Fahrbericht Yamaha XVS 1100 Drag Star

Fahrbericht Yamaha XVS 1100 Drag Star Star Trek II

Nach dem glänzenden Erfolg der 650er Drag Star greift Yamaha nun mit einer 1100er Version des Raumgleiters nach den Sternen.

Was bisher geschah: 1981 präsentierte Yamaha mit der TR 1 eine 1000er mit Zweizylinder-V-Motor. Die lockte - wohl nicht zuletzt wegen ihres gewöhnungsbedürftigen Stylings - keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Langwieriger und erfolgreicher gerieten die Versuche, das im Prinzip aus zwei XT/SR 500-Einheiten komponierte TR 1-Triebwerk einer sinnvollen Zweitverwertung zuzuführen: Im Hubraum um zehn Prozent aufgestockt, spielt es seit beinahe einem Jahrzehnt mit zähem Beharrungsvermögen die treibende Kraft im oberen Bereich des Yamaha-Chopper-Programms.
So nimmt es nicht Wunder, daß der Urahn aller japanischen Großkolben-V2-Motoren auch an der Schwelle zur Jahrtausenwende Überlebenswillen zeigt: Als Triebfeder der XVS 1100 Drag Star versucht er sich auf die alten Tage im Metier des Cruisens - und hat damit gute Chancen, seine endgültige Bestimmung zu finden.
Denn die Richtung, die der Oldie anschlägt, stimmt: Mit 85 Newtonmeter, beiläufig bei 2500/min abgeliefert, steht er überzeugend für gleichermaßen spontanen wie souveränen Antritt am untersten Ende seines Leistungsbands. Und er entpuppt sich als einer der wenigen großen Zweizylinder, die es sich verkneifen, schaltfaule Fahrer polternd von den untersten Stufen ihrer Drehzahlleiter zu schütteln. Obenheraus ist der 1100er mit 61 PS zwar kein Ausbund an Temperament, wohl aber ausreichend gerüstet, mobilen Straßensperren in nervenschonender Kürze den Auspuff zu zeigen.
Aus dem Umstand, daß er ein Triebwerk der frühen Jahre ist - luftgekühlte Zweizylinder haben bei der japanischen Konkurrenz weitgehend ausgedient -, macht der 75-Grad-V2 das Beste. Er ist wartungsfreundlich, zeigt Kühlrippen, die Kühlrippen sind, besticht durch gute Laufkultur. Obendrein gibt er sich innerlich gefestigt und an seiner Peripherie modernisiert: Geschmiedete Kolben in beschichteten Zylindern sorgen für gesteigertes thermisches Wohlbefinden, ein neu konstruierter Startermechanismus verspricht mit einem alten Schwachpunkt - Virago-Besitzer können ein Lied von der Anfälligkeit dieses Bauteils singen - aufzuräumen, und ein Drosselklappensensor zur Lasterfassung sorgt für ein zeitgemäßes Zündkennfeld.
Das angedockte Füngganggetriebe mit breiter Spreizung der Schaltstufen gibt sich Cruiser-typisch rustikal. Das Einlegen des ersten Gangs ist stets von metallischem Krachen begleitet, der Schalthebel verlangt nach energischen Stiefeltritten. Die Kraftübertragung zum Hinterrad erfolgt per offen laufender Kardanwelle, womit der Blick auf ein charakteristisches Element des Fahrwerks - die Hinterradaufhängung - gelenkt wäre.
Wie die kleine Drag Star setzt die 1100er auf eine Heckpartie, hinter deren Hardtail-Anmutung sich eine Dreiecksschwinge mit per Hebelsystem angelenktem Zentralfederbein verbirgt. Die Vorteile, die eine derartige Konstruktion gegenüber einer konventionellen Schwinge mit zwei Federbeinen verspricht, kann die die XVS 1100 nur ansatzweise realisieren: Mit 113 Millimetern Federweg bietet sie überdurchschnittlich viel Nachgiebigkeit, läßt es aber - schon wieder Cruiser-typisch - an feinem Ansprechverhalten fehlen.
Das dem Hinterrad um satte 1640 Millimeter vorauseilende vordere Pendant ist in Sachen Stoßabsorbtion besser gerüstet: Die 41er Telegabel spielt fein über alle Stolpersteine, bietet überdurchschnittlichen Komfort. Zu wenig des Guten wurde freilich bei ihrer Dämpfung getan. Unter energischer Nutzung der gut dosierbaren und kräftig zubeißenden Doppelscheiben-Vorderradbremse geht die Gabel heftig in die Knie, um sich anschließend mit ein paar Nickerchen wieder auf die Nullage einzupendeln.
Pendeln steht bei der XVS 1100 ansonsten gottlob nicht auf dem Fahrwerksprogramm - soweit dies nach einem Fahrtag auf verwinkelten südfranzösischen Straßen zu beurteilen ist. Fest steht hingegen, daß sich die große Drag Star andere Unbotmäßigkeiten im Fahrverhalten weitgehend verkneift: Die lange, schwere Maschine läßt sich mit überraschend leichter Hand überraschend zielgenau auf Kurs halten, sie verschont den Fahrer in engen Kehren mit der genretypischen Unart, eigenmächtig in Schräglage fallen zu wollen, und dank tiefen Schwerpunkts und großzügigen Lenkeinschlags macht sie Kehrtwendungen ohne Fußeln zur leichten Übung.
Weil ein Cruiser mehr sein soll als die Summe nüchtern zu beurteilender Eigenschaften, haben die Väter der XVS 1100 dafür gesorgt, daß die Sinnenfreude nicht zu kurz kommt. Mit Erfolg: Aus Fahrersicht gefallen spontan der große, klar gezeichnete Tacho auf der Tankoberfläche und die unverstellte Sicht auf den chromglänzenden Scheinwerfertopf. Praktiker, die auch einen Cruiser als Gebrauchsgegenstand sehen, freuen sich am kombinierten Lenk-/Zündschloß und den funktionellen Schaltereinheiten - links sogar mit integriertem Chokehebel.
Nicht nur deswegen: Unter dem Strich ist die hubraumstarke Variante der Drag Star eine gelungene Bereicherung der Cruiser-Szene.

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