Herr Witteveen, was ist neu an der Cube?
Vieles, von der gesamten Aerodynamik bis zur kompletten Verkleidung, insgesamt gibt es 254 neue Teile. Die Fahrer haben jetzt ein besseres Feeling mit dem Motorrad, das Handling ist neutraler geworden.
Warum hat es letzte Saison nicht richtig geklappt? Die Voraussetzungen mit den Piloten Edwards und Haga schienen doch ganz gut, und Power hatte die Cube offensichtlich auch genug.
Stimmt, aber es gab eine ganze Reihe von Problemen die hat man immer, solange man nicht gewinnt. Topspeed und Bremsen sind okay, ebenso das Einlenken in die Kurve. Aber vom Kurvenscheitelpunkt an haben wir beim Beschleunigen im Vergleich zur Konkurrenz Defizite, wir bringen die Leistung einfach nicht gut genug auf die Piste.
Woran liegt das?
Das ist ein Zusammenspiel mehrerer Probleme, wir haben daran über den Winter stark gearbeitet. So haben wir unser Ride-by-wire-System komplett auf den Kopf gestellt, um die Leistungsabgabe zu verbessern. Doch die Ursachen sind vielfältig, das reicht vom Motor bis zum Fahrwerk. Und
leider ist es nicht genug, ein Problem zu beheben. So trat bei uns zum Beispiel in dem Moment, in dem wir genug Grip hatten, als neues Phänomen Chattering auf. Das ist inzwischen besser geworden, meiner Meinung nach ist es für manche Strecken akzeptabel, auf anderen allerdings noch nicht.
Gerüchteweise heißt es, zur Mitte der Saison käme eine komplett neue Cube. Stimmt das?
Gerüchte gibt es immer viele. Fakt ist, dass wir auch an einem Motor mit neuem Layout arbeiten, der in der Folge Änderungen am Fahrwerk ermöglichen würde. Es ist allerdings noch zu früh, ihn auf der Renn-
strecke einzusetzen. Möglich, dass er später in dieser Saison kommt.
Sind Sie mit den Tests bislang zufrieden?
Ja, durchaus, denn wir haben Fortschritte gemacht, die Cube geht auf jeden Fall besser als letztes Jahr. Das wird zwar nicht reichen, um den Unterschied zu den Klassenbesten auszugleichen, aber dafür
haben wir auch gar nicht die Fahrer in diesem Jahr. Shane Byrne, von dem ich sehr viel halte, muss allmählich aufgebaut werden. Jeremy McWilliams fuhr früher bereits in der 500er- und 250er-Klasse für Aprilia und wird uns mit seiner Erfahrung helfen. Doch mögliche Aspiranten auf den Titel sind natürlich beide nicht.
Wenn Sie heute noch mal die Wahl hätten: Würden Sie sich wieder für einen Dreizylinder entscheiden?
Ja, auf jeden Fall, das gilt für gestern, heute und auch für morgen. Der Dreizylinder bietet viele Vorteile, allein schon in Sachen Gewicht, er darf zehn Kilogramm weniger wiegen als die Vier- und Fünfzylinder.
Was halten Sie von einer Leistungs-
beschränkung in der MotoGP-Klasse, wie sie aus
Sicherheitsgründen bereits vorgeschlagen wurde?
Ich glaube nicht, dass solche Maßnahmen derzeit etwas bringen. Selbst wenn wir die Leistung begrenzen, werden Moto-
GP-Rennen nicht sicherer, denn die meisten Stürze passieren in den Kurven und nicht auf der Geraden bei Topspeed. Und an der Kurvengeschwindigkeit würde sich durch eine Leistungsbeschränkung nichts ändern.
Was erwarten Sie von der Cube 2004?
Ich hoffe, sportlich zumindest die-
selben Ziele zu erreichen wie letztes Jahr, als wir in der Konstrukteurswertung Vierter wurden, und technisch Fortschritte zu machen. Wichtig wäre, dass sich der Abstand zu den Besten in der Königsklasse verringert.
Kleiner Exkurs in die 125er-Kategorie: Steve Jenkner startet nochmals auf Aprilia. Was erwarten Sie von ihm?
Steve ist der beste deutsche Fahrer, und wir versuchen ihm zu helfen, so gut es geht, damit er gewinnt, vielleicht sogar den WM-Titel. Wenn nicht, hoffen wir, dass eine andere Aprilia ganz vorne liegt. Eine Ziel-
vorgabe hat Steve von uns nicht bekommen; es ist aus Altersgründen ohnehin sein letztes Jahr in der 125er-Klasse, und er setzt sich selbst schon genug unter Druck. Er weiß schließlich ganz genau, dass man am besten in die 250er-Klasse aufsteigen kann, wenn man einen Titel mitbringt.
Das Interview führte MOTORRAD-Korrespondentin Eva Breutel
Glückloser Exot im MotoGP-Geschäft
Es begann viel versprechend. Als einziger
europäischer Hersteller stieg Aprilia gleich in der Saison 2002 in die neu geschaffene MotoGP-Klasse ein und schickte einen innovati-
ven Dreizylinder ins Feld: die RS Cube, deren 990-cm3-Motor zusammen mit Cosworth entwickelt worden war und Formel-1-Technik
wie eine pneumatische Ventilsteuerung und Ride-by-wire mitbrachte.
Doch es lief nicht gut in Aprilias Lehrjahr. Die Cube kämpfte mit Gewichtsproblemen und schaffte es nicht, ihre offensichtlich vorhandene Power auf die Straße zu bringen. Pilot Regis Laconi sammelte gerade mal 33 Pünktchen und landete in der Endabrechnung nur auf dem 19. Platz. »Vielleicht hätten wir noch ein Jahr warten sollen«, meinte Aprilia-Boss Ivano Beggio zum Saisonende 2002. »Aber meine Rennsportbegeisterung ist mit mir durchgegangen.«
2003 gingen die Mannen aus dem Veneto mit frischem Mut zu Werke. Für geschätzte fünf Millionen Dollar holte Aprilia Superbike-
Weltmeister Colin Edwards und stellte ihm den Haudegen Noriyuki Haga zur Seite. Die Cube wurde komplett überarbeitet und abgespeckt. Weil die Italiener als Hauptschuldigen an ihrem Fehlstart Reifenhersteller Dunlop ausgemacht hatten, wechselten sie zu Michelin. Zwar stürzte Haga beim ersten Rennen in Japan, aber Edwards wurde immerhin Sechster. Das Resultat wurde von Colin Edwards wie von Aprilia als ausbaufähig eingestuft. Doch es sollte das beste Ergebnis der ganzen Saison bleiben.
2004 dürfte ebenfalls nicht einfach werden, denn nun mangelt es auch noch an Geld: Aprilia steckt in der Krise, zudem wanderte MotoGP-Sponsor Alice zu Ducati ab. Statt Haga und Edwards pilotieren jetzt der englische Superbike-Meister Shane Byrne, 26, und der 40-jährige Jeremy McWilliams die Cube. Die soll zwar einen komplett überarbeiteten Motor und einen nagelneuen Rahmen bekommen, aber erst zur Mitte der Saison. EB