Flashen Elektronik-Tuning Chip Steuergerät

Elektronik-Tuning, Chip, Steuergerät Flashen, flashen, flashen!

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Programme von originalen Motorsteuerungen zu überschreiben ist die Königsdisziplin beim Elektronik-Tuning. PS sagt, wie es geht und was man unbedingt darüber wissen muss.

Flashen, flashen, flashen! Bilski

Flashen ist in aller Munde. Dahinter steckt das Umprogrammieren der serienmäßigen Motorsteuerung, in Fachkreisen ECU (Electronic Control Unit) genannt. Beim Flashen knacken Spezialisten die Codes der kleinen Elektronikkästchen und gelangen so tief ins „Gehirn“ der Maschine. Dann lesen die Cracks die Werksdaten aus und überschreiben sie, um das volle Potenzial aus den Bikes herauszuholen. Dafür entfernen sie beispielsweise elektronische Drosseln, die die Hersteller aus Homologations- oder Sicherheitsgründen einprogrammieren. Weit verbreitet sind Leistungsreduzierungen bei bestimmten Drehzahlen und/oder Gängen. Die Werke magern in einem gewünschten Fenster einfach das Benzin/Luft-Gemisch ab, schon stimmen die Abgaswerte. Oft kappen die Hersteller bei leistungsstarken Maschinen auch die Power in den unteren Gängen – schließlich soll die Kundschaft nicht überfordert werden.

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„Manchmal drosseln die Werke auch die Leistung, um bei späteren Modellüberarbeitungen stolz zu verkünden, noch einige PS und ein paar Newtonmeter gefunden zu haben“, weiß Stefan „Brix“ Briege (www.motorsport-brix.xobor.de). Der Oberfranke ist einer von weltweit vier Spezialisten, die nahezu sämtliche Daten von originalen ECUs auslesen, aufbereiten und überschreiben können. Damit unterscheiden sich Briege und seine Partner von weiteren Anbietern, die meist von Dritten vorgefertigte Datensätze ohne weitere Detailkenntnis auf die ECUs aufspielen lassen und dafür unberechtigt viel Geld nehmen. Doch wie hält man Profis und Trittbrettfahrer auseinander? Am besten durch Umhören in der Szene, Stichwort Mundpropaganda. Vieles basiert auch auf Vertrauen. Wer ganz sicher gehen will, ist beim Flashen vor Ort: Echte Cracks programmieren die ECU auf Wunsch live im Beisein des Kunden, bei anderen Anbietern müssen die Elektronik-Kästchen eingeschickt werden.

Flashen – die vielseitigste Art des Elektronik-Tunings

Außer Drosseln zu eliminieren bietet das Flashen noch zahlreiche weitere Möglichkeiten: Zünd-/ Einspritz-Kennfeld ändern, Schubabschaltung („Fuel-Cut“) aufheben, Sekundärdrosselklappen-Steuerung umprogrammieren, Höchstgeschwindigkeits-Limit entfernen, Drehzahlbegrenzung ändern, Lambdasonde und Sekundärluftsystem deaktivieren, Feinabstimmung variabler Ansaugtrichter durchführen, Temperatur der Lüfterzuschaltung berichtigen, Motorbremse abstimmen, Auspuffklappensteuerung deaktivieren, Dämpfung elektronisch gesteuerter Lenkungsdämpfer anpassen, Schaltautomat („Quickshifter“) und Pit-Limiter für die Boxengasse einstellen beziehungsweise programmieren. Die meisten Maßnahmen zielen auf die Motorperformance mit der Absicht, die Gasannahme weicher zu gestalten, das Ansprechverhalten zu verbessern und den Leistungs- wie Drehmomentverlauf zu optimieren.

Laut Briege verbrauchen geflashte Bikes nicht mehr Benzin als serienmäßige, meist sogar etwas weniger. Außerdem „verändert sich das Abgasverhalten nur marginal, da die serienmäßige Lambdaregelung ohnehin nur in einem geringen Drehzahlbereich arbeitet“. Zumindest jetzt noch. Denn die Szene munkelt, dass das Lambda künftig über das gesamte Drehzahlband geregelt werden muss. Ist die Lambdaregelung aktiv, würde eine geflashte Maschine laut Briege locker die Abgasuntersuchung bestehen. Doch nach Eingriffen in die ECU erlischt natürlich die Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE). Verantwortungsvolle Tuner verweisen ihre Kunden daher stets auf den reinen Rennstreckengebrauch.

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Die meisten ECUs lassen sich nicht unbegrenzt überschreiben

Wer trotzdem mit dem Gedanken spielt, sein Straßenbike flashen zu lassen, sei gewarnt: Zwar sind Manipulationen an der ECU kaum nachzuweisen. Dazu müsste das Werk die Zugangscodes herausgeben, was es aber in aller Regel nicht tut – auch nicht für ihre Händler. Bei Werkstattbesuchen spielen diese jedoch gelegentlich Software-Updates auf, die bei einigen Motorradmarken die geflashten Daten einfach überschreiben.

Außer den bereits genannten Modifikationen lässt sich auch die Wegfahrsperre aufheben. Vorteil: Die Fummelei mit dem Zündschlüssel entfällt, der Killschalter übernimmt die Aufgaben des Zündschlosses. Theoretisch könnten so zwar auch geklaute Bikes wiederbelebt werden. Doch Langfinger aufgepasst: Seriöse Anbieter verlangen fürs Deaktivieren der Wegfahrsperre Fahrzeugpapiere, die nur der rechtmäßige Besitzer hat! Dieser kann auch die Codierung der Zündschlüssel aufheben lassen, wenn er uncodierte Ersatzschlüssel verwenden möchte.

Flashen bietet noch weitere Möglichkeiten. So testet Briege gerade, ob sich die serienmäßige Traktionskontrolle der neuen Kawasaki Z 1000 SX auf die motorseitig nahezu baugleiche Z 1000 übertragen lässt, die dieses Feature in der Serie leider nicht bietet. Die meisten ECUs lassen sich nicht unbegrenzt oft überschreiben. Manche Hersteller erlauben zwölf, andere 100 Flashs. Wer oft überschreiben lässt, stößt früher oder später an Grenzen. Doch auch hier wissen sich Profis zu helfen: einfach das elektronische Zählwerk zurücksetzen, fertig.

Zusatzmodule haben auch weiterhin ihre Berechtigung

Da das Flashen der originalen Motorsteuerung auch Änderungen an Zündung und Einspritzung gestattet, sind Zusatzmodule wie Power Commander, Bazzaz, Rapid Bike und Co. prinzipiell überflüssig. Es ist sogar möglich, ein mit diesen Helfern erarbeitetes Programm („Mapping“) auf die serienmäßige ECU zu überspielen. Außerdem übernimmt das Serienteil auch die sogenannte Auto-Tune-Funktion. Dabei passt das Steuergerät automatisch den gewünschten, voreingestellten Wert des Benzin/Luftgemischs an die äußeren Bedingungen wie beispielsweise den Luftdruck oder die Temperatur an.

Doch Zusatzmodule haben auch weiterhin ihre Berechtigung. Dann nämlich, wenn ein Bike weder eine Traktionskontrolle noch einen Schaltautomaten besitzt. Die kleinen zusätzlichen Zauberkästchen bieten diese Features, auch Pit-Limiter sind meist mit an Bord. Ins Reich der Märchen verweist Briege das hartnäckige Gerücht, dass bei einigen Suzuki-ECUs serienmäßig bereits ein Schaltautomat und eine Traktionskontrolle programmiert sind.

Ergibt aber das Überschreiben der Standard-ECU überhaupt Sinn? Schließlich bieten die meisten Hersteller für die Renne programmierbare Kit-Steuergeräte an. „Ja, weil Tuner wie beispielsweise der Suzuki-Spezialist Yoshimura viel Geld für ihre ECUs abrufen“, sagt der Meister. „Außerdem benötigt man für solch ein Teil einen anderen Kabelbaum und gemappt werden sollte es je nach Tuning-Maßnahme idealerweise auch noch, was natürlich ebenfalls Geld kostet.“ Womit wir beim Thema Preise sind. Briege und seine Geschäftspartner verlangen für einen Standard-Flash ab 250 Euro. Wer darüber hinaus sein Bike auf dem Prüfstand abstimmen lässt, legt je nach Aufwand ein paar Scheine obendrauf. Besonders für getunte Bikes eine echte Empfehlung, schließlich möchten deren Besitzer mit einer individuellen Abstimmung das Maximum aus der Kiste herausholen – den Royal Flash!

Hindernisse beim Flashen

Motorradproduzenten lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Auch deshalb machen sie es Hackern möglichst schwer, ihre ECUs zu knacken. Außerdem verlangt laut Insider Stefan Briege auch der Gesetzgeber möglichst hohe Sicherheitsvorkehrungen, damit Unbefugte nicht an die wertvollen Daten kommen, um sie zu manipulieren. Dabei gehen die Hersteller unterschiedliche Wege.

Besonders bei älteren Maschinen kommt man nur an die Chips mit den begehrten Datensätzen heran, wenn man die ECU gewaltsam öffnet, wodurch sie meist unbrauchbar wird. Honda verfährt noch heute so. Bei anderen Marken gelangen Cracks mittlerweile an die Daten, indem sie die Steckverbindungen („Pins“) für den Kabelbaum anzapfen. Da deren Belegung aber nirgends beschrieben ist, brauchen die Hacker spezielle, selbst entwickelte Tools, um an die gewünschten Infos zu gelangen. Haben sie das sogenannte Boot-Loader-Passwort schließlich geknackt, können sie die Rohdaten – eine Unmenge an Ziffern, Zahlen und Zeichen – auslesen. Darin stecken die Befehle für die Motorsteuerung wie beispielsweise gangselektive Drosseln.

Fies: Manchmal ändern die Hersteller die Befehle selbst innerhalb einer Baureihe, sodass der gleiche Code unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Gemeine Sperren verbaut auch Ducati. Überspielt man beispielsweise das Mapping der stärkeren S-Variante der neuen Monster 1200 auf die schwächere Normalversion, erkennt das System die List und verweigert die Arbeitsaufnahme. Außerdem ist die Wegfahrsperre der Panigale sowohl in der ECU als auch im Cockpit und im Zündschloss hinterlegt. Wer nur die ECU flasht, bekommt die Kiste nicht mehr ordentlich zum Laufen. Diese Beispiele zeigen, dass die Hacker weiterhin viel Kreativität und Hirnschmalz brauchen, um auch künftig ECUs knacken zu können. Ein echtes Katz-und-Maus-Spiel, Ende offen.

Lexikon

AFR-Wert: Air-Fuel-Ratio, eher bekannt unter dem Begriff Lambdawert. Dieser zeigt das Verbrennungsluftverhältnis an. Ein Wert von 1 bedeutet, das Gemisch setzt sich aus einem Teil Kraftstoff und 14,7 Teilen Luft zusammen.

Auto-Tune: Zusatzmodul, das auch unter verschiedensten äußeren Bedingungen (Beispiel: Luftdruck, Temperatur) voreingestellte Werte der Gemischzusammensetzung beibehält. Das gewährleistet, dass der Motor immer mit dem gewünschten Kraftstoff/Luftverhältnis versorgt wird.

Boot-Loader-Passwort: Code, den man benötigt, um Daten aus der ECU auszulesen.

CPU: Central Processing Unit, auch ECU genannt (siehe dort).

ECU: Electronic Control Unit, elektronische Motorsteuerung. Die ECU steuert sämtliche für den Motor relevanten Parameter wie Einspritzung, Zündung und vieles mehr.

Flashen: Bezeichnet das Überschreiben eines Datenträgers mit einer neuen Software.

Interface: Datenkabel, das die Verbindung zwischen einer ECU und dem Computer herstellt.

Kennfeld: Dreidimensionale grafische Darstellung. Das Einspritzkennfeld eines Motors veranschaulicht beispielsweise den Zusammenhang von Drehzahl, Drosselklappenstellung und Einspritzzeit. Kennfelder bestehen auch für die Zündung, die Traktionskontrolle und weitere elektronisch gesteuerte Elemente.

Mapping: Englisch für Kartierung. Bei der Motorsteuerung bezeichnet der Begriff die Programmierung der dafür notwendigen Elektronik.

Schubabschaltung: („Fuel-Cut“) Verhindert bei geschlossenem Gasgriff (Schiebebetrieb), dass Kraftstoff eingespritzt wird. Die Schubabschaltung reduziert den Spritverbrauch.

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