Fahrbericht KTM 950 Adventure

Fahrbericht KTM 950 Adventure Attacke!

KTM bläst zum Angriff: Die Zweizylinder-Rakete 950 Adventure soll für den bisherigen Offroad-Spezialisten das Tor zum Straßenmarkt öffnen. Hier exklusiv erste Fahreindrücke des .

Es gibt Motorräder, mit denen fährst du ein, zwei Kilometer, steigst wieder ab, läufst ungläubig um die Maschine und denkst nur: Booooaaah, das isses. Solche Momente sind abgebrühten Profi-Testern recht selten vergönnt. Doch die KTM 950 Adventure ist eines dieser raren Exemplare für die seltenen Momente. Dabei schwante dem Autor eigentlich schon nach dem Fahrbericht der Rallye-Version (MOTORRAD 10/2002), was da aus der Alpenrepublik auf uns zurollen könnte. Denn die mächtige 950 Rally, Dakar-Siegerin unter Fabrizio Meoni, basierte bereits überwiegend auf Serienmaterial. Das gilt vor allem für den Motor – einmal abgesehen vom ultralauten Brüllrohr des Wüstenrenners. Die Österreicher verbanden bei den Rallyeeinsätzen das Angenehme, sprich den Sporteinsatz, mit dem Nützlichen, sprich der Serienerprobung. Nun hatte MOTORRAD die exklusive Möglichkeit, mit einem der wenigen Vorserien-Exemplare der 950 Adventure zu fahren. Genau so soll sie spätestens Anfang März beim Händler stehen.
Was also hebt den neuen V-Zwo aus der Masse heraus? Genau, die Masse. Das KTM-Aggregat ist extrem leicht, unterbietet mit 56 Kilogramm gängiges Zweizylinder-Material von BMW bis Ducati locker um 10, 15 Kilogramm. Leichtbau heißt natürlich auch, dass vor allem an allen bewegten Teilen Gewicht gespart werden musste. Und was sich dreht, macht nämlich nicht nur schwer, sondern auch träge. Während andere Hersteller gewichtige Tranquillizer bewusst einsetzen, benutzt KTM den Leichtbau als Aufputschmittel. Die Reduktion rotierender Massen bringt eine ungeheure Dynamik ins Spiel. Man muss sich das in etwa so vorstellen, als spanne man zwei EXC-525-Motoren zusammen. Sicherlich hat der Adventure-Triebwerk nicht den unerbittlichen Bums aus niedrigsten Touren wie eine V-Rod-Harley, schiebt auch in keinem Bereich wie eine Ducati 999 an. Aber es versprüht eine bisher nicht gekannte Leichtigkeit, animiert unentwegt zu frecher Fahrweise - eine echte KTM eben.
Unter 3000 Umdrehungen macht sich die reduzierte Schwungmasse natürlich bemerkbar. Da hackt es, schlägt, die Kette peitscht. Aber darüber läuft´s beim LC8-Motor rund, er zieht stetig und bestimmt voran. Spaßig wird die Sache ab 5000 bis 6000 Umdrehungen, blitzartig hastet der Motor durch das Band, häufig setzt der Bregenzer bei 9500 Umdrehungen forschem Treiben ein jähes Ende. Vorsicht ist angebracht: Vernunft und Punktekonto mahnen zur Disziplin, KTM sollte die Zweizylinder-Adventure nur mental gefestigten Personen anvertrauen.
98 PS leistet der Motor im Serientrimm, damit liegt er ziemlich genau auf dem Niveau der zweizylindrigen Reiseenduro-Konkurrenz. Allein in puncto Power fährt die Adventure die Klassenkonkurrenz also nicht in Grund und Boden, trotzdem sind die Fahrleistungen, absolut betrachtet, beeindruckend. Ruck, zuck stehen 180 km/h auf der Uhr, selbst für Tempo 200 ist kein meilenlanger Anlauf erforderlich. Große Fahrer werden dieses Tempo jedoch kaum länger durchstehen, denn die Verkleidung erzeugt im Kopfbereich kräftige Turbulenzen. Für Zeitgenossen unter 1,80 Meter ist der Windschutz sehr gut.
Vibrationen können konstruktionsbedingt nicht ganz ausbleiben. Der 75-Grad-V-Motor ist zwar kompakt, in Sachen Massenausgleich jedoch nicht optimal. Die igentlich günstig zwischen den Zylindern platzierte Ausgleichswelle schafft es nicht vollständig, die Lebensäußerungen zu eliminieren. Deutlich spürbar in den Lenkerenden wird der V2 ab etwa 6000 Umdrehungen, bis dahin läuft er recht geschmeidig. Auf der vierstündigen Probefahrt wurden die Vibrationen in den Lenkerenden aber nie lästig. Was bei hochtouriger Autobahnfahrt passiert, müssen spätere Tests zeigen. Kernig ist der Vergaser-Motor, und trotzdem kultiviert, denn er gefällt durch seidenweiche Übergänge. Fast unmerklich geht er im Kurvenscheitel wieder ans Gas. So könnte man im Prinzip auch wunderbar mit 4000 Umdrehungen durch die Landschaft zuckeln – wenn einem nicht immer diese permanente Gierigkeit im Nacken säße.
Sicherlich trägt auch die Sechsgang-Schaltbox ihren Teil zum sportiven Charakter bei. Die Anschlüsse passen immer optimal, die Spreizung ist eher eng. Der letzte Gang ist kein Overdrive, sondern ein echter Fahrgang. Exakt, mit kurzen Wegen rasten die Gänge ein, unterstützt durch eine sauber trennende, leichtgängige Kupplung. Das Fahrwerk ist ebenfalls eher für die zackige Fahrweise ausgerichtet. Jedoch nicht im Sinne von hart, sondern von straffer Grundabstimmung mit hervorragender Rückmeldung. Ganz selten einmal dringt der Schlag eines Kanaldeckels etwas unsanft bis in die Arme durch, nur einmal gerät auf der Testrunde die Front in Schräglage über Verwerfungen im Asphalt leicht in Schwingungen. Kritik an der Gabel wäre jedoch wirklich Jammern auf höchstem Niveau. Auch die Hinterhand gefällt durch gutes Ansprechen wie Progression, da pumpt selbst in Wechselkurven auf welligen Pisten nichts.
Den permanten Drang zum Tempobolzen unterstützt auch die Sitzposition. Der Lenker ist wie bei einer reinrassigen Sportenduro gekröpft, automatisch klappen die Ellbogen hoch, bereit zur Attacke. Abgesehen vom druckvollen Motor fühlt man fühlt sich wie auf einer Einzylinder-Adventure. Dieses Gefühl frappierender Handlichkeit, unglaublicher Leichtigkeit ist nur dann urplötzlich verschwunden, wenn man den Tanker im Gelände bugsieren muss. Sobald das Ding an Fahrt verliert, man im Stand nur ein bisschen ins Wanken gerät, machen sich die zusätzlichen Kilos gegenüber einem Einzylinder und der hohe Schwerpunkt dramatisch bemerkbar. Das gilt für 1,90-Meter-Riesen wie den Autor, aber noch viel mehr für kleine Zeitgenossen, die mit der hohen Sitzbank grundsätzlich Probleme haben. Doch damit kein falscher Eindruck entsteht: Gängigen Zweizylinder-Enduros ist die KTM offroad haushoch überlegen.
Die Bremsen haben mit den 190 Kilogramm
(trocken) on- wie offroad überhaupt kein Problem. Vorn stoppen zwei kraftvolle, auch auf schlüpfrigem Untergrund hervorragend dosierbare 300er-Scheiben mit den üblichen Doppelkolben-Schwimmsätteln. Die hintere, recht bissige Zange erfordert Gewöhnung, überzeugt danach aber umso mehr. Sogar bei höheren Tempi sind wunderschöne Bremsdrifts im Supermoto-Stil möglich, schnell ist so das Revier auf der Alb mit schwarzen Strichen als Adventure-Terrain markiert. Zweifellos setzt die 950 Adventure neue, sportliche Akzente im Segment der Zweizylinder-Enduros. Bleibt nur noch eine Frage: Was kostet der Spaß? Der Preis ist noch nicht definitiv kalkuliert, dürfte aber wohl über die 12000-Euro-Grenze steigen. Da wird mancher statt zur Attacke zum Rückzug blasen.

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