Technik Allrad-Yamaha TT 600 R 2WD

Technik Allrad-Yamaha TT 600 R 2WD Nimm zwei

Ein hydraulischer Allrad-Antrieb setzt im Off-Road-Bereich neue Akzente. Hier die Technik im Detail.

Im Autobereich hat sich die Allradtechnik längst etabliert, nicht so bei den Motorrädern. Hier gab es in der Vergangenheit zwar schon einige Prototypen mit zusätzlich angetriebenem Vorderrad, in der Praxis erwiesen sich diese Systeme aber als zu aufwendig und unzuverlässig. Doch jetzt steht offensichtlich ein neuer Zweiradantrieb unmittelbar vor der Serienreife für den Wettbewerb.
Nach ersten Versuchsläufen, etwa 1998 beim Extrem-Enduro auf der Insel Gotland, stellte das Entwicklungsprojekt kürzlich seine Leistungsfähigkeit unter Beweis: Auf einer allradgetriebenen Yamaha TT 600 R 2WD gewann der Italiener Antonio Colombo die Sardinien Rallye 99, Teamkollege Angelo Signorelli belegte Rang sechs. Auch beim materialmordenden Einsatz im Sand der Dubai-Rallye 99 demonstrierte der vom schwedischen Fahrwerksspezialisten Öhlins in Zusammenarbeit mit dem italienischen Yamaha-Importeur Belgarda entwickelte Allrad-Antrieb Standfestigkeit. Mit dem Frontantrieb gab es während der gesamten Rallye-Distanz von 1400 Kilometern keine Probleme.
Was steckt hinter dem neuen System? Wie funktioniert es? Der Öhlins-Antrieb unterscheidet sich von bisherigen Prototypen vor allem darin, dass er das Antriebsmoment nicht mechanisch, sondern per Hydraulik auf das Vorderrad überträgt. Als Kraftquelle dient eine Hydraulik-Pumpe. Sie sitzt direkt über dem Getriebeausgang auf dem völlig serienmäßigen Motorgehäuse. Ein zusätzliches Ritzel am Getriebeausgang treibt über eine kurze Kette die Hydraulikpumpe permanent an.
Im Vorderrad sorgt ein, ähnlich einer Zahnradpumpe aufgebauter, Hydraulik-Motor für Vortrieb. Der wurde in eine speziell gefertigte Radnabe integriert. Von der Pumpe zum Motor und zurück zirkuliert das Hydrauliköl in handelsüblichen Druckschläuchen. Da sich das Öl im Betrieb auf bis zu 90 Grad erwärmt, sorgt ein druckfester Ölkühler für moderate Temperaturen. Den Volumenausgleich des Öls in Folge schwankender Betriebstemperaturen übernimmt ein Ausgleichsbehälter, wie man ihn von Federbeinen kennt. Der gesamte Vorderradantrieb wiegt im momentanen Entwicklungsstadium etwa acht Kilogramm, die ungefederte Masse am Vorderrad erhöht sich um insgesamt 4,4.
Um die Arbeitsweise des Öhlins-Systems zu verstehen, muss man die Bewegung beider Räder betrachten. Im Normalbetrieb läuft das Hinterrad nur in geringem Schlupf. Beide Räder drehen sich mit annähernd gleicher Umfangsgeschwindigkeit. In diesem Zustand fördert die Hydraulikpumpe gerade so viel Öl, wie ohne Widerstand durch den sich mitdrehenden Hydraulikmotor im Vorderrad strömen kann. Zwischen Pumpe und Motor baut sich somit keine Druckdifferenz auf, das Öl zirkuliert »leer« zwischen Vorderradnabe und Pumpe.
Dreht das Hinterrad jedoch auf Sand oder Schlamm durch, steigt die Umfangsgeschwindigkeit gegenüber dem Vorderrad. Aufgrund der Kopplung der Hydraulikpumpe an den Hinterradantrieb erhöht sich bei schneller rotierendem Hinterrad auch die Drehzahl der Hydraulikpumpe - sie fördert jetzt mehr Öl. Da das Vorderrad aber hinterher hinkt, baut sich zwischen Pumpe und Hydraulikmotor eine Druckdifferenz auf. Die setzt der Hydraulikmotor in Vortrieb um. Das Vorderrad beschleunigt so lange, bis die Umfangsgeschwindigkeit beider Räder wieder annähernd gleich ist.
Die ans Vorderrad übertragene Leistung variiert also ständig, je nach Schlupf am Hinterrad. Maximal lassen sich 30 PS übertragen. »Der enorme Vorteil dieses Systems ist der sanfte Krafteinsatz«, erklärt Antonio Colombo. »Beim Hineinfahren in eine enge Kurve mit sehr weichem Sand wird das Motorrad normalerweise stark abgebremst, da sich vor dem Vorderrad ein Sandkeil bildet. Das 2WD-System schaufelt diesen Sand weg und zieht das Motorrad regelrecht durch den weichen Untergrund.« Interessant auch die Kurvenfahrt auf rutschigem Untergrund: Spektakuläre Drifts gehören der Vergangenheit an, ein Tatsache die den Fahrern geringere Geschwindigkeiten suggeriert. Doch die Stoppuhren beweisen das Gegenteil. Sobald das Hinterrad beim Beschleunigen in Schräglage durchdreht, verlagert das 2WD-System den Leistungsüberschuß am Hinterrad auf das Vorderrad, wodurch sich das Motorrad stets stabilisiert. Ob sich der Allradantrieb im Off-Road Bereich durchsetzen kann bleibt abzuwarten. An Kooperationen mit professionellen Rallye- oder Enduro-Teams ist man bei Öhlins jedoch durchaus interessiert.

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