Fahrbericht Suzuki DR-Z 400
Aufstiegskandidat

Als besonders sportiv galten Suzuki-Enduros bislang nicht gerade. Nun will die neue DR-Z 400 bei den Off Road-Profis um Pokale kämpfen. Ob sie Erstliga-tauglich ist, konnte MOTORRAD exklusiv probieren.

Brav, bieder, anspruchslos - solche Attribute machten die Suzuki DR 350 zum Verkaufserfolg. Die kleine, unscheinbare DR leistete Dienste als Brot-und-Butter-Motorrad, als Enduro für Gebirgswanderungen oder als leichte, handliche Maschine für Einsteiger oder Frauen. Dass Suzuki bei der Nachfolgerin an diese Tradition anknüpft, wurde allgemein erwartet. Die neue DR-Z 400 beschreitet jedoch ganz andere Wege. Schon der Preis weist die Richtung: Mit zirka 13000 Mark ist sie kein Dumping-Angebot, sondern spielt in der gleichen Liga wie die Yamaha WR 400 F oder die europäischen Sport-Enduros. Um trotz dieser Ausrichtung ein etwas breiteres Marktsegment zu erschließen, hat Suzuki drei Varianten aus dem Hut gezaubert (siehe Kasten Seite 155). MOTORRAD konnte die sportlichste Version, die DR-Z 400 mit Kickstarter, einer ersten Prüfung unterziehen. Dieses Modell will Suzuki in einem Team mit Dirk von Zitzewitz als Aushängeschild in der Enduro-DM und -WM einsetzen.
Damit dieses Vorhaben erfolgreich endet, muss zunächst die Basis stimmen. Mit der alten 350er hat die DR-Z wirklich gar nichts mehr gemein: vier steil angeordnete, große Ventile, zwei Nockenwellen mit Tassenstößeln, ein beschichteter Alu-Zylinder, Ausgleichswelle, das alles kompakt und leicht verpackt. 90 Millimeter Bohrung und 62 Millimeter Hub klassifizieren den dohc-Single als ausgeprägten Kurzhuber, wenngleich die Yamaha noch extremer ausgelegt ist. Trotzdem erreicht die DR ähnlich hohe Drehzahlen, erst bei 11000 Umdrehungen greift der Begrenzer abrupt ein.
Damit sollen in der offenen Sportversion knapp 50 PS erzielt werden. Ein allzu optimistischer Wert? Die ersten Fahreindrücken lassen diese Angabe als realistisch erscheinen. Schon im mittleren Bereich langt der DR-Z-Einzylinder kräftig zu, hier wirkt er gar bissiger als eine WR-Yamaha oder EXC-KTM. Das nutzbare Drehzahlband ist für eine 400er ausgesprochen breit, auch in höchsten Drehzahlen knapp am Begrenzer fühlt die DR-Z sich pudelwohl. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Sportvariante ihre Leistung akustisch lautstark untermalt, selbst im Endurosport dürfte die Geräuschkontrolle eine echte Hürde sein. Da klingen die direkten Konkurrenten deutlich zahmer. Schwer einzuschätzen, welche Auswirkungen weitere Maßnahmen zur Schalldämmung auf die Motorcharakteristik haben.
Nicht nur die Aufpuffgeräusche deuten darauf hin, dass die DR-Z400 vornehmlich auf den amerikanischen Markt abzielt, auch das Fahrwerk ist eher für Funriding als für Wettbewerbssport abgestimmt. Die Federung ist technisch zwar vom Feinsten, jedoch ähnlich wie bei der WR in Federrate und Dämpfung eher komfortbetont ausgelegt. Das Motorrad hängt auf zerfurchten Pisten tief in den Seilen, daran ändert auch die vielfach justierbare Dämpfung nichts. Sportfahrer bekommen das mit ein paar neuen Federn und einer anderen Abstimmung aber leicht in den Griff. Bei weniger anspruchsvollen Geländeeskapaden reicht die Federung jedoch völlig, zumal sie sanft und weich anspricht.
Sportlich ist auf jeden Fall die Sitzposition. Die DR-Z baut nur wenig breiter als ein Zweitakt-Crosser. Der Zehn-Liter-Tank ist zwar höher als bei der neuen KTM, durch die sanft ansteigende Kontur lässt sich aber trotzdem das Gewicht gut nach vorn verlagern. Apropos Gewicht: 112 Kilogramm gibt Suzuki als Trockengewicht an, damit muss sich die DR-Z auch vor den durchtrainierten Spitzensportlern nicht verstecken. Im Gegensatz zu den Konkurrenten begnügt sich die Schaltbox der DR-Z mit fünf Gängen. Ob das ein Nachteil ist, kann nur der direkte Vergleich zeigen. Im Gelände besteht aufgrund des durchzugsstarken Motors immer guter Anschluss.
Durchdachte Details zeigen, dass die Konstrukteure nicht nur am Schreibtisch gearbeitet haben. Der Luftfilter lässt sich dank Schnellverschlüssen ohne Werkzeug wechseln. Schmiernippel an den Hebeln der Hinterradfederung versprechen ein langes Leben für die Lager. Exzenter an der Hinterradachse ermöglichen blitzschnelles Einstellen der Kettenspannung im Gelände, können sich bei lockerer Achse allerdings auch leicht verdrehen. Tadellos funktioniert im Alltagsbetrieb das Ankicken, die DR-Z springt warm wie kalt zuverlässig nach ein, zwei Tritten an. Kalt braucht sie ziemlich lange den Choke. Von der Dekompressions-Automatik ist jedoch wenig zu spüren, per manuelllem Deko-Hebel muss der Kolben in die richtige Position gebracht werden. An der getesteten Sportversion fehlt noch jegliche Straßenausrüstung. Suzuki bereitet einen Kit mit der nötigen Elektrik vor, der dem Motorrad beigelegt wird. Darin ist auch ein Drosselsatz enthalten.
Ein Platz im Mittelfeld der ersten Liga dürfte der DR-Z allemal sicher sein. Und mit der richtigen Vorbereitung ist vielleicht auch hier und da einmal ein Sieg gegen die etablierte Konkurrenz drin.

Unsere Highlights

Die Straßenversion DR-Z 400 S -

Drei Versionen der DR-Z baut Suzuki, zwei davon kommen auf dem offiziellen Weg nach Deutschland. Während die Sportvariante mit E-Starter, die DR-Z 400 E, nicht importiert wird, hat der Kunde hierzulande die Wahl zwischen dem Sportmodell und der Straßenversion DR-Z 400 S. Die Unterschiede zur getesteten Sportvariante: Der Motor ist beispielsweise durch eine dickere Fußdichtung nur 11,3:1 verdichtet, der Vergaser ein 36er-Mikuni. Äußerlich gleicht der Schalldämpfer dem offenen Sport-Auspuff, ein Einsatz senkt den Pegel zusammen mit dem dünneren Krümmer auf das zulässige Geräuschniveau. Immerhin sollen mehr als 40 legale PS übrig bleiben. Der Kickstarter fehlt beim S-Modell - wie übrigens auch bei E-Modell - zugunsten des E-Starters. Eine stärkere 175-Watt-Lichtmaschine versorgt die umfangreiche Elektrik. Die 49er Cartridge-Gabel wird beim Straßenmodell durch einen einfachere Variante ausschließlich mit Einstellung der Druckstufendämpfung ersetzt. Auch am Federbein fehlt die Einstellschraube für die Zugstufendämpfung. Die Endübersetzung fällt mit 43/15 statt 47/13 erheblich länger aus. Aus Stahl statt aus Alu ist der Tank gefertigt, das Volumen ist identisch. Das alles summiert sich zu einem Trockengewicht von 132 Kilogramm, im Vergleich mit dem Sportmodell sind das 19 zusätzliche Kilos.

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MOTORRAD 20 / 2023

Erscheinungsdatum 15.09.2023