BMW R 18 Classic und Indian Super Chief Limited

BMW R 18 Classic und Indian Super Chief Limited Lässig, tourentauglich, gattungslos

Obwohl sich die BMW R 18 Classic an die Desingvorgaben des Genres hält, erscheint sie nicht nur optisch sehr eigenständig. Die Indian Super Chief Limited hingegen ist Amerikanerin durch und durch. Wir vergleichen diese beiden Bagger, Bobber, Chopper, Cruiser, Roadster – ja, was eigentlich? – im Test.

BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich Jörg Künstle
BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich
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BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich
BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich 23 Bilder

Wer hätte das gedacht? Auf der Suche nach einem Gattungsbegriff für BMW R 18 Classic und Indian Super Chief Limited, in deren Gesellschaft übrigens auch eine Harley-Davidson Heritage Classic eine prima Figur abgeben würde, fanden wir: nichts! Wo sonst fein säuberlich in Bagger, Bobber, Chopper, Cruiser, Roadster etc. unterteilt wird, bleiben unsere zum Touren geeigneten Protagonisten heimatlos. Übliche Erkennungszeichen sind: fest mit dem Motorrad verbundene (Kunst-)Ledertaschen mit überschaubarem Nutzen, eine verkleidete Telegabel, ein kleines, dickes Vorderrad, Trittbretter (Aufpreis bei BMW), Zusatzscheinwerfer (Aufpreis bei Indian) sowie ein Windschild mit dem charakteristischen Halbkreis an der Oberkante. Ausgerechnet dieser, eigentlich serienmäßige Schild wurde zum Bedauern des Importeurs beim Testmotorrad von Indian, welches aus der allerersten Charge der Serienproduktion stammt, nicht mitgeliefert und konnte auch während des Testzeitraums nicht mehr beschafft werden. Vom Testen konnte uns der fehlende knappe Quadratmeter Plexiglas dennoch nicht abhalten.

Mehr Qualm bei weniger Rauch

Höchst gespannt war die Redaktion darauf, wie Indians Thunderstroke genannter Monumental-V2 die Umstellung auf Euro 5 verkraftet hat. Und nach den Prüfstandsläufen waren die Augen erst einmal groß. Die neue Indian Chief stellt alles in Schatten, was jemals von Indian auf der Rolle war. Mehr Qualm bei weniger Rauch, wie geht das? Ein tiefes Eintauchen in die Datenbanken brachte des vermeintlichen Rätsels Lösung: Alle bisher gemessenen Häuptlinge hatten "nur" 1.811 cm³, umgerechnet 110 Cubic-Inch Hubvolumen. Dieses wuchs 2020 auf 116 Cubic-Inch, was 1.890 cm³ ergibt. Überhaupt ist der Motor nicht nur optisch das Glanzstück der Indian Super Chief Limited. Er läuft mechanisch ruhiger als der Boxer der BMW R 18 Classic und vibriert auch spürbar weniger als das unter Last und im Schiebebetrieb bei höheren Drehzahlen deutlich rauere Bayern-Triebwerk.

BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich
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Die Indian ist Amerikanerin durch und durch, kann aber in Sachen Agilität und Fahrdynamik mit der BMW locker mithalten.

Nicht rundum gelungen allerdings ist das in drei Modi wählbare Mapping. In Sport springt einem der V2 ins Kreuz, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, Stadtverkehr wird so mit ihm zur Hölle. In Standard benimmt er sich fast schon zu gesittet. Das, was er in Sport an Spontanität zu viel hat, fehlt ihm hier. Zudem geht er bis etwa 1.500/min etwas verzögert ans Gas, danach gibt er sich einen Ruck und legt sich umso mächtiger ins Zeug. Der tiefere Sinn des Tour-Modus erschließt sich einem nicht wirklich. Ultraträge Gasannahme paart sich mit langem Leerweg und deutlich verminderter Leistungsabgabe und Drehfreude. Vielleicht ergibt dieser Modus bei den in den USA so beliebten Paradefahrten einen Sinn. Fahrspaß entsteht damit eher nicht. Bleibt also Standard. Von ruhiger Hand geführt, gibt sich der V2 mit 4,7 Litern Super durchaus bescheiden, der Boxer gönnt sich unter denselben Bedingungen 5,4 Liter. Im normalen Fahrbetrieb, der mehr Längsdynamik zulässt, kehrt sich das allerdings um. Dann können es bei der BMW auch 6,5 Liter und bei der Indian noch einmal einer mehr werden. Bei der Verteilung der Kraft nach hinten zeigt sich die direkt betätigte BMW Schaltbox knackiger. Die via Schaltgestänge betätigte Gangbox der Indian operiert mit längeren Wegen und weniger Präzision. Die Kupplungshandkraft ist hier wie dort den zu übertragenden Drehmomenten angemessen.

Auch die BMW R 18 Classic verfügt mit Rain, Roll und Rock über drei Mappings, die vom Charakter denen der Indian gleichen, in der Auswirkung aber weniger extrem sind. Will heißen, im Rain-Modus wirkt der Boxer weniger sediert und im Rock-Modus weniger ruppig als der Indian-Twin. Ungeachtet dieser Unterschiede verströmen beide Antriebe dieses wohlige Gefühl quasi unendlicher Kraft, wie es nur mit großen Einzelhubräumen generiert werden kann.

Sitzposition und Biedienung

Und diese Lässigkeit überträgt sich dank der ebenso lässigen Sitzposition alsbald auf den Fahrer. Wenngleich sie auf längeren, eintönigen Strecken etwas Leidensfähigkeit erfordert. Denn zumindest auf der Indian ist die Sitzposition kaum variabel, auf der BMW kann man aufgrund der deutlich weiter hinten liegeneden Trittbretter seine vier Buchstaben etwas entlasten bzw. leicht verrücken. Etwas Eingewöhnung erfordert die Indian auch bei der Bedienung. Das runde und mit allerhand Infos, Designs und Einstellungen bis hin zu Telefonkopplung, Musikwiedergabe und Navigation aufwartende TFT-Display kann via Touchscreen, einer Wippe und/oder über zwei Drückschalter an den Armaturen bedient werden. Was nicht immer intuitiv erfolgt. Bei der BMW geht dies einfacher und logischer, wobei bei ihr auch deutlich weniger Infos zu verwalten sind. Musik, Telefon, Navigation? Fehlanzeige. Egal, denn wir wollen schließlich Motorrad fahren.

BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich
Jörg Künstle
BMW R 18 Classic: Man sieht ihr ihre 375 Kilogramm schon an. Dennoch fährt sie sehr manierlich.

In den bisherigen Tests wurde der R 18 und auch der hier gezeigten Classic bescheinigt, für ihr Genre recht fahraktiv und kurvenfreudig zu sein. Diese Aussage stimmt nach wie vor, nur schickt sich jetzt die Indian an, an diesem Stuhl zu sägen. Möchte selbst Chefin im Ring sein, kein Wunder bei dem Namen. Bei identischen Reifengrößen wiegt die Indian Super Chief Limited 38 Kilogramm weniger, hat einen gut 100 Millimeter kürzeren Radstand, dazu einen fast vier Grad steileren Lenkkopfwinkel und obendrein mehr Schräglagenfreiheit. Sie lässt sich leichter abwinkeln, und wenn sie auf guten, mit weiten Bögen versehenen Straßen Attacke macht, muss sich die BMW schon strecken, um dranzubleiben. Und bei den absoluten Fahrleistungen hat sie auch das Nachsehen. Zumindest solange, bis der erste Bremspunkt naht. Mit drei Scheiben, transparentem Druckpunkt und schön crisper Wirkung legt der Boxer die Messlatte hoch. Einzig das ABS dürfte später und mit kürzeren Intervallen regeln. Davon träumt der Indianer. Seine einsame Scheibe vorne kommt schon nach wenigen harten Bremsungen mächtig ins Schwitzen, zudem ist der Druckpunkt schwammig und mit dem klobigen, nicht einstellbaren Griff auch nur mäßig zu regulieren. Auch das ABS ist keine Offenbarung.

Hintere Bremse keine große Hilfe

Die hintere Bremse ist bei beiden keine große Hilfe. Bei der BMW R 18 Classic kommt man mit großem Schuh nur schwer zwischen Pedal und Zylinder. Auf der Indian hingegen ist das Pedal so hoch, dass man stets das Bein anheben muss, um dranzukommen. Also lieber etwas Gas rausnehmen, cruisen. Oder touren. Das passt auch besser zur Fahrwerksabstimmung, denn trotz des hinten recht knappen Federwegs von 75 Millimetern (BMW 90) ist die Chief spürbar softer abgestimmt als die Classic. Bei beiden lässt sich übrigens lediglich die hintere Federbasis verstellen – und auch das nur mit Werkzeug. Bei gemütlicher Fahrt wirkt die BMW im Vergleich fast schon zu straff. Nicht zu straff, sondern zu kurz geriet das hintere Schutzblech der Indian. In Kombination mit der aktuellen Mode der außermittig angebrachten Kennzeichen sorgt es dafür, dass man auf nassen Straßen von hinten komplett eingesaut wird. Hier wie dort ermöglichen die serienmäßigen Packtaschen den Transport kleinerer Reiseutensilien. Mit Betonung auf klein, denn: Zu schmalen Deckeln gesellt sich ein nur geringes Volumen. Einen Helm verstauen? Klappt bei keiner, auch wenn die BMW-Taschen etwas geräumiger sind. Beide Systeme sind nicht abschließbar.

BMW R 18 Classic, Indian Super Chief Limited Vergleich
Jörg Künstle
Indian Super Chief Limited: Die Indian ist 38 Kilogramm leichter als die BMW. Sieht man nicht unbedingt, spürt man aber.

Was auch für die Tankdeckel gilt. Bei einem Grundpreis von 25.100 Euro sind sich die Bayern nicht zu schade, dem Kunden für ein abschließbares Exemplar weitere 50 Euro auf die Rechnung zu schreiben. Die Indian ist mit einem Grundpreis von 22.490 Euro auch kein Schnäppchen, trotzdem sind nur Stahlfelgen drin. Schade. Auch bei ihr lässt sich der Preis dank reichlich Originalzubehör nahezu beliebig in die Höhe treiben. Einfach mal auf den jeweiligen Homepages mit dem Konfigurator spielen.

Fazit

Obwohl sich die BMW an die Desingvorgaben des Genres hält, erscheint sie nicht nur optisch sehr eigenständig. Wer mit der Ergonomie klarkommt und die Aufpreisliste nicht scheut: bitte sehr. Die Indian ist Amerikanerin durch und durch, kann aber in Sachen Agilität und Fahrdynamik mit der BMW locker mithalten. Wenn nur nicht die schwache Bremse wäre. Zum lässigen Cruisen reicht sie aber aus.

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