Fahrbericht Moto Guzzi California 1400 Custom

Moto Guzzi California Custom Moto Guzzi California 1400 Custom

Es ist ein lässiges Gefühl, wenn der fette V2 an der Ampel mit gut 1000 Umdrehungen vor sich hinstampft und die Oberschenkel massiert, während die Lenkerenden im Takt pulsieren. Und irgendwie schwingt auch das Gefühl mit, dass dieser Rhythmus Moto Guzzi den Weg in die Zukunft zeigen könnte.

Moto Guzzi California 1400 Custom Hersteller
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Budum - budum - budum. Man kommt irgendwie nicht drum
herum um diese infantile Laut-
malerei. Aber wie sonst soll man
es beschreiben? Satter Bass? Tiefes Geblubber? Trifft es nicht so richtig. Herzschlag hingegen geht, denn es ist zweifellos eine Art Herzschlag, den die neue Moto Guzzi California Custom bei gut 1000/min an der Ampel spüren lässt. Wer ihren Puls fühlen will, legt die Hände leicht auf die Enden des flachen Custom-Lenkers, die im Rhythmus des mächtigen 1400er tanzen. Vor, zurück, vor, zurück. Nicht nur sanft, sondern kräftig, über mehrere Zentimeter. Budum, budum. Dieser Motor lebt und bebt, wie es sich
für einen großen Cruiser-Antrieb gehört. Zudem wiegt jeder Gasstoß die California Custom nach rechts wie eine Windbö die Segeljolle. Die längs liegende Kurbelwelle vermeldet ihre Drehrichtung, die neue
California Custom ist schon im Stand ein
erhabenes Guzzi-Erlebnis.
Zweifellos auch für Moto Guzzi selbst, denn die Traditionsmanufaktur vom Comer See betritt mit der Custom tatsächlich Neuland. Vergessen die unbeholfenen Cruising-Versuche der Vergangenheit, hier stellt sich ein waschechter Schwermetall-Kraftmeier vor, der es faustdick zwischen seinem ewig langen Radstand hat. 1685 Millimeter - allein das ist eine Marke, die Respekt gebietet. Ebenso wie die 318 Kilogramm voll-
getankt (Werksangabe), zu der sich auf der MOTORRAD-Waage wohl noch das eine oder andere Kilogramm gesellen wird. Aber: Gewicht ist in dieser Motorradkate-
gorie ja kein Nachteil, Masse bedeutet
Klasse. Und von diesem typisch amerikanischen Standpunkt aus betrachtet hat die California Custom in jede Himmelsrichtung
mindestens ebenso viel zu bieten wie die böse Konkurrenz, deren Namen die Guzzisti in Mandello meiden wie der Teufel das Weihwasser.
An dieser Stelle jedoch darf man Klartext reden. Also: Wie viel Harley-Davidson kann Moto Guzzi? Oder anders gefragt: Schaffen es die Norditaliener, den "american way of drive" einzufangen, den die Custom-California per Definition ja noch stärker vertreten muss als ihre Touring-Schwester? Die Antwort lautet beinahe uneingeschränkt: "Ja." Und das, obgleich die technischen Änderungen gegenüber der Touring eher geringfügig ausfallen. Eine flachere, schmalere,
geradere Lenkstange, eine andere Sitz-
bank. Acht Millimeter längere, nun voll einstellbare Federbeine und jede Menge verchromtes Rohr - das war es auch schon, was die Custom-Califonia von der Touring-Version unterscheidet. Doch trotz der beinahe marginalen Unterschiede: Es ist - und das liegt vor allem an der Sitzposition - eine andere Welt, die die Custom verkörpert.
Deutlich vorderradorientierter - wenn man das bei diesem Radstand und 58 Grad Lenkkopfwinkel überhaupt sagen kann - sitzt es sich bei der ersten Sitzprobe. Mit dem Ergebnis, dass man ganz automatisch mehr Pilot und weniger Passagier sein will. Wie war das? ABS (bei dieser Fahrwerks-
geometrie ganz wichtig) und Traktionskontrolle sind mit an Bord? Dazu wegen der längeren Federbeine um fünf Grad mehr Schräglagenfreiheit? Da tendiert man angesichts drei verschiedener Mappings, die
via Ride-by-Wire den Öffnungswinkel der Einzeldrosselklappe beeinflussen (und
die serienmäßige Cruise-Control möglich machen), beinahe automatisch zur sportlichsten, nämlich der "Veloce"-Einstellung, in der es schon bei geringen Gasgriffausschlägen heftig vorangeht.
Dauerhaft erweist sich jedoch die mittlere, die "Tourismo"-Variante, als der beste Kompromiss zwischen vitalem Vortrieb und der sehr zurückhaltenden Leistungsentfaltung für Regenfahrten ("Pioggia"). Sie ist genau richtig für einen Cruiser, dessen Bestimmung trotz einiger Performance-Accessoires wie der mächtigen 320er-Bremsscheiben mit Vierkolben-Festsätteln oder der hochwertigeren Federbeine nach wie vor die eine ist: das gelassene Gleiten abseits jeder Hektik.
Wer das verinnerlicht, wird die Drehzahl in der Regel zwischen 1500 und 2500/min halten. Und damit in einem Bereich, in dem der V2 noch den Charakter eines Schiffs-
diesels verströmt und perfekt zur gelasse-
nen Gangart passt. Darüber hinaus ist jedoch Schluss mit Gestampfe, der 1400er entdeckt die Lust an der
Leistung. Dreht geschmeidig hoch, wenn es sein muss bis zur 7000er-Marke und ohne dass jemals Vibra-
tionen stören, weil Moto Guzzi sich des
alten Harley-Tricks bediente und den Motor in Gummilagern aufhängte, statt ihn als
tragendes Element an der Stabilisierung des Fahrwerks teilhaben zu lassen.
Apropos Fahrwerk: Man darf sich wirklich wundern, dass der Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr es schafft, die zwei Räder über diese Distanz so verwindungssteif zu verbinden. Funktioniert aber trotzdem gut, die Custom fährt nicht nur stabil, sondern auch handlich. Wohl auch, weil
man der Versuchung widerstand, den von Designer Miguel Galluzzi geforderten Ultrabreitreifen aufs Hinterrad zu ziehen und
so die klassenüblichen Aufstellmomente
zu ernten. Ein 200er muss reichen, fertig.
Tut er auch - und liefert in Kombination mit dem großen Querschnitt (200/60 R 16) und den ordentlich ansprechenden Federbeinen (120 statt 110 Millimeter Federweg bei der Touring) sogar einen für Cruiser-
Verhältnisse guten Federungskomfort. Dasselbe gilt für die 46er-Telegabel, die fein anspricht und dabei selbst heftige Bremsmanöver verdaut. Trotzdem gilt natürlich: Auch auf der California Custom sollte der Fuß kräftig mitbremsen, wenn es pressiert.
Und das tut es garantiert häufiger mal, denn unter dem Strich schafft es auch der Ruhepuls des 1400ers nicht immer, seine Gelassenheit auf den Fahrer zu übertragen. Zu groß sind seine Leistungsreserven, zu handlich und zielgenau ist dieses mächtige Gefährt, als dass einem nicht manchmal die Gäule durchgingen. So gesehen ist es dann nach wie vor auch ein wenig vom "italian way of drive", den die California Custom verkörpert. Und das ist gut so.
www.motorradonline.de/fahrberichte
Motor
Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle längs liegend, eine hoch liegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile, Tassenstößel, Stoßstangen, Kipp-
hebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine
550 W, Batterie 12 V/18 Ah, hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 3,6.
Bohrung x Hub 104,0 x 81,2 mm
Hubraum 1380 cm³
Verdichtungsverhältnis 10,5:1Nennleistung 71,0 kW (97 PS) bei 6500/minMax. Drehmoment 120 Nm bei 2750/min
Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel,
Ø 46 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 18; 6.00 x 16
Reifen 130/70R 18; 200/60R 16
Maße + Gewichte
Radstand 1685 mm, Lenkkopfwinkel 58,0 Grad, Nachlauf 155 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Sitzhöhe 740 mm, Leergewicht (fahrfertig)
318 kg, Tankinhalt/Reserve 20,5/5,0 Liter.Garantie zwei JahreFarben Schwarz, WeißPreis inkl. Nebenkosten 17950 Euro

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An dieser Stelle jedoch darf man Klartext reden. Also: Wie viel Harley-Davidson kann Moto Guzzi? Oder anders gefragt: Schaffen es die Norditaliener, den „American way of drive“ einzufangen, den die Moto Guzzi California 1400 Custom per Definition ja noch stärker vertreten muss als ihre Touring-Schwester? Die Antwort lautet beinahe uneingeschränkt: „Ja.“ Und das, obgleich die technischen Änderungen gegenüber der Touring eher geringfügig ausfallen. Eine flachere, schmalere, geradere Lenkstange, eine andere Sitzbank. Acht Millimeter längere, nun voll einstellbare Federbeine und jede Menge verchromtes Rohr - das war es auch schon, was die Moto Guzzi California 1400 Custom von der Touring-Version unterscheidet. Doch trotz der beinahe marginalen Unterschiede: Es ist - und das liegt vor allem an der Sitzposition - eine andere Welt, die die Moto Guzzi California 1400 Custom verkörpert.

Deutlich vorderradorientierter - wenn man das bei diesem Radstand und 58 Grad Lenkkopfwinkel überhaupt sagen kann - sitzt es sich bei der ersten Sitzprobe. Mit dem Ergebnis, dass man ganz automatisch mehr Pilot und weniger Passagier sein will. Wie war das? ABS (bei dieser Fahrwerksgeometrie ganz wichtig) und Traktionskontrolle sind mit an Bord? Dazu wegen der längeren Federbeine um fünf Grad mehr Schräglagenfreiheit? Da tendiert man angesichts drei verschiedener Mappings, die via Ride-by-Wire den Öffnungswinkel der Einzeldrosselklappe beeinflussen (und die serienmäßige Cruise-Control möglich machen), beinahe automatisch zur sportlichsten, nämlich der „Veloce“-Einstellung, in der es schon bei geringen Gasgriffausschlägen heftig vorangeht.

Dauerhaft erweist sich jedoch die mittlere, die „Tourismo“-Variante, als der beste Kompromiss zwischen vitalem Vortrieb und der sehr zurückhaltenden Leistungsentfaltung für Regenfahrten („Pioggia“). Sie ist genau richtig für einen Cruiser, dessen Bestimmung trotz einiger Performance-Accessoires wie der mächtigen 320er-Bremsscheiben mit Vierkolben-Festsätteln oder der hochwertigeren Federbeine nach wie vor die eine ist: das gelassene Gleiten abseits jeder Hektik.

Moto Guzzi
Schöne Perspektiven: Der 25-Liter-Stahltank wurde um den Motor herum modelliert, der Radstand ist ewig lang.

Wer das verinnerlicht, wird die Drehzahl in der Regel zwischen 1500 und 2500/min halten. Und damit in einem Bereich, in dem der V2 noch den Charakter eines Schiffsdiesels verströmt und perfekt zur gelassenen Gangart passt. Darüber hinaus ist jedoch Schluss mit Gestampfe, der 1400er entdeckt die Lust an der Leistung. Dreht geschmeidig hoch, wenn es sein muss bis zur 7000er-Marke und ohne dass jemals Vibrationen stören, weil Moto Guzzi sich des alten Harley-Tricks bediente und den Motor in Gummilagern aufhängte, statt ihn als tragendes Element an der Stabilisierung des Fahrwerks teilhaben zu lassen.

Apropos Fahrwerk: Man darf sich wirklich wundern, dass der Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr es schafft, die zwei Räder über diese Distanz so verwindungssteif zu verbinden. Funktioniert aber trotzdem gut, die Moto Guzzi California 1400 Custom fährt nicht nur stabil, sondern auch handlich. Wohl auch, weil man der Versuchung widerstand, den von Designer Miguel Galluzzi geforderten Ultrabreitreifen aufs Hinterrad zu ziehen und so die klassenüblichen Aufstellmomente zu ernten. Ein 200er muss reichen, fertig.

Tut er auch - und liefert in Kombination mit dem hochen Querschnitt (200/60 R 16) und den ordentlich ansprechenden Federbeinen (120 statt 110 Millimeter Federweg bei der Touring) sogar einen für Cruiser-Verhältnisse guten Federungskomfort. Dasselbe gilt für die 46er-Telegabel, die fein -anspricht und dabei selbst heftige Bremsmanöver verdaut. Trotzdem gilt natürlich: Auch auf der Moto Guzzi California 1400 Customsollte der Fuß kräftig mitbremsen, wenn es pressiert.

Und das tut es garantiert häufiger mal, denn unter dem Strich schafft es auch der Ruhepuls des 1400ers nicht immer, seine Gelassenheit auf den Fahrer zu übertragen. Zu groß sind seine Leistungsreserven, zu handlich und zielgenau ist dieses mächtige Gefährt, als dass einem nicht manchmal die Gäule durchgingen. So gesehen ist es dann nach wie vor auch ein wenig vom „italian way of drive“, den die Moto Guzzi California 1400 Custom verkörpert. Und das ist gut so.

Technische Daten

Moto Guzzi
Guzzis Weg zum Cruiser-Motor: 90-Grad-V2, fette 104er-Bohrung, kurzer Hub (81,2 Millimeter), eine Drosselklappe und lange Ansaugwege.

Motor
Luft-/ölgekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, Kurbelwelle längs liegend, eine hoch liegende, kettengetriebene Nockenwelle, vier Ventile, Tassenstößel, Stoßstangen, Kipphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine
550 W, Batterie 12 V/18 Ah, hydraulisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 3,6.
Bohrung x Hub 104,0 x 81,2 mm
Hubraum 1380 cm³
Verdichtungsverhältnis 10,5:1
Nennleistung 71,0 kW (97 PS) bei 6500/min
Max. Drehmoment 120 Nm bei 2750/min

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel,
Ø 46 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, zwei Federbeine, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 282 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS, Traktionskontrolle.
Alu-Gussräder 3.50 x 18; 6.00 x 16
Reifen 130/70R 18; 200/60R 16

Maße + Gewichte
Radstand 1685 mm, Lenkkopfwinkel 58,0 Grad, Nachlauf 155 mm, Federweg v/h 120/120 mm, Sitzhöhe 740 mm, Leergewicht (fahrfertig)
318 kg, Tankinhalt/Reserve 20,5/5,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Schwarz, Weiß
Preis inkl. Nebenkosten 17950 Euro

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