40 Jahre Yamaha Ténéré – es fällt mir schwer, objektiv zu bleiben, schließlich bin ich unheilbar vom Ténéré-Virus infiziert. Wie das kam? Durch Dokumentarfilme über die Paris–Dakar zu Beginn der 1980er-Jahre. Ich sah die Motorräder durch die Wüste pflügen und es wirkte wie die Übertragung von einem anderen Planeten. 1987 erwarb ich eine gebrauchte Ténéré vom Typ 34L, von der in Deutschland lediglich 1.495 Exemplare verkauft wurden, ging mit ihr auf Weltreise und wachte 7,5 Jahre lang neben ihr auf. Das hatte was von Ehe. 1997 stellte ich die Yamaha Ténéré mit 243.000 Kilometern auf der Uhr in den Hauseingang. Dort steht sie heute noch.
Yamaha Ténéré Historie
Grundstein der Legendenbildung ist das Urmodell XT 600 Z mit der Bezeichnung 34L. Zu Recht: Derartige Reichweite gepaart mit einem geländetauglichen Fahrwerk bei ausreichender Motorisierung – die 34L ließ die Herzen der Fernreisenden höherschlagen und trieb den Privatfahrern auf der Paris-Dakar Glückstränen in die Augen. Ohne große Vorbereitung erreichten sie mit fast serienmäßigen 34L-Modellen das Ziel. Das 1985 leicht modifizierte Modell 55W verfügte über eine geänderte Sitzbank und etwas verbesserte Federelemente. Der in vielen Tests immer wieder so bezeichnete 30-Liter-Tank fasste in Wahrheit "nur" 28 Liter, ist jedoch von der Form her – da sind sich alle Fans einig – der schönste je in Serie gebaute Fernreisetank.

Mit der 1VJ wollte Yamaha Gutes noch verbessern und erreichte das genaue Gegenteil. Aufgrund von Überhitzungsproblemen starben die Motoren reihenweise und ruinierten das Image des unzerstörbaren Fernreiseschiffs. Der neue, optisch größere Tank fasste leider nur noch 23 Liter.
Mit der 3AJ sollte alles besser werden. Und schwerer: Das luftgekühlte Einzylinder-Bike mit dem Doppelscheinwerfer wog vollgetankt 187 kg. Und war – auch wenn eingefleischte Fans es ungern hören – die technisch souveränste luftgekühlte Yamaha Ténéré. Ihr einziges Problem: Fernreise-Freaks fühlten sich eher zur Honda Africa Twin hingezogen.
Die XTZ 660, das erste wassergekühlte Yamaha Ténéré-Modell, kokettierte mit Fünfventil-Technik und war mehr auf Straßenbetrieb ausgelegt: Kürzere Federwege und 195 kg Gewicht versprachen wenig Spaß offroad. Ab 1994 verpassten ihr die Techniker eine größere Verkleidung samt Doppelscheinwerfer, was den bescheidenen Verkaufserfolg jedoch nicht verbesserte und das Gewicht um zwei Kilo erhöhte.
Zwischen 2008 und 2016 versuchte Yamaha mit der XT 660 Z wieder an das Erfolgsrezept der 34L anzuknüpfen: robuste Technik, große Reichweite, lange Federwege – damals wie heute gelten diese Tugenden als die Grundlage eines jeden Abenteuerbikes. Doch die Zeit der einzylindrigen Weltreise-Enduros schien zu Ende, der Verkaufserfolg war nur mäßig.
Erfolgsbringer Yamaha MT-07-Twin
Im Februar 2014 fuhr ich für MOTORRAD zum ersten Mal die Yamaha MT-07. Der neu konstruierte Twin und die MT-07 stellten sich später sowohl für die Yamaha-Händler als auch für die Kunden als absoluter Glücksfall heraus. Damals war ich noch der Meinung, eine echte Yamaha Ténéré muss einzylindrig sein. Was für eine grandiose Fehleinschätzung! Ende 2022 rollten fast 130.000 Exemplare der MT-07 auf Europas Straßen und seit 2019 auch über 30.000 Yamaha Ténéré 700. Der 689 Kubik starke Twin ist so etwas wie der heilige Gral. Er braucht kein Öl. Er ist überaus sparsam. Er offeriert ein unglaublich breites Drehmomentplateau. Und er geht nicht kaputt. Darüber hinaus schafft er etwas, das nur sehr wenige andere Motoren können: Er begeistert sowohl Anfänger als auch erfahrene Motorradfahrer und -fahrerinnen.
Noch nie erlebt
Als die Yamaha Ténéré 700 im Mai 2019 in Spanien präsentiert wurde, passierte etwas, das ich in meiner 25-jährigen Laufbahn als Motorradjournalist noch nie erlebt hatte: Auf der Präsentation bestellten 5 Pressevertreter eine Yamaha Ténéré 700. Und ich auch.
Meine Yamaha Ténéré 700 hat mittlerweile 15.000 km runter. Ich bin immer noch zufrieden, obwohl es seit Mai 2022 das Modell Yamaha Ténéré 700 World Raid (WR) gibt, mit etwas mehr Federweg und mehr Tankinhalt. Nachteil: Die WR ist 16 Kilo schwerer und wirkt ungleich bulliger, also nix für mich.