Norden 901, 890 Adventure und Adventure R
Enduros von Husqvarna und KTM im Vergleich

Die Husqvarna Norden 901 präsentiert sich auf den ersten Blick völlig eigenständig. In der markenübergreifenden Modellpalette aus Mattighofen nimmt sie aber einen Platz in der Mitte ein, und zwar zwischen 890er Adventure und 890 Adventure R. Ob sie das Beste aus zwei KTMs in sich vereint, zeigt der direkte Vergleich.

Teaser Husqvarna Norden 901, KTM 890 Adventure, KTM 890 Adventure R Vergleichstest
Foto: Rossen Gargolov

Die neue Husqvarna Norden 901 ist eine Verwandte ersten Grades der KTM-Modelle Adventure 890 und Adventure 890 R. Aber sie unterscheidet sich doch in ganz essenziellen Punkten von ihnen und sortiert sich in der markenübergreifenden Pierer-Modellpalette in der Mitte dazwischen ein. So bestätigt es auch das Datenblatt. Während alle drei Modelle sich Rahmen, Motor und Elektronik teilen, zeigen die Federelemente, welchen Einsatzzweck KTM und/oder Husqvarna jeweils für sie vorsieht. Die KTMs teilen ihre Kategorienbezeichnung klar unter sich auf: Mit 200 Millimetern Federweg vorne und hinten und straßenorientierten Avon-AV-53/54-Trail-rider-Reifen übernimmt die Standard-Adventure den Reise- und mit 240 Millimetern (ebenfalls vorne und hinten) und groben Metzeler-Karoo-3-Pneus die Adventure R den Enduro-Teil.

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Und die schwarz-neongelbe Husqvarna Norden 901 aus gleichem Hause? Liegt mit 220 Millimetern Federweg vorne und 215 hinten theoretisch in der Mitte, und auch die Pirelli Scorpion Trail STR versprechen, beide Terrains – Straße und Schotterpiste – sicher zu beherrschen. Auch die Sitzhöhe passt dazu: 865 Millimeter, verstellbar auf 885 Millimeter. Weniger als auf der Adventure R (890 Millimeter) und mehr als auf der Standard-Adventure (830 bzw. 850 Millimeter).

Husqvarna Norden 901 mit 19- statt 20-Liter-Tank

Gar nicht in der Mitte, sondern vollkommen eigenständig kommt die Husqvarna Norden 901 zunächst optisch daher. Im Vergleich zu ihren kantig-schlanken KTM-Schwestern wirkt sie voluminöser, aber noch immer keinesfalls adipös. Die Frontverkleidung mit klassisch gezeichnetem Rundscheinwerfer baut deutlich breiter und umschließt einen in der Silhouette minimal geänderten Tank (der nur noch 19 statt 20 Liter fasst), der wiederum wird umhüllt vom chic gebürsteten Aluschutz. Der KTM-Heckrahmen trägt bei der Husqvarna auch neue Seitenverkleidungen und ein flaches LED-Rücklicht. Beim Aufsitzen fällt nicht nur der im Vergleich breitere Knieschluss auf, man fühlt sich für die Expedition mit der Norden insgesamt mehr vom Motorrad umgeben, während man bei den KTM-Adventures eher obenauf als integriert Platz nimmt. Die Husky streckt zudem ein edles TFT-Display auf angenehmer Höhe entgegen, das schon auf den ersten, umso mehr aber auf den zweiten und dritten Blick besser gefällt als das vergleichsweise Gameboy-mäßig gestaltete Cockpit der KTMs, das die Informationen deutlich kleinteiliger und weniger einfach erkennbar darstellt.

Die drei absolut identischen 889-Kubik-Twins nehmen ihre Arbeit auf und tuckern sich jeweils mit gediegenen 88 dB(A) langsam warm. Einer von ihnen aber hörbar kerniger als die anderen beiden – die zum Test gelieferte Norden 901 trägt einen optionalen Remus-Endtopf, der eine Tonlage tiefer bollert als die silbernen Standard-Töpfe von Adventure und Adventure R und auch optisch was hermacht. Die Straßen sind leer, jetzt wird gefahren, bis der Nordarzt kommt – das wird eine Nordsgaudi. Okay, genug gekalauert, ab in die Sättel.

Kein Halten mehr ab mittleren Drehzahlen

Geschmeidig setzen sich Husky, KTM und KTM über gut dosierbare Kupplungen in Bewegung und steuern das französische Hinterland an, wo gigantische Bergpässe und auch Schotterwege mit unzähligen Kurven warten. Die Motoren laufen schon ab rund 3.000/min geschmeidig, auch wenn sie sich dann beim Beschleunigen noch merklich schütteln. Insgesamt passt die Laufkultur untenrum aber nicht nur zu den Ready-to-race-Adventures, sondern auch zur feingeistigen Norden. Und ab mittleren Drehzahlen kennt dieser Twin bekanntlich sowieso kein Halten mehr, weshalb der Anstieg zur ersten Passhöhe auf den beiden KTMs und der Husqvarna im flotten Galopp schnell gelingt. Über die geschmeidigen Quickshifter mit Blipperfunktion lassen sich die Gänge unabhängig vom Lastzustand mit klarem Druckpunkt im Fußhebel durchsteppen und die gemessenen 106 Pferdestärken sind mehr als genug, um die Geraden zwischen den Kehren verschwimmen zu lassen. Für ein sicheres Gefühl sorgt dabei auf allen drei Bikes die feine Elektronik. Im Street-Modus kappt die schräglagensensible Traktionskontrolle beim Herausbeschleunigen so zuverlässig überschüssiges Drehmoment, dass auch auf morgens noch feuchten Bergstraßen keine Rutschgefahr besteht. Stellt man trotzdem auf "Rain" um, wird’s noch entspannter, und auch die Spitzenleistung deutlich reduziert. Im Offroad-Modus gehen die Mattighofener Reiseenduros, egal ob orange oder schwarz-neongelb, am sanftesten ans Gas und knapsen noch etwas mehr der in diesem Terrain nicht notwendigen Spitzenleistung ab. Im frei konfigurierbaren Modus, der bei KTM traditionell "Rally" heißt, bei Husqvarna aber "Explorer", lassen sich Gasannahme und Regelverhalten der Traktionskontrolle (Slip) frei konfigurieren. Sobald die Straßen trocken sind, stellen wir die TC defensiv ein, folgen dem Nordruf und erklimmen den nächsten Pass im Nörder-Tempo.

Husqvarna Norden 901, KTM 890 Adventure, KTM 890 Adventure R Vergleichstest
Rossen Gargolov
Die Husqvarna Norden 901 folgt den Gedanken des Fahrers und gibt sich dem Kurvengetümmel so handlich-leicht hin, dass die KTM-Schwestern nur staunen können.

Die Husqvarna Norden 901 folgt dabei schon allein den Gedanken des Fahrers und gibt sich dem Kurvengetümmel so handlich-leicht hin, dass die KTM-Schwestern nur staunen können. Das ausgesprochen fein ansprechende WP-Fahrwerk der Husqvarna hat mit steigendem Speed grundsätzlich keine Mühe. Bot es beim entspannten Gleiten noch mit Abstand am meisten Komfort, kommt aber zunehmend mehr Bewegung in die Fuhre. Die in Zug- und Druckstufendämpfung einstellbare Gabel und das in Federvorspannung und Zugstufendämpfung justable Federbein nutzen ihre Federwege gut aus. Beim harten Bremsen über die kräftig zupackenden Anker taucht die Norden dadurch vorne aber tief in Richtung Süden ab und entlockt dem ordentlich grippenden Vorderrad ein gutes, aber kein glasklares Gefühl. Die Standard-890er rollt bei sportlicher Gangart stabiler, im Vergleich beinahe störrisch um die Radien, ihre straff abgestimmte, nicht einstellbare Gabel spricht wie auch das Federbein zäh an, was Komfortpunkte kostet. Sogar die höchstbeinige Adventure R schwingt auf Asphalt geschmeidiger als die Basis-Adventure, wenn auch lange nicht so fluffig wie die Norden und auf groben Stollen mit weniger Grip und Feedback. Auf ihr haben TC und ABS dauerhaft zu tun, die wimmernden Reifen zu kontrollieren. Ihre brettharte Enduro-Sitzbank liegt in luftiger Höhe, und die ebenso brettharten, voll einstellbaren Federelemente sprechen wie bei der Standard-Adventure nur mäßig an.

Norden-Fahrwerk kann auch offroad

Verlässt man das graue Asphaltband und befährt auf den letzten Metern zum Gipfel gröbere Schotterwege, will die Adventure R noch mehr. Die straffe Abstimmung taugt mit langen Federwegen – die auf der Straße und auch im seichten Gelände nicht annähernd ausgeschöpft werden – auch für die Motocross-Piste. Wellen werden zu Anliegern und die Adventure R endgültig vom Reise- zum Enduro-Sportgerät. Die Norden folgt etwas weniger flott, aber brav. Auch ihr Fahrwerk kann Offroad, wenn man es wissen will, rauscht die Gabel aber auch mal mehr oder weniger sanft aufs Notgummi durch. Das passiert der straffen Standard-Adventure auch deshalb nicht, weil man auf ihr die großen Schwestern intuitiv vorauseilen lässt und leicht verspätet am Gipfel ankommt.

Kein Problem, denn während die Adventure noch klettert, muss der von der Sause losgerüttelte Spiegel der Adventure R erst wieder festgezogen werden. Gelingt mit dem vereinten Bordwerkzeug von KTM und Husqvarna (auf beiden Werkzeugtaschen findet sich der gleiche KTM-Aufkleber). Dann können alle drei den Ausblick genießen.

Fazit

  1. Husqvarna Norden 901: Wow. Die Norden sortiert sich nicht nur in der goldenen Mitte zwischen Straßen- und Offroad-Adventure ein, sondern übertrifft die Schwestern mit stimmiger Ergonomie und top ansprechendem Fahrwerk.
  2. KTM 890 Adventure: Knallige Reiseenduro mit straffer Abstimmung. Die Basis-Adventure mag sportliches Straßen-Touring, ist aber weniger handlich als die Geschwister. Mit wertigerer Erstbereifung wäre sie noch besser.
  3. KTM 890 Adventure R: Abseits des Asphalts liegt das R-Modell mit Abstand vorn. Die Enduro-Ergonomie und die sehr harten Federelemente sind radikal und werden Offroad-Fans begeistern. Auf Komfort müssen sie im Gegenzug verzichten.
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Erscheinungsdatum 15.09.2023