Die Evolution zeigt sich gnadenlos. Einmal nicht gegen andere durchgesetzt und die eigene Art steht vor dem Ende. Im übertragenen Sinn trifft das auch auf den Motorradmarkt zu. Klar regieren hier vornehmlich wirtschaftliche Interessen. Aber die folgen teilweise einem ähnlichen Muster. BMWs F-Modelle, Honda Dominator, Kawasaki KLR 650 Tengai und, na klar, Yamahas 660er-Ténéré: Diese kleine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit demonstriert, dass es vor einigen Jahren einzylindrig, offroadig und reisetauglich mit rund 600 cm³ bei allen Herstellern zuging. Zuletzt hielt noch Yamahas Ténéré die Fahne hoch. Dann kam Euro 4 und mit ihr vorerst der Schlussstrich für diese Zweirad-Gattung. Die großen Zwei- und Mehrzylinder-Reiseenduros hatten den kleinen Varianten längst den Rang abgelaufen. Bis jetzt! SWM sieht das nicht so. Auf Basis der älteren Husqvarna TE 630-Motoren schickt der chinesische Eigner aus den Werkshallen in Varese die neue SWM Superdual T an den Start.
Ein Einzylinder bleibt ein Einzylinder
Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Siegertyp der 1.000-Punkte-Wertung ist die SWM Superdual T nicht geworden. Das waren aber auch die genannten Vorgänger der anderen Marken nie. Was noch hinzu kommt: Ein Einzylinder bleibt ein Einzylinder. Da herrscht nie der geschmeidige Rundlauf eines Inline-Fours. Auch wenn sich der Single grundsätzlich gut erzogen präsentiert, ganz ohne Tadel kommt er nicht davon. So dreht er nach dem Start etwas zu lange zu hoch, bollert mit fast 2.500 Umdrehungen aus den zwei Hecktüten, bevor er nach knapp zwei Minuten bei 1.800/min seinen Ruhepuls findet. Beim Anfahren darf das Gas aber ruhig ein wenig mehr geöffnet werden, weil der Einzylinder bei tiefen Drehzahlen schon mal abstirbt. Der knappe Druckpunkt der ansonsten gut dosierbaren Kupplung und die mitunter leicht verzögerte Gasannahme führen sonst in Summe zum spontanen Stillstand.

Zudem reagiert der Motor der SWM Superdual T in den Gängen eins bis drei unter 3.500 Touren aufs Öffnen der Drosselklappe ruckend, drängt sich stellenweise mit leichtem Konstantfahrruckeln in den Vordergrund. Und bevor die Frage aufkommt: Vibrieren kann er auch. Ab etwa 5.500/min, also kurz bevor er sein gemessenes Drehmomentmaximum von 54 Nm bei 6.000 Umdrehungen erreicht, die Spitzenleistung beträgt 52 PS und liegt bei 7.700/min an, schickt er spürbare Frequenzen ins Fahrzeug. Die stören den Fahrer weniger. Losvibrierte Schrauben an den Handschützern künden aber davon, dass die Anbauteile vom stetigen Pulsieren gut was abbekommen.
Fahrwerk mehr als Klassenstandard
Wobei das weniger an der Qualität der SWM Superdual T an sich liegt. Klar, die Spiegelschellen dürften entgratet, der Hauptständer erreichbar und der Gepäckträger schöner verschweißt sein, in den Grundzügen stimmt die Anmutung aber. Das Fahrwerk mit der in Druck- und Zugstufe einstellbaren Upside-down-Gabel (210 mm Federweg) und dem in Zugstufe und Federbasis einstellbaren ZF-Dämpfer (270 mm Federweg) samt praktischem Handrad ist gewiss mehr als Klassenstandard. Das gilt ebenso für den gut in der Hand liegenden, per asymmetrischen Risern in zwei Positionen montierbaren, konifizierten Lenker wie auch für die vielfach verstellbaren Handhebel.

Form und Funktion finden an diesen Stellen zusammen. Das würde prinzipiell auch für die Bremse der SWM Superdual T gelten. Ein Doppelkolben-Schwimmsattel an der Front von Brembo, Stahlflex-Bremsleitungen sowie Bosch-ABS ergeben den Produktmix für eine standesgemäße Verzögerung. Die lässt sich aber nicht immer realisieren. Woran liegt’s? Zum einen an der Handkraft. Spielt die Bremse bei Alltagseinsätzen noch lässig mit, will sie beim Ausleben des sportlichen Spieltriebs mit Schraubstockhänden angepackt werden. Dann ist Popeye und nicht Olivia gefragt. Ohne Erwähnung darf auch nicht die ABS-Funktion bleiben. Die Kombination aus hohem Schwerpunkt und viel Federweg vorn bringt das System manches Mal an seine Grenzen. Konkreter ausgedrückt: Wer bei einer Schreckbremsung spontan in die Bremse hakt, den bewahrt das ABS mit groben Regeleingriffen zuverlässig vorm Überschlag. Wer aber sportlich auf eine Kurve zubremst, immer stärker verzögert, die Gabel tief eintauchen lässt und das Vorderrad stark belastet, muss schon mal den wackeligen Einradtanz meistern. Mangels Abhebeerkennung kommt es zu Stoppies.
Wahre Bestimmung liegt im Kurvenfahren
Das alles lässt zugegebenermaßen noch reichlich Luft nach oben. War es das damit schon für die gerade erst wiederentdeckte Art im Reigen der motorisierten Zweiräder? Steht die Einzylinder-Reiseenduro schon wieder vor dem Aus? Nein. Denn zum einen wiesen fast alle bisherigen Vertreter dieser Gattung fast ebensolche Schwächen auf. Und zum anderen folgt nun der Teil des Tests, dem nicht viel zu einer Liebeserklärung fehlt. Kennen Sie das Maurische Gebirge? Falls nicht, einfach mal googeln. Es liegt nordwestlich von Hyères in Frankreich. Fahren Sie die Straßen entlang. Nicht die großen Verbindungsrouten, sondern die schmalen Pfade, die zackenförmig wie die Messkurve eines EKG durch die Hügellandschaft mäandern. Hier findet die SWM Superdual T ihre Bestimmung. Ihre Sitzhöhe von 890 Millimetern bietet einen Ausblick wie das Krähennest auf einem Piratenschiff. Ob nächste Biegung oder landschaftliche Besonderheit, alles liegt sofort im Blick.

Fürs Gucken, Schauen, Wahrnehmen erweist sich der 600-Kubik-Single als idealer Begleiter. Denn im Gegensatz zu den restlichen Vertretern der Einzylinder-Reise-enduros, die innerhalb des 48-PS-Limits angesiedelt sind, pulsiert er beim munteren Drehzahlspiel rund um sein Drehmomentmaximum Mensch und Maschine angemessen kräftig voran, fordert keine Aufmerksamkeit, wirkt nie überfordert. Er steht einem wie ein guter Begleiter zur Seite. Unaufgeregt, verlässlich, im besten Sinn alltags- und reisetauglich. Die Gänge flutschen nach beherztem Tritt per Endurostiefel nur so im Getriebe hin und her, während die SWM Superdual T wie von selbst jedem Wunsch nach einer Richtungsänderung nachkommt. Dieseits vom Fräsen auf der letzten Rille – aber gewiss nicht langsam – meistert die Superdual enge Bögen oder weite Biegungen mit Gelassenheit. Die Federelemente bügeln die Verwerfungen zweitklassiger Teerbänder sauber aus, die schmalen Pneus im Format 110/80 19 Zoll und 140/80 17 Zoll haften, bis der Hauptständer Funken wirft. Und sie würden sogar noch schräger können, allerdings gibt das zentrale Standwerkzeug nur wenig nach, zerspant sich Gramm um Gramm.
SWM Superdual T ist ein Entdecker-Motorrad
Diese Straßen, kaum breiter als ein Auto, sind die Spielwiese für die SWM Superdual T. Hier gehört sie hin. Ein Entdecker-Motorrad, das selbst vor Ausflügen ins Unbefestigte nicht zurückschreckt. Zwar schrauben die Kofferhalter ihr Gewicht auf vollgetankt – immerhin passen 18 Liter in den Tank – 197 Kilogramm. Doch die weiß sie geschickt zu kaschieren. Wirkt mit wespengleicher Hüfte gut und gerne 20 Kilogramm leichter. Schieben, drehen auf dem Seitenständer? Mühelos. Da stößt der Mensch bei den Mehrzylinder-Enduro-Varianten schnell an Grenzen. Beherrschbarkeit, Handhabung heißen die magischen Worte der SWM, weshalb ihr Spritvorrat gut gelaunt gerne mal bis zur Ebbe genutzt wird. Bei einem Verbrauch von 4,4 Litern sind 409 Kilometer am Stück drin. Dieses Motorrad bestätigt dich auf allen Pfaden in deinem Tun. Fahrer und Fahrzeug bilden eine Einheit.

Die existiert auch dann noch, wenn die Wege sich weiten, Mittelstreifen die Straße zieren. Am breiten Lenker geführt, eilt die SWM Superdual T durch jedes Eck. Nicht mit herausragender Stabilität, aber eben auch ohne durch Rühren oder Gautschen zu verunsichern. Sie trifft bei vielem die richtige Mitte. Motor und Fahrwerk mit 1.510 Millimeter Radstand, 63 Grad Lenkkopfwinkel und einem Nachlauf von 115 Millimetern beweisen, dass die einzylindrige Reiseenduro zu Unrecht von der Motorradevolution aus dem Markt ausgeschlossen wurde. Das „Welcome back“ fällt zufrieden aus. Ob die angesprochene Mitte allerdings eine goldene wird, für SWM oder die Fans dieses Konzepts, muss sich erst noch erweisen. Ganz ohne Schwächen kommt die Superdual T eben nicht daher. Für Interessierte: 8.490 Euro kostet die SWM in der getesteten Version inklusive Koffern und Haltern. Wer lieber nur zur Gepäckrolle greift, spart auf einen Schlag 900 Euro und dazu ein paar Kilos.
MOTORRAD-Fazit zur SWM Superdual T
Mit der SWM Superdual T bekommt die Einzylinder-Reiseenduro eine zweite Chance. Sie kann zwar keine entscheidend neuen Impulse in diesem Segment setzen, zeigt aber, dass dieses Konzept durchaus seine Berechtigung hat. Und wenn SWM die eine oder andere Schwäche in Zukunft noch ausmerzt, dann stehen die Zeichen gut, dass aus der wiederentdeckten Art eine bleibende wird.
Enge Verwandtschaft mit der Husqvarna TE 630
Die SWM Superdual T baut auf erprobter Technik auf, die vor gar nicht allzu langer Zeit unter dem Namen Husqvarna verkauft wurde. Ein kurzer Rückblick auf die jüngste Geschichte.
Werfen Sie doch mal einen Blick auf die SWM Superdual T und dann einen auf die Husqvarna TE 630. Spätestens bei den Details rund um den Motor und seinen roten Zylinderkopf wird klar: Hier herrscht eine enge Verwandtschaft. Wie die TE 630 unten besitzt auch die Superdual exakt 600 cm³, die sich durch eine Bohrung von 100,0 und einen Hub von 76,4 mm definieren.

Damals gab es noch eine Nennleistung von 57 PS, heute sind es gemäß Euro 4 54 Pferdestärken. Doch wie kam es zu dieser Verknüpfung von Husqvarna und SWM? 2013 verkauft BMW Husqvarna an KTM, die aber nur den Namen verwenden. Die vorhandene Fahrzeugtechnik und das Werk in Varese werden von den Österreichern nicht genutzt. Das ruft den ehemaligen Husqvarna-Chefingenieur Ampelio Macchi auf den Plan, der den Altbestand samt Firmengelände zusammen mit dem größten chinesischen Motorradhersteller Shineray übernimmt. Beide erstehen ebenfalls den Markennamen SWM, unter dem die alten Husqvarna-Singles nun ihren zweiten Frühling erleben, wie das Beispiel der SWM Superdual T zeigt.
Die Konkurrenz
Neue Mitbewerber? Gibt es nicht mehr. Daher müssen hier zur Einordnung zwei Bikes herhalten, die nur noch gebraucht zu bekommen sind und wie die SWM Superdual T einzylindrig das Thema Reiseenduro hochhielten.

BMW G 650 GS
Einzylindermotor, 48 PS, 198 kg, 0–100 km/h: 5,1 sek, Vmax: 170 km/h, Verbrauch: 3,4 Liter, ab 7400 Euro* (2015).
Yamaha XTZ 660 Ténéré
Einzylindermotor, 48 PS, 218 kg, 0–100 km/h: 5,7 sek, Vmax: 160 km/h, Verbrauch: 4,1 Liter, 8495 Euro* (2016)
*ohne Nebenkosten
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