Tests der MotoGP-Aprilia in Jerez/E

Tests der MotoGP-Aprilia in Jerez/E Hochgenuss

Nahezu perfekt funktionierte die mit Formel 1-Technologie gespickte Moto GP-Aprilia RS³ bei ersten Tests – und erfreute die Zaungäste mit einem einzigartigen Sound.

Das bekannte Superbike Aprilia RSV mille ist gewiss kein üppig proportioniertes Motorrad. Neben der neuen MotoGP-Maschine RS³ geparkt, wirft die Mille trotzdem einen Schatten wie ein Sattelschlepper, so schlank und gedrungen baut der Prototyp, der Ende Januar im spanischen Jerez zu ersten öffentlichen Tests auf die Strecke rollte.
Dass hinter dem schlanken Erscheinungsbild austrainierte Muskeln verborgen sind, kündigte die Dreizylindermaschine bereits mit den ersten Auspufftönen an. Deutlich aggressiver als das verhaltene Bellen des Honda-Fünfzylinders, viel wilder als der enttäuschend brav klingende Reihenvierzylinder von Yamaha und dramatischer als jede Ducati macht sich die Aprilia mit ungestümem, hellem Schreien Luft und erinnert gar an die unvergleichliche Tonlage der Formel 1-Liga.
Während sich MotoGP-Pilot Régis Laconi am ersten Tag auf der RSV mille warmfuhr, drehte Testpilot Marcellino Lucchi die ersten vorsichtigen Runden mit der RS³. Am Tag darauf feierte dann Laconi seine Rennstreckenpremiere mit dem 990-cm3-Dreizylinder, doch auch dem sturzfreudigen Franzosen wurde vorsorglich eingeimpft, die Maschine unter keinen Umständen zu Fall zu bringen. Trotzdem geriet seine erste Ausfahrt zum Spektakel: Als er nach zwei Runden beim Einbiegen auf die Zielgerade etwas aggressiver am Gasgriff drehte, bäumte sich die RS³ sofort zu einem Wheelie auf. Laconi nahm das Gas zurück, schaltete in den dritten Gang, und sowie er mit dem rechten Handgelenk zuckte, deutete das Vorderrad abermals in den blauen Winterhimmel. Das Schauspiel wiederholte sich im vierten Gang, und die Mechaniker an der Boxenmauer klatschten begeistert Beifall. Bis zum Ende des Tages hatte sich Laconi mit den Eigenschaften seines neuen Motorrads angefreundet und drehte bereits flotte Runden.
Der Test verlief so gut, dass sich am dritten Tag Ivano Beggio persönlich die Ehre gab. Bevor der Aprilia-Präsident eintraf, wurde der RS³ ein neuer Motor eingepflanzt. Der erste hatte 300 Kilometer sowie etliche Stunden auf Prüfständen ohne nennenswerte Probleme abgespult, und die Techniker nahmen mit Erleichterung zur Kenntnis: Die üppige Motorleistung von 237 PS bei 15 700/min wurde nicht mit allzu kurzer Lebensdauer erkauft.
Die Maschine lief auch mit dem zweiten Motor wie ein Uhrwerk, am Ende kam Laconi auf achtbare Rundenzeiten um 1.45 Minuten – etwas über drei Sekunden langsamer zwar als Valentino Rossis inoffizieller Rekord auf der Fünfzylinder-Honda , aber nicht schlecht für ein erstes Roll-out. «Wir sind sehr zufrieden, und wir haben mehr erreicht als erwartet”, sprudelte Laconi. «Trotz der wenigen Kilometer kann ich jetzt schon sagen, dass das Motorrad sehr wendig, handlich und leicht zu lenken ist. Wir haben das Chassis bereits verstellt, um mehr Gewicht aufs Vorderrad zu kriegen, die Tendenz zu Wheelies einzudämmen und das Fahrverhalten radikaler zu machen. Das Vorderrad steigt nicht etwa, weil die Leistung zu brutal einsetzt, sondern weil übers ganze Drehzahlband so reichlich davon vorhanden ist, dass es schwierig ist, sie auf den Boden zu bringen.”
Zu den Möglichkeiten, das Motorrad fügsamer zu machen, zählt das im Motorradbau einzigartige Drive-by-wire-System der neuen Aprilia. Mit dem gewohnten Gasgriff, aber ohne die mechanischen Nachteile eines konventionellen Gaszugs, wird der Wunsch nach Beschleunigung in elektrische Steuersignale für einen Servomotor an den Drosselklappen umgesetzt. Weg und Widerstand des Gasgriffs können vom Fahrer frei gewählt, die Stellung der Drosselklappen ganz nach Bedarf des Motormanagements programmiert werden. «Ich bin überzeugt von den fantastischen Einstellmöglichkeiten mit diesem System. Wenn ich beispielsweise will, dass die Reaktion auf eine bestimmte Gasgriffstellung im dritten Gang anders ist als im fünften oder sechsten, ist das problemlos machbar”, beteuerte Laconi.
Eine zweite Spezialität der Aprilia RS³ ist die pneumatische Ventilsteuerung. Statt mit herkömmlichen Ventilfedern, die ab bestimmten Drehzahlen zu flattern beginnen, werden die Ventile mit präzise dosierten Schüben von Druckluft geöffnet und geschlossen, die in entsprechend hinter den Ventilen platzierten Kammern aufgebaut wird. Bei hoch drehenden Automobil-Rennmotoren gang und gäbe, wagte sich Aprilia als erster Motorradhersteller an diese Technologie, um mit den relativ großen Einzelhubräumen die gleichen Drehzahlen zu erreichen wie die Vier- und Fünfzylindermaschinen.

Rossi fehlt

Tohru Ukawa war der einzige MotoGP-Pilot auf der Fünfzylinder-Viertakt-Honda bei den letzten Tests in Malaysia. Sportlich begeisterte er mit einer Rennsimulation über 30 Runden, für die er 30 Sekunden weniger brauchte als der Sepang-Sieger 2001, Valentino Rossi auf der Zweitakt-NSR 500. Der Erfolg war freilich durch eine politische Krise getrübt: Rossi glänzte nach monatelangem, ergebnislosem Tauziehen um einen neuen Vertrag bei den Tests durch Abwesenheit. Cheftechniker Jerry Burgess (auf dem Archivbild mit Rossi) war stocksauer. Der Weltmeister besteht auf die Lieferung von Moto Cross-Maschinen, eine Klausel, die Honda schon deshalb nicht akzeptieren will, weil Rossi im letzten Jahr ohnehin mit kostenlosen Motorrädern und Autos überhäuft wurde. Auch, dass er Gratis-Flugtickets für seinen Manager will, ist Honda ein Dorn im Auge. Wegen seiner Abneigung gegen Tabakwerbung passt Rossi zudem der neue Teamsponsor Mild Seven nicht. Als Gegenschlag hat Honda die Honorarofferte gekürzt und die Zusammenarbeit eingefroren, bis Rossi endlich seinen Vertrag unterschreibt – oder geht. Jetzt tritt Carlo Fiorani, Manager des HRC-Rennteams in Europa, als Vermittler auf, und will den Superstar auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

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