Die höchsten Verkaufszahlen, die schnellsten Rundenzeiten, den höchsten Stellenwert – die 450er-Klasse ist die Vorzeige-Liga im Endurosport. MOTORRAD scheuchte die Modelle von immerhin neun Herstellern durch Wiesen und Wälder.
Talavera de la Reina, etwa 100 Kilometer südwestlich von Madrid gelegen: Bis vor wenigen Jahren trafen sich dort die weltbesten Motocross-Piloten zum Auftakt der Weltmeisterschaft. Und bis vor einem Jahrzehnt hätte auch ein Sportenduro-Vergleichstest auf dieser spektakulären Piste stattgefunden. Schließlich befand sich der Endurosport im freien Fall. Behördlicher Gegenwind verbannte die Enduro-Fraktion zumindest hierzulande aus den Wäldern und von Truppenübungsplätzen, schickte die Enduristen in die letzten verbliebenen Refugien: Motocross-Strecken. Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Zum Glück. Die Enduro-DM-Veranstaltungen kehrten fast zu alter Qualität zurück, attraktive Meisterschaften wie regionale Enduro-Cups und die populäre German-Cross-Country-Serie bereiteten dieser Disziplin eine stabile Basis.
Längst gehören knifflige Steilauffahrten wieder zum guten Ton, fordern zerfahrenes Terrain und lange Rennen eine spezifische Abstimmung der Maschinen – und des Testprozederes. Denn statt über die Motocross-Piste wurden die neun Motorräder über einen zur Enduro-Runde kombinierten Cross- und Spezialtest auf einem felsübersäten Privatgelände nahe Talavera gejagt. Freilich unter kundigen Händen. Die Tester: Didi Lacher, sechsfacher Deutscher Motocross-Meister, Xavier Puigdemont, aktueller spanischer Enduro-Champion, und Calle Bjerkert, frischgebackener Fünfter beim gefürchteten schwedischen Hardcore-Enduro Novemberkasan.
Die positive Entwicklung des Endurosports macht dieses Thema mittlerweile auch für die japanischen Hersteller interessant. Während Honda und Yamaha schon viele Jahre in dieser Disziplin zu Gange sind und Honda mit dem Finnen Mika Ahola sogar den aktuellen Weltmeister der hubraumoffenen, sogenannten E3-Kategorie stellt, feierte Kawasaki mit der KLX 450 R erst Mitte vergangenen Jahres das offizielle Comeback.
Zwar dienen bei allen drei Japanern der Testriege die verkaufsträchtigen Motocross-Modelle als Basis, doch die speziellen Erfordernisse für den Ritt über Stock und Stein wie sensibel arbeitende Federung, einfach zu kontrollierender Leistungseinsatz, leise Auspuffanlagen, Elektrostarter oder bessere Wartungsfreundlichkeit setzen die Japaner durch umfangreiche Modifikationen um. Beim Testsieger Honda kam übrigens die vom Stammhaus in Japan gelieferte Enduro-Version CRF 450 X zum Einsatz. Der italienische Offroadspezialist HM bietet auf diesem Modell basierende Umbauten an, die bis zu Versionen mit Zweipersonen-Zulassung und Benzineinspritzung reichen. In Deutschland wird sowohl die CRF 450 X als auch das HM-Programm von Honda Waldmann (www.honda-waldmann.de) vertrieben.
Marktführerschaft

Der Platzhirsch im Enduro-Gewerbe bleibt aber KTM. Mit weltweit 35000 jährlich verkauften EXC-Modellen dominieren die Österreicher die Szene und entwickelten mit der 450 EXC-R – als erster Hersteller überhaupt – zur Saison 2008 ein technisch vollständig von den Motocrossern des Hauses abgekoppeltes Modell.
Inwieweit Husqvarna mit 5000 verkauften Sportenduros als traditionell zweite Kraft im Enduro-Staate den Weg aus der Krise findet, bleibt abzuwarten. Die Basis für eine konkurrenzfähige Enduro-Linie ist vorhanden, Verarbeitungsqualität und technischer Feinschliff werden sich nach der Übernahme durch BMW hoffentlich verbessern. Während Husaberg bei zirka 1500 Einheiten umherdümpelt und große Hoffnungen auf die zur Saison 2009 erscheinende spektakuläre Neukonstruktion mit verdreht eingebautem Motor setzt, ist Newcomer Beta bereits vorbeigezogen. Mittlerweile verkauft der Trialmaschinen-Spezialist aus Florenz 2500 Enduros jährlich – allesamt von KTM-Motoren angetrieben.
In Deutschland eher schwach vertreten, hat Gas Gas international dagegen eine ernst zu nehmende Größe (3500 verkaufte Enduros pro Jahr) erreicht und sich für die Zukunft zudem längst mit einem modernen dohc-Motorenkonzept inklusive Benzineinspritzung gewappnet. Für Sherco (Jahresproduktion: 600 Enduros) bedeuten teure Neuentwicklungen einen finanziellen Kraftakt, den die Gallier derzeit lieber für die Entwicklung des neuen 250er-dohc-Viertakters statt des 450er-Triebwerks unternehmen. Übrigens: Bedauerlich bleibt, dass die brandneuen, Alu-berahmten Offroader von TM Racing zum Test-Zeitpunkt noch nicht lieferbar waren und Aprilia es vorzog, mit der RXV 4.5 am Vergleichstest nicht teilzunehmen. Schade.
Beta RR 4T 450
45 PS*, 117 kg*, 8123 Euro
Als KTM mit Umlenkung umschreibt die KTM-Fangemeinde gerne frotzelnd die von Motoren des österreichischen Herstellers angetriebene Enduro-Linie von Beta. Allerdings: In ihrer erst dreijährigen Geschichte haben sich die Bikes aus Florenz den Ruf hervorragend verarbeiteter Offroad-Maschinen aufgebaut. In der Saison 2008 wächst allerdings der technische Abstand. Den neuen Motor der 450 EXC-R enthält KTM den Italienern vor. Will heißen: Das 2007er-Aggregat geht spürbar gutmütiger zu Werke, lässt dafür im direkten Vergleich im oberen Drehzahlbereich Drehfreude vermissen. Zumindest auf engem Terrain bietet diese Charakteristik jedoch die bessere Beherrschbarkeit. Trotz Umlenkung zeigt sich das Heck für Enduro-Verhältnisse relativ straff abgestimmt. Dazu passend die Auslegung der Marzocchi-Gabel, die in anderen Maschinen (Gas Gas oder Husqvarna) sensibler arbeitet.
Fazit: erstklassig verarbeitete Enduro mit bewährtem Motor und sportlich abgestimmter Federung.
Handschutz serienmäßig

Gas Gas EC 450 FSR
51 PS*, 119 kg*, 8290 Euro
Wohl keine Sportenduro hat sich derart in ihrem Charakter verändert wie die 450er-Gas Gas. Die Techniker im katalonischen Girona haben den behäbigen Single in einen erstaunlich agilen Antrieb verwandelt. Die wesentliche Ursache dafür findet sich in der Überarbeitung der Einspritzanlage von Zulieferer Kokusan, die nun übrigens auch bei einem Ausfall der Batterie in Funktion bleibt. Der Motor hängt direkt am Gas, dreht rasant hoch und brilliert mit 51 PS obendrein mit der zweithöchsten Spitzenleistung nach der Husqvarna. Auf typischem Enduro-Terrain hat der Gas Gas-Pilot allerdings seine liebe Not, die Vehemenz dieses Einsatzes unter Kontrolle zu halten. Eine lose Gashand quittiert die spanische Enduro mit auskeilen-dem Heck.
Passend zum agilen Motor zeigt sich die Fahrwerksauslegung. In engsten Kehren fühlt sich die 450 FSR pudelwohl, muss sich einzig von der KTM schlagen lassen. Die Schattenseite des quirligen Charakters: Auf holprigen Geraden schlägt die Gas Gas – ähnlich wie die Husaberg – unwillig mit dem Lenker. Hilfreich wirkt nicht nur in diesen Situationen die komfortable Fede-rungsabstimmung. Das Ansprechverhalten der Marzocchi-Gabel ist exzellent, und das noble Öhlins-Federbein arbeitet ohnehin auf Top-Niveau.
Fazit: im Vergleich zu den Vorjahren charakterlich völlig veränderte, sowohl in Fahrwerk als auch Motor auf maximale Agilität ausgelegte Maschine.

Husaberg FE 450e
46 PS*, 112 kg*, 8295 Euro
Dass die Husaberg bis auf den von 10,5 auf 7,5 Liter verkleinerten und damit schmaleren Tank keine weitere Modifikation für das Jahr 2008 erhielt, hat seinen Grund: Zur Saison 2009 wird Husaberg eine motor- wie fahrwerksseitig völlig neue Konstruktion (siehe MOTORRAD 2/2008) auf die Räder stellen. Solange bleibt die bei KTM gefertigte Exil-Schwedin ihrem bisherigen Image treu: dem einer zwar trägen, dafür aber grundgutmütigen Enduro. Den größten Anteil an dieser Charakteristik besitzt der Motor, der extrem auf die Fahrbarkeit im unteren Drehzahlbereich ausgelegt ist. Faktisch kratzt der Single, wenn es sein muss, zwar wie seine Kollegen an der Grenze zu fünfstelligen Drehzahlen, schüttelt dann aber nervtötend.
Diese grundsätzliche Behäbigkeit des Antriebs überträgt sich auch auf das Fahrwerk. Selbst das mit 112 Kilogramm geringste Gesamtgewicht aller 450er-Sportenduros hilft dem Handling nicht auf die Sprünge. Einzig beim Einlenken in enge Anlieger flutscht die FE 450e handlich um die Kehren, tritt gut berechenbar und präzise an, macht diesen Vertrauensvorschuss auf Geraden bei höherem Tempo jedoch mit kräftigem Lenkerschlagen zunichte. Dafür mitverantwortlich: die nur mäßig auf kleine Wellen ansprechende Gabel von WP Suspension.
Fazit: Die Husaberg bleibt ihrem gutmütigen Image treu. Laufkultur und Agilität sucht man indessen besser woanders.
Testsieger Honda

Honda CRF 450 X
46 PS*, 117 kg*, 8850 Euro
Eine Überraschung, dieser erste Sieg einer Honda in einem Sportenduro-Vergleichstest von MOTORRAD. Aber nur auf den ersten Blick. Denn dass es Honda mit der CRF 450 X Ernst meint, bewies bereits der letztjährige Enduro-WM-Titel des Finnen Mika Ahola. Technisch unterscheidet sich die CRF 450 X vom Motocross-Modell CRF 450 R durch einen Elektrostarter, ein weiter gespreiztes Getriebe, das 18-Zoll-Hinterrad, eine weicher abgestimmte Federung, eine Lichtmaschine und die deutlich leisere Auspuffanlage.
Die Qualitäten des Grundkonzepts – immerhin siegte der Honda-Crosser im 450er-Motocross-Vergleichstest von MOTORRAD (Heft 1/2008) – bauten die Techniker in der Enduro-Variante sogar noch aus. Der gezähmte Motor ermöglicht eine deutlich bessere Traktion, ohne seine Dreh-freude drangeben zu müssen. Die Federelemente reagieren durch die komfortablere Auslegung sensibler, während das neutrale Handling und vor allem die exzellente Lenkpräzision die 450 X letztlich zum außergewöhnlich homogenen Gesamtkonzept komplettieren.
Fazit: Die CRF 450 X konserviert die gelungene Basis des Motocross-Modells – und macht ihr Potenzial noch einfacher nutzbar.

Husqvarna TE 450
52 PS*, 119 kg*, 8399 Euro
Massiv überarbeiteten die Husqvarna-Techniker für die Saison 2008 ihre Viertakt-Enduro-Modellpalette. Ein neuer Rahmen, eine neue Schwinge samt Umlenkung, eine erschlankte Peripherie und eine Benzineinspritzung päppeln die neuen Enduros auf.
Technisch mag sich zwar an der TE 450 viel verändert haben, geblieben ist aber ihr grundsätzlicher Charakter. In den enduristischen Kernthemen wie Traktion, Fahrbar-keit oder Federungsabstimmung macht der TE kaum eine etwas vor. In den unteren Drehzahlen schiebt der Motor wie ein Traktor voran und brilliert dennoch mit der höchsten Spitzenleistung aller Testbikes.
Das Fahrwerk – mit Marzocchi-Gabel und Sachs-Federbein – schluckt selbst die kleinsten Kanten, ohne bei forcierter Gangart in die Knie zu gehen. Die neue Rahmengeometrie trägt in engen Kehren zu deutlich präziserem Lenkverhalten bei. Insofern lässt sich die TE 450 enorm effektiv und konditionsschonend um jede Piste prügeln. Auch weil die schlankere Tank-Sitzbank-Kombination das Handling der Husqvarna zusätzlich erleichtert.
So begeisternd die Basis, so ernüchternd wirken allerdings die unschönen Randerscheinungen. Ab Drehzahlmitte leistet sich der dohc-Motor horrende Vibrationen, welche die grundsätzliche Drehfreude des Aggregats in der Praxis letztlich kaum nutzbar macht. Zudem leckte die Marzocchi-Gabel bereits nach wenigen Fahrstunden, und der nicht abgedeckte Auspuff versengte die Innenseite des linken Stiefels.
Fazit: Kein Zweifel, bei Husqvarna weiß man, worauf es bei Sportenduros ankommt. Allerdings: Bei Verarbeitung und Laufkultur muss dringend nachgebessert werden.
KTM nur Zweiter

KTM 450 EXC-R
48 PS*, 113 kg*, 8445 Euro
Nach wie vor bilden Wettbewerbs-Enduros das Kerngeschäft von KTM. Deshalb stellten die Österreicher für die Saison 2008 mit der EXC-R erstmals in der Firmengeschichte eine von der Motocross-Modellpalette vollkommen losgelöste Enduro auf die Räder. Deren wichtigste technischen Eckpunkte: ein neuer Motor mit kürzerem Hub und getrenntem Ölkreislauf von Motor und Getriebe sowie ein neuer Rahmen mit verstärkten Flanken, geänderter Geometrie und flexiblerer Schwinge.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Beim neuen Motor fällt der im Vergleich zum 2007er-Aggregat mechanisch leisere und vibrationsärmere Lauf auf. Das EXC-R-Triebwerk verströmt eine begeisternde Leichtigkeit, beantwortet jeden Gasstoß freier und dreht schneller hoch. Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Bei kritischen Bodenverhältnissen wird die Suche nach Traktion mit dem 2008er-Modell deutlich schwieriger.
Auf ganzer Linie überzeugt dagegen die Verarbeitung, die Sitzposition und vor allem die stark überarbeitete Fahrwerksauslegung. Durch den verkürzten Rahmen lastet spürbar mehr Gewicht auf der Front. Die EXC-R lenkt sich dadurch präziser, schiebt auf glattem Terrain nicht mehr mit dem Vorderrad nach außen und bleibt beim Beschleunigen stabiler auf Kurs. Ein Wermutstropfen bleibt das nach wie vor mäßige Ansprechverhalten der Federelemente von WP Suspension.
Fazit: Platz zwei für den Platzhirsch – Vizepräsident oder erster Verlierer? Ansichtssache. Doch Fakt ist: Das Konzept der neuen KTM überzeugt.

Kawasaki KLX 450 R
43 PS*, 118 kg*, 8795 Euro
Viele Jahre mussten die Kawasaki-Fans auf eine sportliche Enduro warten. Mitte des vergangenen Jahres beendete die KLX 450 R diese Durststrecke. Auch wenn die KLX auf der technischen Grundlage des Crossers KX 450 F basiert, adaptierten die Techniker das Bike mit einer Vielzahl von Maßnahmen (Elektrostarter, erhöhte Schwungmasse der Kurbelwelle, längerer Krümmer, leiserer Schalldämpfer, größerer Tank, modifizierte Federung, Lichtanlage) an den Enduro-Einsatz.
In der Tat sind in der KLX die Erban-lagen des Motocross-Modells nicht mehr wiederzuerkennen. Den bulligen Durchzug des Cross-Aggregats tauscht der Enduro-Motor in den unteren Drehzahlen gegen einen butterweichen Antritt ein, packt ab dem mittleren Bereich äußerst agil an und geht in eine exorbitante Drehfreude über. Die Kehrseite der Medaille: Mit 43 PS (Cross-Modell: 50 PS) hält die KLX in Sachen Spitzenleistung im Testfeld die rote Laterne.
Auch die straffe Federungsabstimmung der KX weicht in der KLX einer butterweichen Auslegung. Die soften Federelemente schlucken jede noch so kleine Welle. Einen Tick zu komfortabel fällt allerdings die Stoßdämpferabstimmung aus. Das Heck hängt auch bei korrekt eingestelltem Negativdurchhang eindeutig zu tief, so dass in engen Kurven nicht genügend Last auf das Vorderrad gebracht werden kann. Die Folge: Die Front neigt zum Untersteuern.
Fazit: Die neue Kawa bereitet der Enduro-Szene eine positive Überraschung. Das Gesamtpaket überzeugt – bis auf die zu weiche Hinterradfederung.
Yamaha bietet wenig

Sherco 4.5i 4T
46 PS*, 119 kg*, 8199 Euro
Dass sich die Franzosen für die Saison 2008 weitgehend auf die Entwicklung ihres brandneuen 250er-Enduro-Modells mit modernem dohc-Motor und Benzineinspritzung (MOTORRAD 1/2008) konzentrierten, ist der 450er deutlich anzumerken. Die Dimensionen der Maschine wirken im Vergleich mit der schlanken Konkurrenz ausladend und vermitteln einen massigen Eindruck.
Was aber nicht zwangsläufig mit mühsamem Fortkommen im Unterholz zu tun haben muss. Im Gegenteil. Die Stärke der Sherco liegt ganz eindeutig im ruhigen, traktionsstarken Antrieb. Der Single, der im Jahr 2004 übrigens als einer der ersten Sportenduro-Motoren mit einer Benzineinspritzung ausrückte, brilliert vor allem beim niedertourigen Zirkeln auf steinigem Terrain. Gegen höhere Drehzahlen wehrt sich die hauseigene Konstruktion jedoch mit deftigen Vibrationen.
Auf Fahrbarkeit im widrigen Geläuf zielt auch die Fahrwerksabstimmung ab. Traumhaft sensibel stecken die soft ausgelegten Federelemente von Paioli selbst gröbsten Schotter oder scharfkantige Schlaglöcher rückstandsarm weg, schonen damit die Kondition und letztlich auch die Konzentration des Piloten. Für rasante Zeiten auf der Sonderprüfung steht der Französin jedoch der relativ träge Motor und insbesondere das durch die voluminösen Dimensionen etwas unbeholfene Handling im Wege. Subjektiv wirkt die Sherco schwerer als die gewogenen 119 Kilogramm.
Fazit: Gutmütiger Motor, konditionsschonende Fahrwerksabstimmung – das überzeugt Genuss-Enduristen. Doch Racer brauchen ein lebhaftes Triebwerk und agiles Handling.

Yamaha WR 450 F
47 PS*, 118 kg*, 8795 Euro
Vor Jahresfrist stellte Yamaha die WR-Modelle auf eine ganz neue technische Basis, ersetzte den bisherigen Stahlrahmen durch die Alu-Version der Motocross-Bikes des Hauses. Verständlich, dass die Enduros für diese Saison unangetastet bleiben. Zumal die Anpassung an das Enduro-Metier mit geänderten Nockenwellen, E-Starter, 18-Zoll-Hinterrad, größerem Tank, modifiziertem Getriebe, weicherer Fede-rungsabstimmung und leiserem Schalldämpfer aufwendig betrieben wird. Wobei – ähnlich wie bei der Kawasaki KLX 450 R – erstaunt, wie weit sich die Enduro nach dieser Kur charakterlich von den Wurzeln des Motocross-Basismodells entfernt.
Im unteren Drehzahlbereich tritt der Fünfventiler außergewöhnlich zahm an, dreht anschließend zwar willig, aber blutleer hoch, um – nicht weniger nervig – beim Gaswegnehmen ein vom Motocross-Modell völlig unbekanntes, starkes Brems-moment zu entwickeln. Der Grund der Trägheit liegt wohl im auffallend leisen, für den Gasstrom sehr restriktiven Schalldämpfer. Immerhin reagiert die weiche Federung auf ungehobeltem Geläuf äußerst sensibel, findet in Kombination mit dem sanften Motor überall Grip. In engen Kehren lässt sich die Yamsel durch die nach dem Modellwechsel vergrößerte Vorderradlast präzise steuern. Wobei die starke Motorbremse die weiche Front beim Last-wechsel zusätzlich einknicken lässt und damit nicht selten die runde Linie verhagelt.
Fazit: Was das formidable Yamaha-Motocross-Modell kann, müsste die WR auch können. Doch der restriktive Auspuff erstickt ihr Potenzial im Keim. Schade.
*MOTORRAD-Messungen