Bereits der Urahn aller BMW, die R 32, war schon forsch unterwegs, mit Zweizylinder-Boxermotor und Kardanantrieb. Gene, die sich bis heute weitervererbt haben.
Bereits der Urahn aller BMW, die R 32, war schon forsch unterwegs, mit Zweizylinder-Boxermotor und Kardanantrieb. Gene, die sich bis heute weitervererbt haben.
Es ist ein heißer Sommertag, man schreibt das Jahr 1924, als Aloisius Huber mit seiner nagelneuen BMW R 32 durchs idyllische Oberbayern tourt. In der Mittagshitze macht er es sich auf einer Bank im Schatten einer Linde gemütlich und betrachtet mit Wohlgefallen und voller Besitzerstolz die klaren Linien des
noblen Krads. Sofort nach seiner Vorstellung auf dem Pariser Salon im Herbst 1923 hat der Zweizylinder, das Erstlingswerk der Bayerischen Motoren Werke, ihn in seinen Bann gezogen. Doch die in Deutschland grassierende Hyperinflation macht den Boxer selbst für den gut verdienenden Ingenieur zu einem Traum. Kostete doch Ende 1923, zum Höhe-
punkt der beispiellosen Geldentwertung, ein US-Dollar vier Billionen Mark, die R 32 Tausende von Billionen, der Real-
lohn sank auf zirka 40 Prozent des Vorkriegsniveaus von 1914. Ersparnisse von Generationen schmolzen dahin. Erst die
Einführung der Rentenmark im November 1923 beendete den Spuk.
Dennoch bleibt die in Handarbeit hergestellte BMW ein wahres Luxusgut. 2200 Reichsmark nach heutigem Stand in etwa 25000 Euro verlangen die Münchner für den Zweizylinder, Licht, Klaxon (Hupe), Soziussitz und Tachometer kosten extra. Aber das Schicksal meint es gut mit Aloisius. Sein amerikanischer Erbonkel hinterlässt ihm eine ansehnliche Barschaft: Aloisius kann sich seinen Traum erfüllen und unternimmt ausgiebige Touren. Wie an besagtem, heißem Frühsommertag.
Plötzlich glaubt er in der flirrenden Luft ein seltsames Wesen zu entdecken, das zügig auf ihn zuhält. Und tatsächlich, es muss von einem anderen Planeten stammen. Er erinnert sich der weißen Schüsseln, die er während der Fahrt vermeinte, am Horizont entdeckt zu haben, bevor er sie als Halluzination abtat. Das Wesen hat einen eigenartigen bunten Kopf und eine skurrile Hülle mit lustigen Höckern an Ellbogen, Knien und Rücken. Sein Mobil erweckt Assoziationen an
etwas weit Entferntes. Und plötzlich dämmert es Aloisius: Es hat zwei Räder,
direkt hintereinander, und in der Mitte ein Aggregat, das irgendwie an einen Motor erinnert, nur das Geräusch, das es verbreitet, klingt nicht satt und charakteristisch wie das seiner R 32, sondern eher verhalten, blechern. Es muss sich also um ein Krad handeln.
Direkt vor ihm hält die wunderliche Erscheinung und Aloisius den Atem an. Er will seinen Augen nicht trauen, als es den Kopf abnimmt. Zum Vorschein kommt
etwas, das einem menschlichen Wesen gar nicht unähnlich sieht und sich auch entsprechend artikuliert. »Hallo«, sagt es. Was das zu bedeuten hat, kann Aloisius nur vage erahnen, doch artig erwidert
er: »Gott zum Gruße.« »Tolles Retrobike. Wieder ist ihm die Bedeutung der Worte nicht ganz klar, trotzdem nickt er freundlich. »Was fürn Baujahr?« fragt der Fremde und Aloisius erwidert: »1923.« »Hey, ist ja cool, meine ist 80 Jahre jünger.« Aloisius begreift, dass der Fremde nicht aus diesem Jahrzehnt, Jahrhundert und auch nicht Jahrtausend stammen kann.
In einer Mischung aus Erregung und Unsicherheit gelingt es ihm, seine Aufmerksamkeit vom Fremden abzuwenden und dem zweirädrigen Objekt zu widmen, auf dem ein weiß-blaues Emblem, das auch an seiner BMW prangt, seinen Blick magisch anzieht. Ist es möglich, dass
dieses Kraftrad von dieser Welt stammt? Gar ein Nachfahre seines eigenen ist?
Er nimmt seinen Mut zusammen und erkundigt sich neugierig nach dem Motor des futuristischen Vehikels. »Zweizylinder-Boxer mit 1137 cm3 und vier Ventilen pro Zylinder«, doziert der Fremdling. Und die Leistung? »85 PS, geht satte 200 km/h pro Stunde.« Aloisius kann ein »heiliges Kanonenrohr« nicht unterdrücken, sind das doch genau zehn Mal so viel Pferde wie die 8,5, die seine R 32 zu bieten
hat. Unvorstellbar, so ein Teufelswerk zu beherrschen. Jetzt wird ihm auch schlagartig klar, warum der Fremdling eine Aeronauten-Haube und solch ein ungewöhnliches Gewand trägt. Ohne Schutz zerreißt es einem bei dieser Geschwindigkeit wohl die Lungen. Bringt es seine
R 32 doch schon auf 90 km/h, wenn es die Straßenverhältnisse denn zulassen.
»Und das Fahrgestell?« entfährt es ihm. »Telelever mit Bremsnickausgleich vorn, Einarmschwinge mit Paralever hinten«, zitiert sein Gegenüber. Der muss seinen fragenden Blick bemerkt haben, geht ins Detail. »Beim Bremsen taucht
die Front nicht ein, außerdem spricht die Federung sensibel an, und das Heck stellt sich beim Beschleunigen nicht auf.« »Das kann meine Vorderradfederung mit Viertelelliptik-Federn auch, sie arbeitet dazu mit progressiver Kennlinie«, wagt Aloisius leise einzuwenden, »und das Heck bleibt bei meinem Krad sowieso
immer auf demselben Niveau, da verzichte ich gern auf eine Federung.« Der Fremde nimmt die Herausforderung an, setzt noch einen drauf. »Meine hat Antiblockiersystem und Bremskraftverstärker, gut für Verzögerungswerte von einem g.« Die Räder hätten bei ihm noch nie blockiert, erklärt Aloisius. Die unglaublich breiten Reifen interessieren ihn brennend. »Was hat er da für eine füllige Pneumatic?«
»Radialreifen mit Null-Grad-Stahlgürtel.« »Haften die auch beim Überfahren von Pferdeäpfeln, und wie resistent sind die gegen Hufnägel?« möchte Aloisius wissen. Reifenpannen gehören in den Zwanzigern zur Tagesordnung. »Pferdeäpfel? Hufnägel? Keine Ahnung, Gäule gehören in die Prärie.« Bei seinem Gegenüber macht sich zunehmend Unverständnis breit. Sie scheinen von verschiedenen Sphären zu sprechen, und obwohl er erneut eine abfällige Erwiderung riskiert, stellt Aloisius noch eine letzte Frage. »Wieso benötigt er die beiden Panoramaspiegel, ist der Kradler so eitel?« »Rückspiegel Mann, Rückspiegel, damit du siehst, was hinter dir im Verkehr
abgeht.« Diesmal denkt sich Aloisius nur seinen Teil und schweigt. So ein Unfug. Mit einem so rasanten Krad muss man sich nicht darum kümmern, was hinter
einem passiert. Überholt wird vorn.
Plötzlich wird Aloisius jäh aus seinen Träumen gerissen, wacht schweißgebadet auf. Sieht sie tatsächlich so aus, die Zukunft, oder haben ihm wilde Fantasien im Schlaf einen Schabernack gespielt?
In der Ferne vermeint er noch ein leises
blechernes Geräusch zu vernehmen, das langsam abklingt. Und ihn daran erin-
nert, dass er dringend los muss, Benzin kaufen. Die Apotheke im nächsten Dorf, bei der es den Sprit gibt, schließt bald.
80 Jahre BMW-Motorräder bedeuten 80 Jahre Boxer-Motor. Die Bayern würdigen dieses Jubiläum mit einer limitierten Sonderserie.
BMW feiert sich und seine Motorräder mit einem Sondermodell namens R 1150 R Rockster Edition 80, die Serie wurde auf weltweit 2003 Stück limitiert. Eine Plakette mit eingravierter Produktionsnummer und ein Zertifikat für den stolzen Eigentümer unterstreichen die Exklusivität. »Die Legende von morgen«, umschreibt BMW dieses in Schwarzmetallic und mattem Weiß lackierte Naked Bike ziemlich unbescheiden. Ob die Rockster tatsächlich über den unnachahmlichen Charme einer BMW R 32 verfügt? Darüber mag die Nachwelt in 80 Jahren befinden. In der Gegenwart freut einen auf jeden Fall die vollwertige Ausstattung der Edition 80: Heizgriffe und ein Teilintegral-ABS gibt es nämlich serienmäßig dazu. Dementsprechend hoch fällt der Preis aus: 12000 Euro plus Nebenkosten.