Ok, jetzt halten sie mich endgültig für bescheuert. Neben meinem Motorrad lade ich an diesem Sonntag zusätzlich einen E-Scooter aus dem Auto. Peinlich, aber nicht ganz so peinlich wie damit in der U-Bahn sämtlichen Fahrgästen gegen die Knöchel zu rempeln. Es nieselt, der Boden ist aufgeweicht – perfekte Bedingungen für einen Zweiradtest, wie er so vielleicht noch nie stattgefunden hat. Denkbar ungünstige Geometrie, 10-Zoll Rädchen und ganz einfach die Tatsache, dass es ein Roller ist, sprechen gegen Offroadtauglichkeit. Aber das will ich natürlich genau wissen.
Exit-Cross: Der erste Eindruck
Knapp 20 Kilo wiegt der XL-Roller, das ist ein Brocken. Mittlerweile unterbieten gute Elektro-Mountainbikes diesen Wert locker, dabei ist da doch eigentlich viel mehr dran als an einem Tretroller, die Akkus sind größer, alles ist größer. Aber gut, das ist noch kein Totschlagargument. Bereits mit den ersten Tritten auf das extrabreite Brett versaue ich dieses komplett, der Matsch bleibt gut an der rauen Oberfläche hängen. Aber auch die Füße rutschen nicht vom Fleck und finden stabilen Halt.

Auf den ersten Metern dann wird das Gewicht doch spürbar, denn der Exit Cross muss zunächst ohne Motor angeschoben werden, bis der Gasgriff Erlösung bringt. Dementsprechend ergibt sich eine leichte Verzögerung, oder Unsicherheit, wann die Unterstützung eingreift und wie lange diese anhält. Spontan noch einen kleinen „Gasstoß“ nachlegen ist schwierig. Auch die Höhe des Trittbretts zwingt den Fahrer dazu, zum Schwungnehmen eine ernstzunehmende einbeinige Kniebeuge zu machen. Zwar ergibt sich dadurch mehr Bodenfreiheit, was im Gelände ja stets von Vorteil ist, aber auch der Schwerpunkt verlagert sich weiter nach oben. So sind tatsächlich die Basics wie einhändig Fahren zum Anzeigen der Richtung nicht ganz einfach zu handlen. Blinker zum Einschrauben an den Lenkerenden will der Hersteller im Januar 2020 kostenlos nachliefern, diese befänden sich momentan noch in der Zulassung.
Nebenher rennen, dann aufspringen
Um nun endlich Fahrt aufzunehmen ist die Taktik also klar: Ich muss mit Schwung arbeiten. Während ich anfangs mit dem Fuß stochernd versuche, den Roller zum Rollen zu bringen, entdecke ich wenig später eine bessere Variante: Nebenher rennen, aufspringen und direkt Gas geben. Das klappt auf der Geraden vorzüglich, bergauf eher schleppend. Die beiden Scheibenbremsen positiveren den Gesamteindruck erheblich, bremsen zuverlässig und gut dosierbar, jedoch scheinen sie ein wenig zu schleifen – so lässt ein leichtes Geräusch vermuten. Aber Achtung Motorradfahrer: Rechts ist hinten, wie beim Fahrrad. Dies im Hinterkopf überrascht ein weiteres Bonbon: Die Bremshebel sind außen gummiert, sodass der Zeigefinger – sogar mit Handschuh – nicht abrutschen kann. Griffe und Bremsanlage wirken stabil und sollten leichte Stürze gut wegstecken. Die Lenkerenden sind aus stoßfestem Metall und lassen sich zum Einsetzen der Blinker-Anlage aufschrauben.

Schwierigkeiten im Gelände
Auch insgesamt macht der Roller einen robusten Eindruck, was sich im Gewicht wiederum negativ abzeichnet. So liegt er zwar satt auf der asphaltierten Straße, ist im Gelände jedoch nicht so leichtfüßig zu handhaben, wie man es sich wünschen würde. Aber da muss ich nun durch. Ich jage den Exit Cross über Schotter – funktioniert solide – dann über gröbere Steine: unbeholfen springen die Reifen hin und her und bedeuten mir, dass dies nicht unbedingt sein natürlicher Lebensraum ist. Auf der Wiese hingegen komme ich mit den Stollenreifen gut voran, kleine Unebenheiten gleichen sie zuverlässig aus. Rutschiger Lehmboden ist und bleibt leider rutschig: einmal zu schnell eingelenkt ist der Grip dahin und mit einem Sprung vom Trittbrett fange ich uns beide gerade noch ab.

Große, breite Räder und stabile Bauteile
Was sich leider in vielen Bereichen auswirkt ist das steinharte „Fahrwerk“. Beide Federelemente – also die kleinen Stoßdämpfer hinten und die Feder vorne – bewegen sich nicht merklich und verfehlen somit im Gelände ihre so dringend benötigte Funktion. So gestaltet sich schon die Fahrt über Kopfsteinpflaster relativ holprig – wenn auch dennoch deutlich angenehmer als mit einem „normalen“ E-Roller. Hier liegen tatsächlich seine Stärken: Große, breite Räder, viel Gewicht, stabile Bauteile – dieses Modell trotzt Schlaglöchern und aufgeplatztem Asphalt mit viel Selbstbewusstsein und stellt dabei herkömmliche Modelle mit kleinen Rädchen und Spielzeugcharakter in den Schatten.
Am Ende des Tages steht ein verdreckter, etwas überforderter E-Roller vor mir und möchte gern aus Monas Spieleparadies abgeholt werden. Das sei ihm gegönnt, er muss keine rutschigen Hänge meistern können, keine Steinstufen erklimmen. Also klappe ich den Roller mit zwei Handgriffen zusammen, knicke die Lenkerenden ab und erinnere mich: Aus den Beinen heben, nicht aus dem Rücken.
Preise und Details
Maximale Geschwindigkeit: 20 km/h
Nettogewicht: 19,8 Kg
Maße: Entfaltet 115x53x120 cm, Gefaltet 124x22x50 cm
Batterie: Wahlweise 48 V 10,4 ah (499,2Wh) oder 15,6 ah (748,8 Wh)
Motor: 500 Watt
Max. Fahrergewicht: 120 Kg
Wasserbeständigkeit: IP54
Max. Reichweite: 30-48 km
Reifengröße: 10 Zoll
Straßenzulassung, Kennzeichenhalter, Beleuchtung
Max. Ladezeit: Schnelllader 110V-240V 50-60HZ, 5-6 Stunden mit 15 Ah Akku, ca. 4-5 Stunden mit 10.4 Ah Akku
Preis: 1.099 bis 1.199 Euro
Ab Herbst 2019 soll die neuste Version 1.6 angeboten werden. Im Gegensatz zu unserem Testmodell sind nun verbesserte Stoßdämpfer und ein stärkeres Schutzblech verbaut. Auch die Gasannahme soll sich verbessert haben. Die Kriterien, die wir bei der Vorgängerversion bemängelt haben, sollen nun also ein Upgrade bekommen haben.
Fazit
Zugegeben: Ich habe es mit dem Offroad-Einsatz etwas übertrieben. Sicher wurde der Roller nicht gebaut, um steinige Auffahrten im Gelände zu meistern. Auf Schotter und Wiese fährt er sich solide, kommt durch die Stollenreifen sehr weit und schlägt die herkömmlichen Straßen-Versionen locker. Einzig das Fahrwerk muss stark bemängelt werden. Schätzungsweise trägt es unter anderem zu dem hohen Gesamtgewicht bei, hat aber so gut wie keinen Nutzen für den Fahrkomfort – dann doch lieber gleich ohne. Am positivsten aufgefallen ist die Bremswirkung und die Hebelei: Zwei Scheibenbremsen und gummierte Griffe sorgen für den schnellen Stopp.
Zusammengefasst ist er also eine deutlich stabilere, aber auch deutlich schwerere Version eines gewöhnlichen E-Tretrollers mit leichten Offroad-Ambitionen und dürftigem Fahrwerk.
Ob sich die angegebenen Punkte bei der neuen Version verbessert haben, können wir leider nicht sagen. Es bleibt also zu hoffen, dass die 1.6er Variante ihr Versprechen von besserem Fahrwerk und besserer Gasannahme hält.