Test & Technik: Fahrbericht Can-Am Spyder RT-S Roadster

Fahrbericht Can-Am Spyder RT-S Roadster Das Trike von Can-Am

Auf dem Vordeck eine Batterie von Suchscheinwerfern, tief unten im Rumpf der Maschinenraum und jede Kurve eine Woge, die der Can-Am Spyder RT-S Roadster abreitet wie ein Frachter schwere See. Das ist ein ganz besonderes Gefühl. Aber auch eines, an das man sich gewöhnen muss.

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Zitat aus dem Can-Am-Prospekt: „The more Miles you ride, the more alive you feel“. Nach der ersten Kurve auf dem Can-Am Spyder RT-S Roadster ist klar, wie das gemeint ist. Man fühlt sich quicklebendig, so gerade erst dem Tode entronnen. Kurven auf dem Spyder - das ist für Anfänger Manövrieren in fremdem Revier. In jedem Radius lauert eine Untiefe. Und ständig läuft die Fuhre aus dem Ruder, drängt haltlos nach außen.

Dabei fing alles so vertraut an. Sitzen wie auf einem Motorrad, Lenker wie auf einem Motorrad, Motorgeräusch wie auf einem Motorrad. Sogar der Motor ist bekannt. Es ist der gute alte 60-Grad-V2 von Rotax (gehört auch zum Bombardier-Konzern), der schon in der Aprilia Mille Dienst schob, allerdings in schärferer Version. Hier, im Can-Am Spyder, liefert er gezähmte und drehmomentoptimierte 96 PS bei 7500/min und ein maximales Drehmoment von 104 Newtonmetern bei 5500/min. Aber was heißt das schon, bei drei Rädern und einem Trockengewicht von 417 Kilogramm?

Zunächst einmal heißt es, dass diese Leistung für den Can-Am-Neuling locker ausreicht. Denn der sollte angesichts der neuen Her-ausforderung schon ein wenig Routine sammeln, bevor er den Spyder RT-S richtig ran-nimmt. Gebremst wird über ein Verbund-bremssystem nur mit dem Fußpedal, gekuppelt gar nicht, geschaltet über eine Wippe am linken Lenkerende. Aber nur hoch, denn runterschalten tut die Halbautomatik ganz selbstständig und jeweils mit einem kecken Zwischengasstoß. Allerdings erst sehr spät. Bei flotterer Gangart empfiehlt es sich daher, selber Hand anzulegen.

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Bevor man so weit ist, muss fahrtechnisch eine Klippe umschifft werden, die es in sich hat. Der Can-Am Spyder verhält sich nämlich fahrdynamisch diametral zu dem, was Motorradfahrer gewohnt sind. Fährt nach links und neigt sich nach rechts - oder eben andersherum. Das löst beinahe zwangsläufig den Reflex aus, das Körpergewicht zur Kurveninnenseite zu verlagern. Aber eben leider nicht den, am Lenker zu ziehen. Ohne Zug am Lenker aber bleibt der Spyder stur auf der vorgegebenen Linie, statt wie das Motorrad durch die Gewichtsverlagerung den Radius zu verkleinern. Das ist nicht anders als beim Auto. Auch da nutzt es herzlich wenig, sich vor einer Linkskurve im Sitz nach links hinaus zu lehnen.

Also: Wer Spyder fahren will, muss auch richtig lenken. Je eher man das verinnerlicht, desto eher fängt der Spaß an. Dann hält der mächtige Bug die Spur, suggeriert die beträchtliche Neigung den drohenden Haftungsverlust der 165er-Vorderreifen, stemmt sich der Oberkörper gegen die Fliehkräfte - und, oh Wunder, der Spyder marschiert unter kräftigem Zug am Lenker anstandslos ums Eck. „Was soll auch sonst passieren?“, fragt Rolf Schietinger, Geschäftsführer von Can-Am-Händler CPO (www.cpo-bikes.de) im schwäbischen Neckartenzlingen. „Mit ABS, TCS und SCS ist alles an Bord, was auch ein Auto sicher auf Kurs hält. Und das ist alles sehr defensiv ausgelegt.“

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Schräg lass nach! Der Can-Am Spyder RT-S Roadster neigt sich nach außen, nicht nach innen. Am Hinterrad ist ein mächtiger 225er aufgezogen, Stauraum gibt es auf jeder Seite.

In der Tat, es dauert auch selbst auf der Touring-Version „RT“ mit mächtiger, elektrisch verstellbarer Scheibe, Sitzheizung, Heizgriffen (auch für den Beifahrer!), Radio und insgesamt vier Staufächern nicht lange, bis man es so flott angehen lässt, dass die Assistenzsysteme im Dauereinsatz sind. Speziell die rigide einsetzende Traktionskontrolle bremst den Vorwärtsdrang aus engen Ecken heraus immer wieder spürbar ein, während das Stabilitätsprogramm SCS später und sanfter regelt und die Vorderräder bei Bedarf automatisch abbremst. Zum Kennenlernen einfach mal unter Vollgas mächtig quietschend und regelnd -einen Kreisverkehr umrunden - und hoffen, dass sich die Anwohner nicht beschweren.

Also, an der Sicherheit mangelt es nicht. Am Komfort auch nicht. Im Gegenteil. Auf dem Spyder RT-S fühlt man sich mindestens so gut aufgehoben wie auf einem Supertourer à la Gold Wing oder K 1600. Flauschig die weiche Sitzbank mit integrierter Rückenstütze, effektiv die hohe Scheibe, gelungen die Ergonomie mit schmalem Knieschluss und verstellbaren Fußrasten beziehungweise Trittbrettern für Fahrer und Beifahrer. Dazu insgesamt 155 Liter Stauraum, verteilt auf das Topcase, zwei Koffer und den tiefen „Kofferraum“ in der Frontverkleidung, in dem sich zwei Helme übereinanderstapeln lassen. Und natürlich die unvermeidlichen Touring-Accessoires wie Tempomat, Audiosystem (mit iPod-Zugang im hinteren Staufach), geschwindigkeitsabhängiger Lautstärkeregelung inklusive Lautsprecher für den Beifahrer.

Was der Spyder im Gegenzug nicht bieten kann, sind Fahrleistungen, die über das Niveau einer Kawasaki VN 1700 oder Harley-Davidson Electra Glide Ultra Limited hinausgehen. 6,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h sind kein prickelnder Wert, die Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h ist es auch nicht. Für Motorradfahrer wohlgemerkt, aber an die richtet sich dieses dreirädrige Angebot in erster Linie ja nicht. Der Can-Am Spyder RT-S Roadster darf wie alle Spyder mit Führerscheinklasse drei gefahren werden, und gemessen am Kleinwagen ist auch die Längsdynamik durchaus beachtlich. Wer es dennoch flotter mag: Die RS-Baureihe ist leichter, stärker, straffer - und kommt damit auch sportlich orientierteren Motorradfahrern entgegen, für die das dritte Rad nicht fünftes Rad am Wagen ist.

Technische Daten

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Can-Am Spyder RT-S Roadster.

Motor
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-60-Grad-V-Motor, je zwei obenliegende, zahnrad-/kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Trockensumpfschmierung, Einspritzung, 0 51 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 650 W, Batterie 12 V/21 Ah, sequenzielles elektronisches Fünfgang-Getriebe mit Rückwärtsgang, Zahnriemen.
Bohrung x Hub 97,0 x 68 mm
Hubraum 998 cm³
Nennleistung 71 kW (97 PS) bei 7500/min
Max. Drehmoment 108 Nm bei 5000/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl, doppelte Dreieckslenker mit Stabilisatoren, verstellbare Feder-basis, Zweiarmschwinge, Zentralfederbein, ver-stellbare Federbasis, Scheibenbremsen vorn, 250 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, 250 mm, Einkolben-Schwimmsattel, vollintegrales Bremssystem mit ABS, TCS.
Alu-Gussräder 5.00 x 14; 7.00 x 15
Reifen 165/65 R 14; 225/50 R 15
MAßE + Gewichte
Radstand 1708 mm, Federweg v/h 150/145 mm, Trockengewicht 421 kg, Zuladung 238 kg, Sitzhöhe 772 mm, Tankinhalt 25 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Rot, Blau, Grau
Preis inkl. Nebenkosten 27 599 Euro

Fahrleistungen
Höchstgeschwindigkeit 165 km/h
Beschleunigung* 0-100 km/h 6,2 sek
Durchzug* 100-140 km/h 7,8 sek

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