Fahrbericht BMW R 1200 GS Adventure

BMW R 1200 GS Adventure im Fahrbericht Dynamik, dass einem die Spucke wegbleibt

Hoch über dem Fußvolk thronte der Pilot der BMW R 1200 GS Adventure bisher schon, nun darf er es sich auf modernisiertem Gestühl gemütlich machen. Doch auch mit Wasserboxer bleibt der imposante Auftritt, der ein Gefühl souveräner Überlegenheit verleiht.

Dynamik, dass einem die Spucke wegbleibt BMW
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Verblüffend war es bisher schon, wie leicht ein solches Trumm von Motorrad sich manövrieren ließ. Ab jetzt ist es schier unglaublich. Denn mit dem erheblich spritzigeren Triebwerk, mit agilerem Fahrwerk und mit weiteren Optimierungsmaßnahmen bekommt dieses rollende Monument BMW R 1200 GS Adventure eine solche Dynamik, dass einem schier die Spucke wegbleibt. Man muss es erleben, es erfahren, um diese spielerische Wendigkeit, dieses überlegene Gefühl von Stabilität und einzigartigem Komfort fassen zu können.

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Dabei ist das Gewicht der neuen BMW R 1200 GS Adventure fast unverändert und im Stand durchaus noch präsent. Rund 260 Kilogramm bringt das Trumm mit fast vollem Alutank laut BMW auf die Waage. An Bord sind nun 30 statt bisher 33 Liter Sprit, also zehn Liter mehr als in der Basismaschine. Der effizientere Motor soll laut BMW die Reichweite auf Vorgängerniveau erhalten.

Ergonomisch nochmals verbessert

Reichweite ist ein primäres Merkmal eines solchen Kilometerfressers. Für die BMW R 1200 GS Adventure ist jedes noch so weit entfernte Ziel höchstens eine Aufgabe, jedes Hindernis auf dem Weg dorthin bestenfalls eine Herausforderung. Ergonomisch gegenüber dem Vorgängermodell nochmals verbessert, sitzt das Personal lässig, bequem und gut geschützt hinter der vergrößerten Scheibe. Die ist wie bei der GS per Handrad verstellbar. Allerdings funktioniert das nur im Stand oder bei langsamer Fahrt, bei zügigem Tempo blockiert der Druck der großen Scheibenfläche den Mechanismus.

Neben dem massigen Tank ist der vier Zentimeter höhere Sitz eine Komponente dieses souveränen Fahrgefühls. Wohl dem, der wie der Autor 1,90 Meter Körpergröße mitbringt und den Sitz locker in der oberen Position fahren kann. Doch schon die 890 mm in der unteren Position sind für manch einen unterdurchschnittlich großen Mitteleuropäer nicht gerade wenig. Allerdings macht die vertikale Durchströmung des Wasserboxers die BMW R 1200 GS Adventure schmaler, was die Schrittbogenlänge verringert.

BMW R 1200 GS Adventure bügelt alles weg

Ein weiteres Element des maximalen Fahrkomforts bildet das langhubige Fahrwerk der BMW R 1200 GS Adventure, das mit Federwegen über zwanzig Zentimeter von der winzigen Trennfuge bis zum tiefen Krater einfach alles wegbügelt. Das mitunter zu Unrecht kritisierte Telelever-Fahrwerk gibt dabei mehr Freiheiten bei der Optimierung der Feder-Dämpferabstimmung. Denn während die Mitbewerber mit den sich aus der dynamischen Radlastveränderung ergebenden Kräften kämpfen, bleibt das Fahrniveau der Telelever-BMW in jeder Situation völlig stabil, sie taucht selbst bei heftigen Bremsmanövern vorn nicht weg. Dabei hat BMW es gar nicht nötig, mit straffer Dämpfung und/oder harten Federn dagegenzuhalten, kann eine recht komfortable Grundabstimmung wählen. Hinzu kommt das äußerst feine Ansprechen der weniger stark durch Biegemomente belasteten Holme, das man während der Fahrt selbst auf vermeintlich ebener Fahrbahn wunderschön beobachten kann.

Hinlänglich beschrieben sind die Vorzüge der komplexen BMW-Bordelektronik. Verschiedene Einstellungen für die nun semiaktiv arbeitende Federung, unterschiedliche Fahrmodi, die zudem Motorabstimmung und Einstellungen für ABS und ASC beeinflussen, das alles ist in Windeseile per Knopfdruck während der Fahrt zu variieren. Wer das BMW-Navi geordert hat, kann das nun per Drehgriff am Lenker kontrollieren. Der gebotene Luxus lässt kaum noch Wünsche offen, will aber auch bezahlt werden.

Schwungmasse um ein knappes Kilogramm erhöht

Serienmäßig ist hingegen der neue Lenkungsdämpfer, den auch die 2014er-GS an Bord hat. Da dieser bei der Entwicklung der BMW R 1200 GS Adventure von Anfang an vorgesehen war, konnte das Fahrwerk mehr in Richtung Handlichkeit getrimmt werden, ohne sich Stabilitätsprobleme einzuhandeln. Technisch lassen sich Änderungen an der Lenkgeometrie beim Telelever recht einfach durch den unteren Dreieckslenker bewerkstelligen, der Hauptrahmen musste dazu gar nicht angetastet werden.

Auf die Modifikationen am Boxer-Triebwerk der BMW R 1200 GS Adventure muss die Basis-GS jedoch vorerst wohl noch warten. Um besseren Reisekomfort und ein weniger aggressives Ansprechverhalten des Motors im Gelände zu bekommen, hat das Team um Projektleiter Florian Schmid die Schwungmasse um ein knappes Kilogramm erhöht. Eine gute Entscheidung. Der Adventure-Motor läuft ruhiger, weniger nervös. Die Einbußen an Spritzigkeit sind subjektiv zwar wahrnehmbar, objektiv aber angeblich nicht messbar: „Wir haben alle Messwerte analysiert, da findet man Unterschiede bestenfalls im Hundertstel-Bereich.“ Selbst wenn also eine Winzigkeit geopfert werden sollte, der gleichmäßigere Rundlauf wiegt das locker auf. Diesen sanfteren Puls würde man sich auch in der Basismaschine wünschen.

Schwingungsdämpfer im Antriebsstrang

Ein weiteres Beruhigungsmittel ist der neue Schwingungsdämpfer im Antriebsstrang. Der war nötig, weil bei der BMW R 1200 GS Adventure die Schwinge infolge der verlängerten Federwege mehr abgeknickt ist als bei der GS. Das bedeutet höhere Drehungleichförmigkeiten durch das stärker abgeknickte Kreuzgelenk, was Schwingungen im Antriebsstrang provozieren kann. MOTORRAD-Tester kennen dieses hässliche Scheppern von der Dauertest-GS, was zum Beispiel auftritt, wenn die solo mit Zwei-Personen-Einstellung im ESA-Menü gefahren wird. BMW-Techniker behaupten, die Geräusche seien für die Haltbarkeit völlig unkritisch.

Egal, bei der BMW R 1200 GS Adventure ist das ohnehin kein Thema mehr, die Testmaschinen präsentierten sich äußerst kultiviert. Sicher, man könnte noch den Schaltschlag beim Einlegen des ersten Gangs kritisieren, die Ölbadkupplung arbeitet aber ansonsten einwandfrei und lässt sich auch gut dosieren. Beim Getriebe kann man sicher nicht von brillanter Geschmeidigkeit sprechen, doch rasten die Gänge mit etwas Nachdruck bei kurzen Wegen zuverlässig ein. So verleitet diese riesige Tourenmaschine durchaus auch gelegentlich zum Zwischenspurt auf kurvigen Passstraßen, um den enormen Druck und die Spritzigkeit des Wasserboxers voll auszukosten.

Ein Wahnsinnspaket haben die Münchner geschnürt. Wer Herrscher über das fahrende Volk werden will, muss nur noch zwei Hürden überwinden: nämlich die finanzielle – die voll ausgestattete BMW R 1200 GS Adventure kostet locker über 20 .00 Euro – sowie die Besteigung des Throns.

Daten und Fakten

BMW
Freie Sicht bis zum Mittelmeer: nur noch mit Einschränkungen, wenn sich dieses Gebirge von Motorrad dazwischenschiebt.

Motor

Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Schlepphebel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 52 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 540 W, Batterie 12 V/12 Ah, hy­draulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung (Anti-Hopping), Sechsganggetriebe, Kardan, Sekundärübersetzung 2,910.

Bohrung x Hub: 101,0 x 73,0 mm
Hubraum: 1170 cm³
Verdichtungsverhältnis: 12,5:1
Nennleistung: 92,0 kW (125 PS) bei 7750/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 6500/min

Fahrwerk

BMW
Fürs Ticket oder Kleingeld: kleines, in den Tank integriertes Staufach.

Tragender Motor-Getriebe-Verbund, längs­lenkergeführte Telegabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis, Zweigelenk-Einarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 305 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 276 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.

Speichenräder mit Alufelgen: 3.00 x 19; 4.50 x 17
Reifen: 120/70 R 19; 170/60 R 17

Maße und Gewichte

BMW
Mit der BMW R 1200 GS Adventure haben die Münchner ein Wahnsinnspaket geschnürt.

Radstand 1510 mm, Lenkkopfwinkel 65,5 Grad, Nachlauf 101 mm, Federweg v/h 210/220 mm, Leergewicht 260 kg, zulässiges Gesamtgewicht 480 kg, Tankinhalt/Reserve 30,0/4,0 Liter.

Gewährleistung: zwei Jahre
Farben: Blau, Olive, Weiß
Preis: 15.900 Euro
Nebenkosten: 390 Euro

Interview mit dem Projektleiter

BMW
Der gebotene Luxus lässt kaum noch Wünsche offen, will aber auch bezahlt werden.

Wie viele Teile unterscheiden aktuell eigentlich Basis-GS und BMW R 1200 GS Adventure?
Schmid: Es dürften so an die hundert Positionen sein. Hauptsächlich Karosserieteile, aber auch Motor, Antriebsstrang  und Chassis sind betroffen.

Warum so viele Änderungen?
Schmid: Erstens verfügt die Adventure für bessere Offroad-Eigenschaften über 20 Millimeter längere Federwege, was eine eigene Abstimmung nötig macht. Zweitens müssen die höheren Massen durch den größeren Tank und die höhere maximale Zuladung  berücksichtigt werden. Wir haben uns zudem von Anfang an für einen Lenkungsdämpfer entschieden, um das Fahrwerk in Richtung Handlichkeit optimieren zu können. Ein geänderter A-Lenker sorgt für mehr Nachlauf und einen steileren Lenkkopf.

Warum bekam der Adventure-Motor mehr Schwungmasse?
Schmid: Wir wollten einen gleichmäßigeren Lauf, der zum touristischen Charakter der Adventure passt und auch im Gelände Vorteile bietet. Dazu wurde das Gewicht der Kurbelwelle um 950 Gramm erhöht, das Massenträgheitsmoment ist rund 20 Prozent höher. Zusätzlich haben wir einen Schwingungsdämpfer im Antriebsstrang appliziert, der die aus dem größeren Knickwinkel der Kardanwelle resultierenden Drehschwingungen dämpft.

Wird das auch in der GS kommen?
Schmid: Das ist noch nicht entschieden.

Wäre ein Plastiktank nicht günstiger?
Schmid: Preisgünstiger sicher, aber nicht leichter. Er ist aus acht Teilen mit fünf Meter Schweißnaht zusammengesetzt. Außerdem macht der Alutank ein größeres Volumen möglich, 30 Liter.

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