Geduckt schleichen die Menschen dahin, traurig und trist ist ihr Dasein. Die Sonne wirft ihr nur mehr schales Licht auf einen Planeten ohne Hoffnung. Über ihn herrscht Dr. Dark, der den Erdlingen die Seelen raubt. Unter seinem Joch gibt es keine Freude, nur Askese, stumpfe Vernunft und die Abkehr von jeglicher Lust. Doch es gibt Hoffnung. Das Schicksal der Welt liegt in Händen dreier Superhelden.
Ihre Mission: Power to the People! Angesichts der drei Power-Bikes fühlt man sich unweigerlich an Comic-Helden erinnert, flimmern Gotham City und das Batbike, Kryptonite oder der unglaub-liche Hulk im Hirnkino. Das Grollen, die dicken Muskeln und das schamlose Zurschaustellen schierer Kraft. Wenn Ducati Diavel, Suzuki B-King und Yamaha Vmax die Landstraße entlangbrettern und mit ihren Reifen den Asphalt massieren, gibt es für Dr. Dark nichts mehr zu lachen. Dein Ende ist nah, Tyrann!

Power, und zwar im Überfluss, eint unsere drei Helden. Nichts können sie besser, als mit einem Dreh am Gasgriff jedem eine zu verpassen - kawoom! Und sonst? Stehen drei völlig unterschiedliche Superheros zum Kampf bereit. Aus dem Bologna-Labor entfleuchte die Diavel, der rote Teufel. Überraschend flink für die Proportionen. Dabei sitzt es sich tief und passiv im Sattel, gehen die Arme weit nach außen zu den Lenkergriffen. Noch passiver ist der Sitzplatz der Vmax. Die Japan-Amazone entkoppelt ihren Reiter erheblich vom Vorderbau, und der Lenker an der hoch aufragenden Gabel wirkt schmal. Der Agilste unserer schlagkräftigen Truppe ist B-King.
Ein Muskelberg mit sportlichen Attributen. Aktiv fasst der Pilot den Hünen beim Lenker und kann ihn damit in satte Schräglagen werfen, was die anderen beiden mit ihren tiefen Fußrasten nicht auf dem Plan haben. Die sportlichen Gene der Suzuki unterstreicht auch der Lenkungsdämpfer, den die B-King als Einzige bietet und auch nötig hat, denn aus den Kurven heraus hebt der brutale Motor die Front gern an. Hat die B-King also enorme Kraft, verlangt sie die kaum vom Fahrer, wenn es in Wechselkurven geht. Das Handling ist schlicht verblüffend für so ein großes Motorrad.
Allerdings trübt das heftige Aufstellmoment auf der Bremse das sonst tadellose Bild. Der 200er-Hinterreifen mit dem niedrigen 55er-Querschnitt macht sich hier doch negativ bemerkbar. Da müsste man bei der Diavel Schlimmstes erwarten, denn bei ihr wälzt sich ein 240er-Pneu über den Asphalt. Aber von Aufstellmoment ist auf dem Teufel nichts zu spüren. Er geht völlig neutral zur Sache und zeichnet sich durch hervorragende Kurvenstabilität aus. Klar, lässt er in Sachen Handlichkeit der B-King den Vortritt, logisch, legt das Bike nicht so schnell von links nach rechts um. Aber in die Schublade Power-Cruiser gesteckt, ist das Fahrverhalten selbst für Sportfans zum Genießen. Da gebührt auch Pirelli für den speziell entwickelten Hinterreifen ein Lob. Das gibt es genauso für die Brembo-Stopper. Sowohl Dosierbarkeit als auch Biss passen mehr als angemessen zum Konzept. Dazu kommt ein sportliches ABS, das dem Piloten ausreichend Vertrauen für angriffslustige Bremsmanöver beschert, welches durch das mangelnde Gefühl fürs Vorderrad sonst wohl dahin wäre.
Die Gabel ist nicht nur wegen ihrem Einfluss auf die Geometrie eine Schwäche der Diavel. Besonders das schnelle Absacken bei Bremsattacken stört. Eventuell hilft mehr Gabelöl, denn das Phänomen stellt sich nur im ersten Drittel des Federwegs ein. Trotz voll einstellbarer Forke und unseres Bemühens um ein passendes Setup konnten wir bei der Diavel diese Marotte jedenfalls nicht abstellen. Auch die Vmax bietet voll einstellbare Dämpfer. Per Handrad lässt sich gleichfalls die Vorspannung am Heck problemlos bedienen.

Dieser Handgriff ist bei der Vmax im Grundsetup unerlässlich. Ihr Heck hängt hyänengleich herunter. Fährt man die Vmax mit Zug durch die Kurven, fängt es hinten deutlich an zu pumpen. Dabei sollte sie mit dem gigantischen Radstand von 1700 Millimetern eigentlich wie angenagelt überm Asphalt liegen. Entsprechend vorgespannt ließ sich dieses ungewollte Schwänzeln deutlich mildern, ganz weg bekommt man es aber nicht. Das Federbein passt nicht, die Druckstufe ist unter-, die Zugstufe überdämpft. Für den sportlichen Ritt ist die Yamaha eben nicht gemacht. Neben ihrem allgemein trägen Gemüt spricht schon allein die Gabel mit dem fehlenden Gefühl fürs Vorderrad dagegen. Außerdem lenkt die Vmax in engen Kurven in bester Chopper-Manier selbstständig ein, sodass ihr Reiter permanent dagegendrücken muss. Auch in schwungvoll-offeneren Bögen kommt man ums Gegenhalten nicht ganz herum.
Wohl ein Tribut an den mit 148 Millimetern extrem langen Nachlauf. Dafür spricht die Dämpfung dann doch gut an. Die Stopper sind aber etwas stumpf und die Bremsdosierung geht gerade in Ordnung. Das ABS überzeugt dagegen und macht doch Mut für ein paar wilde Manöver. Setzen wir im Kampf gegen Dr. Dark also alles auf eine Karte. Die da lautet: Motorpower.
Der Zweizylinder der Diavel, der Reihenvierer der B-King und der V4 der Vmax mögen völlig unterschiedliche Konzepte sein, die Emotionen, die sie wecken, sind dieselben – Lust an unvernünftiger Kraftmeierei. Bei der Ducati funktioniert das Erlebbare weniger über die pure Leistung des Twins als vielmehr das Zusammenspiel des Ganzen. Bei einem Gewicht von vollgetankt 241 kg kann der 1200er-Motor mit den 153 PS schon begeistern. Und das obwohl dieser Motor im 1198er-Superbike mit 132 Nm satte 10 Nm mehr hat. Die Diavel hängt aber so gierig am Gas, dass jeder Dreh sofort für Schub sorgt, was gefühlsmäßig durch die aufrechte Sitzposition noch verstärkt wird.
Die Leistungsentfaltung gelang den Laboranten in Bologna sehr gut. Auch Lastwechsel kennt die Diavel kaum. Am besten macht der Twin seine Sache zwischen 3500/min und etwa 6000/min. Da läuft er derartig ruhig, linear und druckvoll – so wird der rote Teufel dich vernichten, Dr. Dark! Darunter hackt es mitunter, drüber schüttelt es und wirkt der Twin nicht mehr ganz so spritzig. Etwas unausgeglichen ist das Getriebe. Zwar ist die Abstufung gut gelungen, aber die Gänge flutschen nicht gerade leicht rein, brauchen Entschlossenheit im Fußgelenk. Die Kupplung geht dagegen ausgesprochen gut und wird durch das Anti-Hopping noch aufgewertet. Das geht der B-King leider ab. Hohe Handkraft und die fehlende Anti-Hopping-Kupplung, sodass die Suzuki bei forschem Runterschalten auch mal hinten stempelt, kosten Punkte. Dafür ist das Getriebe Sahne.

Der Motor ist auch bei der B-King das Glanzstück. Die Leistungsentfaltung ist ohne Fehl und Tadel. Der 1340er hängt zwar nicht ganz so gierig am Gas wie der Diavel-Twin, braucht mitunter eine Gedenksekunde, feuert dann aber ordentlich vorwärts. Dieses Wahnsinnsgefühl mindern lediglich die feinen Vibrationen hier und da. Während die Duc auf Leistungskappungen verzichtet, ist diese bei der B-King in den Gängen fünf und sechs stark beschnitten. Das Ende der Spitzengeschwindigkeit liegt so bei 250 km/h. In den unteren Gängen ist das Drehmoment gekappt. Die volle Drehzahl von 11 000/min gibt es überhaupt nur im vierten Gang. Wenn Dr. Dark aber meint, er hätte es mit einem Weichei zu tun, irrt er sich gewaltig!
Falls B-King und Diavel für die Vernichtung des Erden-Peinigers dennoch nicht reichen, die Vmax wird ihn richten. Diese Power-Wumme im V4-Format ist ganz einfach der Oberhammer. Laufkultur, Durchzug, Leistungsentfaltung, egal in welchem Bereich, der Yamaha-Motor schleudert die brutalsten Fäuste ans Kinn. Ein leichter Dreh am Gasgriff genügt, um sämtliche Eingeweide an der Wirbelsäule aufzureihen. Das fühlt sich gigantisch an, obwohl auch hier die Elektronik regelnd eingreift. Im fünften Gang ist beispielsweise schon bei 7500/min der Gipfel erreicht, im vierten ist nach knapp 9000/min Schluss. Nur im dritten Gang reißt die Vmax die 10.000er-Drehzahlgrenze.

Trotzdem ist ein maximales Drehmoment von 171 Nm eine unverblümte Ansage, die sich dennoch leicht abrufen lässt. Der Massenausgleich ist den Japanern sehr gut gelungen, Vibrationen kennt dieses gigantische 1700er-Triebwerk eigentlich nicht. Leichte Unruhe bringt höchstens der Kardan über den Antriebsstrang, wenn entschlossen sportlich runtergeschaltet wird. Die Anti-Hopping-Kupplung sorgt aber dafür, dass sich das in erträglichem Rahmen hält.
So betrachtet ist die Vmax das kontroverseste Bike in der Schlacht: Dieser unfassbar potente Motor – der allerdings auch ganz schön durstig ist – hängt in einem nur bedingt genießbaren Chassis. Doch als sich der Schlachtenrauch verzieht, stehen am Ende drei Sieger. Sie kamen aus dem Nichts, um den benzingeschwängerten Hedonismus zurückzubringen. Kaum war Dr. Dark mit einem lauten Donnerhall verschwunden, brach die Sonne durch das diesige Firmament. Überall erhoben sich die Menschen vom Joch, scharten sich um unsere Helden und ließen sie hochleben. B-King standen die Tränen in den Augen, denn während die anderen beiden ihren Ruhm genossen, wusste er um sein Schicksal. Seine Zeit auf diesem wundervollen Planeten ist um. Möge die Welt ihn nie vergessen!
Leistungsdiagramm

Kurz übersetzt, überlegene Leistungsdaten und beste Fahrleistungen machen den Yamaha-V4 zum Siegertypen. Wenn das Fahrwerk nicht wäre.
Auf Rang zwei rangiert die B-King, die wir zukünftig nur noch auf dem Gebrauchtmarkt finden werden. Beim Durchzug fehlt etwas die Entschlossenheit, aber der überarbeitete Hayabusa-Motor hat großes Potenzial, das Suzuki offensichtlich nicht mehr ausschöpfen möchte.
Für Powerfans hat dafür Ducati etwas ganz Neues im Angebot, und der Test wie auch das Diagramm und die Fahrleistungen zeigen, dass der Superbike-Motor mit entsprechender Überarbeitung gut fürs Power-Cruisen taugt. Das Chassis macht auch mit.
Ducati Diavel

Antrieb
Zweizylinder-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 112,7 kW (153 PS) bei 9500/min*, 128 Nm bei 8000/min*, 1198 cm³, Bohrung/Hub: 106,0/67,9 mm, Verdichtungsverhältnis: 11,5 :1, Zünd-/Einspritzanlage, 56-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat, Kette
Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, Lenkkopfwinkel: 62,0 Grad, Nachlauf: 130 mm, Radstand: 1590 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 50 mm, einstellbar in Federbasis,
Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/120 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.5 x 17"/8,0 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 240/45 ZR 17, Erstbereifung: Pirelli Diablo Rosso II, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 256-mm-Einzelscheibe mit Zweikolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2230/940/1270 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 760/1080 mm, Lenkerbreite: 765 mm, 237,5 kg vollgetankt, v./h.: 50,1/49,9 %
Hinterradleistung im letzten Gang
106,6 kW (145 PS) bei 228 km/h
Verbrauch
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 6,8 Liter/100 km, Tankinhalt: 17 Liter, Reichweite: 250 km
Grundpreis
16.990 Euro (zzgl. Nk), Testmodell Diavel Carbon 19.690 Euro
Yamaha Vmax

Antrieb
Vierzylinder-65°-V-Motor, vier Ventile/Zylinder, 147,2 kW (200 PS) bei 9000/min*, 167 Nm bei 6500/min*, 1679 cm³, Bohrung/Hub: 90,0/66,0 mm, Verdichtungsverhältnis: 11,3 :1, Zünd-/Einspritzanlage, 48-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Fünfganggetriebe, G-Kat, Kardan
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 59 Grad, Nachlauf: 148 mm, Radstand: 1700 mm, konventionelle Telegabel, Ø Gabelinnenrohr: 52 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg vorn/hinten: 120/110 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.5 x 18"/6.0 x 18", Reifen vorn: 120/70 ZR 18, hinten: 200/50 ZR 18, Erstbereifung: Bridgestone BT 028, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit Sechskolben-Festsätteln vorn, 320-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2395/820/1190 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 775/1090 mm, Lenker-breite: 740 mm, 314 kg vollgetankt, v./h.: 49,9/50,1 %
Hinterradleistung im vierten Gang
133 kW (181 PS) bei 189 km/h
Verbrauch
Kraftstoffart: Super bleifrei. Durchschnittstestverbrauch: 9,2 Liter/100 km, Tankinhalt 15 Liter, Reichweite: 156 km
Grundpreis
19.750 Euro (zzgl. Nk)
Suzuki B-King

Antrieb
Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 135 kW (184 PS) bei 9500/min*, 146 Nm bei 7200/min*, 1340 cm³, Bohrung/Hub: 81/65 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,5 :1, Zünd-/Einspritzanlage, 44-mm-Drosselklappen, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat
Fahrwerk
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 64,5 Grad, Nachlauf: 107 mm, Radstand: 1525 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe. Federweg v./h.: 120/137 mm
Räder und Bremsen
Leichtmetall-Gussräder, 3.5 x 17"/6 x 17", Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 200/50 ZR 17. Erstbereifung: Dunlop Qualifier "MT"/"NK". 310-mm-Doppelscheibenbremse mit Vierkolben-Festsätteln vorn, 310-mm-Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel hinten
Maße und Gewicht
Länge/Breite/Höhe: 2226/850/1260 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 810/1020 mm, Lenker-breite: 790 mm, 262 kg vollgetankt, v./h.: 51/49 %
Hinterradleistung im vierten Gang
120 kW (163) PS bei 223 km/h
Verbrauch
Kraftstoffart: Super, Durchschnittstestverbrauch: 8,5 Liter/100 km, Tankinhalt/davon Reserve: 16,5/k. A. Liter, Reichweite: 194 km
Grundpreis
13.290 Euro (zzgl. NK), Testmodell Spezial Edition 17.490 Euro

Ducati Diavel
Die Ducati verblüfft bei dem Konzept durch ihre Fahreigenschaften, der Motor krönt das Ganze, und die Elektronik und Ausstattung bringen die entscheidenden Siegpunkte. Der Ritt auf dem Teufel hat mir als Sportler-Fan erstaunlich großen Spaß gemacht.

Suzuki B-King
Warum kam die B-King nicht gleich so, wie sie jetzt am Ende aussieht? Dass das Motorrad richtig was drauf hat, wussten wir immer. Die schwachen Verkaufszahlen gehen zu 100 Prozent aufs Design.

Yamaha Vmax
Ganz einfach: Dieser geile Motor – man muss das mal erlebt haben – rein in ein sportlicheres Fahrwerk! Eine Sportskanone kann dabei nie herauskommen, aber etwas mehr Agilität ist sicher machbar.