Am Anfang floss der Schweiß. Viel Schweiß. Der Fotograf wollte die neue Triumph Tiger Explorer XCA ins rechte Licht gerückt wissen. Und die wehrte sich offensichtlich mit jedem ihrer 286 vollgetankten Kilo Lebendgewicht. Nein, es ist kein Spaß, diesen Riesen zu rangieren. Hinzu kommt: Der hohe Schwerpunkt erlaubt kein halbherziges Zaudern, will immer senkrecht gehalten werden. Ansonsten entwickelt sich ein unentschlossen gehaltener Schrägstand schnell zum stabilen Liegestütz. Nochmals zehn Kilo mehr als bei der 2015er-XC lassen sich nicht verheimlichen. Aber zum Glück ist das nur eine Seite der großen Triumph.
Schließlich haben sich die Mannen aus dem englischen Königreich bei der aktuellen Triumph Tiger Explorer XCA viel Mühe gegeben, den Umgang mit ihr so einfach wie möglich zu machen. Nichts anderes soll die ganze Latte an elektronischen Helferlein bewirken. Hier die Übersicht über die wichtigsten Features: ein elektrisch verstellbarer Tourenwindschild, ein elektronisch einstellbares Fahrwerk von WP, wobei der Dämpfer hinten semiaktiv arbeitet und die Vorspannung automatisch anpasst, eine schräglagenabhängig regelnde Traktionskontrolle und ein ebensolches ABS, verschiedene Fahrmodi, Tempomat, Berganfahrhilfe, Reifendruckkontrolle, sich selbst zurückstellende Blinker und wärmespendende Griffe sowie Sitze. Die Liste ist lang.
Tank fällt im Vergleich zum Vorgängermodell kürzer aus
Daher lieber jetzt zu etwas Grundsätzlichem, zur Sitzposition. Auch hier gibt es ein Update zu vermelden. Der Tank fällt im Vergleich zum Vorgängermodell zwei Zentimeter kürzer aus, der Lenker ist weiter nach unten gedreht. In Summe wird die Sitzposition dadurch vorderradorientierter, bringt ein wenig Sportlichkeit ins Platzarrangement auf der Triumph Tiger Explorer XCA. Ohne natürlich den Bequemlichkeitsfaktor zu vernachlässigen. Denn nach wie vor lümmelt es sich vorne wie hinten ausgezeichnet, richtig gemütlich auf der großen Reiseenduro von Triumph. Da darf die nächste Reise gerne kommen. Damit der Riese mit seinem 1215 Kubik großen Dreizylinder dabei etwas williger als noch das Vormodell Haken im Kurvendickicht schlägt, vergrößerte Triumph den Lenkkopfwinkel von 66,1 auf 66,9 Grad und verkürzte gleichzeitig den Nachlauf von 106 auf 99 Millimeter.
So biegt die XCA trotz auf 120 vorne und 170 hinten gestiegener Reifenbreiten (vorher 110/150) einen Tick leichter ins Eck. Wobei ein guter Teil dieser positiven Tendenz auch den Federelementen zuzuschreiben ist. Per Federweg-Sensor überwacht, sackt das Federbein hinten weniger ein, bleibt stabiler. Das sorgt für das kleine Plus bei der Handlichkeit und mehr Kurvenstabilität. Wobei das Fahrwerk keinesfalls straff agiert. Bei Bedarf rauscht die Triumph Tiger Explorer XCA sänftengleich über den Asphalt, macht aus einem Rübenacker ein Himmelbett für die Bandscheiben. Wie haben die Briten das geschafft?

In den verschiedenen Fahrmodi Road, Rain und Sport sind neben dem Ansprechverhalten des Motors, der verfügbaren Leistung und den Werten für ABS und Traktionskontrolle auch schon Vorgaben für die Dämpfung der Federelemente hinterlegt. Diese umfassen einen Einstellbereich von 1 (soft) bis 9 (straff). Im Road-Modus der Triumph Tiger Explorer XCA ist der Wert 5 hinterlegt, die goldene Mitte. Das Interessante dabei: Selbst während der Fahrt lassen sich die Werte für die Dämpfung, sowie einige weitere Vorgaben für die Assistenzsysteme, nach eigenen Vorlieben ändern.
Mit wenigen Klicks am Wippschalter sowie am Bestätigungsknopf der linken Lenkerarmatur ist das Fahrwerk für den freudigen Kurvenwetz weiter gestrafft oder fürs komfortable Gleiten spürbar gesoftet. Well done, liebe Engländer. Allerdings funktioniert das Ganze nicht ohne ein kleines Aber. Denn man merkt der Gabel der Triumph Tiger Explorer XCA an, dass sie nicht so sensibel wie das Federbein agiert. Ihr Ansprechverhalten fällt nicht so fein aus wie das des Dämpfers. Besonders bei kleinen Impulsen wie Querfugen im Straßenbelag reagiert die Vorderradführung holprig, nicht geschmeidig. Geradeaus fällt das zwar auf, stört aber nicht sonderlich. In Kurven drängt es sich mehr in den Vordergrund. Verglichen mit der Vorgänger-Explorer und deren stark überdämpfter Gabel geht die neue Vorderradführung dennoch besser zu Werke.
Ansprechverhalten der Drosselklappen überarbeitet
Ähnliches lässt sich von der Gasannahme behaupten. Für den aktuellen Explorer-Jahrgang wurde das Ansprechverhalten der Drosselklappen überarbeitet. Der Lohn: Schon unter 2000/min folgt der dicke Drilling willig den Befehlen der rechten Hand. Ruckeln, Vibrationen, ruppiges Hochdrehen: All das hat Triumph aus dem Lastenheft der Triumph Tiger Explorer XCA verbannt. Unter diesen Aspekten glänzte sie ja bisher schon.
Nun gelingt das alles aber noch einmal eine Spur feiner. Als ob aus dem feinen Zwirn namens Ansprechverhalten noch die letzte Falte ausgebügelt wurde. So etwas schafft Vertrauen. Und doch auch wieder ein Fragezeichen. Denn: Zwischen den stabilen Stahlrohren des Rahmens werkelt immerhin ein Motor, der seine drei Kolben bei 85 Millimeter Bohrung kräftig über die 71,4 Millimeter Hub verdichten sollte. Die Erwartung wäre ein kräftiger Antritt, ein zügiges Davonstreben mit der Macht eines großvolumigen Drillings. Davon ist die Triumph Tiger Explorer XCA aber ein Stück weit entfernt.
2016er-Modell leistungstechnisch schwächer als die alte Explorer?
Die alte Explorer preschte explosiver nach vorne. Das ist kein subjektiver Eindruck, das ist eine erfahrbare Tatsache, wie die Beschleunigungs- und Durchzugsmessungen schwarz auf weiß bestätigen. Die fallen aber nicht nur wegen des defensiven Ansprechens des Motors schlechter aus, sondern auch, weil der neuen Explorer ein paar PS fehlen. Trotz Euro 4 und geschrumpftem Auspufftopf stehen für die Triumph Tiger Explorer XCA 123 Nm bei 6200 Umdrehungen und 139 PS bei 9300/min auf dem Papier. Ein kleiner Aufschlag also zum Vorgängermodell.
Die Praxis auf dem Prüfstand ergab allerdings ein anderes Bild. Sowohl bei der Leistung als auch beim Drehmoment verlaufen die Kurven des 2016er-Modells unter denen der alten Explorer. Ein Einzelfall? MOTORRAD hat daher noch ein bis auf die Speichenfelgen baugleiches XRT-Modell der neuen Explorer auf den Prüfstand gestellt. Die Kurven differieren bis auf Unterschiede im Bereich der Messtoleranz aber nicht. Im richtigen Leben bedeutet das: Wer mit der Triumph Tiger Explorer XCA des Jahrgangs 2016 dem Vorgängermodell folgen will, kommt um fleißige Schaltarbeit nicht umhin.

Die gelingt dafür fast so geschmeidig wie nur möglich. Ein Finger genügt, um die Kupplung zu ziehen. Und da Triumph auch gleich eine Rutschfunktion integriert hat, klappt das flinke Runterschalten vor Kehren holperfrei. Bevor es ums Eck geht, ist nicht nur die linke Hand gefragt, auch die Bremse muss ihren Teil für den richtigen Kurvenspeed beitragen. Kein leichtes Unterfangen, schließlich fliegen bei Ausnutzung der auf 222 Kilogramm gesteigerten Zuladung mehr als eine halbe Tonne Mensch und Motorrad auf den Scheitelpunkt zu. Uff! Mit zwei schwimmend gelagerten, 305 Millimeter messenden Scheiben samt neuen Vierkolben-Radialsätteln von Brembo stellt sich die Triumph Tiger Explorer XCA dieser Herausforderung.
Und auch wenn die Dosierbarkeit vielleicht ein wenig besser, knackiger ausfallen dürfte: Was der Riese aus dem Triumph-Regal hier aufs Parkett zaubert, verdient Applaus. Mit gemittelten 9,8 m/s² aus 100 Stundenkilometern verzögert die XCA heftig, pfeift der Metzeler Tourance Next in Sonderspezifikation „E“ um Gnade. Da die Zuladung schon angesprochen wurde: Egal ob allein oder zu zweit, die Triumph Tiger Explorer XCA bleibt bei heftigen Bremsstopps immer narrensicher beherrschbar, hält beide Räder in den Modi Road, Rain und Sport sicher am Boden. Nur wer das volle Potenzial der Bremse mehrfach nacheinander abruft, permanent ankert wie ein Berserker, muss mit leichtem Fading rechnen. Dann lässt sich der Handhebel schon mal fast bis zum Lenker durchziehen.
Ab 190 km/h kann es ungemütlich werden
Als Reiseenduro hat die Triumph Tiger Explorer XCA neben dem Kurvenswing auch schnelles Abreißen langer Distanzen ganz oben im Lastenheft stehen. Riesenhaft fällt die montierte Tourenscheibe aus. Per Knopfdruck fährt sie elektrisch hoch und runter. Gut schirmt sie die Passagiere vom Fahrtwind ab, erlaubt zügiges Vorankommen. Bis die Tachonadel den Bereich der Höchstgeschwindigkeit erreicht. Diese ist auf 211 km/h begrenzt. Die volle Power entwickelt der Motor nur in den Gängen eins bis vier, die Getriebestufen fünf und sechs sind leistungsmäßig begrenzt. Ab etwa 190 Kilometer pro Stunde kann es auf der XCA schon mal ungemütlich werden, zumindest beim Testexemplar von MOTORRAD.
Seitenwind oder Verwirbelungen vorausfahrender Fahrzeuge genügen, um die Explorer ins Pendeln zu bringen. Die Triumph Tiger Explorer XCA liegt nervös auf der Straße. Das Problem dabei: Vom Gas zu gehen, schafft keine Abhilfe, verstärkt die Pendelneigung im ersten Moment sogar. Mit montierten Koffern verstärkt sich die Instabilität noch mal, weshalb Triumph ein maximales Tempo von 130 km/h empfiehlt. Hier kommt die bereits erwähnte XRT-Variante der neuen Explorer nochmals ins Spiel. Bei der Gegenprobe verhielt sich dieses Modell deutlich stabiler, zeigte nur minimale Pendel-Tendenzen, ließ sich sicher beherrschbar bei Topspeed über die Autobahn treiben. Woran liegt das? Rahmen und Fahrwerk beider Modelle inklusive der Abstimmung der Federelemente sind gleich. Dennoch verrichtete besonders das Federbein der XRT den Dienst deutlich straffer als das Pendant der XCA-Version. Triumph prüft bereits die getestete XCA. Bis Ergebnisse vorliegen, bleibt es bei der deutlich geringeren Ausbeute in der Punktetabelle unter dem Aspekt Geradeauslaufstabilität.
Jenseits der Highspeed-Region macht die XCA alles mit
Aber dauernd heizen will eh keiner. Und jenseits der Highspeed-Region macht die Triumph Tiger Explorer XCA alles mit, trägt Reiter und Passagier sicher und kommod überallhin. So bequem, dass vorm fälligen Tankstopp niemand absteigen möchte. 5,2 Liter genehmigt sich die XCA aus ihrem 20 Liter fassenden Spritbehälter für 100 Landstraßenkilometer. Zwangsanhalten wäre also erst nach fast 400 Kilometern fällig. Bei konstant 130 km/h auf der Bahn beträgt der Aufschlag 0,7 Liter. Angesichts des Gewichts liegen die Verbräuche im Rahmen. Für Entspannung in Sachen Geldausgeben sorgen großzügige 16.000er-Wartungsintervalle und die vierjährige Garantie.
Auch wenn darin bestimmt keine Sturzteile für den ziemlich komplett ausgestatteten XCA-Riesen enthalten sind, der für 18.600 Euro zu haben ist, entführen wir die Explorer jetzt noch kurz auf unbefestigtes Terrain. Schließlich gehören Adventure-Gene mit zur großen Triumph. Im Offroad-Modus meistert die Triumph Tiger Explorer XCA auch knifflige Passagen, macht mehr mit, als ihre riesenhafte Erscheinung auf den ersten Blick vermuten lassen würde. Nur Rangiertempo wird knifflig. Wie beim Hin- und Herschieben für den Fotografen. Dann rinnt der Schweiß, das ist garantiert.
Technische Daten Triumph Tiger Explorer XCA

Hier sehen Sie einen Auszug der technischen Daten. Wenn Sie die kompletten, von uns ermittelten Messwerte inklusive aller Verbrauchs-, Durchzugs- und Beschleunigungswerte möchten, können Sie den Artikel als PDF zum Download kaufen.
Fünf Fahrmodi stehen zur Auswahl

Die Triumph Tiger Explorer XCA besitzt fünf Fahrmodi. In diesen sind Einstellungen für die Traktionskontrolle, das Ansprechverhalten, die Dämpfung und den Dämpfungsmodus hinterlegt. Je nach Modus lassen sich die Werte in einigen Stufen oder komplett – wie im Rider-Modus – verstellen. Eine Sonderform stellt der Offroad-Modus dar, dessen Setup sich komplett von den Modi Road, Rain und Sport unterscheidet.
Fahrmodus | ABS-Regelung | Traktionskontrolle | Ansprechverhalten | Einstellung Fahrwerk | Dämpfungsmodus | Road | Road | Road (Rain) | Road (Rain/Sport) | Stufe 5 (1–4/6–9) | Auto | Rain | Road | Rain (Road) | Rain (Road) | Stufe 2 (1/3–9) | Auto | Sport | Road | Sport (Road) | Sport (Road) | Stufe 8 (1–7/9) | Auto | Offroad | Offroad (Off) | Offroad (Off) | Offroad (Road/Rain/Sport) | Stufe 5 (1–4/6–9) | Offroad (Auto) | Rider | Road (Offroad/Off) | Road (Rain/Sport/Offroad/Off) | Road (Rain/Sport/Offroad) | Stufe 5 (1–4/6–9) | Auto (Offroad) |
(Optionale Einstellmöglichkeiten sind in Klammern aufgeführt)