Knips, Jörg drückt das Knöpfchen auf seinem Handy. Gespräch beendeet. »Sauwetter in Deutschland«, sagt er und grinst. Stimmt es eigentlich, dass es das Wort Schadenfreude nur in deutscher Sprache gibt? Gut möglich, denn die Gegend zwischen den Ausläufern der spanischen Pyrenäen und dem Mittelmeer bietet genügend andere Gründe, sich zu freuen. Über die Sonne, die trockenen Wege, die milden Temperaturen - und über unsere Enduros: Husaberg, Husqvarna, KTM.
Oder genauer: Husaberg 501e die Brandneue aus Schweden mit völlig neuem Motor und jeder Menge Änderungen für 2001 (siehe Seite 40). Und die Husqvarna TE 570. Mittlerweile ziemlich betagt, aber für 2001 kräftig geliftet. Neue Optik, Fortschritt im Detail (siehe wieder Kasten Seite 40). Außerdem die 520er-KTM. Seit sie existiert, ist die Enduro-Welt nicht mehr die gleiche. Eine Enduro, die Geschichte schrieb. Grandioser Sieg bei den letztjährigen Vergleichstests - dem von MOTORRAD und ausnahmslos allen anderen weltweit. Insofern darf man sich in Mattighofen mit ein paar Retuschen (und noch mal: siehe Kasten) zufrieden geben.
Jörg schaltet sein Handy ganz aus, schwingt sich auf die Husky und kickt. Ein Glück, dass er noch nicht auf den beiden anderen Enduros saß. Denn wer einmal aufs Knöpfchen drückte, kickt nie, nie, nie mehr wieder. Nach KTM liefert nun auch Husaberg alle Enduros serienmäßig mit E-Starter aus.
Jörgs Tatendrang ist verständlich. Noch über 100 Kilometer liegen vor uns. Und am Abend wollen wir auf der Motocross-Piste und einer Enduro-Sonderprüfung noch das finale Showdown ausfahren. Andi auf der Husaberg ist ebenfalls startklar. Knöpfchen gedrückt, und weg ist er. Auch meine KTM lässt sich nicht zweimal bitten. Dank des Flachschieber-Vergasers von Keihin findet die EXC sogar schneller zu rundem Motorlauf als die mit einem Rundschieber-Vergaser von Dellorto sparsamer ausgestattete Schwedin.
Während wir auf einem Höhenweg entlangtuckern, bleibt Gelegenheit, den Plausch von eben noch mal durchzudenken. Andi ist ganz verzückt von der Husaberg. Vom E-Starter sowieso, vom Federgewicht von 114 Kilogramm nicht weniger zumindest so lange er den ungesund klingenden, mechanisch extrem laut laufenden Antrieb der Ausgleichswelle geflissentlich überhört. Auch den stark gekröpften Enduro-Lenker von Magura würde er gern gegen die geradere SX-Version der KTM austauschen. Könnte ihm so passen. An meiner KTM kommt nichts weg. Hohe, weit nach vorn gerückte Lenkerposition, tipptopp Hebeleien, extrem schlanke Tank-Sitzbank-Linie - die Österreicherin weiß, was moderne Offroad-Cracks wünschen. Im Gegensatz zur Husky, mag man fast sagen. Tiefer Lenkkopf und niedriger Lenker zwingen Jörg zur permanenten Verbeugung, auch wenn die Italienerin dank neuer Tank-Sitzbank-Kombination und schlankerem Rahmenheck im Vergleich zu den Vorjahren deutlich mehr Bewegungsfreiheit bietet.
Anders als beim schwierigen Anstieg können wir auf dem relativ ebenen, steinigen Höhenweg erstmals die Laufkultur der drei Boliden erfühlen. Erste Sahne, die KTM. Kein Rubbeln, kein Vibrieren, so muss es sein. Zudem hängt das 520er-Aggregat wie ein bissiger Pit Bull an der Leine. Ob Auswaschung oder Steinkante ein kurzes Zucken mit dem Gas, und die trotz 118 Kilogramm federleicht wirkende Racing ist drüber.
Andi auf der »Berg« wird mich beneiden. Tut er aber nicht. Denn die Ausgleichswelle, welche die FE erstmals in der Modellgeschichte spendiert bekam, wirkt wahre Wunder. Pfiffig und platzsparend im Kurbelgehäuse untergebracht, dreht sie sich direkt auf der Kurbelwelle. Vergessen die martialischen Vibrationen, vorbei das wüste Hacken ihrer Vorgängerinnen bei niedrigen Drehzahlen die ungehobelte Wikingerin wird zur Dame von Welt. Auch, was die Leistungscharakteristik des neuen Triebwerks angeht. Statt mit brutalem Antritt definiert sich die FE mit sanftem Druck aus dem Drehzahlkeller. Jeden Gasstoß setzt sie traktionsstark in Vortrieb um. Das tut zwar die Husky auch, nur schüttelt sich der 577er-Single bei höheren Drehzahlen erbärmlich im Rahmen. Linderung verspricht nur eines: früh hochschalten.
Allmählich schlängelt sich der Weg nach unten, die Spur wird schmaler, der Untergrund ausgewaschener. Wohl dem, der eine sensible Federung besitzt. Wie etwa die Husaberg. Hatte bislang die Blau-Gelbe gegenüber der KTM in Sachen Federelemente meist das Nachsehen, haben die Nordlichter inzwischen Boden gutgemacht. Die 48er-Gabel von White Power stellt die 43er-Version der KTM klar in den Schatten. Feinfühliges Ansprechen, ausreichend Progression so soll eine Enduro-Gabel sein. Heckseits bleibts wie gehabt: Das direkt an der neuen Schwinge angelenkte Federbein schluckt die Wackersteine und bietet für gelegentliche Cross-Ambitionen immer noch genügend Verstellbereich.
Doch die KTM kanns einen Tick besser. Abgesehen von harten Kanten, auf die das White-Power-Element bockig reagiert, schluckt der Monoshock der EXC fast alles weg. Nur die Gabel signalisiert mit allzu weicher Grundabstimmung eindeutig Besserungsbedarf. Selbst hüfthohe Absätze ringen dem niederländischen Teil bei der Landung den kompletten Federweg ab.
Noch extremer abgestimmt ist die Husqvarna. Hinten prima, vorn butterweich. So weich, dass die bei kleinen Wellen fein ansprechende Upside-down-Gabel von Marzocchi bei jedem größeren Hüpfer gnadenlos auf den metallisch harten Endanschlag donnert.
Glücklicherweise gehts zwischendurch mal wieder bergauf - wieder Wackersteine, Stufen, Geschlängel. Wie eine Gemse hüpft die KTM von Stein zu Stein. Kurze Gasstöße heben die EXC wie einen Trialer über das Gerassel. Aber vorsichtig! Ein bisschen zu viel Gas, und die Racing schlägt wild durchdrehend um sich. Die Schattenseiten der geringen Schwungmasse und der sehr steil stehenden Hinterradschwinge sind nicht zu übersehen. Kein Wunder, dass die Husaberg folgen kann. Putt, putt, putt schiebt der nordische Einzylinder unspektakulär, aber effizient nach oben. Traktion satt und wenig Gewicht die Schweden wissen, worauf es im Endurosport wirklich ankommt. Wobei die Husqvarna ebenfalls weiß, wo es langgeht. Sanfter Krafteinsatz, Traktion alles da. Nur spürt Jörg die auch nach der Reduktion für 2001 immer noch große Kurbelwellen-Schwungmasse, die gemeinsam mit den stattlichen 121 Kilogramm die Fuhre träge machen.
Noch ein paar Mal bergauf, bergab, und wir sind in der Ebene angelangt. Ab zum Finale. Zuerst auf der Motocross-Piste. Noch in der ersten Runde muss Andi mit verdrehtem Knie passen. Jörg und ich übernehmen. Gern sogar. Zuerst die KTM. Nomen est omen Racing. Das Ding geht wie die Hölle. Draufsetzen und rumkrachen. Vergiss den legeren Endurostil. Trotz giftiger Hinterradbremse und zu weicher Gabel: Motocross pur. Aber der Ritt auf der Kanonenkugel verlangt volle Konzentration. Auf hartem Boden dreht das Hinterrad durch, im griffigen Teil der Strecke steigt das Vorderrad nach jeder Kehre. Dennoch klarer Fall: Bestzeit und Maximalpuls.
Der sinkt bei der Husaberg. Die satte Kraft von unten bringt Ruhe ins Geschehen. Subjektiv verliert man Ewigkeiten auf die KTM, objektiv nur etwa zwei Sekunden. Effizienter kann man die vergleichsweise mageren 49 PS kaum umsetzen.
Genügend Druck von unten bringt zwar auch die Husky, nur lässt das extreme Gerappel des Singles in höheren Drehzahlen den Schaltfuß allzu schnell nach oben zucken. Und weil in der Husky-Entwicklungsabteilung vom 2000er-Modell auf den Jahrgang 2001 auch noch sechs PS Maximalleistung verschütt gingen und zudem die viel zu weiche Gabel zu gemäßigten Flügen mahnt, ist die Italienerin Schlusslicht im Abschluss-Cross.
Und bleibt es auch beim Enduro-Test, einer eng gesteckten Sonderprüfung. Freilich, der steilere Lenkkopf tut sein Möglichstes, aber das Gewicht und die latente Angst vor dem Abwürgen und den schweißtreibenden Folgen machen im engen Geläuf vorsichtig. Nur wenn langgezogene Anlieger locken, kennt die spurstabile TE keine Gegner. Was die Husaberg nicht anficht. Eng rum, Motor sanft ziehen lassen kein Problem, Handling und Motorcharakteristik harmonieren perfekt. Wieder kommt man sich langsamer vor als man ist. Wieder ist die KTM schneller. Aber: Gehörig Einsatz, viel Konzentration und ein feines Händchen für Kupplung und Gas gehören zu Rekordrunden wie der BSE-Test zur Rindswurst.
Also: Was im Leben gilt, gilt auch im Endurosport. Ohne Fleiß kein Preis. Nach wie vor bleibt die KTM das Maß aller Offroad-Dinge, doch die Stiefschwester aus Schweden hat aufgeholt. Ein Crosser wird sie nie werden, aber was eine Enduro können muss, das beherrscht die neue Husaberg schon verdammt gut. Und was sagen wir zur Husky, die noch vor wenigen Jahren der Chef im Enduro-Ring war? Junge, wie schnell die Zeit vergeht.
Technische Daten
Technische DatenHusaberg FE 501eHusqvarna TE 570KTM EXC 520 RacingMotorWassergekühlter Einzylinder-ohc-Viertaktmotor mit vier VentilenHubraum cm³501577510Bohrung x Hub mm95 x 70,798 x 76,595 x 72Nennleistung kW (PS)36 (49)41 (55)42 (57)Nenndrehzahl 1/min760076007500Vergaser 0 mmDellorto, 40Dellorto, 39Keihin, 39Gänge666FahrwerkEinschleifenrahmen aus Stahlrohr mit angeschweißtem Heck aus StahlrohrEinschleifenrahmen aus Stahlrohr mit angeschraubtem Heck aus AlurohrEinschleifenrahmen aus Stahlrohr mit angeschraubtem Heck aus AlurohrGabelWhite PowerMarzocchiWhite Power0 mm48 mm4543Federweg v/h mm280/320300/285295/320Gewicht (leer)* kg114121118Radstand* mm151015101500Sitzhöhe* mm940955950Tankinhalt l999Preis inkl. Nebenkosten DM152801428714880
Rundenzeiten
RundenzeitenMotocross-PisteFahrer 1 Husqvarna 2.01 Husaberg 1.59 KTM 1.55Fahrer 2 Husqvarna 1.55 Husaberg 1.52 KTM 1.51 Enduro-TestFahrer 1 Husqvarna 1.40 Husaberg 1.40 KTM 1.36Fahrer 2 Husqvarna 1.37 Husaberg 1.35 KTM 1.35Fahrer 1: Jörg Albrecht, DM-Motocrosser; Fahrer 2: MOTORRAD-Redakteur Peter Mayer; Bestzeit von drei gezeiteten Runden;
Was ist neu?
Husqvarna TE 570MotorLeichtere KurbelwelleHöhere VerdichtungFahrwerkZwei Grad steilerer Lenkkopfwinkel15 mm geringerer GabelversatzSchmalere Tank-Sitzbank-KombinationNeue Kunststoff-SeitenteileÜberarbeitete UmlenkhebeleiZurückverlegte FußrastenDickere Schwingenachse und VorderradachseKTM 520 EXC MotorGeänderte Wasserpumpe Größere KühlerNadellager ersetzt Bronzebuchse im KupplungskorbHusaberg FE 501eMotorNeues Motorgehäuse mit integriertem Zylinder und »nasser« ZylinderlaufbuchseAusgleichswelle auf der KurbelwelleVerbesserte Schmierung von Kurbelwelle und VentiltriebMehr Hub der hydraulischen Kupplungsbetätigung Serienmäßiger Elektrostarter FahrwerkUpside-down-Gabel von White Power mit 48 mm-GleitrohrenNeue, leichtere Schwinge
Punktewertung
TabelleMaximale PunktzahlHusaberg FE 501eHusqvarna TE 570KTM EXC 520 RacingMOTORStartverhalten109510Durchzug101098Drehfreudigkeit107610Spitzenleistung10789Kupplung10999Getriebe10789Laufruhe109710Summe70585265FAHRWERKAbstimmungGabel10967Abstimmung Federbein10879Handlichkeit109710Geradeauslauf109107Bremse vorn109109Bremse hinten10997Ergonomie108610Summe70615559SONSTIGESGewicht101078Preis10787Verarbeitung10669Summe30232124Gesamtsumme160142128148
1. Platz - KTM EXC 520 Racing
Ja wer denn sonst? Die 520er ist und bleibt das Maß aller Dinge im Endurosport. Modernste Ergonomie, hyperagiler Motor, E-Starter und saubere Verarbeitung machen sie zum Siegertyp. Aber nur dann, wenn die Partnerschaft stimmt. Wer auf der Kanonkugel reitet, muss in der Lage sein, die Flugbahn selbst zu bestimmen. Sonst kann der Einschlag sehr weh tun.
2. Platz - Husaberg FE 501 e
Alter Schwede? Von wegen. Die brandneue Husaberg ist der Aufsteiger des Modelljahres 2001. Kein Wunder. Schließlich bringen Ausgleichswelle und der serienmäßige E-Starter der FE erstmals kultivierte Manieren bei. Bei der Motorabstimmung wissen die Skandinavier, was Endurocracks wünschen. Ordentlich Traktion, prima Handling, gute Federung einfach wenig Stress.
3. Platz - Husqvarna TE 570
Junge, wie die Zeit vergeht. Mittlerweile tut sich die alte Dame schwer, mit den jungen Spritzern mitzuhalten. Ohne E-Starter und Ausgleichswelle, mit butterweicher Gabel und vergleichsweise trägem Handling hilft auch die fleißige Detailarbeit der Italiener nicht mehr viel. Was her muss, ist eine von Grund auf neue Konstruktion. Und die kommt erst 2003 - frühestens.