Großmeister für Mikuni-Vergaser

Stephen Topham - Großmeister für Mikuni-Vergaser Die Schweizer Uhr für Motorradfahrer

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Auf seinem Weg vom Gebrauchsgegenstand zum Industriedenkmal braucht der Vergaser kundige Begleitung. Wie gut, dass es Stephen Topham gibt, einen der letzten Großmeister prä-elektronischer Gemischaufbereitung.

Die Schweizer Uhr für Motorradfahrer Siemer
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Manche behaupten, Vergaser seien von gestern. Aus lauter Neid, wie alle Freunde gepflegten Alteisens wissen, die frohgemut - und unbelästigt durch garstige Abgas-Grenzwerte - der Lust an feiner Mechanik frönen, Bohrungen erkunden, Düsen wechseln. Sie brauchen keine Stellmotoren, sondern dürfen noch richtig am Kabel ziehen, bestimmen mit dem Schraubendreher sowohl Leerlaufdrehzahl als auch Gemischzusammensetzung. Und wenn sie im schlimmsten Fall alles verstellt haben, der Schwimmer ein Loch aufweist und die Düsennadel eine Krümmung, dann rufen sie bei Stephen Topham in Stemwede an. Einzige Voraussetzung für die Telefonseelsorge ist ein von Mikuni-Vergasern gespeister Motor. Seit 1994 fungiert der 52-jährige Kfz-Meister nämlich als Deutschland-Importeur des japanischen Vergaser-Imperiums, vor sieben Jahren hat er die Verantwortung für ganz Europa übernommen.

Vergaser werden immer noch in großem Stil produziert

Zwar hat die Vergaserproduktion bei Mikuni 1932 mit einer Amal-Lizenz begonnen, doch derartige Abhängigkeiten sind längst überwunden: Mit dem Siegeszug der japanischen Motorradindustrie schwang sich auch das 1923 gegründete Familienunternehmen Mikuni zu beachtlicher Größe auf, gab bei Yamaha und Suzuki den Hoflieferanten, bestückte etliche Kawasakis. Von medizinischen Hilfsmitteln bis zur Luftfahrtausrüstung reicht das Angebot heute, findet seinen Schwerpunkt aber nach wie vor in Komponenten zur Gemischaufbereitung bei Autos und Motorrädern. Auch Vergaser werden immer noch in großem Stil produziert.

Bei Stephen Topham ruht das Geschäft auf drei Säulen: Erstens verkauft er Nachrüstvergaser, zweitens Ersatzteile für Serienvergaser, und drittens übernimmt er Wartungsarbeiten. Das heißt, meistens schieben Stephen sowie seine beiden Assistentinnen, Indra Friehe und Sinja Kirsch, Telefondienst oder besorgen den Versand, während Mechaniker Sven Lohmeier die Wartung erledigt. Ein halbes Dutzend Vergaserbatterien reiht sich - ordentlich in Plastikkästen verstaut - neben seiner Werkbank auf. Manche mit einer Mängel- und Problemliste dabei, andere mit konkreten Anweisungen. Immer häufiger finden sich serienmäßige Gleichdruckvergaser unter den Patienten: Einerseits, weil sie für die Motorradwerkstätten allmählich zu Fremdkörpern werden, andererseits, weil Youngtimerfreunde aus halb Europa sich direkt an die Spezialisten in Norddeutschland wenden.

Mechanische Beanspruchung wird gern vergessen

So ein Vergaser arbeitet ja meist klaglos vor sich hin, und darüber wird die mechanische Beanspruchung von Schieber, Düsennadel oder Drosselklappenwelle gern vergessen. Das ständige Auf und Ab im Düsenstock sowie das Pulsieren der Luft im Ansaugtrakt beansprucht etwa die Nadeldüse aus Messing im Lauf der Jahre durchaus - die Gemischzusammensetzung gerät aus dem Gleichgewicht. Dann kommt noch die zunehmende chemische Belastung durch Additive und Ethanol-Beimischungen hinzu. Darunter leiden vor allem die Membranen in Gleichdruckvergasern, sie werden brüchig und bekommen Risse. Schon reicht der Unterdruck im Membrangehäuse nicht mehr, um den Schieber ganz zu lüften, und die Motorleistung sinkt.

Siemer
Die Wartung serienmäßig verbauter Vergaser gehört bei Topham Vergasertechnik ebenfalls zum Programm.

Doch selbst einfache Schiebervergaser ächzen unter dem ganzen chemischen Zeug: Sven zeigt auf den Austrittsbereich der Nadeldüse, in dem bei ruhendem Motor stets ein wenig Benzin stehen bleibt. Die Additive haben dann alle Zeit der Welt, sich als klebriger Rand an der Düsennadel abzulagern. Der lässt sich meist mit dem Fingernagel wegkratzen. Was in den Bohrungen hängt, schafft aber nur noch das Ultraschallgerät. Im vorliegenden Fall muss Sven Nadel und Düsenstock erneuern, alles vorhanden im schier unglaublichen Bestand. Der ist so wohlgeordnet wie die gesamte Werkstatt, und alles zusammen hat schlicht gar nichts mit jenen lässig chaotischen Workshops zu tun, die man von der Insel kennt. Stephen Topham ist nämlich gebürtiger Engländer, aber okay, von dort sollen ja auch die perfektesten Formel 1-Mechaniker kommen.

Bekanntlich tragen die meisten Motorräder der jüngeren Vergangenheit Gleichdruckvergaser, und für die überwiegende Mehrzahl aller Biker ist das ein Segen. So können selbst technisch unwissende oder eher grobmotorisch veranlagte Fahrer fröhlich am Gasgriff kurbeln, ohne dass sich etwa der Motor verschluckt, weil der Gashahn zu abrupt aufgerissen wird. Den geschmeidigen Übergang erledigt - etwas träge zwar, aber sehr zuverlässig - die unterdruckgesteuerte Membrane, an welcher der Gasschieber hängt. Der Gasgriff selbst ist nur mit einer hinter dem Gasschieber sitzenden Drosselklappe verbunden. Diese stört jedoch die Gasströmung und die Leistungsausbeute, wenn volles Rohr angesagt ist. Grund genug, alle Renner auf strömungsgünstigere Flachschiebervergaser umzubauen. Früher, zu Zeiten, als auch Stephen Topham noch Superbike-Rennen bestritt. Den Kollegen blieb nicht verborgen, dass seine Yamahas immer recht gut liefen, und so hat er viele Jahre anderer Leute Motoren gemacht. Auch heute greift die sportlich angehauchte Kundschaft am liebsten zu Flachschiebern, weil selbige an ihrer Unterseite für weniger störende Wirbel sorgen als die runden. Das Nonplusultra? Topham zaudert. Er weiß, dass ein Quartett dieser Gasmixer eine Bol dOr nicht zum Superbike-Killer macht. Aber stärker. Etwas. Und spontaner. Deutlich. Außerdem existieren viel mehr Teile zur individuellen Abstimmung als bei Serienvergasern; das zahlt sich aus, wenn mit Luftfilter, Ansaugtrichtern oder Auspuff experimentiert wird.

Umrüstung auf neue Schiebervergaser lohnt

Schließlich, und das sei hier ausdrücklich betont, wird so eine Bol dOr schöner. Der bei Topham konfigurierte und abgestimmte Satz besteht aus vier Mikuni TMR-Vergasern. Sehr kompakte Gehäuse, dezent zur perfekt ausdistanzierten und funktionierenden Batterie verbunden. Unwiderstehlich. Man möchte sie anfassen. Nur so. Die Schieberwelle betätigen und dem absolut synchronen Auf und Ab der vier Flachschieber zuschauen. Das geht so satt und sämig, und das wiederum ist kein Wunder, weil sowohl die Schieber als auch deren Hebel von winzig kleinen Stahlrollen geführt werden. Mechanik in Höchstform, die Schweizer Uhr für Motorradfahrer. Da muss niemand nach dem schnöden Nutzen fragen, solche Vergaser produzieren Mehrwert ganz einfach aus sich selbst heraus.

Manchmal sparen diese Dinger sogar Geld: Die Vergaser vieler älterer Serienmotorräder werden längst nicht mehr produziert. Ersatzteile sind rar und teuer, ganz zu schweigen von Gehäusen, die nötig werden können, um einen jahrelang vergessenen Scheunenfund wieder ins Laufen zu bringen. Dann lohnt die Umrüstung auf neue Schiebervergaser. Verschärfen wird sich dieses Problem, wenn die letzten Vergaser-Motoren ins pflegeintensive Alter kommen. Die tragen oft exklusive Fallstrom-Vergaserbatterien, maßgeschneidert für den engen Raum zwischen Rahmen, Luftfiltergehäuse und Motor. Zwar arbeitet die letzte Flachschieber-Enwicklung von Mikuni, der TDMR, ebenfalls als Fallstromvergaser, doch Stephen fürchtet, dass nicht überall genug Platz herrscht für eine Ersatzlösung. Das wiederum mag den Freunden gepflegter Alteisen egal sein. Heute noch. Aber irgendwann zählen auch CBR, R1 oder GSX-R dazu. Zum alten Eisen.

Interview mit Stephen Topham

Siemer
In Sachen Vergaser macht ihm keiner was vor: Seit 20 Jahren hat Stephen Topham den Durchblick.

Der Mikuni-Importeur Stephen Topham vertreibt Nachrüstvergaser sowie die Ersatzteile für eine Vielzahl serienmäßig verbauter Mikuni-Vergaser.

Beachten wir unsere Vergaser zu wenig?

Nein, nein, einem gut eingestellten Vergaser genügt etwas Aufmerksamkeit. Natürlich kann immer auch der Vergaser Schuld tragen, wenn die Leistung nachlässt. Aber meist ist dann ein länger andauernder Prozess dafür verantwortlich, und fast immer fängt es mit steigendem Verbrauch an. Regelmäßig unter vergleichbaren Bedingungen den Verbrauch zu prüfen, das empfehle ich.

Und wenn er gestiegen ist?

Die genaue Ursache kann schon mit einer einfachen CO-Messung festgestellt werden. Die Hauptverdächtigen heißen zunächst - korrekte Einstellung und gegebenenfalls intakter Luftfilter vorausgesetzt - Düsennadel und Nadeldüse, auch Düsenstock genannt.

Was sind denn die gängigsten Einstellungs-Fehler?

Vergaser werden oft unnötig fett eingestellt. Jeder Zylinder sollte für Leerlauf und Teillastbereich einzeln eingestellt und überprüft werden. Oft wird die CO-Schraube mit ihrem sehr feinen Gewinde bei der Grundeinstellung zu fest gegen das Gehäuse gedreht. Das kann die Bohrung beschädigen oder sogar dazu führen, dass die Spitze der Schraube beim Lösen abschert.

Und wo hat der Vergaser seine häufigsten Schwachstellen?

Die ständige Bewegung des Gasschiebers und das Pulsieren der Luft im Ansaugtrakt belasten Bauteile wie Düsennadel und Nadeldüse sowie Gasschieber und Gasschieberführung. Schwimmernadelventile verschleißen durch mechanischen Kontakt. Gasschiebermembranen bekommen aufgrund der Additive und Ethanol-Beimischung mit der Zeit Risse, dann kann der Gasschieber nicht entsprechend dem Lastzustand angehoben werden.

Jetzt aber doch: Wie kann man Vergaser pflegen?

Ganz wichtig ist, bei Standzeiten ab zwei bis drei Monaten das Benzin abzulassen. Nicht
einfach die Schwimmerkammer leer fahren, dann bleibt nämlich immer noch Benzin drin. Ich empfehle sogar, die Ablassschraube einige Zeit offen zu lassen, damit der Vergaser gut durchlüftet. Außerdem darf natürlich kein Benzin aus dem Benzinhahn nachlaufen.

Warum ist es so schlimm, wenn Benzin im Vergaser bleibt?

Die Ablagerungen, die sich im Vergaser und in den Düsen unweigerlich festsetzen, haben zur Folge, dass der Vergaser meistens komplett zerlegt und gereinigt werden muss.

Zurück zur Pflege. Gibt es eine Standarddistanz, nach der Vergaser inspiziert werden sollten?

Nein. Und es gibt keinen Anlass, den Vergaser zu zerlegen, wenn der CO-Wert im Leerlauf stimmt, die Vergaser sich synchronisieren lassen, die Mechanik einwandfrei funktioniert (Motor kommt nach dem Gasgeben sofort in den Leerlauf zurück), der Verbrauch nicht gestiegen ist, keine Undichtigkeiten vorhanden sind und die Endgeschwindigkeit erreicht wird.

Und wenn es dann doch so weit ist: Wie geht man vor?

Behutsam und systematisch, mit Platz für eine ordentliche Ablage der vielen Kleinteile. Beim Zerlegen unbedingt auf Beschädigungen achten wie defekte Gewinde, abgescherte CO-Schraubenspitzen, gerissene oder abgebrochene Schwimmerlagerböcke, defekte Membranen. Nachdem die Schwimmerkammern demontiert sind, können die Schwimmernadelventile einer Niederdruckprüfung unterzogen werden. Bei Undichtigkeit lässt sich mit etwas Flüssigkeit leicht feststellen, ob der Sitz oder nur die Abdichtung defekt ist. Die komplett zerlegten Vergaser werden im Ultraschallbad gereinigt. Bei der Montage sollten alle Gummidichtungen sowie O-Ringe erneuert werden, original Mikuni-Gummidichtungen aus Viton bieten die nötige Resistenz gegenüber heutigen Kraftstoffen. Ist die Eloxalschicht der Düsennadel nicht beschädigt (polierte Stellen), kann diese weiterverwendet werden. Die Nadeldüse aus Messing verschleißt schneller, daher empfehle ich meistens, sie vorsichtshalber zu erneuern. Mikuni-Nadeldüsen werden mit einer maximalen Toleranz von 0,002 Millimetern gefertigt. Eine Vergrößerung der Bohrung durch Verschleiß um 0,02 Millimeter kann den Verbrauch schnell um 1 bis 1,5 Liter anheben! Nach der Montage die Schwimmernadelventile erneut auf Dichtigkeit prüfen und die Schwimmerstände durch Nachbiegen der Zunge am Schwimmerarm auf Werksangabe einstellen - ohne die kleine Dämpfungsfeder in der Schwimmernadel zu komprimieren. Zuletzt die Grundeinstellung der Gemischschrauben vornehmen.

Gibt es die Ersatzteile immer noch in Originalqualität?

Ich kann das nur für Mikuni-Vergaser beurteilen, und da sieht es noch gut aus. Aber auch bei uns fallen immer mehr Vergaser und zwangsläufig irgendwann auch deren Ersatzteile aus dem Programm. Wo es sich lohnt, habe ich schon bei Mikuni nachfertigen lassen, etwa für Vergaser von Zweitaktern aus den frühen Boomjahren. Wenn die Teile fehlen, hilft nur das Umrüsten auf andere Vergaser: Wir liefern mittlerweile viel an Kunden, die ihr Original - egal von welchem Hersteller - nicht mehr reparieren können.

Wie sieht die rechtliche Seite bei einer Umrüstung aus?

Für unsere Nachrüstvergaser haben wir einige TÜV-Gutachten erstellen lassen. Aber so eine aufwendige und teure Sache lohnt sich nur für bestimmte Volumenmodelle. Andererseits erleben wir, dass die Prüfer durchaus zugänglich sind, wenn ein guter und gut eingestellter Vergaser an älteren Fahrzeugen eingetragen werden soll.

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