Elektromobilität bei Zweirädern
E-Tanke, E-Sharing, E-Förderung, E-Rekorde

Was in Sachen Elektromobilität bei Zweirädern alles geht, listen wir euch hier auf.

Energica Eva
Foto: Giuseppe Gori

Verbrenner oder Elektro-Motorrad? Ganz ehrlich, in der MOTORRAD-Redaktion wird darüber nicht ernsthaft gestritten. Vollständig ersetzen wird die Akku-Technik den Benzintank in absehbarer Zeit ziemlich sicher nicht. Aber – und jetzt kommt der Punkt: Das muss und soll sie doch auch gar nicht. In Zukunft werden wir nicht fragen, ob Verbrenner oder Elektro-Motorrad, sondern entscheiden, welches Bike oder welcher Roller für welchen Zweck.

Unsere Highlights

Die Einkaufsfahrt in die ­City oder der tägliche Weg zur Arbeit? Gerne mit dem E-Motorrad oder auch dem E-Scooter. 30 PS, 100 Kilometer Reichweite – das reicht locker und wird mit steigenden Stückzahlen und neuen Techniken immer zuverlässiger und bezahlbarer. Der Urlaub in den Alpen? Natürlich mit dem Verbrenner, denn wer möchte schon seine Tagestouren von der Speicherkapazität seiner Akkus abhängig machen?

Elektro-Roller-Sharing in Großstädten

Scoo.me heißt das Startup, das in München und Köln für Elektro- und Verbrenner-Roller auf den Straßen sorgt. Es läuft alles über eine App – sowohl die Führerscheinprüfung als auch die Reservierung und die Entriegelung des Fahrzeugs. Ein Monatsbeitrag ist nicht fällig, bezahlt wird nach Minutenabrechnung.

Foto: Stadtwerke Stuttgart
Die E-Roller-Flotte Stella zapft Ökostrom der Stadtwerke Stuttgart.

Emmy stellt E-Scooter in Berlin, Hamburg und München bereit. In Stuttgart kooperiert der Anbieter mit den Stadtwerken und betreibt auch dort eine ansehnliche Flotte von Elektro-Rollern, die unter dem Namen Stella bekannt ist. In Düsseldorf nennt sich das eddy. Bosch probiert's ebenfalls in Berlin und hat dafür die Tochterfirma Coup gegründet.Für rund 100 Kilometer reicht der Saft bei den Miet-E-Rollern. Ladesäulen sind bei diesem Konzept nicht unbedingt notwendig, da die Akkus regelmäßig von den Anbietern getauscht werden.

Markt und Hersteller in Deutschland

Zero Motorcycles war 2016 und 2017 der Hersteller mit den größten Absatzzahlen im Bereich der Elektro-Motorräder, wobei "groß" hier nicht das treffende Wort ist. 2016 verkaufte Zero 151 Modell, 2017 waren es 127. Damit liegt der Hersteller zwischen Victory und GasGas auf Rang 19 der beliebtesten Motorrad-Hersteller in Deutschland.

Foto: Hersteller
Zero hat mit der Zero DSR Black Forest das erste speziell für den europäischen Markt entwickelte Elektro-Motorrad für längere Touren vorgestellt.

Eine aktuelle Studie befragte Motorradfahrer zum Thema Elektromobilität: 18,8 Prozent der Befragten können sich die Anschaffung eines Elektro-Rollers vorstellen, nur 14,3 Prozent die Anschaffung eines E-Motorrads. Die Antworten überraschen nicht, denn auch Motorradfahrer wissen die praktischen Vorzüge von Rollern im Alltag zu schätzen. Mit dem Motorrad hingegen (längere) Touren fahren, das lönnen sich weniger Fahrer vorstellen. Quelle: Motorrad-Studie MPS/IfD-Allensbach 2017

Alpentour mit dem Elektromotorrad

Unsere Italien-Korrespondentin Eva Breutel wollte es wissen: Kann man mit einem Elektromotorrad angemessen zügig über die Alpen fahren? Angetan hatte es ihr die Energica mit dem Namen Eva, ein 300-Kilo-Stromer, der erstaunlich gut fährt, aber auch erstaunlich laut heult. Immerhin, Eva gelangte von Bozen nach München. Wenn auch das Thema Stromtanken noch ein weites Feld voller Überraschungen ist.

Energica Eva
Giuseppe Gori
Auf Kupplung und Getriebe kann der Elektromotor verzichten, liefert er doch nahezu aus dem Stand das maximale Drehmoment. Der Kehrentwist gelingt so einfach wie mit einem getunten Mofa. Gas zu, bremsen, umlegen, Gas auf. Minimale Lastwechselreaktionen, satter Druck beim Anlegen des E-Gases. Klasse.

Erstaunlich gering ist dabei noch immer die Reichweite der Elektromotorräder. Die Energica machte da keine Ausnahme. So um die 100 Kilometer weit kommt die knapp 100 PS starke Maschine bei gemäßigtem Tempo, dann ist Stromfassen angesagt. Das macht eigentlich nur für festgelegte Routen Sinn. Mal eben kurz die Hausstrecke abfahren, das geht nicht, es sei denn, sie ist eben entsprechend kurz. In etwa so, als würde man mit drei Liter Sprit im Tank losfahren. Macht so eigentlich kein Mensch, oder?

E-Tanke und Sperrung für Verbrenner in Dolomiten

Elektromotorradbauer Energica versorgt seine Kunden in den Dolomiten mit Strom. Die Italiener eröffneten 2017 in Wolkenstein im Grödnertal ihre erste Fast Charge-Tankstelle.

Besitzer von Energica-Motorrädern können die E-Tanke kostenlos nutzen. Energica-Chefin Livia Cevollini begründet den Schritt damit, dass Automobilhersteller und staatliche Stellen Elektrotankstellen vor allem in großen Städten und an Hauptverkehrsknotenpunkten installierten. "Motorradfahrer nutzen aber vor allem alternative Strecken." Energica will ein Netz eigener E-Tankstellen auf- und ausbauen.

Foto: Energica
E-Tankstelle von Energica Alperia-Fast-Charge.

Seit Juli 2017 ist das Sellajoch in den Dolomiten jeden Mittwoch für Motorräder und Autos mit Verbrennungsmotoren gesperrt. Zudem denkt man darüber nach, 2018 auch die Pässe Pordoi, Grödnerjoch und Campolongo zeitweilig zu sperren. Die örtlichen Restaurant- und Hotelbetreiber fürchten Umsatzeinbußen. Kritik kam auch aus der norditalienischen Region Veneto. Die grenzt ebenfalls an den Sella, wurde vor der Sperre aber nicht gefragt. Auch da fürchtet man, dass die Touristen ausbleiben. Wenn es wirklich um den Umweltschutz gehe ,"soll Südtirol den Brenner schließen", spottet Luca Zaio, der Präsident des Veneto. Nur von Motorradfahrerverbänden kam bislang kaum Kritik an der Maßnahme. Ein Motorradhersteller aber wusste die Sperre für sich zu nutzen: Energica aus Modena bot flugs Testrides am Sella an. Denn bei dessen Modellen handelt es sich um Elektromotorräder – und die dürfen auch mittwochs.

Ducati-Zero

Der Entwurf eines elektrisch angetriebenen Racebikes stammt von zwei Studenten aus Mailand.

Der Niederländer Bart Heijt und sein brasilianischer Kommilitone Fernando Pastre haben die Ducati Zero als Master-Arbeit ihres Studiums von "Transportation and Car-Design" an der polytechnischen Design-Schule von Mailand entworfen.

Für ihr Projekt dürfen die Studenten den Herstellernamen Ducati nutzen. Der äußerlich an sich eher dröge Elektromotor wird geschickt in Szene gesetzt und ist durch ein transparentes Verkleidungsteil sichtbar. Je nach Fahrmodus Eco, Strada oder Corsa (Rennstrecke) wechselt das Zero-Logo die Farbe: Grün, Weiß oder (Ducati-)Rot.

Rekorde mit E-Motorrädern

Mit einem selbst gebauten Elektromotorrad haben Studenten der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden die Welt umrundet. Dabei haben sie ihren selbst gesteckten, bei Verne entliehenen Zeitplan von 80 Tagen gerade so geschafft. Am 14. August 2016 gestartet, kehrten sie planmäßig am 2. November 2016 um 17.30 Uhr zurück auf den Campus der Uni, nach 23.000 Kilometern durch Europa, Asien und die USA. Das "Storm Wave" genannte E-Motorrad hat eine maximale Reichweite von 380 Kilometern pro Ladung und eine Höchstleistung von 70 kW. Die aus 24 Modulen bestehenden Wechsel-Akkus speichern bis zu 28,5 kWh.

Foto: Storm/Eindhoven
In 80 Tagen um die Welt, das ist Rekord. Im Sinne des Romanautors Jules Verne sind diese Studenten echte Pioniere.

Reichweiten-Rekord mit einer Zero: Der Berliner Remo Klawitter hat 2018 einen Reichweiten-Rekord mit der Zero DSR 14.4 aufgestellt. In 24 Stunden legte er eine Distanz von 1.113,4 Kilometern zurück. 24 Stunden lang pendelte er zwischen Oranienburg und dem Landeszentrum für erneuerbare Energien in Neustrelitz auf der B 96 hin und her. Nettofahrzeit: 14,5 Stunden. Die restlichen 9,5 Stunden lud er die Zero neunmal an einer Typ 2-Ladesäule.

Österreich und England fördern E-Motorräder

Anders als in Deutschland, wo die im Juli 2016 eingeführte "Umweltprämie" nur für vierrädrige Elektrofahrzeuge gilt, bezuschusst Österreich ab 2017 auch den Neukauf von Elektro-Motorrädern.

Foto: Johammer
Bis zu 750 Euro Kaufzuschuss gibt's bei unseren Nachbarn beim Kauf eines Elektro-Motorrads.

Staatlicherseits sieht das Förderprogramm einen Zuschuss von 375 Euro für ein neues E-Motorrad oder E-Moped vor. Dazu kommen noch einmal bis zu 375 Euro, mit denen sich Österreichs Fahrzeughersteller, z. B. KTM und Johammer, bzw. Importeure an der Förderung beteiligen. Und zwar zusätzlich zu handelsüblichen Rabatten, wie es in einer Mitteilung der Arge2Rad heißt.

Die Arge2Rad ist der Dachverband der österreichischen Zweiradindustrie. Den Bundesanteil können österreichische E-Motorradfahrer seit 1.3.2017 nach dem Neukauf (Rechnungsdatum ab 1.1.2017) unter www.umweltfoerderung.at beantragen. Die 375 Euro werden dann direkt auf das Konto des Motorradkäufers überwiesen. Der Industrie-Anteil, also die zweiten 375 Euro, werden laut Arge2Rad direkt vom Kaufpreis abgezogen. Diese Vereinbarung gilt bis Ende 2018 bzw. dem Ausschöpfen der verfügbaren Mittel. Österreich ist nach England das zweite europäische Land, das Elektromobilität beim Zweirad fördert.

Wasserstoffmotoren – Treibstoff von morgen?

Honda und General Motors wollen 2020 gemeinsam die Serienfertigung von Brennstoffzellensystemen starten. Dafür investieren beide Konzerne zusammen insgesamt 85 Millionen US-Dollar. Die Antriebstechnik könnte der Schlüssel zur Mobilität der Zukunft sein, brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge verbrauchen nur Wasserstoff, emittieren nur Wasserdampf. Bereits 2004 hat Honda den Prototyp eines brennstoffzellenbetriebenen Rollers gezeigt. Die Serienfertigung scheiterte bisher an zu hohen Kosten.

Foto: lampertz.de

Die Brennstoffzelle: Wasserstoff plus Sauerstoff ist gleich Wasserdampf – so lautet die vereinfachte Formel für die Abläufe in der Brennstoffzelle. Die Energiegewinnung geschieht nämlich durch eine Reaktion der beiden über Elektroden zugeführten Ausgangsstoffe Wasserstoff und Sauerstoff. Vorteil: Die dadurch erzeugte Elektrizität entsteht ohne nennenswerte Wärmeentwicklung, ergo sehr effizient. Nachteil: Die Gewinnung von Wasserstoff ist sehr energieintensiv. Außerdem ist sowohl die Lagerung als auch die Betankung aufwendig.

Motivation für Elektromobilität

Rein theoretisch haben 2,5 kWh den Gegenwert von 0,3 Liter Benzin. Während der Verbrenner bestenfalls 37 Prozent der Energie des Kraftstoffs nutzt, arbeitet ein Elektromotor mit über 90 Prozent Wirkungsgrad. So wird rechnerisch aus einem Viertel- fast ein Dreiviertelliter Spritvorrat. Zusätzlich zum Wirkungsgrad spielt die CO2-Bilanz des verwendeten Stroms eine Rolle. Nur Elektrizität aus erneuerbaren Energien ist quasi CO2-frei. Sie deckte 2013 ein Viertel des deutschen Strombedarfs – Tendenz steigend.

Foto: Jörg Lohse
Lautstärke ist bei den Verbrenner-Motorrädern ein Thema. Vor allem bei Anwohnern in der Nähe von beliebten Motorradstrecken.

KTM-Entwicklungschef Philipp Habsburg nennt noch eine weitere Motivation, Elektromobilität zu forcieren: "Geräusch- und Emissionsvorschriften bekommen immer stärkeren Einfluss." Deshalb gewinne der Elektroantrieb stetig an Bedeutung. "Mittel- bis langfristig rechnen wir fest damit, dass E-Motorräder ihre Marktrelevanz steigern werden", so Habsburg, "sowohl auf der Straße als auch im Gelände."

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MOTORRAD 12 / 2023

Erscheinungsdatum 26.05.2023