50.000 Kilometer Dauertest der Harley-Davidson Pan America 1250 S. Hier findet ihr Langzeiterfahrungen und Probleme.
50.000 Kilometer Dauertest der Harley-Davidson Pan America 1250 S. Hier findet ihr Langzeiterfahrungen und Probleme.
Die Pan America sammelte schon beim Vergleich der großen Reiseenduros in MOTORRAD 13/22 erste Erfahrungen im Umgang mit der Redaktion. Zwar reichte es dort nur zum fünften von fünf Plätzen, aber: Nicht nur Nicht-BMW-GS-Fahrer wissen schon lange, dass sich die Freude am Fahren nicht um Punktewertungen schert. Weiter ging es für die PanAm beim 2022er-Alpenmaster im Duell mit der flammneuen Triumph Tiger 1200. Das Interesse an der Pan ist groß. So wird das bislang beste Pferd aus dem Milwaukee-Stall kaum Gefahr laufen, sich die Reifen platt zu stehen. Erster offizieller Dauertest-Ausfahrer (und GS-Besitzer) ist Reiseonkel Daniel Lengwenus, der mit der Amerikanerin und Teilnehmern einen 5.000-Kilometer-Irland-Trip unternahm. Seine ErFAHRrungen schildert er im Video.
Matthias Ackermann, Chef vom Dienst, entführte die Dauertest-Pan America, um mit seiner Partnerin als Sozia das wohl letzte schöne Herbstwochenende zu genießen. Normalerweise auf einer Yamaha MT-07 unterwegs, war die Fahrt vom Stuttgarter Kessel die erste größere Herausforderung:
Wie gewohnt Feierabend-Stau im Kessel, was mich aber nicht daran hinderte, mich recht schnell an dieses mächtige und schwere "Schiff" zu gewöhnen. Nur an den Seitenständer nicht – ständig hat man das Gefühl, die Maschine kippt um. Am Ende der rund 600 Kilometer langen Tour bleibt festzuhalten:
Alles in allem Daumen hoch. Eine gelungene Zweitages-Ausfahrt ohne nennenswerte Zwischenfälle oder heiklen Situationen. Nach Rückgabe und Umsteigen auf meine MT-07 kam ich mir dann vor wie auf einem "Kinderfahrrad".
Nach gut 8.400 Kilometer war Schluss für den Metzeler Tourance Next 2 auf der Hinterachse der Pan Am. Vorn wäre zwar noch gut 40 Prozent Restprofil, doch zur bevorstehenden Herbstausfahrt brauchte es eine schnelle, im Lager vorhandene Lösung. Neu auf beiden Rädern rollt die Harley auf Contis Trailattack 3 in Richtung Vogesen. Zuvor ging es noch in Werkstatt zur 16.000er-Inspektion, die brachte neben dem Standardprogramm eine große Erkenntnis. Harley-Davidson tauscht bei einigen Motoren der ersten Baumonate den Anlasserfreilauf aus. Unser Dauertester ist "betroffen" und zahlt etwas auf das Konto der tückischen Unterspannung der PanAm ein. Besonders beim Kaltstart dreht der Anlasser den Motor nicht richtig durch, was sich durch ein kurzes Pfeifen des Freilaufs äußert. Dadurch zieht der Starter viel Strom, was die Bordspannung unter 12 Volt fallen lässt. Das quittiert das Bordsystem mit kleinen Fehlermeldungen. Der neue Freilauf soll das beheben.
Offroad-Meister Peter Mayer fährt mit der PanAm zur Hardalpi-Tour nach San Remo und schreibt ins Fahrtenbuch: Selbst im Kreis der wahrlich nicht schmächtigen Reiseenduros fällt die HD als massiges Motorrad auf. Man hat immer das Gefühl, der schieren Dimension nicht Herr zu sein. Im Gegensatz zu den meisten anderen Dickschiffen, bleibt das Gefühl der Schwere bei der HD auch bei auch beim Fahren erhalten.
Auffallend war:
Da die Triumph Tiger 900 (DT) auch auf der Tour dabei war, hilft nach der Kaffeepause – wie immer – die Abstimmung mit den Füßen zur Orientierung: Wer wählen durfte, wählte immer die Triumph.
Harley-Davidson benötigte insgesamt drei Anläufe für das korrekte Update der Bordsoftware. Der erste Versuch ging gründlich nach hinten los, die PanAm zeigte zahlreiche Fehler und fiel in eine Art Notlauf mit deutlich verminderter Leistung. Update 2 löste das, leider schaltete es den Quickshifter ab. Der wurde in einer Kaffeepause reaktiviert. Bedauerlicherweise war er wohl nicht Inhalt des Updates, denn die Applikation ist immer noch mangelhaft, wie unten beschrieben. Ebenfalls wie gehabt – nur positiv – blieb der Verbrauch der Harley. Um die 5,2 Liter nimmt sie sich auf 100 Kilometer, ohne dabei spaßlos gefahren zu werden.
Wer es fliegen lässt und den Twin ständig über 6.000 Touren hält, der muss schon nach 250 Kilometern mit 6,0 Litern im Schnitt an die Säule. Seit der Montage der höheren Scheibe trat die schwache Konstruktion der Verstellmechanik noch deutlicher in den Vordergrund. Abhilfe schafft die Scheibenverstärkung von Wunderlich und ein paar Tropfen Silikonöl auf die Welle und Gummilager. So läuft die Scheibe deutlich leichter und verwindungsfreier in den Führungen. Das Problem des zu kurzen Handhebels bleibt, der während der Fahrt nicht sicher erreicht und bedient werden kann.
Die suboptimale Ständerkonstruktion der Harley bleibt ein kleines Ärgernis: Der Seitenständer lugt nur kurz hinter einem Wasserrohr hervor und ist zu kurz. Die PanAm steht viel zu schräg und ist mit Koffern nur schwer in die Senkrechte zu bringen. Top weiterhin der hohe Sitzkomfort. Flöpchen – und das wird sich nicht ändern: die ungelenk zu bedienenden Armaturen und das verschachtelte Menü mit leider immer noch einigen Schreibfehlern und exotischen Abkürzungen.
Nach der langen Tour durch Irland war die Serienbereifung Michelin Scorcher Adventure vorn und hinten teilweise an die Mindestprofilgrenze geraten. Neu auf die Felgen kam bei 8.800 Kilometer ein Satz Metzeler Tourance Next 2. Die Straßenpelle kuriert einige kleine Unarten der Serienbereifung. Deutlich beweglicher und in engeren Radien führt das Vorderrad die Harley durch Kurven, wo der Scorcher mehr Druck benötigte, gerne den etwas weiteren Bogen nahm und in tiefen Schräglagen schlechte Straßen fast ungefiltert ins Fahrwerk gab. Also: Neuer Reifen, neue Freude mit der PanAm. Bei Körpergrößen über 1,85 Meter war das serienmäßige Windschild genau die zwei Fingerbreit zu kurz, die es gebraucht hätte. Bedauerlicherweise traf der Wind in der höchsten Stellung genau auf den Stirnbereich des Helms und ließ diesen etwas dröhnen. BMW-Zubehör-Spezialist Wunderlich hat seit Kurzem eine neue Produktlinie für die Harley-Davidson im Programm, darunter ein längeres, breiteres und stabileres Windschild vom Typ Marathon.
Das macht seine Sache gut, verstärkt mit seinem höheren Gewicht allerdings die Schwäche der serienmäßigen Höheneinstellung um ein Vielfaches. Nächster Schritt: die ebenfalls erhältliche Verstärkung der Mechanik montieren. Weiterhin stand die 9.000er-Inspektion an. Dazu wurde neben dem Üblichen die Wegfahrsperre reaktiviert und die Bremsflüssigkeit hinten gewechselt, da die ungewöhnlich dunkel verfärbt und mit einer Art Emulsion am Behälterboden keinen vertrauenerweckenden Eindruck erzeugte. Wir beobachten das. Große Kritik bekam bisher von allen Fahrern der Quickshifter nebst Blipper, deren Applikation nicht gut gelungen ist. Hochwärts trennt er meist zu spät den Kraftschluss, was in harten Gangwechseln resultiert, abwärts beim Anbremsen gibt die Software bisweilen zu spät Zwischengas, was die Harley beim Einlenken aufstellt. Oder bei Anfahrt an eine Ampel die PanAm nach vorn hoppeln lässt.
Allerdings: Harley hat nach der Inspektion direkt zum Software-Update gerufen, welches bald durchgeführt wird. Leider wird durch die Missleistung der Elektronik der mechanisch etwas laute Motor, als schlechter wahrgenommen, als der 1250er es eigentlich ist. Ab 2.500 Touren stapft er sich aus dem Drehzahlkeller, drückt schön zwischen 3.000 und 6.000 und zündet bis 8.000 /min nach, dabei hält er sich mit um die 5,2 Liter/100 Kilometer beim Spritkonsum zurück.