Auf Basis der letzten PS-Ausgabe durchlief Ihr Bike einen gründlichen Check. Trotzdem verhält sich der Sportler beim Angasen noch eigenartig. Was tun bei welchem Problem?
Auf Basis der letzten PS-Ausgabe durchlief Ihr Bike einen gründlichen Check. Trotzdem verhält sich der Sportler beim Angasen noch eigenartig. Was tun bei welchem Problem?
Unwilliges Einlenken, mieses Handling, bescheidene Feder-/Dämpferarbeit, Lenkerschlagen: Die Liste möglicher Widerwärtigkeiten beim Fahrverhalten kann ganz schön lang sein. Manchmal bereitet ein falsches Setup des Fahrzeughecks Probleme, manchmal stammen sie von einer fehlerhaften Abstimmung des Vorderbaus. Mitunter trifft beides zu. Dieser Teil des Fahrwerk-Spezials beschäftigt sich mit den fiesen Eigenarten, die vorwiegend von der Front herrühren, erklärt die Ursache und bietet Lösungen.
Front trampelt I
Springt und trampelt die Fahrzeugfront bei derben Bodenwellen, statt ruhig über sie hinweg zu gleiten, liegt das meist an einer zu straffen Dämpfung - oft an einer zu strammen Druckstufe. Abhängig von der Einfedergeschwindigkeit unterstützt sie die Federarbeit und gewährleistet bei passender Abstimmung eine geschmeidige und dennoch stabile Abwärtsbewegung. Wirkt die Front unkomfortabel, die Dämpfung so weit öffnen, bis die Gabel sensibel, aber mit cremig-kontrollierter Dämpfung arbeitet. Hochwertige Exemplare besitzen dafür Verstellmöglichkeiten.
Trampelt die Front trotz korrekter Dämpfung, liegt die Ursache möglicherweise auch an verspannt montierten -Gabelrohren. In diesem Fall die Achsklemmungen lösen, die Gabel mehrmals durchfedern und die Klemmungen wieder anziehen. Auch eine zu fest geklemmte untere Gabelbrücke kann das Ansprechverhalten beeinträchtigen - daher unbedingt auf ein korrektes Anzugsmoment achten!
Erhöhte mechanische Reibung im -Gabelinnern, zu dickflüssiges Gabelöl oder ein zu kleines Luftpolster wirken sich ebenfalls negativ aufs Fahrverhalten aus. Letztgenanntes spürt man vor allem beim Bremsen, wenn sich die Gabel trotz hohen Restfederwegs deutlich strafft. Auch Gabelfedern mit zu hoher Federrate verschlechtern die Performance. Sie überführt man beim Messen des Negativfederwegs. Wie das geht, steht ausführlich im ersten Teil des Fahrwerk-Spezials (PS 12/2011).
Front trampelt II
Eine zu straffe Zugstufendämpfung leitet ebenfalls Unruhe in den Vorderbau. Die Zugstufe regelt die Ausfederbewegung. Ist sie zu stramm, federt die Fahrzeugfront bei mehreren aufeinander folgenden Bodenwellen nicht mehr aus und saugt sich im harten Bereich der Feder und des Luftpolsters regelrecht fest. In dieser Stellung kann sie Stöße von der Straße nicht mehr aufnehmen und leitet Zerklüftungen direkt ins Fahrwerk. Außerdem neigt das Vorderrad beim Bremsen zum Stempeln. In beiden Fällen schafft eine weiter geöffnete Dämpfung Abhilfe. Wie bei der Druckstufe beeinträchtigt zu dickflüssiges Gabelöl auch die Zugstufe.
Mit ein wenig Übung erkennt man eine überdämpfte Zugstufe bereits im Stand. Dazu stellt man sich neben das Bike, hält mit der einen Hand den Lenker und drückt mit der anderen fest auf die Gabelbrücke. Federt die Gabel sichtbar zu langsam aus (länger als eine Sekunde bis zum Stillstand), ist das ein klares Indiz für zu viel Dämpfung. Tipp: Das Video „Gabeldämpfung“ auf unserer Homepage veranschaulicht unter anderem dieses Phänomen. Auch der zweite Teil des Fahrwerk-Spezials (PS 1/2012) behandelt dieses Thema ausführlich.
Frontpartie labil I
Eine zu lasche Dämpfung verursacht ebenfalls Fahrwerksunruhen. Beispiel Druckstufe: Fällt sie zu gering aus, taucht die Front speziell beim Bremsen schnell und weit ab. Im Extremfall stößt die Gabel an ihren hydraulischen oder mechanischen Anschlag und nimmt keine Stöße von der Straße mehr auf. Dann beginnt der Vorderbau zu pumpen und das Rad neigt früh zum Blockieren. Darüber hinaus lenkt die Kiste unpräzise ein und vermittelt wenig Gefühl fürs Vorderrad. Gegenmaßnahmen: Druckstufe weiter schließen und/oder dickflüssigeres Gabelöl verwenden.
Bei zu geringen Federraten oder einem zu großen Luftpolster sinkt die Frontpartie des Bikes ebenfalls sehr weit ein. Oft fällt es schwer, die Ursache dafür an der Dämpfung, dem Luftpolster oder der Federung festzumachen. Sicherheit bringt nur das Messen des Luftpolsters (siehe PS 4/2012) und des Negativfederwegs. Passen die Werte, liegt es definitiv an der Dämpfung.
Frontpartie labil II
Auch eine zu geringe Zugstufendämpfung wirkt sich negativ aufs Fahrverhalten aus. In diesem Fall federt die Front nach dem Einfedern zu schnell wieder aus und schwingt beim Drücken im Stand mehrmals nach. Das macht sich vor allem auf schlechten Straßen mit vielen langen Bodenwellen und in zackigen Schräglagenwechseln bemerkbar, weil sich der Vorderbau dann hektisch auf und ab bewegt. Wie bei einer zu laschen Druckstufendämpfung leiden außerdem Zielgenauigkeit, Präzision und Stabilität. Abhilfe schafft man, indem
der Einsteller für die Zugdämpfung weiter zugedreht und/oder dickflüssigeres Gabelöl verwendet wird.
Träges Einlenken
Winkelt das Bike unwillig ab, kann das verschiedene Ursachen haben. Oft liegt es an einer Handlingunfreundlichen Geometrie. Passt die Federhärte und sind die Gabelfedern korrekt vorgespannt (Stichwort Negativfederweg), hilft es, die Gabelrohre etwas nach oben durch die Gabelbrücken zu schieben. Dadurch steht das Bike vorn tiefer, was sich positiv auf die Handlichkeit auswirkt. Doch Vorsicht: Senkt man die Maschine zu weit ab, kann das Vorderrad bei starkem Ankern am Kühler oder anderen Anbauteilen anstoßen. Der Abstand zu allen rahmenfesten Bauteilen sollte bei ganz eingetauchter Gabel 10 bis 15 Millimeter betragen, da sich die Standrohre bei harten Bremsattacken bis zu diesen Werten durchbiegen können.
Ein Absenken von 5 bis 10 Millimetern sollte aber kein Problem sein. Wirkt das Bike immer noch zu träge, kann man parallel dazu das Heck etwas anheben. Um die Heckpartie kümmern wir uns aber im nächsten Heft.
Falsche Reifen machen das Bike ebenfalls unhandlich. Um die richtige Pelle zu finden, studiert man am besten die Reifentests von PS. Der diesjährige läuft bereits und erscheint in der nächsten Ausgabe. Selbstverständlich ist auch der korrekte Luftdruck wichtig. Ist er zu gering, lenkt die Fuhre zäh ein und stellt sich bei Bodenwellen in Kurven auf. Außerdem erhöht sich das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. Bei zu hohem Luftdruck hat der Reifen dagegen zu wenig Aufstandsfläche - schlecht für den Grip. Ferner leidet darunter die Eigendämpfung der Pelle.
Nervöses Einlenken
Wirkt der Renner beim Abwinkeln kippelig, liegt das häufig an einer zu extremen Geometrie. Dann hilft es, die Gabel weiter nach unten durch die Brücken zu schieben. Dadurch gerät die Front höher, der Lenkkopfwinkel wird flacher, der Nachlauf länger und dadurch das Bike insgesamt stabiler. Achtung: Die Holme maximal so weit durchstecken, bis sie bündig mit der oberen Gabelbrücke abschließen. Beim Anheben des Vorderbaus ferner darauf achten, dass die Bremsleitungen auch bei völlig ausgefederter Gabel noch lang genug sind. Auch härtere Federn oder stärkeres Vorspannen erhöhen die Fahrzeugfront. Doch das kann sich wiederum negativ auf die Feder- und Dämpfungsarbeit auswirken (siehe oben). Alternative: Heck absenken.
Lenkerschlagen
Das Lenkerschlagen - neudeutsch: Kickback - tritt häufig bei Sportlern mit viel Leistung, steifem Chassis und straffer Abstimmung der Federelemente auf. Vor allem beim starken Beschleunigen über mehrere aufeinander folgende Bodenwellen zappelt der Lenker mitunter so stark, dass der Pilot die Kontrolle über das Bike verlieren kann. Prinzipiell wirkt diesem Phänomen ein hoher statischer Negativfederweg der Gabel entgegen - mit meist unerfreulichen Nebenwirkungen auf die Federarbeit. Gegen Kickback hilft daher am besten ein hochwertiger, einstellbarer Lenkungsdämpfer.