Die Neue ist ganz die Alte. Zumindest in den klassischen Grundzügen ist das Nachfolgemodell eindeutig Bandit geblieben. Nur beim Motor nicht, einer sicheren Zukunft wegen. Aber genau daran scheiden sich die Geister.
Die Neue ist ganz die Alte. Zumindest in den klassischen Grundzügen ist das Nachfolgemodell eindeutig Bandit geblieben. Nur beim Motor nicht, einer sicheren Zukunft wegen. Aber genau daran scheiden sich die Geister.
Besitzer einer Bandit 1200 könnten eigentlich rundum zufriedene Menschen sein. Sie fahren ein zuverlässiges, leistungs- und hubraumstarkes, touren-taugliches Big Bike und das zu einem
attraktiven Preis. Trotzdem wird sich der eine oder andere beim Blick in die Schaufenster der Suzuki-Händler vielleicht ein wenig ärgern. Denn der Neupreis und damit auch der Wert seines gebrauchten Schätzchens ist in letzter Zeit gehörig ins Rutschen geraten. Ursprünglich 8150 Euro teuer, kostet das Vorjahresmodell jetzt bis über 1000 Euro weniger. Der Grund für solche Dumping-Angebote ist offensichtlich: Die Restbestände müssen weg, und zwar schnell, um im Showroom Platz für den neuen Platzhirsch zu schaffen, die Bandit 1250 S für 8590 Euro.
Sitzen bleiben dürfte Suzuki auf der »Alten« wohl kaum, schließlich genießt
sie noch große Beliebtheit. Grund für den Modellwechsel war hauptsächlich die Euro-3-Abgasnorm, die der fein verrippte, luft-/ölgekühlte Vergasermotor nicht schaffen konnte. Deshalb musste er dem glattwandigen, wassergekühlten Einspritzmotor weichen, der mit modernem Motormanagement und geregeltem Katalysator weniger Schadstoffe produziert.
Im direkten Vergleich können die beiden großen Bandits ihre Qualitäten beweisen. Die Kaltstartphase mit dem Choke an der linken Lenkerarmatur ist beim Oldie etwas lästig und mit häufiger Hebelkorrektur verbunden, bis der Motor nach ein paar hundert Metern endlich ordentlich Gas annimmt und sauber rund läuft. Auch könnte sich der Vierzylinder, der seine Ursprünge in den GSX-R-Triebwerken der achtziger Jahre hat, mit Vibrationen etwas zurückhalten. Doch das ist vergessen, sobald man das kraftvolle Drehmoment auf der Landstraße auskosten darf. Ganz ohne hektische Schaltarbeit. Einfach nur so, Gas auf und mit Schwung selbst aus den Tiefen des Drehzahlkellers kraftvoll und bärenstark voran. Leistung und Drehmoment vermissen Fahrer einer 1200er sicher nicht.
Es sei denn, sie haben bereits die Neue ausprobiert. Schon der Druck aufs Starterknöpfchen weist auf den Fortschritt hin. Sofort hält die Einspritzung die Zügel in der Hand und beschert dem 1250er-Triebwerk von der ersten Kurbelwellenumdrehung an einen stabilen Leerlauf. Einfach klasse. Und der moderne Vierzylinder nimmt auch gleich Gas an, als hätten sich die Muskeln längst aufgewärmt. Vibrationen? Kein Thema mehr, sanft wie ein Kätzchen schnurrt die neue Bandit, gibt sich geschmeidig und anstandslos brav.
Der 1250er kann aber auch ganz anders, wenn man etwas beherzter am Kabel zieht. Das Hubraumplus von 98 Kubikzentimetern durch einen um fünf Millimeter längeren Hub verfehlt seine Wirkung nicht. Bereits bei 3500/min liegt das Drehmomentmaximum von 115 Newtonmetern an und hält sich bis 6000/min auf diesem Niveau. Das treibt die Bandit 1250 aus
niedrigen Drehzahlen noch nachdrücklicher voran als die 1200er. Praktisch ab Standgas dreht der Motor lochfrei hoch, bündelt seine Kraft bis 7000/min, um darüber kaum mehr zuzulegen. Die alte 1200er ist längst nicht so forsch, geht dafür aber, ein Vorteil der Vergaser, weicher ans Gas als die 1250er mit ihrem etwas ruppigen Ansprechverhalten.
In den gemessenen Fahrleistungen spiegelt sich das subjektive Empfinden
geballter Durchzugskraft allerdings nicht wider. Das sehr lang übersetzte Sechsganggetriebe (MOTORRAD misst den Durchzug ausschließlich im letzten Gang) macht dem neuen Motor einen Strich durch die Rechnung. Natürlich langt es aufgrund des immensen Drehmoments aus niedrigen Drehzahlen und dem letzten Gang heraus für ordentlichen Durchzug, doch im direkten Vergleich mit der 2006er-Bandit sind die Unterschiede gering, kehren sich letztlich sogar um. Bei Landstraßentempo bis 100 km/h ist es gerade noch eine halbe Sekunde, die die 1250er ab 60 km/h besser beschleunigt als die 1200er. Darüber zieht die Alte gleich und jenseits von 140 km/h der Neuen sogar davon.
Aber auf der Landstraße spielt die Musik, nicht auf der Autobahn. Und in ländlichen Gefilden bleibt der 1250er-Motor ein echter Gewinn. Auch tut es gut, dank Euro 3 mit einigermaßen reinem Gewissen über kurvige Straßen schwingen zu können. Mit dem Kraftstoff geht das modernere Motorenkonzept leider nicht sparsamer um. Beide Banditen konsumieren bei verhaltenem Landstraßentempo exakt fünf Liter Normal auf hundert Kilometer. Und erstaunlicherweise braucht die Neue bei Richtgeschwindigkeit 130 km/h sogar gut einen halben Liter mehr als die Alte, obwohl sich die ellenlange Übersetzung drehzahlsenkend auswirkt.
Abgesehen von dem kühlrippenlosen, wassergekühlten Motor muss selbst der Fachmann schon sehr genau hinschauen, um Unterschiede zwischen Bandit alt und Bandit neu auszumachen. Die klassisch anmutenden Rundinstrumente mit digitaler Tachoanzeige, Tankanzeige, Uhr und Tageszählern, die gut ausleuchtenden Scheinwerfer und einstellbaren Lenkerarmaturen, die Bremsen, die hohe Handkraft mit guter Wirkung kombinieren, all diese Komponenten sind bei beiden identisch. Und hier wie da genießt der Fahrer einen ordentlichen, nahezu turbulenzfreien Windschutz, sowie eine relaxte Sitzposition. Auch das ordentlich funktionierende ABS hat die Neue übernommen.
Veränderungen an den Federelementen sind äußerlich nicht zu erkennen, wohl aber zu spüren. Deutlich straffer fühlt sich die bisher zu lasch abgestimmte Gabel an, und das Zentralfederbein bietet ebenfalls mehr Reserven. So fährt sich die Bandit 1250 S etwas direkter als die Vorgängerin, ohne an Komfort ernsthaft einzubüßen.
Dafür hat sie jedoch stolze elf Kilogramm Gewicht zugelegt, das hauptsächlich von der voluminöseren Auspuffanlage und den verstärkten Rahmenunterzügen herrührt. Statt 243 sind es nunmehr 254 Kilogramm. Behäbiger ist sie dadurch nicht geworden. Im Gegenteil, sie wirkt handlicher, lenkt leichter in Kurven ein als die 1200 S. Das Fahrverhalten ist stabiler und präziser. Die Neue rollt zwar nach wie vor auf Dunlop D 218, was nicht erste Wahl ist, doch in den Sonderspezifikationen »T« vorn und »N« hinten, was entscheidend zum Unterschied im Fahrverhalten beiträgt. Mit von MOTORRAD probeweise aufge-zogenen Michelin Pilot Road fährt sie noch komfortabler, neutraler und zielgenauer und demonstriert ihr ganzes fahrwerkspezifisches Können.
Kraftvollerer, kultivierter, direkter ansprechender Motor, ein strafferes, agileres Fahrwerk vieles spricht für die modernere Bandit. Auch das nach wie vor günstige Preis-Leistungs-Verhältnis. Wobei die 1200 S, wie eingangs bereits erwähnt, nun nochmals günstiger zu bekommen ist. Und viele Bandit-Fans lieben den Feinripp-Look des luftgekühlten Motors. Den kann die Neue definitiv nicht bieten.
Triumph definiert die Tiger neu. Ursprünglich als kräftig motorisierte Reise-Enduro angetreten, wechselt die fauchende Raubkatze nun ins Lager der hochbeinigen Funbikes. Wie gut tut der Rollenwechsel?
So richtig wollte man der Tiger über all die Jahre eigentlich nicht abnehmen, dass sie eine Enduro ist. So mächtig, wie sie wirkte, so schwer, wie sie war, traute sich kaum jemand, mit der englischen Großkatze abseits der Straßen auf die Pirsch zu gehen. Da half es auch nicht, dass Triumph hier und da ein wenig nachbesserte. Schließlich hatte man in Hinckley ein Einsehen, kappte fürs Modelljahr 2005 die Federwege ein wenig, straffte die Dämpfung und setzte auf Guss- statt Drahtspeichenräder, um zumindest auf der Straße eine noch bessere Figur zu machen.
Denn als Tourenmaschine hatte die
Tiger schon immer ihre Qualitäten, nicht zuletzt wegen des geschmeidigen, kraftvoll antretenden Dreizylinders. Und so buhlte sie in den letzten Jahren mit einem Kofferset, Hauptständer und Heizgriffen, die
gratis zum Basispreis von 10360 Euro
hinzugegeben wurden, um die Gunst touristischer Motorradfahrer. Handprotektoren schützen vor Kälte und Nässe, eine
Steckdose liefert Strom. Kurzum: Die Tiger,
anno 2006, ist fast komplett ausgestattet. Was fehlt, sind in der Griffweite einstell-bare Handhebel und ein in der Federbasis
hydraulisch per Handrad einstellbares Zentralfederbein.
Zur Tourenausrüstung passt auch die komfortabel gepolsterte Sitzbank, die mit ihrer Länge genügend Platz für einen Beifahrer lässt. Für eine angenehme Ergonomie allerdings reicht es nicht. Ein wenig hoch ist die Sitzposition geraten, die Beine
müssen unnötig stark angewinkelt werden, und der Lenker ist etwas zu stark gekröpft, um eine perfekte Verbindung zwischen Mensch und Maschine herzustellen.
Versöhnlich stimmt die extrem komfortable Fahrwerksauslegung. Die Tiger nutzt ihre unverändert langen Federwege, um Schlaglöcher, buckligen Asphalt und wellige Fahrbahndecken von der Besatzung fernzuhalten. Angenehm für genüssliches Touren, hinderlich bei sportlicher Gangart. Tief taucht die Gabel beim Bremsen ab, vermittelt ein schwammiges, indifferentes Gefühl für die Fahrbahn. Dazu lenkt sie schwerfällig ein, besonders bei schnellen Wechselkurven muss der Fahrer schon
ordentlich Kraft aufwenden, um die 251
Kilogramm schwere Maschine halbwegs präzise zu lotsen. Auch die stumpfen Bremsen können den Eindruck behäbigen Fahrverhaltens nicht mildern.
Das hat der Triple nicht verdient. Mit sattem Schub tritt der 106 PS starke Dreizylinder (MOTORRAD-Messung 101 PS) bereits aus niedrigen Drehzahlen an, geht weich ans Gas, dreht sauber hoch und entfaltet homogen seine Leistung. Kultiviert und vibrationsarm setzt er seine Kraft frei, lädt zu schaltfauler und doch flotter Fahrt ein ein begeisternd souveräner, drehmomentstarker Motor. Der Verbrauch auf der Landstraße geht mit 5,1 Liter
Super auf 100 Kilometer durchaus in Ordnung. Und bei dem stattlichen 24-Liter-Spritfass erstreckt sich die Reichweite auf beträchtliche 471 Kilometer. Wie es sich für eine ordentliche Reisemaschine gehört.
Schon rein äußerlich ist die 1050er-
Tiger um Lichtjahre moderner als die 955er. Alles passt wie angegossen, und gibt sich bei der Sitzprobe wesentlich umgänglicher, etwa die niedrigere Sitzhöhe, so dass
auch die Füße den Boden erreichen, der Kniewinkel und der schlanke Knieschluss. Der breite Lenker ermöglicht eine aktive, gleichwohl bequeme Haltung. Die Ver-
kleidungsscheibe ist breiter als bei der Vorgängerin und schützt die Schultern besser vor Wind. Dagegen wirkt das Cockpit luftiger, freundlicher, frischer.
Die Fahrwerksabstimmung geht in eine völlig andere Richtung. Upside-down-Gabel und Zentralfederbein, beide mit deutlich weniger Federweg als beim 955er-
Modell, bieten einen guten Kompromiss aus sportlicher Härte und gewünschtem Komfort. Und lassen sich dank reichlich Einstellungsreserven an persönliche Prä-ferenzen anpassen.
Aufgrund dieser Voraussetzungen sowie einer kompromisslos straßentauglichen Bereifung lenkt sich die Tiger 1050 deutlich präziser, liefert exakte Rückmeldung, wirkt transparenter, stabiler und sicherer beherrschbar. Wohl klar, dass die Neue gern flott unterwegs ist und zur Kurven-räuberei tendiert. Zumal die Radialzangen vorn herzhafter und insbesondere besser dosierbar zupacken. Handlicher ist die
Tiger ebenfalls geworden, was sicherlich mit ihrem deutlich niedrigeren Gewicht von 229 Kilogramm zusammenhängt.
Nominal neun und gemessen sogar 18 PS mehr Leistung sowie über den gesamten Drehzahlbereich mehr Drehmoment sind die Folge der Hubraumanhebung um knapp 100 Kubikzentimeter. In den Fahrleistungen, von der Beschleunigung bis um Durchzug, ist das 1050er-Triebwerk dem alten klar überlegen, hat deutlich mehr Punch, wirkt aber auch aggressiver und
etwas ruppiger. Das passt eher zu quirligen als zu ruhigen Charakteren. Den etwas
höheren Landstraßenverbrauch von 5,4
Liter Super, der in Verbindung mit dem kleineren 20-Liter-Tank zu einer geringeren Reichweite führt, muss man in Kauf nehmen. Dafür fällt die hochwertig verarbeitete Tiger 1050 zum Preis von 10050 Euro günstiger aus als die alte und ist demnächst optional mit ABS erhältlich. Und verkaufsfördernde Maßnahmen wie Gepäcksystem oder Heizgriffe als Dreingabe wird sie so schnell nicht nötig haben.
Die Amerikaner haben sich mächtig ins Zeug gelegt,
ihren 2007er-Modellen mit inneren Werten neuen Glanz zu verpassen. Rein äußerlich ist alles beim Alten
geblieben. Beispiel Night Train.
Wenn Harley-Davidson »neue« Modelle vorstellt, haut das den gemeinen Motorradfahrer meist nicht vom Hocker. Breitere Zierstreifen, etwas mehr Chrom auf dem Luftfilterdeckel, linksrum gesteppte Nähte an den Satteltaschen et cetera. Dazu der muntere Mix der Komponenten. Mal schauen, was sich noch so kombinieren lässt. Echte Harley-Fans indes wissen den Verzicht auf hektische Modellwechsel zu schätzen. Harleys sind mittlerweile
nicht nur zuverlässig, sondern sie genießen auch einen hohen Qualitätsstandard und sprichwörtliche Wertbeständigkeit.
Für das Modelljahr 2007 krempelten die Amerikaner ihren Antrieb allerdings kräftig um. Was auch nötig war. Denn die Euro-3-Norm lässt es nicht mehr zu, Motoren einfach nur zuzustopfen. Jetzt ist ein neuer Twin Cam 96 da, der den betagten Twin Cam 88 in allen Modellen der Bau-
reihen Dyna, Softail und Touring ablöst.
Die Night Train gehört zur Spezies
Softail. Und weil der V2 starr mit dem Rahmen verschraubt ist, kommt bei ihr die 96B-Variante ins Spiel. B steht für Balancershaft, also zwei Ausgleichswellen, um Massenkräfte erster Ordnung unverzüglich in die Flucht zu schlagen. Was nichts daran ändert, dass auch diese Harley vibriert, nur wohltuend angenehm und in der richtigen Frequenz. Twin Cam 96, das heißt
vor allen Dingen mehr Hubraum. 96 Cubic-
Inches bedeuten 1584 Kubikzentimeter
Hubraum, 135 mehr als bislang, und sie verhelfen zu viel mehr Drehmoment sowie einiges mehr an Leistung. Exakt sieben PS. So die Angaben von Harley.
MOTORRAD spannte alte und neue Night Train auf den Prüfstand: Beide liegen in der Spitze leicht über ihren Werks-
angaben, weit spannender ist jedoch der Verlauf der Leistungs- und Drehmomentkurve (siehe Diagramm nächste Seite). Das spricht Bände über den Unterschied der Motoren. Zwischen 2500 und 5000/min
produziert der 96er im Schnitt immer um die zehn PS mehr, und das Drehmoment
liegt zwischen 2000 und 4000/min durchschnittlich um 20 bis 25 Nm höher als bei der hubraumschwächeren Variante.
Das schafft natürlich nicht allein der Hubraum. Leichtere Kolben, Pleuel und Kolbenbolzen sorgen ebenfalls für gesteigerte Leistung und geringere oszillierende Massen, damit der Twin Cam 96B spürbar kultivierter läuft als sein Vorgänger. Harley-Davidsons neues Ansaug- und Auspuffsystem trägt außerdem sein Scherflein zur Leistungssteigerung bei. Nach Vorgaben des Getriebes und des elektronischen
Motormanagements öffnet und schließt
ein Magnetschalter Ventile im Ansaug- und eine Klappe im Auspufftrakt, um zusätz-
liches Volumen in beiden Bereichen zuschalten oder abkoppeln zu können.
Ein hübscher Trick, der auch noch schön auf die Ohren geht. Im Stadtverkehr etwa gleitet die Night Train 96 mit nur
einem aktiven Schalldämpfer flüsternd vor sich hin, um am Ende des Ortschilds, wenn der Gashahn endlich aufgezogen wird, aus dem zweiten, offenen Rohr loszuballern. Nicht unverschämt laut und auf alle Fälle legal, aber geprägt von sattem, tieffrequentem Sound. Deshalb spielt man gern mit dem Gasgriff, um die 96er-Big-Twin-Sinfonie noch mal von vorn zu hören.
Die Night Train 96 ist erfüllt mit Leben. Ab der ersten Kurbelwellenumdrehung geht es Schlag um Schlag, bassig swingend, groovend vorwärts. Gute Unterhaltung in Reinkultur, während sich die Vorgängerin mit einem blechern klingenden Auspuff
begnügen muss. Der alte Motor wirkt im Vergleich abgewürgt und langweilig.
Die mageren Durchzugs- und Beschleunigungswerte untermauern die Lustlosigkeit der 88er-Night-Train. Auf die 96er verliert sie im Sprint auf 140 km/h gut drei Sekunden, im Durchzug von 60 bis 140 km/h knapp vier Sekunden.
Passend für den Twin-Cam-96-Motor wurde das Sechsgang-Cruise-Drive-Getriebe entwickelt und der Anlasser direkt mit dem Primärtrieb verschraubt, so dass die Zwischenwelle entfallen kann. Ob deshalb wohl der Anlasser hammerschlagartig die Kurbelwelle in Rotation versetzt? Es klingt jedenfalls erbärmlich. Verglichen mit dem Fünfganggetriebe in der 88er-Night-Train fallen die ersten drei Gänge etwas länger, der Vierte und Fünfte indes etwas kürzer aus. Der sechste Gang wurde als Overdrive draufgepackt und erlaubt, mit der großen Night Train ab etwa 70 km/h knapp über Standgas daherzutuckern. Lediglich mit dem Beschleunigen tut sie sich ab dieser Geschwindigkeit noch schwer.
Rein äußerlich machen beide Night Train ordentlich was her. Der tiefe Badlander-Sitz, der flache Drag-Bar-Lenker und die vorverlegten Fußrasten bedingen eine radikale Sitzposition mit weit vorgestreckten Armen und Beinen, die längst nicht so unbequem ist, wie sie ausschaut. Um eine Starrrahmenoptik vorzutäuschen, verstecken sich die beiden Federbeine perfekt hinter dem Öltank. Manchmal wird man aber das Gefühl nicht los, als wäre der Rahmen hinten wirklich ungefedert. So wenig Komfort bieten die beiden Feder-beine, die sich gegen die Dreieckschwinge aus Stahlrohr abstützen.
Überraschend stabil führt dagegen die mit schlanken Holmen bestückte Telegabel das 21-Zoll-Drahtspeichen-Vorderrad. Auf holprigen Passagen oder bei etwas flotterem Fahrstil wirkt sie jedoch unterdämpft und neigt zum Stuckern. Angesichts des langen Radstands und der gestreckten Sitzposition geraten enge Kurvenradien zu einer staksigen Angelegenheit. Auch wenn die Schräglagenfreiheit für Harley-Verhältnisse groß erscheint, die Bremsen vorn wie
hinten ganz ordentlich funktionieren, kurvenreiche Landstraßen sind nicht gerade ihr Ding. Weit gesteckte, sanftere Kurven und lange Geraden sind eher das Terrain der Night Train. Schon Dennis Hopper
und Peter Fonda haben es uns mit ihren Choppern vorgemacht.
Doch nicht nur Filmstars, auch Harley-Fahrer werden älter und bequemer. Da kommt das sogenannte Smart Security System, das Harley bei allen 2007er-
Modellen eingeführt hat, sehr gelegen: eine elektronische Wegfahrsperre mit integrierter, ohrenbetäubender Alarmanlage und schlüsselloser Fernbedienung. Man führt lediglich eine Art Transponder mit sich.
Auf die kleinen knubbeligen Schlüssel fürs Lenkschloss und den Zünddrehschalter kann man getrost verzichten, obwohl
sich die Night Train weiterhin klassisch
abschließen lässt. Sobald man sich nur wenige Meter vom Motorrad entfernt, schärft sich die Alarmanlage selbsttätig. Und dank Transponder kann man jederzeit losfahren, ohne einen Schlüssel in die Hand nehmen zu müssen. Eine bequeme Sache wenn man das Teil dabei hat. Wenn nicht, wirds stressig. Allein der Versuch, die 314 Kilogramm schwere 96er-Night-Train sachte vom Seitenständer zu hieven, genügt, um die schrille Alarmanlage auszulösen und den Zündstrom zu unterbrechen.
Das reißt nicht nur Nachbars Oma aus dem Tiefschlaf, auch die lieben Kinder
laufen jedes Mal kreischend durch den Garten, wenn der Papa den Schlüsselbund auf dem Sideboard liegen gelassen hat. Aber schließlich kostet so eine Night Train 96 ja auch viel Geld, nämlich 17995 Euro, und da sollte das gute Stück nicht so einfach seinen Besitzer wechseln können.