft für ein Mitschwimmen im Verkehr ohne ständiges Leben am Begrenzer, das hätte was. Ratzfatz stünde die Aquila in der Gunst aller Tester viel weiter oben. So bleibt’s dabei. Der Cruiser für 4.000 Euro Anschaffungspreis erhält beim ersten Voting fünf von sieben Abwahlstimmen und ist damit aus dem Rennen um die 125er-Champs-Krone.

Platz 6: Brixton Cromwell 125​

Retrolook und Jugend – kann das gutgehen? Klar. Wie die Hyosung zieht die Brixton im Submarine Yellow getauften Lackkleid Blicke so magisch an wie ein Magnet Eisenspäne. Richtig gut passt in dieses Arrangement der einzige luftgekühlte Einzylinder dieses Tests, der mit seinen zahlreichen Kühlrippen den Fahrwind fängt, damit es dem Motor nicht zu heiß wird. Und weil wir schon beim Style sind: Die mit mattem Auspuffband umwickelte Abgasanlage sowie deren schlanker Endtopf machen an. Genau wie der mit großzügigen Sicken für die Knie klassisch geformte Tank samt silberglänzendem Tankdeckel. So transportiert die Brixton viel Yesterday-Feeling ins Jahr 2022. Und das zu einem ziemlich attraktiven Preis. Den Coolness-Faktor auf zwei Rädern gibt es frei Haus. Für schlanke 2.899 Euro tauscht der Brixton-Dealer Bike gehen Kohle. Da bleiben im Vergleich viele Taler übrig für Sprit, Ausrüstung, Touren und mehr.

Trotzdem endete die Testfahrt bei den 125er-Champs für die Cromwell 125 direkt nach der Hyosung. Drei der sieben Testfahrer und -fahrerinnen warfen sie aus dem Rennen. Was gab dafür den Ausschlag? Das Aussehen kann es nicht sein. Neben der Attraktivität, die sie zweifellos ausstrahlt, besitzt sie ein paar technische Nachlässigkeiten, was sie im Vergleich mit den anderen Modellen weit nach hinten durchreicht. Ein greifbares Beispiel dafür ist die Bremse. Der Druckpunkt am nicht einstellbaren Handhebel fällt ultrahart aus. Da muss was gehen, denkt jeder sofort. Pustekuchen. Die Wirkung der vorderen Bremse mit ihrer 276er-Scheibe bleibt mau. Viel Handkraft, wenig Rückmeldung, solche Zutaten tragen nicht zum Stopp-Wohlbefinden bei.

Brixton Crossfire 125 X
Brixton Crossfire 125 (2022)
Neo-Retro 125er aus Österreich
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Ähnlich sieht es beim Motor aus. Der luftgekühlte 125er ist optisch der passende Deckel für den Brixton Cromwell-Topf, seine dynamischen Talente spielen gekonnt Verstecken. Gemessene 10,6 PS huschen per Fünfganggetriebe und Kette Richtung Hinterrad. Genug, um echte 105 km/h zu erreichen. In der Realität heißt das: Dauerfeuer für den Motor, damit die Cromwell 125 im Reigen der anderen Modelle nicht komplett den Anschluss verliert. Ständig dreht sich die Kurbelwelle mit 9.000 und mehr Umdrehungen. Und doch: Steigt die Straße auch nur homöopathisch an, sinkt die Drehzahl trotz Vollgasbefehl langsam und stetig – und damit der Speed. Weil die härteste Währung unter den 125ern aber Höchstgeschwindigkeit heißt, reißt die Brixton unter diesem Aspekt nicht einmal ein Gänseblümchen aus der Wiese. Ihr Motto lautet: Probier’s mal mit Gemütlichkeit. In der City geht das klar, auf kleinsten Landstraßen ebenfalls – bei allen anderen Verkehrsherausforderungen eher weniger.

Nein, die Brixton mag’s lieber bedächtig – und vor allem sonnig. Kommt Regen ins Spiel, läuft der nur schlecht ablesbare Tacho mit seinen wenigen Zusatzinfos ratzfatz von innen an, verhindert ein feuchter Film den Blick auf Drehzahl und Tempo.

Und dass die Brixton bei den Testfahrten noch die Befestigungsschraube des Schalldämpfers verlor, dieser nur an der Verbindungsschelle zum Krümmer hing, spricht nicht unbedingt für sie. Erster Blick, zweiter Blick? Da macht die Cromwell eine gute Figur. Daumen hoch für den gelungenen Style. Nur hilft der in der Praxis eben nicht weiter, da sind sich alle sieben Tester einig. Etwas mehr Motorschmackes, etwas mehr Verarbeitungsqualität – und die Praxistauglichkeit würde den optischen Reizen der Cromwell mehr entsprechen. So liefert die Brixton Cromwell 125 ganz sachlich betrachtet mehr Schein als Sein.

Platz 5: KTM 125 Duke

Der KTM alles andere als die Favoritenrolle fürs Abräumen des Titels 125er-Champ des Jahres 2022 zuzuschreiben, kommt fast einem Frevel gleich. Dieses Bike rockt die 125er-Zulassungszahlen, findet unter den 125er-Fahrern fast eine ähnliche Zustimmung wie die GS von BMW bei den Motorrädern über 125 Kubik.

Mit gelebtem Ready-to-race-Image, einzigartigem, aber modellübergreifendem Design und einem gehörigen Spritzer Unvernunft zielt die 125er-Duke genau ins Herz der 125er-Einsteiger. Ein Beleg dafür sind die jugendlichen Teilnehmer der Testfahrten rund um die 125er-Champs. Drei von fünf bewegen ebenfalls eine 125er-Duke als privates Spaßmobil. Die Duke hat einfach etwas, dem sich die Jugend nur schwer entziehen kann. Neben den zackigen Linien trifft hauptsächlich die Top-Ausstattung einen Nerv. Klasse TFT-Display, zwei ABS-Modi, dazu ein sehr erwachsener Auftritt und viel Platz für Fahrer und Fahrerinnen aller Größen. Mit diesen Zutaten steigt das Pluspunktekonto der KTM sofort mächtig an. Allerdings verbaut ihr das typische Duke-Aussehen den Weg zu einem asketischen, von wenigen Kilos geprägten Einzylinder-Leben. Der Grund? Sie teilt sich ihr grundsätzliches Layout mit der größeren und stärkeren 390er-Duke. Weil die eben wegen mehr Leistung auch mehr Fahrwerksstabilität benötigt, fällt das tragende Korsett der 125er-Duke ziemlich kräftig aus. 158 Kilogramm wiegt die kleine Duke, nur die zweizylindrige Hyosung toppt sie mit 169 vollgetankten Kilogramm noch. Alle anderen Testbikes wiegen viel weniger.

Die Extrapfunde ziehen nicht nur beim Blick auf die Waage die Mundwinkel zart nach unten, bei der Fahrdynamik wirken sie sich nachhaltig aus. Zwar schöpft die Duke mit prüfstandsbestätigten 15 PS die erlaubte Maximalleistung gekonnt aus, so überraschend forsch wie manch andere 125er marschiert das Testexemplar der kleinen KTM nicht nach vorn. Selbst die KTM-geprägte jugendliche Testerfraktion der 125er-Champs zeigt sich ein wenig enttäuscht. Im Ranking der U19-Piloten rückt die KTM so ein gutes Stück weit nach hinten.

KTM 125 Duke Erlkönig
KTM 125 Duke Erlkönig
Nachwuchs-Bestseller wird erwachsener
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Allein am Motor liegt’s aber nicht. Auch die Bremse der 125er-Duke ließ bei diesem Vergleich noch Luft nach oben. Der schon in Ruhestellung dicht am Lenker liegende Bremshebel verunsicherte beim Stopp mit viel Leerweg, sodass sich Zwei-Finger-Bremser oft die Hand quetschten, bevor volle Verzögerung möglich war. Wer die 125er aus Österreich mit aller Macht aus ABS, radial montierter Bybre-Zange und großer 300er-Scheibe vorn verzögern wollte, musste schon den Vier-Finger-Klammergriff anwenden.

Da half es dann auch nur wenig, dass die kleine KTM mit ihrem klasse Fahrwerk aus Upside-down-Gabel und direkt angelenktem Federbein mit progressiver Feder sowie den hochwertigen Road-5-Pneus von Michelin wuselig-locker durch jeden Landstraßenknick wedelt. Das, so viel lässt sich schon verraten, erledigen die Top Four der 125er-Champs 2022 auf ähnlichem Niveau. Trotz der objektiven Klasse und den eigentlich nur kleinen Abstrichen flog der Amor-Pfeil, den das 125er-Beast abfeuerte, dieses Mal ein Stück weit am Herzen der 125er-Champs-Tester vorbei.

So traf es bei der dritten Abstimmung unter der alten hölzernen Brücke, die beim Kloster Beuron über die Donau führt und dem Team einen Unterschlupf vorm heftigen Regen bot, die KTM. Drei von sieben Stimmen fielen auf sie. Damit endete die Dienstfahrt der immerhin 5.350 Euro teuren 125er-Duke beim Kampf um den Titel des 125er-Champs. Allerdings: Sollten die Zulassungszahlen so bleiben, wäre das Austria-Naked wohl auch nächstes Jahr dabei – für einen neuen Anlauf auf den 125er-Champs-Titel.

Platz 4: Suzuki GSX-R 125

Ein 125er-Testfeld ohne Sportler? Ein Ding der Unmöglichkeit. Weshalb die kleine GSX-R von Suzuki als sicher gesetzt in diesen 125er-Vergleich ging. Da sie allerdings erst jenseits der Top Five in der Zulassungsstatistik auftaucht, übernahm sie die Rolle der MOTORRAD-Tester-Wildcard. Und das völlig zu Recht. Mit ihrer blauen Vollverkleidung samt stimmigen Decals scheint sie geradewegs aus dem MotoGP-Startfeld zum Vergleich der 125er-Champs abgebogen zu sein. Fun Fact am Rande: Die kleine GSX-R hält aktuell als einzige (Bonsai-)Sportlerin die Race-Flagge im Deutschland-Programm von Suzuki hoch. Alle ihre Schwestern – von der 600er über die 750er bis hin zur in diesem Jahr nur noch im Abverkauf erhältlichen 1000er-GSX-RR – zählen ab sofort zur sportlichen Vergangenheit ohne Zukunft im Jahr 2023. Davon ist die GSX-R 125 nicht betroffen. Sie erfüllt die Euro-5-Abgasnorm und bleibt damit fester Bestandteil im Suzuki-Programm.

Gleich nach dem Aufsteigen liefert die Suzuki einige Überraschungen. So klein, so zierlich-kompakt kommt kein anderes Bike daher. Alles fühlt sich eine Nummer winziger an als bei den anderen Modellen des Testfelds. Allein die Gabel: Zarte 31 Millimeter im Durchmesser messen die Standrohre. Nur zum Vergleich: Bei aktuellen Mountainbikes sind Vorderradführungen mit 34 bis 36 Millimetern Durchmesser Standard.

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Trotz ihrer überaus schlanken Statur zwängt die Suzuki ihren Piloten aber nicht in eine unbequeme Sitzposition, bietet ganz im Gegenteil überraschend viel Platz hinter ihren auf Höhe der oberen Gabelbrücke angeklemmten Stummellenkern. Tief hinter die im Windkanal geformte Verkleidung geduckt, den Einzylinder immer plus 10.000/min gehalten – und ab geht die GSX-R-Rakete. Flockig-leicht legt ihr Motörchen an Leistung zu, dreht gern und willig hoch. Selbst wenn ihr Leistungsstreben bei gemessenen 14,7 PS knapp unterhalb des Erlaubten abebbt, dank graziler 139 Kilogramm vollgetankt sortiert sich die kleine Suzuki immer im vorderen Feld der 125er-Champs ein, wenn auf unlimitierter Strecke ein Vollgasduell lockt. Die kann was.

Fahrdynamische Talente zeigt die Suzuki im Kurvendschungel. Mit einem 90er-Reifen vorn und einem 130er-Pneu hinten klappt die GSX-R federleicht in Schräglage, wischt am engsten und richtig präzise an jedem Scheitelpunkt vorbei – bei verlässlich stabilem Fahrwerks-Feedback. Merke: Dünne Standrohre ergeben nicht automatisch ein maues Fahrverhalten. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Die Suzuki: ein Fahrspaß-Freudenspender. Allerdings eher in der Ebene oder bergauf, wenn die Last auf den Handgelenken nicht in Anstrengung umschlägt, die Blickführung problemlos gelingt. Hangabwärts sieht’s anders aus, wandelt sich Leichtigkeit in konzentriert-forderndes Abwinkeln. Was auffällt, weil alle anderen Vergleichs-Bikes breite Lenkerstangen über ihren oberen Gabelbrücken tragen. Das stärkt die Übersicht, der bessere Hebelarm spendet einen Schuss Lässigkeit beim Herumtoben über kurvige Landstraßen.

Kleine Abstriche, die aber bei der Wahl ums Podium der 125er-Champs den Ausschlag gaben. So entschieden sich fünf der sieben Testfahrer dafür, dass die Reise für die für 4.650 Euro eingepreiste Suzuki mit Platz vier nun zu Ende ist. Letztlich ist das kein schlechtes Resümee für ein Bike, das vorher wirklich niemand auf dem Zettel hatte. Die 125er-GSX-R von Suzuki: ein klasse Vertreter der Sportbikes in der Achtelliterklasse.

Platz 3: Aprilia SX 125

Supermotos sind für die Jugend so etwas wie der motorisierte "Bravo"-Starschnitt für alle, die vor der Jahrtausendwende schon volljährig waren. Nicht erst seit den erfolgreichen Influencer-Auftritten von Blackout, den Grenzgängern und ähnlichen. Unvernunft, Spaß, Adrenalin und pure Liebe zum Motorrad – wohl kaum eine Zweiradgattung verkörpert das so sehr wie Supermotos. Und bevor die Älteren den Zeigefinger heben, Wheelies und Co. ins Reich der Verdammten wünschen: Auch wir Alten zählten vor vielen Monden einmal zu den Jungen und machten nicht zwingend genau das, was uns damals die Ü40-Generation riet. Also bitte: Augen zudrücken, besser noch beide Daumen nach oben drehen und sich darüber freuen, dass der zweirädrige Nachwuchs das Thema Motorrad so derbe feiert.

Am ausgeprägtesten eben mit einer Supermoto, weshalb die Aprilia SX 125 als zweites Wildcard-Bike bei den 125er-Champs mitmischen darf. Und die ist heiß begehrt. Fast immer tummeln sich die fünf jugendlichen Gasttester um die hochbeinige Sumo aus Noale herum, rücken den Schlüssel nur ungern heraus.

Dabei bringt die SX 125 unter nüchternen Aspekten wenig Aufregendes mit. Ihr Cockpit glänzt mit Minimalismus, ihr Bosch-ABS regelt nur vorn, der Seitenständer klappt Suicide-like bei jeder Entlastung ein, der linke Griffgummi verdreht sich auf dem Lenker. Da ginge mehr, selbst unter Berücksichtigung des mit 4.099 Euro noch günstigen Einstiegs in die Supermotowelt.

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Die Aprilia besitzt noch eine andere Seite. Ein Wirkungstreffer in der Gunst der U19-Fraktion ist schlicht ihre Größe. Dass hier eine 125er parkt, erkennt nur ein Fachmann mit geschärftem Blick sofort. Und diese Größe liefert weitere Vorteile. Mehr Platz als die Aprilia liefert kein anderes 125er-Testbike. Gerade groß gewachsene 125er-Kids kommt das sehr entgegen. Kürzere kämpfen dagegen mitunter schon mit den Füßen um sicheren Bodenkontakt im Stand. Anders, eben genau wie bei einer Supermoto fällt das Fahrerlebnis mit der SX 125 aus.

Keine liegt im Windschatten von Lkw oder bei Topspeed so unruhig, verlangt beim Metermachen einen konzentrierten Fahrstil, ohne jemals in unbeherrschbare Nervosität abzudriften. Keine andere fährt sich so unbeschwert-lässig, wenn Kurven vor dem Visier auftauchen. Ein Hauch von Impuls am Lenker genügt, und die Aprilia schwenkt schneller in Schräglage, als Lucky Luke seinen Revolver zieht. Ein echtes Wow-Erlebnis. Enge Bögen, weite Radien, überall fetzt die Aprilia famos durch, schiebt den Spaßfaktor nach jedem Scheitelpunkt eine Etage nach oben. Wäre die Welt eine Kurve, die Aprilia müsste keine Gegner fürchten.

Allerdings gibt’s eben nicht nur Schräglagen-Gaudis, sondern mal öde Verbindungsetappen. Da fällt dann auf, dass die Sitzbank eher mit Feedback als mit Komfort überzeugt. Und die Sache mit der Bremse hatten wir schon. Mehr Sicherheit böte ein einstellbares ABS, bei dem sich optional der hintere Stopper aus dem ABS-Regelkreis nehmen lässt. KTM zeigt bei der 125er-Duke, wie es geht.

So hell die Aprilia das Supermoto-Feuer zum Strahlen brachte, beim Ausscheidungs-Voting hin ins finale Duell für den 125er-Champ 2022 leuchtet für sie die rote Ampel auf. Drei von sieben Stimmen wählen sie aus dem Contest. Macht nichts, Aprilia SX, denn in der Erinnerung zauberst du allen allein beim Gedanken an die Kurven weiterhin ein fettes Grinsen ins Gesicht. Der dritte Platz ist der Lohn dafür und bedeutet immerhin Podest.

Platz 1 und 2: Honda CB 125 R und Yamaha MT-125

Sieben 125er traten an, um den 125er-Champ 2022 zu küren, zwei haben es bis ins Finale geschafft: Hondas CB 125 R und Yamahas MT-125. Im Finale werden die Karten nochmals komplett neu gemischt. Nach unzähligen Landstraßenkilometern wartet auf die Final-Bikes und alle Teilnehmer nun ein großer, abgesteckter Parcours. Nachdem Top-Tester Karsten die jugendlichen Teilnehmer ein paar Runden lang als Guide durch den sehr selektiven Kurs mit einigen wirklich engen Ecken geführt hat, die selbst die 125er nur im ersten Gang packen, darf nun jeder Teilnehmer noch einmal zwei Solo-Runden auf jedem Final-Bike um den Kurs drehen.

Zwei Runden, um der Honda und der Yamaha erneut gehörig auf den Zahn zu fühlen, Unterschiede zu spüren, den persönlichen Favoriten zu definieren. Den Weg in die letzte Ausscheidungsrunde beschreiten sowohl die Honda als auch die Yamaha mit ziemlich ähnlichen Zutaten. Als Naked Bikes bieten sie ihren Fahrern und Fahrerinnen viel Spielübersicht, locken mit leichter Beherrschbarkeit. Beim Design gehen sie allerdings etwas unterschiedliche Wege. Die Honda orientiert sich dabei am Neo-Klassik-Look ihrer großen Schwestern bis hin zur CB 1000 R, setzt mit vielen Schwarz- und Grautönen sowie abgesetzten silbernen Flächen eher auf Understatement, kommt gediegen-hochwertig rüber. Ganz anders gibt sich die Yamaha. Sie kupfert ihr Aussehen bei den großen Schwestern bis hin zur MT-10 ab. Heißt: futuristischere Linienführung, eher tiefer Sitz und hoher Lenker und eine LED-Lampenmaske, die problemlos als Lichtspender in jedem Science-Fiction-Film durchginge.

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Das bedeutet aber nicht, dass die Honda bei modernen Motorradzutaten sparen würde. Ganz im Gegenteil. Ihre Schwinge mit Oberzug, die Upside-down-Gabel mit güldenen Standrohren und ein heller LED-Rundscheinwerfer sowie das gut ablesbare LC-Display gefallen auf Anhieb. Bei den weiteren Funktionsparts spart sich die Honda ebenfalls den Rotstift. Auf den schicken Alufelgen sind Dunlops GPR 300 aufgezogen, die satten Grip bieten und viel Vertrauen vermitteln – genau wie das Zwei-Kanal-ABS, das beim Stopp am Limit beide Reifen überwacht.

Mit ähnlichen Features dient die Yamaha. Bei ihr kümmert sich ebenfalls eine stabile Upside-down-Gabel um die Vorderradführung, während eine Anti-Hopping-Kupplung Hinterradstempeln beim Runterschalten verhindert. Und sie informiert ihren Piloten per umfangreichen LCD-Cockpit über Speed, Drehzahl und mehr. Als Schmankerl haben die Yamaha-Ingenieure dem kleinen Einzylinder auf der Einlass-Seite sogar eine variable Ventilsteuerung eingepflanzt, was man sonst nur von Bikes der Upperclass kennt. Die soll das Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen stärken und gleichzeitig die Spitzenpower erhöhen.

Das gelingt der MT-125 wirklich. Motorisch liegt sie im Spitzenfeld bei diesem Vergleich, hat immer noch einen Pfeil im Köcher, wenn noch ein wenig mehr an Leistung gefragt ist. 116 km/h verspricht Yamaha für die MT-125, Tempo 115 packte sie beim Messprozedere. Damit ist sie der Highspeed-Primus und schnell genug, um auch mal an einem Laster vorbeizuziehen.

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Die Sache hat allerdings einen Haken, und der heißt Honda. In der werkelt aktuell auch ein sehr moderner Einzylindermotor mit vier Ventilen und zwei obenliegenden Nockenwellen. Selbst wenn die CB 125 R auf eine variable Ventilsteuerung verzichtet, sind die Unterschiede bei den Fahrleistungen zwischen den beiden Bikes – mit leichten Vorteilen für die Yamaha – fast vernachlässigbar. Das gilt auch für die Höchstgeschwindigkeit: Wie die MT-125 kommt die Honda auf 115 km/h. Allerdings: Der Honda-Motor schickt ab mittleren Drehzahlen Vibrationen Richtung Fahrer. Darauf verzichtet die Yamaha. Dafür fällt das Platzangebot auf ihr weniger üppig aus, verhindert die harte Kante am Übergang zum Soziusplatz, dass man bei Bedarf weiter nach hinten rutschen kann. Auf der Honda funktioniert das besser, wobei sie sich insgesamt mit dem weiteren Abstand zwischen Sitzbank und Lenker großzügiger unter dem Aspekt Fahrerintegration gibt, mehr Raum fürs persönliche Sitzwohlbefinden bietet.

Unterschiedlich treten die beiden Finalbikes auch beim Abwinkeln auf dem eigens für sie abgesteckten Parcours auf. Wieselflink taucht die MT-125 in Schräglage ab, liegt gut in jedem Kurven- und Kehrenradius auf ihren Michelin Pilot Street. Allerdings: Das ganz große Feedback fehlt, bezüglich Rückmeldung sticht die Honda sie aus. Die schlägt die Haken um die Pylonen zwar einen Hauch weniger euphorisch als die Yamaha, zieht dafür mit einer Stabilität um den Kurs, die sofort viel Vertrauen ins Motorrad und eigene Fahrkönnen vermittelt. Da stört es dann nicht, dass ihr Einzylinder mitunter – und das dann deutlich ausgeprägter als die Yamaha – beim Gasanlegen ruckt. Der Flow um die Pylonen bleibt trotzdem erhalten.

Fazit

So schwenkt das Pendel vor der finalen Abstimmung aus der neutralen Position immer mehr in Richtung der Honda. Die letzten Wahlzettel werden eingesammelt – mit einem klaren Ergebnis: 125er-Champ des Jahres 2022 ist die CB 125 R mit sieben von sieben möglichen Stimmen. Eindeutiger geht’s nicht. Glückwunsch!

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023