Suzuki V-Strom 800 DE und Honda XL 750 Transalp im Alpen-Test

Suzuki V-Strom 800 DE und Honda XL 750 Transalp
Welche gewinnt den Alpen-Test am Stilfser Joch?

Zuletzt aktualisiert am 01.08.2023

Seit geraumer Zeit regieren Adventure-Bikes die Pässe. Neun der letzten zehn Alpen-Masters-Sieger zählten zu dieser Kategorie. Warum? Diese Motorräder begegnen den von der Witterung zerfressenen Straßen mit langen Federwegen, den unübersichtlichen Kehren mit hohen, aufrechten Sitzpositionen und dem Urlaubsgepäck mit reichlich Zuladung. Was will man mehr? Am Stilfser Joch noch eines ganz besonders: Leichtigkeit. Denn das Handling eines Motorrads wird hier auf eine außergewöhnliche Probe gestellt. Kehrtwendungen auf engstem Raum dominieren wie nirgends sonst. Oft bewegt man sich an der Grenze zwischen Fahren und Rangieren.

In der einen Ecke wartet die Suzuki V-Strom 800 DE auf das Go. In der anderen lauert die Honda XL 750 Transalp . Mit mehr Leistung und geringerem Gewicht tritt sie der V-Strom selbstbewusst gegenüber. Findet die Suzuki am Pass in der Honda ihre Meisterin? Wir besteigen mit beiden das Stilfser Joch, um es herauszufinden.

V-Strom in Spitzkehren extrem handlich

Schon in den ersten Spitzkehren straft die V-Strom die Datenblätter Lügen. Handlich, neutral und mit tollem Feedback wirft sie sich bei niedrigem Speed in leichte bis mittlere Schräglagen. Ein ums andere Mal, als wäre sie einzig und allein für enge Kehrtwendungen geschaffen. Ihre 231 Kilogramm balanciert sie so geschickt aus, dass sie sich in Bewegung nicht schwerer anfühlen als die 210 Kilogramm (jeweils vollgetankt) der Transalp. Die folgt der V-Strom ebenfalls überaus handlich in Richtung Gipfel, kurvt aber nicht ganz so präzise und gibt vom Start weg ein weniger vertrauenerweckendes Anlehngefühl. Grund dafür ist nicht etwa die Erstbereifung (Metzeler Karoo Street), die jener der V-Strom (Dunlop Trailmax Mixtour"B") in nichts nachsteht. Die weniger satte Dämpfung der Gabel und besonders des Federbeins kosten die Transalp Stabilität. Zwar bietet die softe Abstimmung insgesamt guten Komfort, allerdings braucht das Fahrwerk nach Schlaglöchern und Bodenwellen einige Meter, um eingeleitete Schwingungen zu neutralisieren. Ganz im Gegensatz zur voll einstellbaren Kayaba-Hardware der Suzuki, die gutes Ansprechverhalten mit samtiger Dämpfung kombiniert und das Bike am ausgewaschenen und zerfurchten Asphalt förmlich festsaugt. Auch bei Beladung in Form eines 80-Kilo-Sozius (Federvorspannung bei Suzuki und Honda per Handrad justierbar) bleibt sie souverän, während die Honda sich dann oft auf dem Gummipuffer des Federbeins abstützen muss.

Bergab, mit Sozius voll in die Bremsen

Voll beladen geht’s auf der Rückseite des Berges wieder hinunter. Den Blick stets weit nach vorne gerichtet, denn wenn unerwartet ein Wohnmobilist oder gar ein Reisebus in der Kehre auftaucht, sollte man bremsbereit sein. Im Fall der Fälle verzögert die Honda hart, ihre Bremse lässt sich zudem über ein paar Millimeter Hebelweg gut dosieren. Das Road-ABS (die Transalp verfügt wie auch die V-Strom zusätzlich über eine Offroad-Abstimmung) greift entschlossen und zuverlässig ein, wenn die Federelemente über Schlaglöcher an ihre Grenzen gelangen. Das Heck bleibt sicher am Boden – so soll es sein. Das Suzuki-ABS tut es jenem der Honda gleich und die V-Strom liegt beim Bremsen über Bodenwellen noch stabiler. Ihre Stopper beißen initial zudem spürbar kräftiger in die 310-Millimeter-Scheiben, zur Dosierung der Bremskraft stellen sie allerdings etwas weniger Hebelweg bereit. Welche dieser beiden Abstimmungen die bessere ist, fällt unter"Geschmackssache". Wichtiger: Beide Bremsanlagen halten der Dauerbelastung beim Abstieg stand.

Suzuki-Reihentwin am Berg eine Macht

Bald windet sich das Asphaltband wieder gen Himmel, "Tornanti"-Schilder kündigen die nächste Kletter-Etappe an. Aktiv-aufrecht sitzend mit viel Übersicht auf Honda wie Suzuki eine Freude, wobei das Sitzdreieck der V-Strom noch etwas entspannter ist, ihr Polster dafür härter. Mit jeder auf eine Serpentine folgende Beschleunigungsphase verdichtet sich der erste Eindruck zur Gewissheit: Der neu entwickelte Suzuki-Reihentwin ist am Berg eine Macht. Viel Drehmoment aus der unteren Mitte und in allen Mappings überaus sanftes Ansprechverhalten sind in diesem Geläuf mehr wert als die Drehfreude und Spitzenleistung des Honda-Motors. Greifbar wird das am Scheitelpunkt der Kehren. Während man im ersten Gang bei Fast-Schritttempo auf der V-Strom einfach bedacht das Gas anlegt, fordert die Transalp mit forschem Ansprechverhalten hier den Einsatz der sehr leichtgängigen Kupplung. Übrigens auch beim anschließenden Beschleunigen und Durchsteppen der Gänge, denn am Testbike ist der optionale Quickshifter nicht montiert. Jener der Suzuki wechselt die Fahrstufen aufwärts schnell und geschmeidig. Zum Herunterschalten, ganz besonders in den Ersten, muss er aber mit entschlossenen Tritten auf den Schalthebel überzeugt werden.

Beide Bikes mit umfangreicher Serien-Elektronik

Abgesehen davon gibt’s an der umfangreichen Serien-Elektronik der Suzuki und auch der Honda nichts auszusetzen. Beide Traktionskontrollen sind einstellbar und verrichten ihre Dienste unauffällig. Die Justage gelingt im Menü der V-Strom deutlich intuitiver und auch das kontrastreiche TFT- übertrifft das altbackene LC-Display der Transalp um Längen. Weiteren Elektronik-Schnickschnack sparen sich Suzuki und Honda. Features wie etwa Smartphone-Connectivity vermisst man nicht, Heizgriffe (bei beiden optional) wären besonders am kühlen Morgen aber schön.

Und damit Strich drunter. Wir zählen erstmals die Punkte zusammen. Klare Sache: Am Pass liegt die V-Strom 800 DE deutlich vor der XL 750 Transalp. Mit ihrem ausgewogenen Fahrverhalten und dem brillant abgestimmten Motor hat sie das Potenzial, dort den "großen" Reiseenduros Feuer unter den Rädern zu machen.