Sie könnte, wenn sie wollte. Nein, andersherum: Sie wollte schon, wenn sie doch nur könnte. Verwirrend? Klingt zu negativ? Alles wird sich aufklären. Die eben erwähnten Gedanken am Ende eines Testtages sind nämlich alles andere als negativ zu verstehen. Vielmehr verblüfft die unschuldig-weiße Einsteiger-Honda mit dezent sportlichen Talenten, die man hier gar nicht vermutet hätte. Was könnte man auf kurvigen Landstraßen alles anstellen, wenn der Motor mehr Leistung hätte? Erinnerungen an die alte Suzuki SV 650 kommen hoch. Wie viel Spaß dieses kleine Motorrad mit seinen 70 PS damals auf Anhieb machte und manch leistungsverwöhnten alten Hasen gleichermaßen verblüffte wie entlarvte: Man muss sich nicht immer jenseits der 150 PS bewegen, um Spaß zu haben. Und am Ende des Tages gilt dies auch für die NC 700 S, selbst wenn man sich vorstellt, wie viel mehr Spaß diese mit 20 PS mehr an Bord machen könnte. Genug davon, schließlich hat es seinen guten Grund, dass Honda den neu entwickelten Twin mit seinen stattlichen 670 cm³ auf „nur“ 48 PS abgestimmt hat: Die kommende Führerscheinregelung (ab 2013) gesteht Fahranfängern nämlich exakt diese Leistung zu. So gesehen hat Honda bereits jetzt ein ganz heißes Eisen für sparwillige Einsteiger, Fahrschulen oder schlicht all jene im Feuer, die einfach ein gutes und günstiges Alltags-Allroundbike suchen.
Um es noch einmal klar zu sagen: Nicht dass die Neue mit ihren 48 PS gnadenlos untermotorisiert wäre. Der Zweizylinder vertritt lediglich eine ganz eigene Philosophie, die nicht auf Höchstleistung und faszinierendem Leistungskick basiert, sondern auf eine harmonische, gleichmäßige Leistungsentfaltung abzielt. Kunststück - die 48 PS schüttelt der Motor mal eben bei 6250/min locker aus dem Ärmel, kann sich voll auf eine füllige Drehmomentkurve konzentrieren und verwöhnt so mit einer stressfreien Charakteristik. Passend zum Anspruch an ein Einsteiger-Bike- eben. Ab 2000 Touren darf man getrost den Hahn aufziehen und erntet sanft einsetzenden, deutlich spürbaren, wenn auch nicht brachialen Vortrieb. Den richtigen Kick gibt es, wie erwähnt, nirgends, auch ausgeprägte Drehfreude gehört nicht zu den Stärken des Twins. Bei 6750/min regelt der Begrenzer ab - was bei knappen Überholmanövern schon mal unerwartet früh und zum unpassenden Zeitpunkt zum Schalten zwingt und wertvolle Zeit kostet. Letzteres liegt nicht am Getriebe - Hochschalten gelingt zackig und präzise mit kurzen Schaltwegen. Runterschalten hingegen erfordert schon etwas Nachdruck, hart und knochig wirkt die Sechsgang-Box dann auf einmal, vor allem in den unteren Stufen. Leichtgängig und sauber dosierbar präsentiert sich die Kupplung, Neulinge werden hier keinerlei Schwierigkeiten haben, es sei denn, sie hätten allzu kurze Finger - weder Kupplungs- noch Bremshebel sind einstellbar. Ein klarer Rotstift-Verstoß, Controller mussten hier wohl den Sparzwang umsetzen, um den enorm günstigen Preis zu ermöglichen.
Erfreulicherweise ist der Spartrieb auch auf den Motor übergesprungen: Dank geschickter Abstimmung und diverser konstruktiver Kniffe begnügt sich der Zweizylinder mit außergewöhnlich wenig Sprit (3,5 Liter/100 km), und die NC 700 S kämpft so mit um die Krone der sparsamsten Motorräder überhaupt. Das gilt übrigens wegen der baukastenbedingt identischen Einheit aus Motor, Rahmen und Rädern auch für das Crossover-Schwestermodell NC 700 X und den Roller Integra. Wen jetzt angesichts von so viel Vernunft und Ausgewogenheit Zweifel am letzten Rest von Faszination befallen, dem sei zumindest der gute Vorsatz von Honda vor Augen geführt: Der 670-cm³-Motor ist weder stampfender und schüttelnder Gleichläufer (auf Laufkultur und Vibrationsfreiheit wurde Wert gelegt), noch Gegenläufer, sondern soll dank seiner Kurbelwelle mit 90 Grad Hubzapfenversatz nebst 270 Grad Zündversatz die Charakteristik eines V2-Motors- zeigen. Zugegeben, der stark gedämpfte Sound des Twins kann sich durchaus hören lassen, vom kernigen V2-Ballern beispielsweise einer Ducati ist er jedoch ein gutes Stück entfernt. Dafür bietet er weitere, vernunftgeprägte Vorteile, wie zum Beispiel seine stark (um exakt 62 Grad) nach vorn geneigte Einbaulage. Diese sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt und hilft, ebenso wie der im Rahmendreieck unter der Sitzbank eingebettete Tank, bei der Zentralisierung der Massen, welche sich positiv aufs Handling und das neutrale Fahrverhalten auswirkt. Hier treten dann auch allmählich die Unterschiede zur Crossover-Variante zutage, die zwar mehr Fahrkomfort bietet, doch bei flotter Fahrweise auch mehr „arbeitet“. Neben der Gestaltung der Seitenflanken, der Frontmaske sowie der Lenkerform und -position sind es vor allem die Federelemente, die den Unterschied ausmachen.

Die S-Version bietet mit 120/120 mm (vorne/hinten) weniger Federweg (NC 700 X: 154/150 mm), weniger Bodenfreiheit und die niedrigere Sitzposition. Schon beim Erklimmen der Nackten fällt die mit gemessenen 800 um 25 Millimeter geringere Sitzhöhe auf, der entspannte Kniewinkel bleibt, der schmalere, optimal gekröpfte Lenker liegt angenehm in der Hand - die Ergonomie könnte kaum besser -ausfallen. Sie trägt zum spontanen Wohl-befinden ebenso bei wie das bereits nach wenigen Kurven vertraute, tadellose Einlenkverhalten und die glänzende Neutralität. Auch Aufstellen in Schräglage ist der Neuen praktisch gänzlich fremd, und sie taucht bei harten Bremsmanövern nicht dramatisch tief ein. Im Gegenteil: Die straffe Auslegung übertreibt es in Sachen Dämpfung beinahe ein wenig. Einstellen lässt sich übrigens nur die Vorspannung des Federbeins hinten. Das anfänglich schlechte Ansprechen auf Querfugen verbesserte sich im Laufe des Tests - offenbar brauchte sie die knapp 1000 Testkilometer, um einzulaufen. Was in Sachen Fahrwerk jedoch nach wie vor zu beobachten bleibt, ist die Neigung, schon mittelprächtige Unebenheiten fast ungefiltert weiterzuleiten. Auf Rumpelstrecken gebärdet sich die Honda recht grobschlächtig und kommt übrigens mit ihrem (voll vorgespannten) Federbein bei Zweipersonenbetrieb schnell an ihre Grenzen. Am sicheren Fahrverhalten ändert sich dabei nichts, auch Lenkerschlagen ist, ob alleine oder zu zweit, nie ein Thema.
Schnell zum Thema werden könnte allerdings der Komfort, den das karge, nach hinten schmal zulaufende Soziusbänkchen bietet. Hier wurde eigentlich ohne Not gespart, etwas breitere Hintern ragen auf die dicht an den Flanken geführten Haltegriffe hinaus. Wie sinnvoll gespart werden kann - ohne Einbußen an Qualität und Funktionalität -, zeigt das Beispiel der Bremse bzw. Bremsscheiben. Die kleine Scheibe hinten passt dank ihres kleinen Durchmessers komplett in die große Scheibe vorn, beide können somit, quasi als innen liegende Scheibe und Außenring aus einem Werkstück gestanzt werden, minimieren somit den Abfall und sparen Material. Die Wirkung der CBS-Kombibremse (per Fußpedal wird die Hinterbremse und einer der drei Kolben des Sattels am Vorderrad aktiviert, der Handhebel wirkt lediglich auf die anderen zwei Kolben vorn) kann sich sehen lassen. Für optimale Verzögerung der gut dosierbaren Anlage sollten stets beide Hebel betätigt werden. Doch auch schon per Zweifinger-Zug am Handhebel lassen sich der Einzelscheibe knackige Verzögerungswerte entlocken, die im Normalfall meist ausreichen. Das ABS funktioniert in jedem Fall glänzend, indem es in kurzen Intervallen regelt, vor dem Blockieren verlässlich öffnet, aber ebenso schnell wie energisch wieder Bremsdruck aufbaut. Kein Weg wird verschenkt, die 700er steht aus 100 km/h nach nur 39,4 Metern - ein exzellenter Wert. Auch zahlreiche harte Manöver hintereinander zwingen die Bremse nicht in die Knie, nachlassende Wirkung ist nicht zu beobachten. Selbst für die mit Sozius und Gepäck vollbeladene Urlaubsfuhre erweist sich die Honda so gut gerüstet, die erlaubte Zuladung von 209 Kilogramm fällt praxisgerecht aus. Ganze 21 Liter Stauraum stellt die NC schon ab Werk zur Verfügung - so viel fasst nämlich das aufklappbare Staufach in der Tankattrappe. Dank praktischer Ausformung lässt sich darin sogar ein Integralhelm verstauen.

Der Einfüllstutzen zum Betanken der formschlüssig im Rahmendreieck untergebrachten Tankblase findet sich übrigens unter der aufklappbaren, per Schloss im linken Seitenteil entriegelbaren Soziusbank. Mehr Stauraum fürs Gepäck gefällig, zum Beispiel ein 35-Liter-Topcase und 29-Liter-Koffer, oder ein praktischer Hauptständer für die Kettenpflege? Beides bietet Honda als Zubehör an. Keine Lösung findet sich hier allerdings für das Cockpit mit dem schlecht ablesbaren Drehzahlmesser oder auch die in Schräglage recht früh im Asphalt kratzenden Fußrasten. Letztere setzen sportlichem Treiben leider früh Grenzen, beim Vollgas-Geradeausbolzen gibt es hingegen nichts zu mäkeln - der Gitterrohr-Brückenrahmen aus Stahl lässt sich selbst bei absichtlich eingeleiteten Störungen nur zu ganz leichtem, sofort wieder abklingendem Rühren verleiten. Vollgas heißt hier übrigens vom Werk angegebene 160 km/h, in der Praxis mit viel Anlauf auch schon mal Tacho deutlich über 170 km/h im langen Sechsten. Diese Regionen erreicht die NC natürlich schneller im Fünften, der ebenfalls bis Tacho 168 reicht, dann regelt der Begrenzer ab.
Doch Vollgasorgien und Topspeed dürfte kaum im Sinn haben, wer sich für eine NC 700 interessiert. Eher schon die eingangs erwähnten Alltagstugenden. Dazu passt auch die dank des äußerst günstigen Spritverbrauchs enorme Reichweite von über 400 Kilometern mit dem 14,1-Liter-Tank. Ein weiterer Pluspunkt: die langen Service-Intervalle - nur alle 12000 Kilometer muss die NC zur Inspektion. Und weil Honda die 700er nicht in einem Billiglohnland mit teils zweifelhafter Fertigungsqualität bauen lässt, sondern in den eigenen Produktionshallen in Japan, geht auch die Verarbeitung des neuen Naked Bikes (bis auf einige wenige lieblose Detaillösungen) in Ordnung. Spätestens beim Betrachten des sagenhaft günstigen Preises von knapp 5500 Euro (plus NK) verstummt sowieso auch die letzte kleinliche Mäkelei.
Und das Beste: Bei allen sachlichen Vorzügen und Vernunftargumenten macht die zierliche Honda sogar auch noch richtig Spaß. Der Fahrer muss nur wollen.
MOTORRAD-Punktewertung / Fazit

Motor
Der laufruhige, unspektakulär gleichmäßig anschiebende Twin geht schon von ganz unten kräftig zur Sache, entfaltet jedoch keinen wirklichen Biss oder gar Drehfreude. Der gutmütige Zweizylinder erweist sich als ideale Wahl für ein Einsteiger-Bike und stresst nicht mit überfallartig einsetzender Leistung. Zudem schont die leichtgängige Kupplung die Fahrerhand im Stop-and-go-Verkehr. Die mauen, im langen, fast als Overdrive ausgelegten letzten Gang gemessenen Durchzugswerte kosten Punkte.
Fahrwerk
Auf ebenem Belag lässt sich die recht sportlich-straff abgestimmte Naked-Version sehr neutral und zielgenau durch die Kurven zirkeln und weckt den Wunsch nach mehr Leistung sowie mehr Schräglagenfreiheit. Auf Holperstrecken kommt die S mit ihrer allzu stark gedämpften Gabel hingegen ins Trampeln, im Soziusbetrieb kommt das Federbein deutlich an seine Grenzen. In schnelleren Kurven erfordern Schräglagenwechsel etwas Nachdruck - die NC ist zwar durchaus flink zu bewegen, jedoch kein Handlingwunder.
Alltag
Die Ergonomie erscheint für Fahrer nahezu aller Größen perfekt. Auch der Beifahrer muss die Knie nicht über Gebühr abwinkeln, doch sein Sitzpolster dürfte etwas üppiger ausfallen. Die Sicht in den Spiegeln und das Licht sind wenig rühmlich, der Windschutz ist naturgemäß gleich null. Zu loben sind die ordentliche Verarbeitung und die große Reichweite dank des niedrigen Verbrauchs. Mit den erlaubten 209 kg Zuladung bietet die Honda guten, praxistauglichen Durchschnitt.
Sicherheit
die straffe Fahrwerksabstimmung lässt die tadellose CBS-Kombibremse ihre Wirkung optimal entfalten und die Bremskräfte sehr gut auf den Asphalt bringen. Die Einzelscheibe vorn beißt kräftig zu, das ABS regelt in kurzen Intervallen und hält die Verzögerungswerte auf hohem Niveau. Auf die früh aufsetzenden Rasten muss man sich einstellen.
Kosten
lange Inspektionsintervalle und geringer Spritverbrauch halten die Kosten niedrig. Löblich - schließlich soll ein preiswertes Einsteiger-Bike auch günstig im Unterhalt sein.
Preis-Leistung
Ein angesichts der erreichten Punktzahl -sensationell günstiger Preis führt zur hervorragenden Note 1,1.
Max. Punktzahl | Honda NC 700 S | Motor | 250 | 110 |
Fahrwerk | 250 | 166 | Alltag | 250 | 146 |
Sicherheit | 150 | 108 | Kosten | 100 | 78 | Gesamtwertung | 1000 | 608 | Preis-Leistungs-Note | 1,0 | 1,1 |
Fazit
Sparfüchse, die auf den Gegenwert fürs Geld achten, kommen bei der NC 700 S voll auf ihre Kosten. Mit dem kultivierten, gleichmäßig anschiebenden Twin, der guten Beherrschbarkeit und den narrensicheren Bremsen macht sie es Einsteigern leicht. Ihr straffes, präzises Fahrwerk bereitet jedoch auch Erfahrenen Spaß, die einfach ein pfiffiges Alltagsbike suchen und denen 48 PS genügen. Respekt.
Technische Daten / Aufgefallen

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, eine Ausgleichswelle, eine obenliegende, ketten-getriebene Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Kipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 36 mm, geregelter Katalysator, Batterie 12 V/11 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 43:16.
Bohrung x Hub 73,0 x 80,0 mm
Hubraum 670 cm³
Verdichtungsverhältnis 10,7:1
Nennleistung 35,0 kW (48 PS) bei 6250/min
Max. Drehmoment 60 Nm bei 4750/min
Fahrwerk
Gitterrohr-Brückenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Stahl, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Dreikolben-Schwimmsattel, Ø 240 mm, Einkolben-Schwimmsattel, Verbundbremse, ABS.
Alu-Gussräder 3.5 x 17; 4.5 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 160/60 ZR 17
Bereifung im Test Metzeler Roadtec Z8, vorne „E
Maße + Gewicht
Radstand 1525 mm, Lenkkopfwinkel 63,0 Grad, Nachlauf 110 mm, Federweg v/h 120/120 mm, zulässiges -Gesamtgewicht 424 kg, Tankinhalt 14,1 Liter.
Service-Daten
Service-Intervalle 12000 km
Öl- und Filterwechsel 3,4 l
Motoröl SAE10W40
Telegabelöl SAE10W
Zündkerzen NGK IFRG6G-11K
Leerlaufdrehzahl 1200 ± 100/min
Reifenluftdruck solo (mit Sozius) vorn/hinten 2,5/2,9 (2,5/2,9) bar
Garantie zwei Jahre
Farben Schwarz, Silber, Weiß
Preis 5490 Euro
Nebenkosten zirka 265 Euro

Aufgefallen:
Positiv
- Der Wendekreis fällt mit gemessenen 5,45 Metern erfreulich gering aus und empfiehlt die NC 700 S so als wendigen City-Flitzer.
- Die Ergonomie ist sehr gelungen, kleine wie große Fahrer fühlen sich auf Anhieb gut untergebracht, Lenkerbreite und -kröpfung sind tadellos.
Negativ
- Hupen statt Blinken Wer die übliche Anordnung der Schalter gewohnt ist, muss sich angesichts der vertauschten Platzierung bei der NC 700 S umstellen.
- Die dicken Soziushaltebügel sind mit kleinen Händen nicht gut zu umfassen und für Leute mit breiten Hintern auch zu nah an der Sitzbank platziert.
Angebote für die Honda NC 700 S

Als eines der ersten A2-Bikes macht die Honda NC 700 S auch heute noch eine gute Figur. Wessen Interesse geweckt ist, sollte einen Blick in die Gebraucht-Motorradbörse werfen. Dort gibt es die Honda NC 700 S in top Zustand und zu günstigen Preisen: Gebrauchte Honda NC 700 S in Deutschland