Der Franzose an sich: ein Patriot, aber auch ein Charmeur und vor allem ein Liebhaber der schönen Dinge. Die neue Sachs Roadster an sich: ein deutsches Motorrad, wenn auch mit Suzuki-Motor und einer äußerst charmanten Linienführung. Beinahe zwangsläufig wird das Treffen morgens zum Café au lait im Hafen einer südfranzösischen Kleinstadt zum visuellen Tete-a-tete im Widerschwang der Gefühle. Der Blick wandert anerkennend vom kecken Heck zum ausladenden Lenker um dann irritiert wieder am Herstellerhinweis hängen zu bleiben. Sachs. Mit Frankreich hat das zwar nichts zu tun. Sachs. Das ist hart, trocken. Doch was soll´s. Der Grande Nation fehlen die Motorradhersteller. Darum verliert Patriotismus gegen Zweiradethik. Was heißt Sachs auf Fraaanzösiiiisch?
Das Eis ist gebrochen. Wie so oft, wenn sich die neue Roadster vorstellt. Denn dieses multinationale Bike aus japanischem Motor, italienischen Anbauteilen und deutscher Produktion zeichnet hauptsächlich eins aus: eigenständiges Design. Vor allem im rückwärtigen Bereich, wo sich ein mächtiger 160er über ein filigranes 17-Zoll-Speichenrad wölbt und beides von einem luftigen Rahmenheck überdacht wird. Das hat was. Da können die drei anderen Singles zunächst wenig entgegen setzen. Außer einer Gewissheit: In einer dauerhaften Partnerschaft zählen auch Werte, die sich nicht beim ersten Blick, sondern erst im gemeinsamen Alltag mitteilen. Sie harren auf ihre Chance im herrlichen Landstraßenrevier direkt vor der Haustür.
Und sie offenbaren schon bei der ersten Kontaktaufnahme, dass sitztechnisch Unterschiede zum Newcomer bestehen. Während die Roadster über die Art, wie man auf ihr zu sitzen hat Arme weit gespreizt, Füße weit nach vorn, aber nicht unkomfortabel keinerlei Zweifel aufkommen lässt, und der geneigte Fahrer sich bestenfalls darüber wundert, dass sie nicht von selbst losfährt und auch noch das Ziel vorgibt, lassen die anderen mehr Spielraum. Bestenfalls die MZ so und nicht anders sitzt man klassisch macht ähnlich scharfe Vorgaben, wobei der geringe Abstand von Sitzbank und Fußrasten den Beinen Yoag-Qualitäten abverlangt. BMW und Suzuki bieten da wesentlich mehr Raum zur Entspannung, weil ihr Erbanlagen von Enduro-Genen dominiert werden. Auch wenn in diesem Zusammenhang immer von »Funduro« die Rede war, und die BMW in der ST-Version heute gar mit reinrassigen Straßenreifen durch die Lande rollt, gilt: Wie man sich lümmelt, so sitzt man. Mit einem Unterschied: Die BMW vereinnahmt den Fahrer von Anfang an mehr. Hier sitzt man im Motorrad, dort auf der Freewind. Ein gehobenes Komfortagebot aber offerieren beide.
Gleiches gilt für die Fahrwerksabstimmung, obgleich man in Hamatsu und München recht unterschiedliche Philosophien verfolgt. Die BMW ist direkter sprich straffer , federt härter, dämpft mehr. Sie teilt ohne unangemessene Härte mit, was sich unter ihr tut, pflegt eine gelassene Form der Konversation. Die Suzuki hingegen ist jederzeit bemüht, alle straßenbaulichen Einflüsse vom Fahrer fern zu halten. Da wird nicht jede Bodenwelle kommentiert, jedes Steinchen mitgeteilt. So bleibt Platz für die vielfältigen Eindrücke abseits dieser Zweierbeziehung.
Zu dieser zurückhaltenden Art passt die Motorcharakteristik trefflich. Klar, Single bleibt Single, und auch die Freewind steht dazu, dass ein Kolben im Dosenformat ihren Herzschlag bestimmt. Der Stil aber, in dem der Eintopf vibrationsarm und ohne Einbrüche weit über die Nenndrehzahl hochdreht und den eiligen Reiter oft nach einer zusätzlichen Gangstufe suchen läßt, erinnert eher an Sektempfang denn an Bierzelt. Hier wird Kraft in wohlgeordneter Dosierung und mit langem Atem feilgeboten. Die Tatsache, dass die Suzuki mit 46 PS auf dem Prüfstand drei PS auf die Sachs und die BMW oder gar fünf PS auf die MZ verliert, weil sich letztere dieses Mal zu bis dahin unbekannter Leistungsbereitschaft aufschwang, fällt im täglichen Umgang weit weniger ins Gewicht als die kultivierte Form der Darreichung.
Im Vergleich dazu ist der Rotax-Einzylinder in der Bayerin echt vom Dorf. Smaltalk unterhalb von 3000 /min beantwortet er mit hilflosem Gestammel, leistet sich auch just an dieser Marke einen fulminanten Drehmoment-Einbruch. Doch es wäre voreilig, gleich aufzugeben, denn eine nähere Bekanntschaft lohnt durchaus. Nach diesen Anlaufschwierigkeiten nämlich schwingt sich der Vierventiler aus Österreich zu einer beeindruckenden Spritzigkeit auf, unterhält mit ungebremster Leistungsfreude und einer tadelloden Kondition. Aber nur jene, die in der Lage sind, dieses Feuer durch exakte Schaltvorgänge am Leben zu erhalten. Liederlichkeiten im Umgang mit den langen Schaltwegen des Fünfganggetriebes bestraft die BMW sofort mit Missachtung des Wechselwunsches, die Fuhre stockt so rasch im Leerlauf wie die Konversation nach einem schlechten Witz.
Derartiges Missgeschick droht auf der Sachs nicht. Kein Wunder, denn bei allen offensichtlichen Unterschieden im Auftreten sind die Deutsche und die Japanerin antriebsseitig bis auf das bei Sachs nachgerüstete Sekundärluftsystem eineiige Zwillinge. So verfügt die Sachs über dasselbe exakte Getriebe wie die Suzuki, über dieselbe Laufkultur. Und präsentiert sich trotzdem etwas kantiger, weil der Freewind-Motor seine Aktivitäten deutlich spürbarer mitteilt. Da passt es gut, dass die Sachs-Ingenieure dem Triebwerk auch gleich einen Schalldämpfer verpassten, der im Vergleich zu den anderen seine Lebensfreude nur so rausposaunt. Entsprechend aktiviert die Roadster 650 drei gemessene PS mehr als die Freewind.
Die Roadster konserviert diese Lebendigkeit auch über das erste Kennenlernen hinaus. Keine Frage, sie ist die fahraktivste Partnerin im Testfeld, macht jede Sekunde des Zusammenseins zum Erlebnis, ohne vom Fahrer besonderen Einsatz zu verlangen. Dafür zeichnet das in diesem Feld am straffsten abgestimmte Fahrwerk verantwortlich, verbunden mit einer Sitzposition, die den Roadster-Gedanken geradlinig interpretiert. So muss sich Peter O´Toole gefühlt haben, in jener Eingangssequenz von »Laurence von Arabien«, als er ausfuhr, um den Wind einzufangen. Wie die Geschichte endete, ist bekannt und die Sachs glücklicherweise Jahrzehnte von solchem Ungemach entfernt. Deren Fahrwerk bleibt nämlich bis zum Topspeed von 166 km/h hier herrscht trotz aller Unterschiede beinahe totale Übereinstimmung im Feld stabil, die Federelemente bieten auch bei flotter Gangart genügend Reserven, selbst wenn sich der eine oder andere eine stärker gedämpfte Frontpartie wünschen würde und sich die Gabel bei harten Bremsmanövern aufgrund der Soloscheibe ein wenig verwindet.
Kleine Schwächen, fürwahr, die aber eine dauerhafte Beziehung nicht trüben sollten. Zumal Verwindungstendenzen den Mitbewerberinen ebenfalls bekannt sind, die auch in anderen Punkten nicht makellos daherkommen. Bei der BMW ist es die vordere Bremse, die mit ihrer schlechten Wirkung der Fahrdynamik ganz undynamische Grenzen setzt, bei der Freewind die unterdämpfte Gabel, die es mit dem Komfort wirklich ein bisschen übertreibt. Denn wenn die besten Stopper im Feld auf welligem Untergrund zubeißen, kann sie das Vorderrad nicht auf dem Asphalt halten. Es fängt an zu Stempeln. Und der MZ macht das in der Zugstufe unterdämpfte Monofederbein zu schaffen, welches in flott durcheilten Kurven den sauberen Strich versaut.
Überhaupt, die MZ: Nur, weil sie sich schon länger auf Single-Partys herumtreibt, ist sie keineswegs unvermittelbar. Denn obwohl man dem technisch aufwendigen Fünfventiler eine gewisse Hemdsärmligkeit attestieren muss, Leistung hat er siehe oben satt. Alle Achtung! Trotzdem sind seine Umgangsformen von der Geschmeidigkeit speziell des Suzuki-Aggregats weit entfernt. Er dreht subjektiv träger hoch und wirkt besonders im letzten Drittel der Drehzahlskala weitaus weniger lebendig um dann jene, die es trotzdem wissen wollten und dem Eintopf diese Tortur zumuteten, mit dem schlagartigen Einsatz des Begrenzers an versäumte Schaltmanöver zu erinnern.
Dass diese Quälerei eigentlich nicht notwendig wäre, zeigt ein Blick auf die Leistungs- und Drehmomentkurve. Hier liegt dieser MZ-Motor wie gesagt, es gab schon schwächere fast immer vorne, wird in der Leistung nur vom BMW-Antrieb zwischen 4500/min und 6000/min überflügelt. Der Grund, warum sich diese Dominanz nicht in überlegenen Fahrleistungen niederschlägt selbst in der Endgeschwindigkeit hängt die zierliche MZ zwei km/h hinter der Konkurrenz her , ist in der nicht ganz gelungenen Getriebeabstufung und der insgesamt zu langen Sekundärübersetzung zu suchen, die auch für die schlechten Durchzugswerte mit zwei Personen verantwortlich zeichnen.
So gilt es also, etwas häufiger zu schalten, selbst wenn die Gangwechsel mitunter lautstark vonstatten gehen. Zum insgesamt eher sportiven Charakter der Skorpion passt das. Die Sitzposition geht in diesem Feld durchaus als versammelt durch. Interessant dabei ist, dass die weit oben und weit hinten angebrachten Fußrasten der MZ keineswegs mehr Bodenfreiheit bescheren als die deutlich weiter vorne positionierten Rasten der Sachs und beide nicht an die Schräglagenfreiheit der BMW und erst recht nicht der Freewind heranreichen. Für die forcierte Zweisamkeit auf der Landstraße reichen die Reserven aber allemal. Ebenso wie die Leistung der Bremsanlage, die allerdings für standesgemäße Verzögerung einen deftigeren Zugriff erfordert als die Stopper der Sachs oder gar der Suzuki. Für kleine Hände hält die MZ-Bremse allerdings ein Handicap bereit: Ihr nicht einstellbarer Hebel ist viel zu weit vom Griff entfernt.
Kleine Mängel alles, zugegeben. Die das aufregende Rendesvous auf der Landstraße kaum weniger spannend und genussreich machen, denn alle vier präsentieren sich in einer Verbindlichkeit, die so manchem PS-Protz-Sportler oder Übergewicht-Tourer gänzlich abgeht. Sie überfordern nicht, stellen keine Ansprüche und bieten doch genug, um beim Piloten niemals Langeweile aufkommen zu lassen. Ideale Bedingungen für eine dauerhafte Partnerschaft. Umso mehr, weil die flotten Singles diese Verlässlichkeit auch in den Alltag hinüberretten. Sie springen auf Knopfdruck stets zuverlässig an auch die Sachs, die im Einzeltest bisweilen den Dienst verweigerte und gehen genügsam mit dem Kraftstoff um. Sie laufen bis zum Topspeed stabil geradeaus, wobei BMW und Suzuki sogar langstreckentauglichen Windschutz liefern, wovon bei der MZ und erst recht der Sachs keine Rede sein kann. Letztere bieten dafür ganz ohne Eifersüchteleien ein kommodes Soziusplätzchen an, die Sachs sogar Beinfreiheit hinten. In dieser Betriebsart werden die Dämpfungsschwächen des MZ-Federbeins dann aber überdeutlich, während bei der Suzuki die hintere Feder einfach zu weich ist. Das wird aber selten auffallen, denn schon das Platzangebot auf der Sitzbank lässt ebenso wie auf der BMW eventuelle Mitfahr-Interessenten Abstand nehmen. Enduro-Gene eben.
Doch das ist strengenommen ohnehin ein anderes Thema. Denn auf so einer richtigen Single-Party suchen zwar viele Fische ein Fahrrad, aber nie ein gemeinsames. Oder?
3. Platz: BMW - F 650 ST
3. PlatzEs reicht nicht ganz für die ST zum Super-Single. Dabei verbucht sie auf der Haben-Seite die kompletteste Ausstattung, prima Sitzkomfort, ein gutes Fahrwerk und praxisgerechte Detaillösungen. Im Soll steht sie bei der Bremsanlage, dem unten herum ruppigen Motor, der Zuladung und dem Preis. Aber bald kommt die Nachfolgerin. Die kann sicher alles besser.
4. Platz: MZ - Skorpion Tour 660
4. PlatzSie ist nicht mehr ganz taufrisch, die MZ, und die Rückbesinnung auf den alten Namen macht noch lange kein neues Motorrad. Dem Motor fehlt es zwar nicht an Leistung, aber an Kultur, der Sekundärübersetzung an Zähnen am Kettenblatt. Dafür hat die MZ den kleinsten Preis und einen ungeregelten Kat. Und sie hat das, was Puristen Beschränkung aufs Wesentliche nennen.
1. Platz: Saschs - Roadster 650
PlatzDas war haarscharf. Nur ein paar Punkte trennen die Sachs von der Suzuki. Kaum der Rede wert. Wohl aber die neue Roadster. Weil sie ihre Linie konsequent durchhält, ohne sich Schwächen bei Motor und Fahrwerk zu leisten. Schade nur, dass Sachs noch nicht ganz am Markt - den Einführungspreis bereits um rund 1000 Mark erhöht hat. An den Qualitäten der Roadster ändert das freilich nichts.
2. Platz: Suzuki - XF 650 Freewind
2. PlatzNeues Gesicht, alter Glanz: Das leichte Facelift der 2000er-Nase hat die Qualtiäten der Freewind nicht verwässert. Toller Motor, hohe Alltagstauglichkeit, unkomplizierter Umgang. Das Bike zum Touristen. Okay, mit dem Komfort übertreibt sie ein wenig, hier wäre weniger in der Tat mehr. Und der Sozius wünscht sich eine längere Sitzbank. Das war es dann auch schon.