Wenn sich 22 Motorräder und zwölf Tester aus fünf Ländern auf dem 2715 Meter hohen Col de la Bonette treffen, kann es nur um eine Frage gehen: Wer wird der neue Spitzenreiter beim MOTORRAD-Alpen-Masters?
Wenn sich 22 Motorräder und zwölf Tester aus fünf Ländern auf dem 2715 Meter hohen Col de la Bonette treffen, kann es nur um eine Frage gehen: Wer wird der neue Spitzenreiter beim MOTORRAD-Alpen-Masters?
Da ist zwar nicht viel Leistung, aber trotzdem Feuer drin: Mit völlig unterschiedlichen Konzepten treten die Bikes der 48-PS-Klasse an. Der Duft von Freiheit und Abenteuer umweht Yamahas klassische Enduro XT 660 R, die rassige Kawasaki Ninja 300 gibt die Rennsemmel, die nackte KTM 390 Duke setzt auf beschwingte Leichtigkeit, und die Honda CB 500 X fällt in die Kategorie der trendigen Crossover-Maschinen.
In einem Punkt herrscht aber Einigkeit: Sowohl die Singles von KTM und Yamaha als auch die Zweizylinder von Honda und Kawasaki warten mit einer sehr kurzen Übersetzung auf. Gut so, denn andernfalls drohte den nicht gerade bärenstarken Motoren in den Alpen der Hungertod am Berg.
Zumal noch nicht mal alle Kandidatinnen jene 48 PS mitbringen, die der neue Führerschein A2 erlaubt. Weil die KTM 390 Duke das geforderte Leistungsgewicht nicht schaffte, musste KTM sie drosseln. 46 PS kamen auf unserem Prüfstand aber immerhin noch heraus, und die fühlen sich spritzig und witzig an, solange man die Duke vorwiegend durch Täler und über nicht allzu schroffe Berge treibt. Dann wieselt die KTM 390 Duke emsig und agil um Kurven und Kehren und schafft volle 20 Punkte für ihr superbes Handling. In 2000 Metern Höhe – wie auf dem Weg zum Col de la Bonette – geht der KTM jedoch die Puste aus.
Von einer Radfahrerin lässt sich die KTM 390 Duke zwar nicht abhängen, braucht aber über 20 lange Sekunden, um von 50 auf 100 km/h zu kommen. Mit Sozius schlägt sie sich im Durchzug erstaunlich wacker, doch die allzu schmale Rückbank mit den hohen Fußrasten kann man erwachsenen Menschen eigentlich kaum zumuten; schon der Fahrer, knapp über 1,75 Meter groß, hat seine liebe Mühe, sich auf der KTM 390 Duke Duke zu verstauen.
Welliger Asphalt, auf Alpenstraßen an der Tagesordnung, ist ebenfalls nicht ihre Sache; angesichts von Bocksprüngen und durchschlagenden Federelementen fühlt man sich in ihrem Sattel wie der Wodka-Martini von James Bond, nämlich kräftig durchgeschüttelt.
Die lange Anreise in die Alpen gerät wegen des geringen Komforts eher anstrengend, zudem gibt es kaum Möglichkeiten zur Gepäckunterbringung; KTM selbst bietet nur eine Hecktasche an. Wenn die KTM 390 Duke auch aus der Alpenrepublik Österreich kommt, liegt ihr bevorzugtes Terrain doch in der Stadt und im Hügelland, zum feurigen Gipfelsturm taugt sie kaum.
Ebenso wenig wie die Kawasaki Ninja 300. Zwar macht die kleine Grüne optisch viel her, doch dem Racing-Outfit zum Trotz entpuppt sich ihr Motor mit gemessenen 39 PS als schwachbrüstig. Auf steilen Pässen plagt sie ihren Fahrer, denn sie will stets bei Laune, sprich bei Drehzahl gehalten werden. 9000/min sollten mindestens auf der Uhr stehen, und das artet gelegentlich in eine unschöne Schalt- und Drehorgie aus. Zudem braucht die Kawaski Ninja 300 in hochalpinen Gefilden beim Beschleunigen von 50 auf 100 km/h sogar noch länger als die KTM, nämlich 26,5 Sekunden.
Gut ausgebaute, nicht allzu steile Pässe wie der Col de Larche machen dafür durchaus Spaß, denn dort kann man die Kawasaki Ninja 300 harmonisch schwingen und laufen lassen. Nur allzu holprig sollte es bitteschön nicht zugehen, denn ihre Federungsreserven sind schnell am Ende. Ganz so bockig wie die KTM benimmt sie sich auf welligem Asphalt zwar nicht, aber die Bandscheiben des Fahrers sollten in einwandfreiem Zustand sein. Ein Sozius kommt deutlich bequemer unter als auf der KTM, allerdings gerät der 300er-Motor dann noch stärker unter Druck.
Dank guter Gepäckhaken ist sie selbst für die Anreise in die Alpen gerüstet, doch ehrlich gesagt: Wer sich mit der Kawasaki Ninja 300 ins Kurvengetümmel stürzen will, sollte lieber ein nahes Mittelgebirge ansteuern, denn im Vergnügungspark der Hochalpen wirkt sie überfordert. Sie landet im Testfeld auf dem dritten Platz, nur drei Punkte vor der KTM.
Den Gruppensieg machen also die Honda CB 500 X und die Yamaha XT 660 R unter sich aus, und da sieht es anfangs nach einem knappen Rennen aus. Allein das Kürzel XT bewirkt, dass vor dem inneren Auge endlose Dünenlandschaften und Wüstenoasen erstehen. Aber halt, wir sind nicht in Afrika, sondern in den Seealpen, und die XT muss ihre Qualitäten als Bergziege beweisen.
Das Afrika-Flair verfängt zunächst auch hier, denn der lebendig pochende Eintopf reagiert spontan und kräftig auf jeden Dreh am Gasgriff und schafft in 2000 Metern Höhe die besten Beschleunigungs- und Durchzugswerte der Gruppe. Die langen Federwege der Yamaha XT 660 R stecken Holperstrecken bestens weg, bringen aber viel Bewegung in die Fuhre, was sich negativ auf die Lenkpräzision und die Stabilität in Kurven auswirkt; wegen des großen 21-Zoll-Vorderrads mangelt es im Pässe-Reigen am letzten Quäntchen Handlichkeit.
Als Einzige im Testfeld verzichtet die Yamaha XT 660 R zudem auf ABS. Die Bremsen wirken stumpf, bei der Vollbremsung muss man kräftig ziehen, was die Dosierung erschwert. Weil die Verzögerung dennoch ganz ordentlich gelingt, ist das fehlende ABS eigentlich kein K.o.-Kriterium, kostet die XT aber viele Punkte; die Honda zieht ihr uneinholbar davon. Dennoch ist die hochbeinige Enduro gerade für größere Fahrer eine Überlegung wert, zumal auch der Sozius recht bequem sitzt und es im Zubehörhandel vielfältige Reiseaccessoires gibt.
Die alleinige Siegerin aber heißt Honda CB 500 X. Nur schlechten Belag meistert die XT besser, ansonsten liegt die Honda in jeder Hinsicht vorn. Sie hat immer ordentlich Leistung parat, schaltet weicher und kuppelt geschmeidiger, liegt stabil in der Kurve, bleibt präzise auf Linie und gibt viel Rückmeldung. Der Motor läuft kultiviert, das ABS regelt gut, und dank überaus mäßigen Verbrauchs schafft die Honda CB 500 X fast 500 Kilometer ohne Tankstopp.
Fahrer und Beifahrer sitzen auf der Honda CB 500 X noch komfortabler als auf der XT und sind deutlich besser vor Wind und Wetter geschützt. Im Zubehörprogramm gibt es passende Koffer, durchdacht angebrachte Gepäckhaken sorgen für weiteren Stauraum, weshalb sich auch die Anreise komfortabel bewältigen lässt.
Mit fast 50 Punkten Vorsprung löst die Honda CB 500 X die begehrte Eintrittskarte ins große Finale.
Honda CB 500 X | Kawasaki Ninja 300 | KTM 390 Duke | Yamaha XT 660 R | |
Motor | Zweizylinder | Zweizylinder | Einzylinder | Einzylinder |
Hubraum | 471 cm³ | 296 cm³ | 373 cm³ | 660 cm³ |
Leistung | 48 PS | 39 PS | 44 PS | 48 PS |
Drehmoment | 43 Nm | 27 Nm | 35 Nm | 58Nm |
Gewicht | 196 kg | 177 kg | 152 kg | 189 kg |
Zuladung | 178 kg | 177 kg | 183 kg | 178 kg |
Preis | 5990 Euro | 5595 Euro | 4995 Euro | 6995 Euro |
Preis Testmotorrad | 5990 Euro | 5595 Euro | 4995 Euro | 6995 Euro |
Testverbrauch Pässe | 3,6 l/100 km | 3,5 l/100 km | 3,7 l/100 km | 4,2 l/ 100 km |
theoretische Reichweite Pässe | 481 km | 313 km | 301 km | 359 km |
Durchzug in 2000 m über NN, 50-100 km/h | 12,4 sek | 26,5 sek | 20,2 sek | 11,1 sek |
Durchzug bergauf mit Sozius 2. Gang, 25-75 km/h | 7,7 sek | 10,0 sek | 7,0 sek | 5,9 sek |
Bremsweg bergab mit Sozius 75-25 km/h | 24,4 m | 26,3 m | 27,0 m | 28,5 m |
Plus
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handlicher geht’s nimmer: leicht, klein, wendig
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