Es ist wie im richtigen Leben: Manchmal kommt Familienzuwachs geplant, manchmal eben überraschend. Während KTM seit der Übernahme der schwedischen Hardcore-Enduroschmiede Husaberg mit den Exil-Schweden gezielt unkonventionelle technische Wege testet, stellt sich die Beziehung zwischen BMW und Husqvarna komplizierter dar. Schließlich eröffnete sich die Chance, im Jahr 2007 den Offroad-Spezialisten Husqvarna zu kaufen, unmittelbar während der bevorstehenden Markteinführung der G 450 X. Innerfamiliär bleibt die Lage daher angespannt. Die G 450 X verkauft sich nur schleppend, Husqvarna bedurfte dringend eines Nachfolgemodells für die in die Jahre gekommenen TE 450. Das Resultat: Die BMW bleibt technisch unverändert im Programm, Husqvarna übernahm für die brandneue Mittelklasse-Enduro, die TE 449, den ursprünglich für die Bayern bei Kymco in Taiwan produzierten Single.
Die beiden Paare rollen nun zum Test aus dem MOTORRAD-Transporter. Die Eheringe sind längst abgestreift. Für den Offroad-Freak zählen einzig deren Qualitäten als Single. Vorab der Persönlichkeits-Test: Was ist neu?
Husqvarna TE 449: Der von der BMW übernommene Motor (geändertes Mapping und Steuerzeiten, Sechs- statt Fünfganggetriebe, hydraulische Kupplung) sitzt in einem ganz neu konzipierten Stahlrohr-Brückenrahmen. Von der BMW übernommen wurde die koaxiale Anordnung von Schwingendrehpunkt und Kettenritzel. Um Verspannungen der durch die hohle Getriebewelle hindurch gehende Schwingenachse im Motorgehäuse zu vermeiden, rotiert die Aluschwinge jedoch um zwei im Rahmen gelagerte kurze Achsstummel.
KTM 450 EXC: ein leicht transparenter Tank zur besseren Kontrolle des Benzinstands und serienmäßige Handschützer.
Husaberg FE 450: straffere Federungsabstimmung, eine Gabel mit Closed-Cartridge-Dämpfungssystem und ein im Lenkkopfbereich verstärkter Rahmen.
BMW G 450 X: keine Änderungen für das Modell 2011.

Es wird ernst. Drei grundverschiedenen Strecken, eine aufgelassene Kohlegrube, ein steiniges Enduro-Areal und eine sandige Motocross-Piste, bilden die ganze Einsatzbandbreite zwischen dem modernen motocross-orientierten Cross Country und dem traditionellen Endurosport ab. Auch Didi Lacher, sportlich hochdekorierter Motocrosser und Offroad-Stammtester bei MOTORRAD weiß um die Brisanz der Situation. Es geht nur in zweiter Linie um die Familienehre. Vielmehr entscheidet der Erfolg der neuen TE mit über die Zukunft des derzeit so enthusiastisch betriebenen Neustarts bei Husqvarna.
Helme auf, Warmup auf dem flüssig gesteckten Parcours der Kohlehalde. Das hochfrequente Singen der Zwischenwelle erinnert daran, dass die Kurbelwelle des Motors der BMW und Husky rückwärts dreht. Sehr direkt packen die Aggregate an, hämmern ab Standgasdrehzahl bullig voran. Subjektiv würde man den wuchtigen Singles durchaus 50 oder sogar 100 cm³ mehr Hubraum zutrauen. Wobei das überarbeitete Mapping und die geänderten Steuerzeiten der Fahrbarkeit der Husqvarna spürbar gut tun. Vor allem der quirligere Antritt wie auch die größere Drehfreude zeugen von der zusätzlichen Entwicklungsarbeit in Italien.
Am gegenüber liegenden Ende der Skala bewegt sich das Husaberg-Aggregat. Fein, ja butterweich spricht der Einzylinder an und lässt sich traumhaft einfach dosieren. Highspeed-Auftritte sind allerdings nicht das Ding des unkonventionellen Aggregats. Mit hohen Drehzahlen tut sich die Berg schwer, will lieber früh hochgeschaltet werden.
Genau in die Lücke zwischen dem Husky/BMW-Duo und der Husaberg quetscht sich die KTM. Oder positiv ausgedrückt: Die Österreicherin kombiniert das Beste aus zwei Welten. Im Drehzahlkeller noch gut dosierbar, geht der EXC-Treibsatz ab der Drehzahlmitte seinen Job mit Verve an, dreht ruckzuck und frei hoch und überzeugt dadurch letztlich mit einer kaum schlagbaren Universalität.

Die manifestiert sich hier im pechschwarzen Terrain auch fahrwerksseitig. Ob enge Anlieger oder langgezogene Kurven, die KTM läuft satt, gibt sich wendig, steuert neutral und zeigt sich in jeder Situation hervorragend ausbalanciert. Kurz, man merkt der Österreicherin die jahrelange Feinjustierung an diesem Konzept an. Apropos Konzept: Ihrer motorseitigen Ausrichtung bleibt die Husaberg auch in Sachen Fahrwerk treu. Je enger die Kehren, desto leichter tut sich die Exil-Schwedin, lässt sich im verschlungenen Terrain spielerisch in die Kurven werfen. Der Preis für die Agilität: Mit ihrer betont leichten Front will die nervöse Berg auf schnellen, holprigen Geraden mit festem Griff auf Kurs gehalten werden.
Ein Problem, das auch die BMW kennt, sich im Gegensatz zur Husaberg im engen Geläuf aber nicht rehabilitieren kann. Die G 450 X wirkt etwas widerspenstig, in vielen Situationen zu frontlastig. Mit ein Grund dafür ist das auffallend hohe Schleppmoment (Motorbremse) des Antriebs, dem die Husky-Techniker auf ihre Art begegneten. Beim Gaswegnehmen läuft das Aggregat noch für einen Moment mit erhöhter Drehzahl weiter, um erst anschließend auf das übliche Standgasniveau abzusinken. Mechanisch zu ändern ist diese Eigenart nicht, sondern kann nur durch einen Eingriff ins Motormanagement beeinflusst werden. In schnellen Kurven zeigt der Trick seine positive Wirkung. Die Front bleibt oben, das Fahrverhalten weitgehend neutral.
Beim Anbremsen auf enge Kehren allerdings stört der unerwünschte Schub, der das Vorderrad immer wieder über den anvisierten Anlieger hinaus schiebt. Zum Trost hat sich die Husqvarna TE 449 eine Eigenart ihres bayerischen Parallel-Modells bewahrt, den sensationellen Grip am Vorderrad. Wie auf Schienen zieht die TE selbst ohne Anlieger ihre Bahn, verbeißt sich mit der Vorderpartie regelrecht in den Untergrund. Eine Eigenart, die nur noch von ihrem Heck übertroffen wird. Gleich ob auf schlüpfrigem Terrain oder scharfen Beschleunigungskanten, die Hinterhand der Husky klebt förmlich am Boden, fordert vom Piloten die Neukalibrierung der bislang gewohnten Beschleunigungspunkte. Ob die laut Angaben von Husqvarna-Technikern im Vergleich zur BMW nahezu verdoppelte Torsionssteifigkeit des Rahmens, die geänderte Konstruktion der Schwingenachse oder andere Dinge diese Fähigkeit begründen, sei dahingestellt. Den Begriff Traktion definiert die Husqvarna TE 449 jedenfalls neu.

Auch nach dem Ortswechsel ins felsige Enduro-Terrain. Egal ob Auffahrten mit lockeren Steinen oder nassen Felsbrocken, die Husky poltert unaufhaltsam nach oben. Verlangt vom Fahrer kaum mehr, als sich im Sattel zu halten. Den Rest erledigen der stoische Motor und die weiche Federung. Kein Vergleich zu ihrer auf diesem Terrain deutlich weniger effizienten, zudem härter abgestimmten und motorseitig ruppigeren deutschen Schwester. Den Concours d‘Elegance entscheidet in dieser Situation die Husaberg FE 450 für sich. Wie mit einer Trialmaschine lässt sich das Vorderrad spielerisch über die Stufen heben, das gesamte Bike mit kurzen Gasstößen nach oben liften, während die sensible Federung den Grip zusätzlich unterstützt. Einer ausgeprägten Feinmotorik bedarf es in diesen Fällen auf der KTM 450 EXC. Wer das Spiel mit Gas und Kupplung nicht perfekt beherrscht, dem ratscht das durchdrehende Hinterrad ruckzuck haltlos über die Felsplatten. Wer Herr der Lage ist, dem dankt es die Österreicherin einmal mehr mit ihrem höchst spritzigen und agilen Auftreten.
Womit sie auf der Motocross-Strecke zur Hochform aufläuft. Mit riesigen Federungsreserven und exzellenter Leistungsentfaltung braucht die KTM 450 EXC hier nicht einmal vollwertige Cross-Bikes zu fürchten. Ihre Enduro-Kolleginnen schon gar nicht. Während die BMW G 450 X hier endlich einmal von ihrer straffen Federung und dem großzügigen Platzangebot profitiert, muss sich die Husaberg zwischen Tabletops und Anliegern zurücknehmen. Die weich abgestimmte Federung und der wenig drehfreudige, im oberen Drehzahlbereich recht brave Motor signalisieren eindeutig: Mit mir bitte nicht. Auch die Husqvarna TE 449 würde am liebsten wieder ins Unterholz abbiegen. Wobei die betont komfortable Abstimmung der Kayaba-Federelemente nur ein Aspekt ihrer Zurückhaltung ist. Nicht nur, dass besagte Standgasanhebung beim Anbremsen enger Kehren auf der Cross-Piste nervt, Federn lässt die TE vor allem in Sachen Handling.

Subjektiv erscheint der Unterschied zur Leichtesten des Testfelds, der 114 Kilogramm schweren KTM 450 EXC deutlich größer als fünf Kilogramm. Und auch die im Gelände so gripfördernde Vorderrad-Orientierung kehrt sich im Motocross um. Die Front fühlt sich schwer an, lässt sich nur mühsam über Kanten heben. Kritisch wird die Lage in tiefen Sandwellen, wo die Husky nur mühevoll Kurs hält. Ein Phänomen, das die BMW in noch ausgeprägterem Maß betrifft und dessen Ursache deshalb möglicherweise im immerhin 25 Grad nach vorn geneigten Zylinder oder der rückwärtsdrehenden Kurbelwelle zu suchen ist. Wie dem auch sei, von der Cross-Strecke hält die Husqvarna TE 449 Respektabstand, besinnt sich auch mit neuer Technik ganz auf die enduristische Tradition all ihrer Vorgängerinnen.
Oder, um auf das Familienleben zurückzukommen: Während KTM und Husaberg im harmonischen Nebeneinander die gesamte Bandbreite des Endurosegments abdecken, dürfte die Krise in der bayrisch-italienischen Beziehung vorprogrammiert sein. Gegenüber der in allen Kriterien überlegenen Husqvarna sieht die BMW blass aus. Kein gutes Omen für ein dauerhaftes Miteinander.
Fazit

Platz 1: KTM 450 EXC
Ob Motocross, Cross Country oder Enduro - kein anderes Bike brilliert mit einer derart ausgeprägten Universalität. Eine unangefochtene Siegerin.
Platz 2: Husaberg FE 450
Wer von Enduro spricht, spricht von der Husaberg. Exzellentes Handling, sensible Abstimmung von Fahrwerk und Motor - die FE sorgt für die feinen Manieren im Unterholz.
Platz 2: Husqvarna TE 449
Wer von Enduro spricht, spricht auch von Husqvarna. Traktion ist das Zauberwort mit dem die TE überzeugt - und damit die Markentradition nahtlos fortschreibt.
Platz 4: BMW G 450 X
Es wird schwer für die erst zwei Jahre alte Bayerin. Ihre Kolleginnen zeigen sich entweder handlicher, traktionsstärker oder kultivierter - oder gleich alles zusammen.
MOTORRAD-Offroadwertung
Kategorie Motor:
Tolle Kontrollierbarkeit und gutes Startverhalten zeichnen den Husky-Motor aus - auch wenn das Thema Spitzenleistung knapp von der KTM besetzt wird. Relativ groß bleibt die Handkraft für die Kupplung an der BMW und der Husqvarna.
Sieger Motor: Husqvarna/KTM
Kategorie Fahrwerk:
Das träge Handling stellt zweifellos die Achillesferse der BMW und Husqvarna dar. Sensibel genug und dennoch mit ausreichend Reserven ausgestattet: Die Federung der KTM.
Sieger Fahrwerk: KTM
Kategorie Sonstiges:
Die Husaberg überzeugt mit tollen Details, die Wartung der Husky bleibt umständlich.
Sieger Sonstiges: KTM
Max. Punktzahl | BMW | Husaberg | Husqvarna | KTM | |
Gesamtwertung | 250 | 183 | 197 | 197 | 208 |
Daten und Messungen

Wie im eng umrissenen Testfeld zu erwarten, unterscheiden sich die Leistungskurven nur minimal. Dennoch differieren die Charaktere in der Praxis erheblich. Aggressiv zeigt sich die KTM, durchzugsstark die BMW und Husky, sanftmütig die Husaberg.
BMW G 450 X

Motor | |
Bauart | Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Ventiltrieb | dohc |
Bohrung x Hub | 98 x 59,6 mm | Hubraum | 449 cm³ |
Verdichtung | 12 | Leistung | 38,0 kW (52 PS) bei 9300/min |
Gemischaufbereitung | Einspritzung | Durchmesser | 46 mm |
Gänge | 5 | Fahrwerk | Rahmen | Brückenrahmen aus Edelstahlrohr |
Gabel | Marzocchi | Gleitrohrdurchmesser | 45 mm |
Federbein | Öhlins | Gewicht | 117 kg |
Preis ohne Nebenkosten | 8500 Euro |
Husaberg FE 450

Motor | |
Bauart | Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Ventiltrieb | ohc |
Bohrung x Hub | 95 x 63,4 mm | Hubraum | 449 cm³ |
Verdichtung | 11,8 | Leistung | 35,4 kW (48 PS) bei 9900/min |
Gemischaufbereitung | Einspritzung | Durchmesser | 42 mm |
Gänge | 6 | Fahrwerk | Rahmen | Einschleifenrahmen aus Stahlrohr |
Gabel | WP Suspension | Gleitrohrdurchmesser | 48 mm |
Federbein | WP Suspension | Gewicht | 116 kg |
Preis ohne Nebenkosten | 9095 Euro |
Husqvarna TE 449

Motor | |
Bauart | Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Ventiltrieb | dohc |
Bohrung x Hub | 98 x 59,6 mm | Hubraum | 449 cm³ |
Verdichtung | 12 | Leistung | 37,6 kW (51 PS) bei 8700/min |
Gemischaufbereitung | Einspritzung | Durchmesser | 46 mm |
Gänge | 6 | Fahrwerk | Rahmen | Brückenrahmen aus Stahlrohr |
Gabel | Kayaba | Gleitrohrdurchmesser | 48 mm |
Federbein | Kayaba | Gewicht | 119 kg |
Preis ohne Nebenkosten | 8799 Euro |
KTM 450 EXC

Motor | |
Bauart | Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit vier Ventilen pro Zylinder | Ventiltrieb | ohc |
Bohrung x Hub | 95 x 63,4 mm | Hubraum | 449 cm³ |
Verdichtung | 11,9 | Leistung | 38,7 kW (53 PS) bei 9400/min |
Gemischaufbereitung | Vergaser | Durchmesser | 39 mm |
Gänge | 6 | Fahrwerk | Rahmen | Einschleifenrahmen aus Stahlrohr |
Gabel | WP Suspension | Gleitrohrdurchmesser | 48 mm |
Federbein | WP Suspension | Gewicht | 114 kg |
Preis ohne Nebenkosten | 8645 Euro |
Beziehungskiste

KTM und Husqvarna - zwei Konkurrenten mit Querverbindungen.
So sehr sich die Endurowelt auch dreht, zwei Hersteller überdauern den Wandel der Zeiten wie Felsen in der Brandung: KTM und Husqvarna. So mutet es fast wie eine Ironie des Schicksals an, dass gerade die wirtschaftlich wechselvolle Geschichte von Husqvarna maßgeblichen Einfluss sowohl auf die aktuelle Markenkonstellation als auch die Technik im Enduro-Segment hat.
Denn mit der TE 510 konzipierten die Schweden im Jahr 1983 als erster Hersteller eine vergleichsweise leichte Viertakt-Sportenduro, deren puristisches Konzept letztlich zum Vorläufer aller modernen Viertakt-Offroader wurde. Nach dem Verkauf der traditionsreichen Marke durch den damaligen Besitzer, den Elektrolux-Konzern, im Jahr 1987 an die italienische Cagiva-Gruppe (Cagiva, Ducati, Moto Morini) gründeten ehemalige Husqvarna-Techniker bereits ein Jahr später Husaberg. Extremer Leichtbau und eine kompromisslose technische Ausrichtung der Maschinen verliehen der jungen Marke zwar ein innovatives Flair, wirtschaftlich blieb der Erfolg jedoch mager.
1995 übernahm KTM den skandinavischen Konkurrenten, nutzte dessen Know-how unter anderem anschließend zur Entwicklung der 1999 vorgestellten Viertakt-Sportenduro-Palette der Österreicher. Seit 2003 werden die Husaberg-Maschinen ausschließlich im KTM-Werk in Mattighofen produziert.
Auch bei Husqvarna spielte eine wirtschaftliche Schieflage Schicksal. Die finanziell klamme Cagiva-Gruppe verkaufte den Offroad-Spezialisten im Herbst 2007 an BMW. Die 2011er-TE 449, die nun im brandneuen Husqvarna-Werk am Vareser See vom Band läuft, ist die erste, komplett unter der Regie von BMW entwickelte Husky. Ob unter diesen Vorzeichen das einzige wettbewerbs-orientierte Offroad-Projekt von BMW, die G 450 X noch länger vorangetrieben wird, darf wohl ernsthaft bezweifelt werden.