Technik und Fahrbericht Poggipolini-Husqvarna

Technik und Fahrbericht Poggipolini-Husqvarna Feinkost

Was kommt dabei heraus, wenn sich ein Titan-Spezialist eine ganz normale Husqvarna vorknöpft? Ein Funbike vom Allerfeinsten, 97 Kilogramm leicht bei mehr als 65 PS Leistung - leider ein unbezahlbares Einzelstück.

»Nun schnitzt mir mal ein richtig nettes Motorrad, am besten komplett aus Titan. Geld spielt keine Rolle.« So könnte der Auftrag des Chefs des italienischen Leichtbau-Spezialisten Poggipolini zum Bau eines spektakulären Husqvarna-Funbikes gelautet haben. Traumhafte Voraussetzungen für die beteiligten Techniker, allen voran Sergio Toschi, der Mann für knifflige Fälle. Poggipolini ist eine im Rennsport renommierte Firma, die namhafte Fahrer und Teams aus allen Bereichen des Motorsports (zum Beispiel Porsche GT 1, Ducati, Husqvarna) mit leichten, sündhaft teuren Spezialteilen aus Titan und Aluminium versorgt.
Ziel der Husky-Umbauaktion war, an einem Showbike die Möglichkeiten des Werkstoffs Titan zu demonstrieren. Auf die Husqvarna fiel die Wahl, weil die Ausgangsbasis TE 610 ohnehin schon ziemlich leichtgewichtig ist und aufgrund der Belieferung des Werksteams bereits ein gewisser Grundstock an Spezialteilen vorhanden war. Nach Resten der Basismaschine muß man allerdings lange suchen. Fast alles, was an der Husky metallisch glänzt, ist allerfeinstes Titan. Zur Standardware gehören die goldfarben nitrierten Schrauben der »extreme bolts«-Serie. Der Name ist Programm: Die Schrauben sind extrem leicht, extrem fest, extrem teuer. Zur Gewichtseinsparung wurden alle Register gezogen: Die Schraubenköpfe besitzen besonders kleine Schlüsselweiten und sind angesenkt, die Schrauben zudem teilweise hohlgebohrt.
Die meisten anderen Teile wurden für das Projekt in der Werkstatt von Sergio Toschi speziell angefertigt. In erster Linie ist hier der wunderschön verarbeitete Rahmen nebst angeschraubtem Heck zu nennen. Das vier Kilogramm leichte, dünnwandige Rückgrat unterbietet das Gewicht des Serienrahmens um mehr als die Hälfte. Auch beim angeschraubten Heck konnte im Vergleich zum Serien-Pendant aus Aluminium Gewicht gespart werden.
Wer einzuschätzen weiß, wie schwierig und aufwendig das Schweißen von Titan ist, sollte einen Blick auf die Schwinge werfen. Dort finden sich feine, gleichmäßige Schweißraupen gleich meterweise. Gewichtsersparnis mehr als ein Kilogramm. Die Schwinge ist zudem gekürzt, da beim Funbike ein 17-Zöller das größere Enduro-Rad ersetzt. Auch die Umlenkhebel der Federung wurden aus dem teuren Metall gefertigt, ebenso aufwendig und kunstvoll sind die Gabelbrücken aus geformten Blechen zusammengeschweißt.
Für die Auspuffanlage wählten die Spezialisten eine besondere Titan-Legierung namens Inconel 600, die einst für die Formel eins entwickelt wurde und extrem temperatur- und vibrationsfest ist. Dank nur 0,6 Millimeter Wandstärke tendiert das Gewicht des Auspuffs gegen Null. Die Lautstärke allerdings keineswegs. Logisch, daß die Verwendung von Titan bis ins Detail konsequent durchgezogen wurde. Der Schalthebel zum Beispiel wiegt nur 95 Gramm. Auch nicht sichtbare Teile wie Motor-Innereien (etwa Pleuel, Kickstarterwelle), ja selbst die Kolben in den Bremszangen bestehen aus dem Leichtmetall. Alles zusammen addiert sich mit leichten Kohlefaserteilen zu einem fahrfertigen Gewicht von 97 Kilogramm (ohne Benzin). Ein konventionell aufgebautes, vergleichbares Motorrad käme deutlich über 120 Kilogramm.
Interessant wäre diese Technik sicherlich im Rennsport. Dort allerdings ist Titan für tragende Teile nicht erlaubt, was im Hinblick auf ein ansonsten zu befürchtendes Wettrüsten mit entsprechender Kostenexplosion Sinn macht. Das war nicht immer so. Bereits 1966 setzte BSA im Moto Cross wahre Wunderwaffen ein, deren Gewicht angeblich deutlich unter 90 Kilogramm lag. Rahmen, Schwinge, Fußrasten, Felgen, Lenker, Hinterradnabe und Speichen waren schon damals aus Titan. Die Werks-BSA erwiesen sich aber als Flop und verschwanden nach wenigen Rennen im Werksmuseum. Denn damals fehlte es den verwendeten Legierungen noch an Festigkeit, außerdem machte das Schweißen noch Probleme. Zudem hatte man nicht erkannt, daß die Elastizität von Titan deutlich größer ist als die von Stahl, angesichts der ohnehin wenig steifen Fahrwerke hätte man üppiger dimensionieren müssen. Die dünnen Schwingen verdrehten sich bei hoher Belastung dermaßen, daß die Titan-BSA ihre Fahrer Jeff Smith und Mark Eastwood regelmäßig abwarfen.
Solche Schwächen sind bei der modernen Titan-Variante nicht auszumachen. Für Cross-Einsätze ist die Poggipolini-Husqvarna allerdings nicht konzipiert. Auf der Straße ist das Fahrwerk allen Belastungen gewachsen, letzte Unruhen im Geradeauslauf bei Topspeed beseitigt ein Lenkungsdämpfer. Das Handling ist frappierend, wie ein Mountain Bike läßt sich die Titan-Husky herumreißen, brutalste Manöver werden möglich. Der Motor stammt aus dem Werks-Crosser und schöpft aus 633 cm³ zwischen 65 und 70 PS. Was diese Leistung mit weniger als 100 Kilogramm anstellt, läßt sich ausmalen. Beim Beschleunigen aus engen Ecken zieht es einem die Arme aus den Schultergelenken. Daß sich die Begeisterung trotzdem in Grenzen hält, liegt ausschließlich am Keihin-Flachschiebervergaser, der nur in den Stellungen ganz auf oder zu einwandfrei arbeitet. Die Abstimmung im Teillastbereich ist verbesserungsbedürftig. Aber das erscheint angesichts der Titan-Materialschlacht eher zweitrangig.

Titan - ein teurer und exklusiver Werkstoff - Schrauben und gängige Titan-Teile sind für jedermann zu bekommen

»Titan (Ti): metallisches Element der IV. Nebengruppe, Atommasse 47,9, Dichte 4,5 g/cm³, Schmelzpunkt 1668 o C, Legierungen finden in der Flugzeugindustrie Verwendung« - so steht es im Lexikon. Mittlerweile hat Titan über die Luftfahrt hinaus weite Verbreitung gefunden. Nach dem Zusammenbruch der russischen Industrie überschwenmmten riesige Mengen den Markt, ein großer Teil davon war allerdings von minderer Qualität. In jüngster Zeit hat sich der Rohstoffmarkt stabilisiert, die Einkaufspreise für qualitativ hochwertige Legierungen liegen wieder auf hohem Niveau. Die Preisunterschiede zwischen den namhaften Herstellern von Titan-Zubehörteilen sind relativ gering. Eine M 6-Schraube kostet zum Beispiel um die 15 Mark. Die Hersteller liefern grundsätzlich gängige Schrauben in allen erdenklichen Dimensionen, oft gibt es Kits für Motor und Fahrwerk, die dann mit einigen Tausendern zu Buche schlagen. Lieferbar sind teilweise auch Spezialteile. Im Rennsport ist die Verwendung von Titan reglementiert, auch bei Straßenmotorrädern ist der Einsatz nicht uneingeschränkt möglich. Gegen Titanschrauben an Motordeckeln oder Anbauteilen hat der TÜV nichts einzuwenden. Titanteile an wichtigen Verbindungen (Gabel, Achsen, Federung et cetera) müssen eingetragen werden. Dazu ist ein Festigkeits-Gutachten oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung hilfreich, die von einigen Importeuren/Herstellern geliefert werden können. Die wichtigsten Adressen: LLS: GL Motorradtechnik, Konrad-Adenauer-Straße 106, 72461 Albstadt-Truchelfingen, Telefon 07432/14141Poggipolini: quality products, Thomas Ratsch, Aiblinger Straße 28a, 83104 Hohenthann, Telefon 08065/1097Riedmeier, Aichinger Straße 18, 85057 Ingolsatadt, 0841/ 44189SEM Titan, Heinrichstraße 1 A, 31311 Uetze, Telefon 05173/2366

Technische Daten

Motor:Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, stehend, Kurbelwelle querliegend, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile, über Kipphebel betätigt, Naßsumpfschmierung ohne Ölpumpe, ein Keihin-Flachschiebervergaser, o 42 mm, kontaktlose Transistorzündung, Kickstarter, Drehstromlichtmaschine, keine BatterieBohrung x Hub 98 x 84 mmHubraum 633 cm³Verdichtungsverhältnis 11,5 : 1Nennleistung etwa 65 - 70 PSKraftübertragungPrimärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsgang-Getriebe, Kettenrad und Ritzel aus TitanFahrwerkEinschleifenrahmen mit angeschraubtem Rahmenheck aus Titan, geschweißte Gabelbrücken mit Schaftrohr aus Titan, WP-Upsidedowngabel, Standrohrdurchmesser 40 mm, Zentralfederbein mit Luftfederung von Double System, Schwinge aus Titan, Scheibenbremse vorn, Brembo-Monobloc-Vierkolbenzange, o 320 mm, Scheibenbremse hinten, Brembo-Einkolbensattel, o 210 mmSpeichenrad vorn 3,50 x 17 hinten 5,50 x 17Reifen vorn 120/xx - 17 hinten 180/xx - 17 FahrwerksdatenRadstand 1380 mmGewicht 97 KgTankinhalt 10,5 Liter

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